PROTOKOLLE - MuD09 - Gruppe1 - 19.01.

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Maria Varga

Protokoll zur Vorlesung vom 14.1.2010 / Klaus Puhl

Philosophie als Lebenskunst und Selbstsorge von der Antike bis Michel Foucault.


Klaus Puhl stellte in seien beiden Vorlesungen die unterschiedlichen Modelle der Philosophie als Lebenskunst und Selbstsorge vor.

Das antike Modell – durch askesis angestrebte Wahrheit des Selbst (allen Subjekten eigen); Die Regeln dafür wurden diktiert. Descartes – das Subjekt wird zum Wissenssubjekt und konstituiert sich durch Erkenntnis des Evidenten. Nietzsche – die arbeit an sich selbst ist wie die eines Bildhauers; durch sie Überwindung des bisherigen Selbst wird das neue Selbst in eine neu Organisation der Kräfte und Schwächen eingefügt. Wittgenstein – die Freude an meinen Gedanken, ist die Freude an meinem eigenen seltsamen Leben. Für Wittgenstein war Philosophie auch Therapie. Foucault – wir haben uns zufällig aus historischen Situationen entwickelt und müssen deshalb nicht so sein wie wir sind. Die normativen Vorgaben der Antike lehnt er ab. Seien Vorliebe gilt der Technik des sich-von-sich-selbst-lösen und der physischen Grenzerfahrung.

Ich denke, dass Grenzerfahrungen keineswegs nur physischer Natur sein müssen; sie können auch psychischer oder geistiger Natur sein, freiwillig oder unfreiwillig erlebt werden. Es muss einfach die Bereitschaft vorhanden sein, die eigenen Grenzen immer weiter aus zu dehnen und die dafür notwendigen Kräfte rückhaltlos einzusetzen. Die dadurch resultierende Veränderung gelangt so in die Sichtbarkeit. Beispiele: Folter, Inhaftierungen, Schlafentzug, Hunger, Exerzitien, Meditation, Extrem- Bergsteigen, Kriege, etc. Ich zweifle aber sehr stark daran, dass hier noch von Philosophie die Rede sein kann. Ich denke hier wie Wittgenstein eher an Therapie. Philosophie (Wissen in einem bestimmten Kontext erworben als Grundlage des Denkens) als Medium, diese Grenzerfahrungen im neu zu organisierenden Leben einzuordnen. Die Verwertung solcher Erfahrungen (schreiben, malen, musizieren,…) würde ich der Kunst zuzuordnen, wie auch das individuelle Denken ausnahmslos das Sein eines jeden Menschen – ob Philosoph oder nicht Philosoph - prägt. Wissenschaftlich betrachtet gibt es keine Methode, die derartige Erfahrungen in eine Allgemeingültigkeit bringen könnte.

Bernhard Zarzer

Rene Descartes kommt vom natürlichen Zweifel auf den methodischen Zweifel. Speziell bezweifelt R.D. Die res extensa und auch das Existieren anderer Bewusstsein wird deutlich hinterfragt. Es ist nichts gewiss außer, dass ich es bin der denkt. Es könnte auch alles Täuschung , verursacht durch einen Deus malignus, sein. Das Ich, dass diese Gedanken bildet, ist jedoch gewiss. „Cogito ergo sum.“ Dieses Subjekt ist unabhängig vom Äußeren und kann durch reines Denken der Wahrheit immer näher kommen. Friedrich Nietzsche hat die Frage des gelungenen Lebens wieder aus den Aufzeichnungen der Antike aufgegriffen. Am besten sei seiner Meinung nach, wie ein Bildhauer an sich zu arbeiten und dabei Übung zu bekommen, um selber zu werden bzw. aus sich ein Kunstwerk zu kreieren; etwas Neues (deutlich im Gegensatz zur antiken Einstellung). Nietzsche stärkte die progressive Kreativität und wollte die christliche Moral verwerfen. Die Erkenntnis hat bei ihm lediglich den Stellenwert eines Mittels. Nur durch Akte, durch Handeln arbeitet man an sich selbst. Durch Handlungsgrenzen ergibt sich dann die Frage, wie man leben kann. Er kritisiert an Kant und Descartes, dass die Trennung von Subjekt und Körper fiktiv sei, da man unabhängig vom Körper nicht agieren kann und daran gebunden ist. Außerdem lehnt er den kategorischen Imperativ Kants ab, übernimmt aber die Autonomie des Selbst. Ludwig Wittgenstein hatte gute Beziehungen zum Wiener Kreis, der motiviert war die Philosophie „wissenschaftlicher“ zu machen. Er selber wollte sie eher wie Nietzsche ästhetisch betrachten. (Philosophie sollte eigentlich nur gedichtet werden.) Zusätzlich vertritt er die Meinung „we use fiction to talk about facts“. Ähnlich wie schon zuvor erwähnt, betonte er, dass Philosophie nur dann etwas wert ist, wenn sie verändert. Er gehört auch zu einen der größeren Metaphysikkritiker und erklärte, dass viele Probleme dieser Sparte Scheinprobleme, verursacht durch sprachliche Probleme. Michel Foucault meinte, dass die Gesellschaft, wie sie ist, durch zufällige Elemente der Vergangenheit geschaffen wurde (Genealogie). Durch Vergleiche mit anderen und früheren Kulturen wird das deutlich und man kann durch die Differenz einiges lernen oder unsere Traditionen und Angewohnheiten relativieren. Die Sexualität war einer dieser Bereiche, die er analysierte. Er richtete seine Aufmerksamkeit unter anderem auf den fehlenden Begriff für Sex in der Antike, der mit dem allgemeinen Begriff aphrodisa, der für Sex, Trinken, Essen z.b. stand oder die Penetration, wobei dies in der Antike bei den Griechen verpönt war, weil der penetrierende Mann mangelnde Selbstbeherrschung hatte und der Penetrierte unfrei das passiv erlitt. Die platonische Liebe war das Ideal. Durch die Genealogie soll es zur Auflockerung der Gesellschaft kommen, wobei das nützlich ist um sich selbst zu analysieren. Seine kritische Ontologie des Ich-selbst war der erste Schritt an sich zu arbeiten. Kritische Ontologie deshalb, weil man kritisch, ohne Illusionen, das betrachten soll, was man ist und nicht was man erkennen kann.


