Ursachen (JsB - Migration)

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Geringere schulische Vorbildung

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Unter den Bewerbern mit Migrationshintergrund befinden sich im Jahr 2005 mehr Hauptschulabsolventen (49%) als bei deutschen Bewerbern (38%), und weniger mit mittleren Bildungsabschlüssen (32% im Vgl. Zu 49%). Diese Situation hat Anteil daran, dass ausländische Jugendliche insgesamt seltener vermittelt werden. Jedoch haben junge Ausländer trotz formal gleichem Bildungsgrad schlechtere Chancen: Mit Hauptschulabschluß bekommen 31% von ihnen eine Ausbildung (Deutsche: 44%), mit mittlerem Bildungsabschluß 34% (im Vgl. Zu 55%). (Engelbrech/Ebner 2006:3-4)
Granato (2003:478) sieht eine Untersuchung an Bielefelder Schulen von Gomalla/Radtke (2001) als Beleg dafür an, dass der mangelnde Schulerfolg von Migrantenkindern überwiegend auf institutionelle Diskriminierung zurückführen lässt. Des Weiteren nennt sie sprachliche Schwierigkeiten in diesem Zusammenhang. Auch Stomporowski (2004) führt eine Aussage der Integrationsbeauftragten des Bundes an, dass Lehrer häufig mangelnde Deutschkenntnisse zu „Generellen Lernschwierigkeiten“ umdefinieren.


Ausbildungsplatzmangel

Granato (2003:478) sieht als eine weitere Ursache für den Rückgang der Ausbildungschancen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund ein im Durchschnitt der letzten Jahre rückläufiges Ausbildungsangebot. Er trifft in besonderem Maße Jugendliche aus Migrantenfamilien, da ihnen Ausweichmöglichkeiten wie Studium aufgrund ihrer Bildungsabschlüsse seltener offen stehen. Im Jahr 200 studierten 18% der 20-25-jährigen Deutschen an einer Hochschule, aber nur 4% der gleichaltrigen Bildungsinländer mit ausländischem Pass (Jeschek 2002). Daher sind Jugendliche mit Migrationshintergrund stärker auf eine duale Ausbildung angewiesen, wo sie jedoch mit schulisch besser vorgebildeten Bewerbern mit deutschem Familienhintergrund konkurrieren, was ihre Chancen zusätzlich mindert. Der Mangel an Ausbildungsplätzen und –Nachfrage variiert jedoch regional stark.


Rekrutierungsstrategien und Vorbehalte von Betrieben und Verwaltungen

Laut Granato (2003:478f) erschweren Einstellungstest und Kompetenzfeststellungsverfahren, die sie als nur „angeblich kulturneutral“ bezeichnet und denen sie nur geringen prognostischen Wert im Hinblick auf den Ausbildungserfolg zuweist, MigrantInnen den Zugang zur beruflichen Ausbildung. Jedoch nennt sie auch Vorbehalte von Personalchefs speziell gegen Bewerber mit türkischem Migrationshintergrund als Grund, sagt aber auch, dass die Entscheidungen der Personalchefs von Befürchtungen ausländerfeindlicher Vorurteile bei Kunden und Mitarbeitern beeinflußt werden. In besonderem Maße gilt dies für Betriebe die bisher noch keine Erfahrung mit der Ausbildung Jugendlicher mit Migrationshintergrund haben (Schaub 1991). Eine weitere Rekrutierungsstrategie sorgt für Ungleichheit: 25% der deutschen Azubis verdanken ihre Stelle persönlichen Beziehungen der Eltern, aber nur 13% der Azubis ausländischer Nationalität. Zudem sorgen sprachlich oder kulturell bedingte Mißverständnisse zwischen Personalchefs und Bewerbern mit Migrationshintergrund für weitere Ungleichheit.
Selbst in Branchen mit Bedarf an interkulturellem und mehrsprachigen Personal (z.B. personale Dienstleistungen) und Kunden ausländischer Nationalität (Beratungsinstitutionen, Banken, Versicherungen, etc.) werden Jugendliche mit Migrationshintergrund „noch zu selten als Auszubildende und junge Fachkräfte nachgefragt“ (Granato 2003:479). Granato sieht die zumindest ansatzweise ausgebildete Zweisprachigkeit und interkulturelle Basiskompetenz in den Auswahlverfahren der Betriebe als von den Betrieben unterberücksichtigt. Dies verringert zusätzlich die Chancen für Bewerber mit Migrationshintergrund.