Gerald Lederer

Prof. Puhl: Philosophie als Selbstsorge

Während wir in der Vorwoche einen Vortrag über das Verhältnis von Philosophie und Selbstsorge bzw. Lebenskunst in der Antike hörten, wurde in der vergangenen Einheit dasselbe Phänomen anhand "moderner(er)" Philosophen beleuchtet werden. In der Antike war es selbstverständlich, Philosophie mit körperlichen Übungen einhergehend zu verstehen. Dabei waren diese Übungen stets allgemeine Paradigmen und dementsprechend normative Vorgaben, deren Einhaltung ein besseres Leben versprach. Somit war auch die Wahrheit allgemein zugänglich und gerade nicht subjektbezogen.

Aus diesem Grund darf es nicht verwundern, wenn durch Rene Descartes mit dieser Tradition endgültig gebrochen wird. Descartes schafft durch seinen methodischen Zweifel den Übergang zum philosophischen Subjekt. Die Erkenntnis - und damit einhergehend das bessere Leben - sind somit rein auf das jeweilige Subjekt fokussiert bzw. egozentriert. Dabei ist festzuhalten, dass der methodische Zweifel eine rein theoretische Beschäftigung ist, aus der letzten Endes die res cogitans bzw. die res extensa entspringen. Dieser Trennung des Bewusstseins und der Außenwelt hat nicht nur eine konsequente Trennung von Wissens- und Handlungssubjekt, sondern dementsprechend auch die Überlegung, dass dieses Wissen ohne jede Art der Selbstsorge gewonnen werden könne, zu folgen. Philosophie und Selbstsorge gehen notwendigerweise vorübergehend getrennte Wege.

Erst mit Friedrich Nietzsche wird die Frage der Selbstsorge rehabilitiert. Allerdings fragt Nietzsche nicht wie gelebt werden soll, sondern wie gelebt werden könnte. Dies entspricht sehr genau der moralphilosophischen Überlegungen Nietzsches, die Imperative ablehnt. Der vielzitierte "Übermensch" mache sich seine Regeln selbst (was ihm allerdings nicht wie so oft vorgeworfen die Freiheit völliger Amoralität gewährleistet), er bedarf keiner Anleitung mehr. So polemisiert Nietzsche nicht nur gegen die katholische Kirche und deren asketische Bräucher, die allesamt nur von den Griechen übernommen worden sein, sondern auch gegen das cartesianische Subjekt sowie alle andere Erkenntnis, die vorgeblich bereits in uns steckt (wie z.B. der kategorische Imperativ), nur noch nicht erkannt wurde. Er argumentiert gegen jede Art von vorgeschriebener Wahrheit oder Lebensführung und hält dem stets die Autonomie und Freiheit des Einzelnen, der sich zu setzen und zu schaffen habe, Gegenüber. Nicht wie er soll, sondern wie er kann, hat sich der Mensch zu schaffen. Dabei hebt er- die Arbeit an einem selbst mit der eines Bildhauers vergleichen - immer wieder die Kreativität und Einmaligkeit des Einzelnen, hervor, wobei dieser (der Einzelne) stets als wechselnde Ordnung, die er sich selbst verpasst, verstanden werden muss.

Ludwig Wittgensteins Verhältnis zur Philosophiei ist sehr ambivalent. Allerdings steht fest, dass auch für ihn Philosophie mit der Arbeit an einem Selbst verbunden ist. Dabei sollte allerdings nicht übersehen werden, dass Wittgenstein die Philosophie - vor allem die akademische Philosophie - als nicht sonderlich hilfreich für ein gelungenes, glückliches Leben hielt. Nicht nur, dass er Zeit seines Lebens eine große Abneigung gegenüber vieler Berufsphilosophen hatte, ging er immer wieder arbeiten nach, die er für nützlicher hielt und riet auch vielen seiner Studenten, das Philosophiestudium abzubrechen und Medizin oder Ähnliches zu studieren. Dementsprechend ist seine Philosophie auch eher eine Absage an die Philosophie selbst. Diese beruhe größtenteils auf sprachlichen Mißverständnissen, sei eine Krankheit, die auszumerzen er sich zur Aufgabe machte. So entwickelt er eine Methode, die ihm erlaubt, das Philosophieren abzubrechen, wenn er wollte. Für Wittgenstein war es weitaus wichtiger, ein gutes Leben zu führen, als ein großer Philosoph zu sein. Dabei spielt nicht nur Bescheidenheit, Ehrlichkeit und Loyalität eine große Rolle, sondern vorallem Aufrichtigkeit gegenüber sich selbst und anderen.

Erst mit Michel Foucault wird die Lebenskunst wieder ins Zentrum der philosophischen Tätigkeit gerückt. Dabei spielt für ihn vorallem die Genealogie eine große Rolle, die ihm die Zufälligkeit seiner gegenwärtigen Situation vor Augen hält und auf diese Art relativiert. Die Frage, was wir heute sind, beantwortet er durch historische Zufälligkeit und erreicht so eine Relativierung. Überhaupt scheint Relativierung für ihn wichtig gewesen zu sein, denn auch die Vorstellung, in einer völlig anderen Gesellschaft zu leben, soll auf gegenwärtige Probleme relativierend wirken. Der Griff der Gesellschaft könne durch die Vorstellung einer anderen Gesellschaft gelockert werden.

Die Arbeit an einem selbst sei auch lohnend, da nicht gewusst werden kann, wer man nach dieser Arbeit sein wird. Der erste Schritt hierfür wäre - Analog zu Kants sapere aude - die Auffindung des gegenwärtigen Zustandes, da dieser die Voraussetzung zur Selbstschaffung als Kunstwerk darstellt. Nicht mehr länger das zu sein, was wir sind, scheint hier das große Ethos des philosophischen Lebens zu sein.


Helmut Eder, Angela Strohberger

Ringvorlesung Prof. Puhl, 14. 1. 2010

Untertitel: „Whatever works“ - rezenter Film von Woody Allen


Im zweiten Teil seiner Ausführungen entwickelte Puhl seine Gedanken weiter, wie sich der Begriff und Inhalt der Selbstsorge in der Philosophie seit der Antike geändert hat. Er bezieht sich auf Descartes, Nietzsche und schlussendlich Foucault in unserer Zeitepoche.

Ein zentraler Aspekt seiner Ausführungen ist, dass sich ein „Wie soll ich leben?“ auffächern lässt in die prinzipielle Frage, „Wie kann ich leben?“ Erst durch diesen Schritt kann ein Mensch verschiedene Möglichkeiten aus seiner Warte beurteilen und nach erfolgter Wahl versuchen, dies als mündiges Individuum umzusetzen.

Im weiteren versuchen wir, auf die von Puhl formulierten möglichen Probleme, die sich im Zusammenhang mit seinem Vortrage ergeben könnten, einzugehen:


Problem I: Worin besteht die personale Einheit, wenn das Selbst in seinen jeweiligen Änderungen und Transformationen besteht? Was transformiert sich da?

Antwort: das Selbst, das sich selbst dauernd auf Grund seiner Interaktionen mit der Umwelt ändert, kann unserer Meinung nach nicht als eine stabile, unveränderliche Entität gesehen werden. Das lässt die Frage offen, inwieweit von der Umwelt herangetragene potentielle Veränderungen per Zufall ins Selbst integriert werden oder durch eine „steuernde, zentrale Einheit“ akzeptiert bzw. verworfen werden. D. h., kann der Mensch sich bewusst für oder gegen Veränderungen entscheiden bzw. zulassen oder geschieht dies außerhalb seines Bewusstseins?


Problem II: Ist das Programm einer Philosophie als Lebenskunst nicht doch wieder nur, wie schon in der Antike, einigen Privilegierten vorbehalten, die über die notwendige Zeit, Muße und Bildung verfügen?

Problem III: Wie kann man die Selbstsorge vom egoistischen Paradigma der Moderne und dem Riesenangebot an Individualitäts- und Selbstverwirklichungsprogrammen abgrenzen?

Antwort auf Problem II & III: Prinzipiell kann spekuliert werden, dass basierend auf den technologischen Fortschritt der Neuzeit, relative große Teile der Bevölkerung im Vergleich mit der Menschheitsgeschichte so wenig wie noch nie arbeiten müssten, um sich am Leben zu erhalten. Tatsache ist jedoch, dass weite Kreise der Bevölkerung bisher vergleichsweise so lange und so intensiv wie noch nie arbeiten, um sich ihren „Lebenstraum“ erfüllen zu können. Das heißt, dass sich Zeit und Muße finden ließe. Ebenso verhält es sich mit der institutionalisierten Bildung, die scheinbar für weite Kreise prinzipiell zur Verfügung steht. Unserer Einschätzung nach beschäftigen sich aber jene, die Zugang zur Bildung haben, nicht zwingend mit Fragen die das eigene Lebensmodell kritisch durchleuchten.

Was in der heutigen Zeit eher fehlen dürfte, ist eine Diskussion über mögliche „Lebensmodelle“ der Einzelne leben könnte, und auf welchen prinzipiellen Werten und Überlegungen diese verschiedenen Lebensmodelle basieren. Dieser Diskurs findet jedoch in unserer Zeit generell nicht statt, dafür wird versucht, mit einem Überangebot an Büchern, Kursen, etc. die sich aus dem heutigen Leben ergebenden unerwünschten Nebenwirkungen mit einer Fülle von Therapien zu lindern, ohne notwendigerweise das Lebensmodell, auf dessen Basis sich diese negative Konsequenzen ergeben müssen, prinzipiell und kritisch zu hinterfragen.

Damit stehen wir vor dem Paradox, dass sich weite Kreise der Bevölkerung der Frage stellen könnten „welches Leben könnte ich führen“ (im Sinne dass alternative Lebensformen prinzipiell möglich wären). Dies gelingt aber schwerlich, wenn man zu seinem Lebensmodell nicht in Distanz treten kann und sich Zeit, Energie und Muße nimmt um zu reflektieren. Dies wäre unserer Auffassung nach unter anderem Aufgabe der Philosophie, dass Sie verschiedenen Lebensformen


- in einer für die Betroffenen gleichermaßen verständlichen Form,

- mittels der von dieser Gruppe üblicherweise verwendeten Kommunikationsmittel,

- auf Basis eines durchdachten nachvollziehbaren Denkmodells


versucht, verschiedenartige Lebensmodelle zu entwickeln und zu erläutern. Wenn dies gelänge, würde womöglich durch den damit ausgelösten Diskurs auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen der einzelne Mensch eine „mündige“ , selbst bestimmte Wahl bezüglich seines „Lebenstraumes“ bzw. -modells verfolgen.


Problem IV: Wie weit lässt sich das Leben überhaupt mit einem Kunstwerk vergleichen? Müsste dazu, sieht man von Äußerlichkeiten wie Kleidung etc. ab, nicht das Selbst von seinem Leben, wie der Künstler von seinem Material, getrennt sein?

Antwort: Während im Problem I die Fragestellung „personale Einheit zum Selbst“ thematisiert wird, geht es hier um die Beziehung zwischen dem „Selbst und dem damit verbundenen Leben“. In beiden Fragen geht es um die gleichzeitige Einheit und Differenz von 2 Elementen/Entitäten. Die Wechselwirkung zwischen „Selbst“ und „Leben“ ist uns nicht klar. Um es an einem Beispiel zu illustrieren: wird eine Person inhaftiert, so ändern sich dessen Lebensumstände dramatisch. Führt dies dazu, dass sich das Selbst im ähnlichen Ausmaß ändert?


Tobias Göllner

Puhl II:

• Worin besteht die personale Einheit, wenn das Selbst in seinen jeweiligen Änderungen und Transformationen besteht? Was transformiert sich da?


Ich stimme hier mit Eder und Strohberger überein, alsdass man das Selbst nicht als stetige Einheit sehen kann. Das Selbst wird von der Umwelt beeinflusst und vice versa. Nach welchen Mechanismen dies erfolgt, also welche Einflüsse angenommen, abgestoßen oder gar nicht erkannt werden, ist wohl sehr individuell und lässt keine allgemeingültige Aussage zu. Ich denke jedoch schon, dass man sich teilweise gezielt für oder gegen einen Einfluss entscheiden kann. Etwa mit welchen Menschen ich verkehre, etc..


• Ist das Programm einer Philosophie als Lebenskunst nicht doch wieder nur, wie schon in der Antike, einigen Privilegierten vorbehalten, die über die notwendige Zeit, Muße und Bildung verfügen?


Ja und nein. Ich denke jeder Mensch befasst sich auf seine Weise mit dem Leben. Wenn man über das Wissen über bestimmte philosophische Werke verfügt, aber sicher auf einer anderen Ebene. Doch die Grundfragen denke ich sind in jedem Menschen vorhanden. Vielleicht kann man sagen, je mehr wohlstand desto intensiver könnte ich mich mit der Philosophie der Lebenskunst beschäftigen. Ich würde mich davor hüten zu sagen, weite Teile können sich damit beschäftigen, alleine in Anbetracht auf Entwicklungsländer und so weiter.