Informationsdefizite von Betrieben

Laut Granato (2003) nutzen Betriebe aufgrund mangelnder Information zu wenig ausbildungsbegleitende Hilfen und betriebliche Maßnahmen zur Förderung von Nachwuchskräften aus Migrantenfamilien.


Resignation

Da die Übergangschancen für Migranten mit Haupt- oder Realschulabschluss laut Troltsch (2003) bei 59,2% und 56,9% - und damit in etwa so gut wie die deutscher Bewerber ohne Schulabschluss oder lediglich mit einem Abgangszeugnis – verzichten zwischen 58-61% der Migranten ohne und mit Hauptschulabschluss von vornherein darauf, einen Arbeitsplatz zu suchen (Troltsch 2003:56, Enggruber 1997:203).


Konzentration

Ihre grundsätzlich schlechten Chancen spiegeln sich im Berufswahlverhalten der ausländischen Jugendlichen wieder: sie konzentrieren sich auf wenige, stark frequentierte Berufe. So münden z.B. im Jahr 2001 51% aller weiblichen ausländischen Bewerber in lediglich 4 Berufe (! Nicht Branchen) ein. Im Kontrast dazu seien das Banken- und Versicherungswesen sowie der öffentliche Dienst genannt, wo ausländische Jugendliche die geringsten Anteile stellen (Bethscheider/Granato/Kath/Settelmeyer 2003:34f).


Gestiegene Qualifikationsanforderungen

Laut Stomporowski (2004:11) sind sogar im Handwerksbereich die Qualifikationsanforderungen gestiegen, was neben kognitiven Leistungsvoraussetzungen auch Persönlichkeitsmerkmale voraussetzen, die gerade dieser Bevölkerungsgruppe als defizitär angelastet werden.


Verwendete Literatur

Bethscheider, M./Granato, M./Kath, F./Settelmeyer, A. (2003): Qualifikationspotenziale von Migrantinnen und Migranten erkennen und nutzen! In: Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.): Integration durch Qualifikation – Chancengleichheit für Migrantinnen und Migranten in der beruflichen Bildung. Bonn. 15-20. Wiederabdruck aus Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis, H. 2/2002. Engelbrech, G. & Ebner, C. (2006): Lehrstellenmangel: Alternativen müssen Lücken schließen. Nürnberg: 6 S.; 699 KB Reihe / Serie: IAB-Kurzbericht Nr. 28/2006

Enggruber, R. (1997): Benachteiligte des dualen Systems – chancenlos? In: EULER, D./SLOANE, P. (Hrsg.): Duales System im Umbruch. Pfaffenweiler, 201-222

Gomolla, M./Radtke, F.-O. (2001): Institutionelle Diskriminierung: Die Herstellung ethnischer Differenz in der Schule, Opladen

Granato, M. (2003): Jugendliche mit Migrationshintergrund in der beruflichen Bildung. In: WSI Mitteilungen Heft 8

Jeschek, W. (2002): Ausbildung junger Ausländer in Deutschland: Rückschritte bei der Berufsausbildung, in: Wochenbericht des DIW Berlin. 27

Schaub, G. (1991): Betriebliche Rekrutierungsstrategien und Selektionsmechanismen für die Ausbildung und Beschäftigung junger Ausländer. Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.), Berlin

Troltsch, K. (2003): Bildungsbeteiligung und -chancen von ausländischen und jungen Erwachsenen mit Migrationshintergrund. In: BUNDESINSTITUT FÜR BERUFSBILDUNG (Hrsg.): Integration durch Qualifikation – Chancengleichheit für Migrantinnen und Migranten in der beruflichen Bildung. Bonn, 49-61


                                                                 Autor: Michael Hölzle (2007)