• Wie kann man die Selbstsorge vom egoistischen Paradigma der Moderne und dem Riesenangebot an Individualitäts- und Selbstverwirklichungsprogrammen abgrenzen?


Diese Frage ist für mich unklar. Man kann im Zuge seiner Selbstsorge solche Selbstverwirklichungsprogramme in Anspruch nehmen oder auch nicht. Ich habe mit soetwas keine Erfahrung und auch keinen Bezug.


• Wie weit lässt sich das Leben überhaupt mit einem Kunstwerk vergleichen? Müsste dazu, sieht man von Äußerlichkeiten wie Kleidung etc. ab, nicht das Selbst von seinem Leben, wie der Künstler von seinem Material, getrennt sein?


Ein Leben wird wohl nur durch Betrachtung und Bewertung von Außen als Kunstwerk gesehen, außer jener Mensch ist so erfüllt von seinem Leben, dass er es auch selbst als solches bezeichnen kann. Es erscheint mir aber unüblich, das Menschen soetwas tun. Weiters besteht wohl wieder eine Wechselwirkung zwischen Leben und Selbst, so wie zwischen Künstler und Kunstwerk. Ein Fallbeispiel: Ein Maler beginnt ein Werk mit einer Vision, ihm kommen aber während des malens und betrachtens des Werkes, neue Ideen. Er kann nun diese neuen Ideen direkt in sein Werk einfließen lassen und es wird am Ende anders aussehen als er sich es vorgestellt hatte, oder er legt die Ideen auf Eis und verwendet sie anderweitig.



Laura Aricochi

Protokoll zur Ring-VO am 14.01.2010

Philosophie als Lebenskunst und Selbstsorge von der Antike bis Michel Foucault Teil 2

Im 1.Teil der Vorlesungen von Prof. Puhl ging es um die Philosophie als Lebenskunst und Selbstsorge in der Antike, wo die Wahrheit des selbst oder auch ein besseres Leben vor allem durch askesis, also geistigen und körperlichen Übungen erreicht werden sollte. Diese Wahrheit war also eine allgemeine und konnte vom Einzelnen gelernt werden. Im 2. Teil ging es um dasselbe Phänomen, aber mit modernen Philosophen, nämlich René Descartes, Friedrich Nietzsche, Ludwig Wittgenstein und Michel Foucault.

René Descartes wendet sich mit seinem methodischen Zweifel deutlich vom antiken Modell ab. Er ist nämlich nicht mehr der Überzeugung dass die Wahrheit des Selbst askesis erreicht wird, sondern trennt das Bewusstsein und die Außenwelt oder auch die geistige und materielle Welt. Das philosophische Subjekt beschäftigt sich nur mit sich selbst und Wahrheit kann man laut Descartes durch reines Nachdenken erreichen und Philosophie und Selbstsorge sind für ihn zwei verschiedene Dinge.

Friedrich Nietzsche hält die praktische askesis der Antike bei und ist gegen die christliche askesis, d.h. die Frage der Selbstsorge wird beim ihm wiederbelebt. Bei ihm steht die Frage im Mittelpunkt wie gelebt werden könnte. Alle vorgegebene Erkenntnis und Wahrheit, alle vorgeschriebenen Richtlinien und Regeln zu einer gelungenen Lebensführung, alle Imperative sind für Nietzsche nur fiktiv und sinnlos, denn der Mensch soll sich selbst schaffen und indem er ihn mit einem schaffenden Bildhauer vergleicht, zeigt Nietzsche die Kreativität jedes einzelnen Menschen im sich selbst schaffen. Regeln hätten nur die Wirkung einer Unmoral, der Mensch soll frei sein, soll sich seine Regeln selbst schaffen und selbst beherrschen indem er sein bisheriges Selbst immer wieder überwindet und in ein neues Selbst einordnet.

Ludwig Wittgenstein stand in einem zwiespältigen Verhältnis zur Philosophie, denn er sah die Philosophie als eine Krankheit, aber gleichzeitig auch als Heilmittel dieser Krankheit. Eine Krankheit deshalb, weil der Drang zum Philosophieren wie eine Art Psychose ist (Einfluss von Freud) und weil sie ein Hindernis zu einem gelungen und glücklichem Leben sein kann. Nämlich dann wenn durch sprachlichen Missbrauch philosophische Probleme entstehen. Diese Krankheit will Wittgenstein aber überwinden und dazu entwickelt er eine Methode oder man könnte es auch Therapie nennen mit welcher er jederzeit das Philosophieren abbrechen kann. Wittgenstein hat eine Ablehnung gegen die wissenschaftliche Philosophie, also auch gegen die Berufsphilosophie, denn für ihn ist Philosophie die Arbeit und Veränderung eines Selbst und der anderen. Es besteht jedoch auch noch eine Verbindung zur Antike, nämlich durch die praktische askesis: man ist nur fähig die Wahrheit zu sagen, wenn man sich selbst bezwungen hat.

Michel Foucault hat sich wieder wie in der Antike sehr viel mit der Selbstsorge und Lebenskunst beschäftigt. Er beschäftigt sich mit Hilfe einer genealogischen Rekonstruktion mit der Abstammung der heutigen Menschen und mit dem was uns zu dem gemacht hat was wir heute sind, bzw. damit was man tun könnte um dieses Dasein zu verändern, um nicht so zu sein wie die Gesellschaft es von uns fordert, denn das Leben könnte auch anders sein. Das Ziel der Philosophie war es also sich von sich selbst zu lösen und dazu musste man sich zuerst einmal selbst erkennen, also sich selbst kritisieren, historisch analysieren und mit den Grenzen der Möglichkeit experimentieren, was bei Foucault sehr im Mittelpunkt stand. Foucault nennt dies eine „kritische Ontologie unserer selbst“. Und um dies am besten zu erreichen, sollte man Grenzerfahrungen ausprobieren und vor allem viel schreiben.

Sophie Haas

Ringvorlesung Puhl

1. Descartes

2. Nietzsche

3. Wittgenstein

4. Foucault

1. Descartes gilt als der Begründer der neuzeitlichen Philosophie, indem er den Menschen auf ein erkenntnisfähiges und –ausgerichtetes Subjekt reduzierte. Er gestaltete so den Übergang zum philosophischen Subjekt mit und integrierte in den Prozess der Selbsterkenntnis die Naturerforschung (Selbsterforschung). Das Philosophische Subjekt ist bei Descartes, selbstkonzentriert, fast narzisstisch und beschäftigt sich nur mit sich selbst. Dem Subjekt gegenüber steht der Körper bzw. die gesamte materielle Welt und führt ein dualistisches Bild nach Antiken Modell weiter. Durch diese Spaltung hat die askesis in der Form der Beherrschung des Körpers keinen Einfluss mehr auf die Erkenntnis der Wahrheit, der Prozess wird rein theoretisch. Er geht weiter und koppelt das Streben nach dem Guten komplett von der Kenntnis der Wahrheit ab- „jeder der Denken kann, hat Zugang zur Wahrheit“ und erweitert den Begriff der Erkenntnisträger vom freien Mann (Antike) auf alle Menschen.


2. Nietzschebezeichnet alle Erkenntnismodelle als fiktiv: sie sind aus psychologischen Bedürfnissen, Nützlichkeitserwägungen, moralischen Imperativen heraus fingiert worden. Für Nietzsche gibt es nur das selbst, die eigene Person und übernimmt hier die Kantsche Autonomie der Person, die Selbstgesetzgebung. Durch den Tod Gottes (und allem Absolutem) wird Gut und Böse aufgelöst, der Mensch kann seine Wertenergie, die bisher fehlgeleitet auf einen platonischen Ideenhimmel, auf abstrakte Vernunftskategorien, auf einen personellen Gott, auf das Diesseits richten, die Welt der Sinne und des Körpers. Dies darf allerdings nicht als Aufruf zum morallosen Zustand verstanden werden, vielmehr hätten die „alten Tafeln“, die heteronorme Moral auf den einzelnen die Wirkung der Unmoral. Befreit von allen verpflichtenden Kräften kann der Mensch nun sich dem Schaffen zuwenden, das Selbst existiert für Nietzsche gar nur in seinem Akt, in seinen Schaffen. Mit dem Willen zu Schaffen kann der Ekel an dem endlichen Leben im Chaos der Konfrontation überwunden werden. Der Wille befreit! Trotz seiner ständigen Polemik gegen Platon’s Philosophie (es ist schon fast eine negative Fixierung laut Heidegger) behält Nietzsche die antike Unterordnung der Erkenntnis unter die praktische Askese (der Antike und nicht was das Christentum aus ihr gemacht hat).


3. Wittgenstein entwickelte seine Theorien wie auch Karl Popper in kritischer Nähe zum Wiener Kreis. Er distanziert sich aber im Gegensatz zu seinem Kollegen von einer wissenschaftlichen Philosophie. Der Wiener Kreis, später durch das NS-Regime zerschlagen, ging sogar so weit, „Alle Philosophie, die nicht logischen Ansprüchen genügen, sollte als "sinnloses Gerede" bezeichnet werden.“ Er baute den Gegensatz mit seiner Entscheidung für eine Philosophie des Lebens in dieser Form erst auf. Ziel seiner philosophischen Arbeit war die Veränderung seines Selbst und das der anderen. Er ist nahezu besessen von der Idee der Selbstveränderung und radikalisiert sie als er sich als Freiwilliger für den ersten Weltkrieg meldet. Er denunziert die Probleme der Tradition als Scheinprobleme, da ihre Entwickler die Logik der Sprache nicht verstanden haben. Sprache ist maßgeblich für unsere Erkenntnisfähigkeit. Damit löst einen gewaltigen Diskursbedarf aus, der ein Komplott von neuen Fragen in der theoretischen Philosophie mit sich zieht, später wird dies als „linguistic turn“ die Sprachkritische Wende beschreiben. Sie glich dabei vorallem in den ästhetischen Untersuchungen Nietzsche und verstand seine Philosophie als Dichtung. Er selbst stand in einem zwiespältigen Verhältnis zur Philosophie: er sieht in ihr sowohl ein Heilmittel des Übels als auch die Ursache. Die Wahrheit erreicht man durch Bezwingung seiner Selbst- hier unterstreicht also deutlich den Aspekt der Selbsterkenntnis. Alle Philosophie ist Sprachkritik- die Sprache, die ich spreche, das Sprachspiel, das ich spiele, ist verantwortlich dafür, welches Weltbild ich habe. Und so kann Philosophie auch zum Hindernis für ein gelungenes/gutes Leben werden. Er unterstellt seinem Drang nach Philosophieren den Mechanismus einer Psychose und zeigt sich von Freud stark beeinflusst. Er hat –trotz mehreren Versuchen als Architekt, Gärtner oder Volkschullehrers- es nie geschafft sein aktives Philosophieren abzubrechen.


4. Foucault setzte sich in seinen letzten beiden Werken- Gebrauch der Lüste und Sorge um sich- intensiv mit der Lebensführung in der Antike auseinander. Er vereint die philosophischen psychologischen und historischen Fokusse um die Abstammungsgeschichte des modernen Menschen zu rekonstruieren. Dabei arbeitet er die Abfolge der Zufälle heraus, die uns zu dem gemacht haben, dass wir sind, und liefert damit Input für die Diskussion der Frage „Was könnten wir sein?“ Er beschäftigt sich im Rahmen dieses Projektes mit der Begriffsgeschichte der Sexualität. In der Antike wurde Sexualität in den Sammelbegriff „aphrodisia“ eingeordnet, der auch den Genuß bei der Einnahme von Speisen beschreibt. Sexualität war eben nur ein Aspekt des seins und ihm wurde erst durch die Christianisierung ein höherer Stellenwert verliehen. Problematisiert wurde hauptsächlich die Sexualität zwischen zwei Männern, da diese Auswirkungen auf die gesellschaftliche, politisch-hierarchische Struktur hatte. Im Mittelpunkt des Interesses stand die Frage „Wer penetriert wen?“. Diese bewegte sich nicht in einem moralischen Kontext, sondern richtete sich an das richtige Maß und die Selbstbeherrschung. Der passive Partner gibt aus einer Selbstentscheidung heraus seine Freiheit auf und ist somit gesellschaftlich weniger angesehen und wird für gewisse Ämter nicht mehr in Betracht gezogen. Dies allerdings wird nicht direkt als Schwäche anzusehen, sondern dient zu einer Einteilung des Charakters hinsichtlich der Eignung für bestimmte politische Positionen. (Platon lebte zölibatär). Ein kleiner Exkurs: die Frau gehörte in der Antike zum Inventar des Haushalts und Eigentum des ihr übergestellten Mann (Vater, Ehemann). Zwar war treusein hoch angesehen und zeugte von Selbstbeherrschung, ein fremdgehen hatte allerdings keine Konsequenzen für den Mann, während es legitim war, fremdgehende Frauen nach ihrem Seitensprung zu töten. Schriftlich verfasst wurden diese Umstände allerdings kaum, wobei Puhl zwei Thesen angeführt hat: a) Die Mann-Frau Beziehung wurde in der Antike nicht problematisiert oder b) hatte nicht die Wichtigkeit, um textlich verfasst und überliefert zu werden. Foucaults Intention lag nicht darin, die antike Selbstsorge und Lebenskunst als Modell für die heutige Zeit zu revitalisieren, da dieses ein penibles System von Regeln und Vorgaben vereinte- „jede Zeit hat ihre eigenen Probleme“. Die Differenz wird in jenem Punkt deutlich an dem Foucault die Arbeit an einem selbst von der „Ablösung des selbst von sich“ abhängig macht- nur so kann eine kritische Analyse der jetztigen Situation stattfinden. Er stellt dabei die sozialen und psychologischen Grenzen in den Mittelpunkt, die es auszuloten gilt. Foucault befand sich auf der permantenten Suche der Grenzerfahrung. Er bezeichnet dies als die „Kritische Ontologie des Lebens“, die sich mit den Fragen nach dem Grundstoff des Lebens und „Wer bin ich“ auseinandersetzt.

Hannes Hentschke, Tom Baerwald

Prof. Puhl hat in keiner seiner Lesungen eine Powerpoint-Präsentation dazu verwendet den Vortrag zu begleiten. Das für üblich eher unvorteilhafte Ausbleiben von Folien haben wir so aufgefasst, als dass der Vortragende damit breiteren Interpretationsrahmen bieten und mehr Möglichkeit zum Weiterdenken geben wollte. Diesen Gedanken konsequent verfolgend werden wir versuchen ausschließlich auf einen der vom Professor angeführten Philosophen, namentlich Wittgenstein, einzugehen, um einen der vorgestellten Aphorismen zu problematisieren. Der von Puhl erwähnte Satz Wittgensteins´ : Probleme der Philosophie sind Großteils Scheinprobleme. eignet sich unserer Rezeption zufolge hervorragend dazu einige denkerische Ansätze zu liefern, ohne sich dabei Denkrichtungen großer Namen der Philosophiegeschichte ehrfürchtig unterordnen zu müssen. Wie wäre es den Spieß umzudrehen und Wittgenstein einen enorm verwegenen Vorwurf machen?- nämlich den zu behaupten: Wittgenstein hat durch seine Theorie der sprachlichen Verwirrung die Philosophie missverstanden. Somit hat sein Vorwurf, dass philosophische Probleme durch die Entwirrung sprachlicher Komplikationen beseitigt würden nur auf ihn bezogen Wahrheitsgehalt. Denn indem er die formal sprachlichen Techniken der Philosophie so massiv kritisiert, scheint er die Finesse dem Leser durch oft schwammige Formulierungen und unklare Definitionen Hürden in den Denkweg zu stellen, zu verkennen. Solch schwammige Formulierungen können nämlich dazu auffordern mehr Wendigkeit und Flexibilität im Denken des Lesers aufkeimen zu lassen. Exakt diese Wendigkeit soll den Leser in weiterer Folge dazu ermächtigen die aufgestellten Hürden zu überwinden. Dabei ist der Erziehungscharakter der Philosophie großgeschrieben. Abgesehen von der Tatsache, dass durch sprachliche Divergenzen vermeintliche Selbstverständlichkeiten problematisiert werden können , wäre es interessant herauszufinden, ob es Schwierigkeiten, Probleme per se gibt. Wie könnte so ein Problem per se nun aussehen?-Das Wesen des menschlichen Geistes ist grundsätzlich problemorientiert (seit der Entwicklung der Großhirnrinde und des Freiwerdens der Hände). Das soll heißen, dass mit zunehmender Reflexion die Sinnlichkeit des Menschen einbüßen musste und dadurch wahre Hindernisse zur Abstraktion gemacht werden konnten, was folgert dass Probleme die für den einen massiv waren für den nächsten, der davon Wind bekam nur als Banalitäten erschienen.

Michael Brunner

Über die Ring-Vorlesung vom 14.01.2010: Klaus Puhl: Philosophie als Lebenskunst und Selbstsorge von der Antike bis Michel Foucault , II.

In der zweiten Ring Vorlesung, die Klaus Puhl gestaltet, zeichnet dieser die Idee der Philosophie als Lebenskunst in ihrem Weg bis zur historischen Gegenwart nach. Er tut dies anhand personaler Beispiele. Die Vortragsmethodik betreffend wirkt die zweite im Vergleich zur vorangehenden Vorlesung Puhls stringenter , ein roter Faden ist leichter zu finden und zu verfolgen. Sich anhand prägnanter Sentenzen der ausgewählten Vertreter eines Gedankens entlang hangelnd, erschließt er diese dem Publikum und liefert vor allem zu Ludwig Wittgenstein Interpretationen, die das geläufige Halbwissen über das tradierte Verständnis desselben übersteigen. Die Namen , denen neben Wittgenstein das Interesse des Vortragenden gilt, sind Descartes, Nietzsche und Foucault. Ich möchte mich das Angebotene verarbeitend vor allem mit Friedrich Nietzsche beschäftigen,abschliessend soll zu den vorgeschlagenen Diskussionsfragen kurz Stellung genommen werden.

Die Unmittelbarkeit. Erfindung der Existenz-Ästhetik. Der Philosoph als Geist der Geschichte: Friedrich Nietzsche

Derjenige Grund, der Friedrich Nietzsche seit jeher und wohl noch lange zum Unverstandenen stempelt, ist seine methodische Andersartigkeit. Eine strukturelle Undurchsichtigkeit, ein lyrisches Textverständnis, die Einsicht das Signifikat lasse sich nicht allein durch die Worte selbst einkerkern, sondern durch ihren Zusammenhang, ihre Bilder, zeichnet sein Philosophieren aus. Das die Wissenschaft schaudern machende Risiko macht ihn wertvoll, zugunsten einer völligen Mit-Erleuchtung des Konsumenten, der Möglichkeit in den Schwung des Denkens selbst hineinzugeraten, den Text einem reinen Selbstzweck preiszugeben. Beruhigend weiß er wohl, dass selbst dann das Verstehen eines ist, wenn es nicht intersubjektiv ident, immer jedoch furchtbringend ist für den behandelnden Geist. Der reinen Unmittelbarkeit, die in der Asystematik des Aphorismus gipfelt, wird, ihn Genie und Märchen nennend, ein Mangel an Reflexion vorgeworfen. Mit Nietzsche sind auch Derrida und Heidegger( der allerdings ein klein wenig anders zu charakterisieren ist)die wirkmächtigsten Philosophen des erweiterten 20. Jahrhunderts, und dies nicht aufgrund der Neugier weckenden, trüben Tiefe ihrer Wasser. Gerade die bewusste historische und interpretative Offenheit dieser Denker erlaubt ihnen nicht an systemischen Mängeln zu scheitern und wissenschafts-ideologischen Verschwörungen und Moden zum Opfer zu fallen, sie wollen nichts weniger leisten als ein Abbild zu schaffen der geistigen Möglichkeiten ihrer Zeit, eine Charakteristik einer historischen Geistigkeit überhaupt, und keiner wird bezweifeln, dass Nietzsche nicht weniger beobachtet hat als eine geistige Wende, die sich bestätigt und in vollem Ausmaß von ferneren Blicken noch klarer zu werden verspricht. Nicht zuletzt bleibt selbst Wittgenstein, der der Fernste zu Nietzsches Dramatik schien, sich seiner Methodik anzuschließen, und sein Denken unbehauen zu hinterlassen.

Nietzsche propagiere antike Selbstverständlichkeiten wiederbelebend die neuerliche Unterordnung der Theorie unter die praktische Asketik. „Uns selber zu machen, aus allen Elementen eine Form zu gestalten- das ist die Aufgabe!“, sagt er zu Recht. In seiner gnadenlosen Transzendenzkritik bleibt ihm zwar keine andere Wahl als die bescheidene Genügsamkeit und Akzeptanz in der Existenz das Gebotene zu nennen, doch seine Philosophie beschreibt so eine Ethik der Tatsächlichkeit, der Bejahung, die letztlich dem Handeln im Dasein seinen Wert als einen ästhetischen erhält. Den produktiven Menschen fordert Nietzsche, der sich auf verschiedenste Weise einklinken möge, der den Prozess einer Weltbildung, das Wechseln im Denken und Schaffen, bestätigt, und diesen um dasjenige ergänzt, das der transzendentale „Aberglaube“ vergeblich vorgebe zu sein. Das Selbst „geht in der Arbeit an sich selbst auf“, formuliert Puhl und meint damit Nietzsches „Moral“. Dieses Selbst, im Unterschied zum formellen Erkenntnis-Subjekt, welches er als Fiktion und grammatisches Mißverständnis bezeichne, hat jedoch nicht insofern an sich selbst zu arbeiten, dass man üben muss sich ein besseres Selbst zu sein oder dergleichen, dies ist keine Frage der Lebenskunst und Selbstsorge, dies ist doch eher der Aufruf zu einer wirklichen Existenz, die sich zu unterscheiden habe von einem schlichten Dasein, eine solche ästhetische Existenz, ein produktives Selbst muss dorthin gehen, aus sich selbst sein jeweils schöpferisches Vermögen zu raffen und auf diese Weise sich aufzudrängen. Eine Überwertung des Vorgefundenen Charakters müsse man erzielen, „bis ein Jedes(darin) als Kunst und Vernunft erscheint, und auch die Schwäche noch das Auge entzückt.“

Ist ein solcher Primat der objektiven Ästhetik des Produktiven noch als praktische, ethische Norm der Selbstsorge zu verstehen? Wohl kaum, vielmehr nennt Nietzsche hier ein Projekt, das er nicht als hilfreichen Hinweis für einen möglichen Nutzer vorführt, es ist schlicht ein Ideal der besseren Geistigkeit, ohne ein bloßes Ideal sein zu wollen. Denn Nietzsches Ideal ist ein solches nur qua Unerreichbarkeit in einer generellen Weise, dies zeichnet Ideale in der Regel aus, nicht aber in Bezug auf seine unbedingte Notwendigkeit. Eine solche ästhetische Existenz ist notwendig, ausweg-und alternativlos bei Nietzsche, um das höchst Mögliche aus dem Menschen zu bergen, den Verzicht seiner selbst, den Rückgang des Selbst hinter sein Werk, hinter sein Kunstwerk, hinter das produktive Selbst an sich. Eine Bewertung, und hier mangelt es Nietzsche , dieser „Kunst“ führt dennoch auf eine kollektive Denkpotentialität zurück, auf eine intersubjektive „Methode“ der Schönheit und des Hässlichen, eine solche setzt er wohl still voraus. Hier bleibt Nitzsche womöglich wirklich in der Intuition stehen, auch wenn diese eine „orginale, geniale“ ist, um präzise mit jenen Worten zu sprechen, welche neidisch belächelnd die Philosophen gerne schmähen.

Hat nun Nietzsche mit dieser Erfindung die Dekadenz hin zur radikalen Individuation im Heraufziehen eines kommunikativen Kollaps verschuldet? Kurz: Nein, es ist nicht der Sinn seiner Rede, Karrieren, „Stile“, „Markenzeichen“, als die Etablierung eines schöpferischen Selbst zu sehen, seine Worte meinten eine Gemeinschaft im Schaffen, im Blick eine ruhige Toleranz, die Entdogmatisierung und Enttranszendierung, die Entfernung des scheinheiligen Obdachs sollte die Existenz des Einzelnen in der Allgemeinheit ermöglichen. Alles andere als ein emsiges Hochhalten der nur schwächlich maskierten Gesichter war sein Ziel, vielmehr war dies seine Abscheu, seine Befürchtung, auf deren rechtzeitige Korrektur er wohl schon kaum mehr hoffte. In diesem Sinne war nun Friedrich Nietzsche wirklich engagiert im Praktischen, so nämlich, dass er nicht in der kalten Analyse verblieb, sondern theatralisch das besprach, furchterregend, dramatisch dagegen kämpfte, was er ahnte. Zu philosophieren wie Nietzsche heißt also weit weg von der Deskription sich verantwortlich zu zeigen für die Geschichte. Er stellt den Philosophen vor als Geist der Zeit, der diese verhandelt und ihr voransteht. Dies ist womöglich die edelste Form der Philosophie, ob einer solchen Kraft kann sie großzügig auf das Prädikat der Wissenschaft verzichten.

Problemfragen

Ist das Programm einer Philosophie als Lebenskunst nicht doch wieder nur, wie schon in der Antike, einigen Privilegierten vorbehalten, die über die notwendige Zeit, Muße und Bildung verfügen?

Hier vertrete ich die nicht fundierte Auffassung(bloße Meinung), dass es heute kein Programm einer vollendeten Lebenskunst in gebrauchsfertiger Form gibt, zumindest kein wirklich philosophisches.(Siehe dazu Problem 2) Was Nietzsche bietet sowieso, aber auch Foucault ist doch kaum verstehbar noch weniger also nutzbar und also kaltes Ideal auf der einen Seite, und eine Analyse, bestenfalls die Theorie einer Möglichkeit auf der anderen Seite. Zwar mag Nietzsche in seiner nahen Schizophrenie sein Programm so echt machen, dass es schon Karikatur ist, zwar mag Foucault drastische Versuche seiner Praxis bieten, doch wird ein gesund und fremd aller Experimente sich befindender Mensch dies als Vorbild brauchen können, wie dessen Anhänger Epikur?. Nein, gänzlich nein, und dies hat kaum einen Zusammenhang mit Privilegien, sondern mit einem ideellen Geist, den sich nur der leistet, für den Abseits dieser Ideale sich alles schon als wertlos zerschlagen hat, für die Intensivsten, Konsequentesten, Unmittelbarsten, die die distanzlos reflektieren.

Wie kann man die Selbstsorge vom egoistischen Paradigma der Moderne und dem Riesenangebot an Individualitäts- und Selbstverwirklichungsprogrammen abgrenzen?

Selbstsorge übersteigt seit seinem antiken Begriffsmodell mehr als nur sich ein zufriedenes Gemüt zu schaffen, sondern meint auch mit, welche Rolle man nun wirklich zu spielen habe, im Verhältnis auch zur Welt der Einflüsse. Die Selbstsorge kennt keinen Hedonismus. Gerade zur Verhinderung desselben wurde sie geschaffen, und ist seitdem –und hier schon setzt der Utilitarismus an- in der Rechtfertigung begriffen: „Aber was nutzt es mir?“, „Wer verlangt, fragt danach?“ Wie ohne Dogma und Norm, ohne Tugendwelt, dies erreichen? Nun ja, kann man denn jeden zum Philosophen machen?

Wie weit lässt sich das Leben überhaupt mit einem Kunstwerk vergleichen? Müsste dazu, sieht man von Äußerlichkeiten wie Kleidung etc. ab, nicht das Selbst von seinem Leben, wie der Künstler von seinem Material, getrennt sein?

Nur dann braucht der Künstler mediales Material, wenn es seine Absicht ist, dass man sein Werk betrachte. Das materielle Werk ist nichts als Kommunikation. Das Kunstwerk ist im Werken, im Reflex, im Denken selbst schon eines, also nein: hier keine Trennung.

Kim Dinh, Alexandra Vogt, Clara Maier

Protokoll Puhl 14.01. 2010

Prof Puhl hat anschließend an die letzte Vorlesung Philosophie als Lebenskunst an den Beispielen Descartes, Nietzsche, Wittgenstein und Foucault erläutert. Anhand des Handouts konnte man sich schon vor der Vorlesung informieren und Prof Puhl hat sich auch ziemlich genau an das Handout gehalten. Zusätzlich haben wir noch folgende Informationen sehr interessant gefunden:

Ad Descartes: „Die Vorstellung, dass jeder, der denken kann, Zugang zur Wahrheit hat, unabhängig von jeder Veränderung des Selbst.“ Diese These finden wir sehr interessant, da es in der heutigen Leistungs- und Konsumgesellschaft oft zu dem Missverständnis kommt, dass nur gewisse Menschen, sehr gebildete, oder vielleicht sogar speziell dafür ausgebildete, oder privilegierte, oder vielleicht sogar jene, die finanziell besser gestellt sind, einen Zugang zur Wahrheit haben können. Dieses Problem liegt vielleicht auch daran, dass sich wenige Menschen wirklich damit beschäftigen, was nun die sog. Wahrheit ist. Und viele denken sich, es ist die Aufgabe bestimmter Menschen, evtl. auch Philosophen, Theologen, Spirituellen Menschen, die Wahrheit zu finden, wenn es doch jeden einzelnen selbst betrifft und eben auch jeder die Möglichkeit dazu hat.

Ad Wittgenstein: „Man muss ein guter Mensch sein, um die Wahrheit sagen zu können und immer an sich arbeiten. Philosophie ist nur etwas wert, wenn sie den Menschen besser macht. Philosophie als eine Art Therapie.“ Auch ein sehr interessanter und wichtiger Aspekt, da hier die Wichtigkeit eines „guten“ Lebens in den Vordergrund tritt. Natürlich stellt sich hier die Frage, inwiefern ein Leben „gut“ ist. Aber wir glauben, Wittgenstein geht es hier hauptsächlich um ein moralisch gutes Leben, in bezug auf nicht lügen, stehlen, anderen Menschen helfen etc. um dann die eigene Glückseligkeit zu erreichen. Interessant, dass er Philosophie als Therapie und nicht nur als Wissenschaft sieht.

Ad Foucault: „Ästhetik der Existenz – wir müssen das Selbst als Kunstwerk schaffen.“ Unserer Meinung nach ein schöner und außergewöhnlicher Ansatz, den Körper und das Selbst als Kunstwerk zu betrachten, da es hier mehr so aussieht, als wäre dieser Gedanke sehr positiv. Nicht, dass man nicht trotzdem daran arbeiten muss, ein gutes Leben zu führen, aber es ist schön, diese „Arbeit“ als eine Kunst zu betrachten. So bekommt der Ausdruck „Lebenskünstler“ eine ganz neue Bedeutung!


Hamel, Hanna

Dr. Klaus Puhl, Vortrag vom 14.01.09


In seinem Vortrag sprach Klaus Puhl Positionen von Descartes, Nietzsche, Wittgenstein und Foucault an, wobei er vor allem die Frage nach dem Subjekt und dessen Selbstverhältnis ins Zentrum stellte. Er machte deutlich, dass die Beschäftigung mit Philosophie seit der Neuzeit dem modernen Betrachter ein starker Anstoß zur Selbstreflexion sein und ihn zu einer kritischen Position gegenüber gesellschaftlichen Konventionen und Verhaltensmustern bringen kann.


Die Beschäftigung mit dem philosophischen Subjekt beginnt bei Descartes, der, nachdem er alles Existierende in Zweifel gezogen hat, sich einzig darüber sicher sein kann, dass er in dem Moment, in dem er denkt, auch existieren muss. Bei ihm ist Erkenntnis deshalb eine Frage des reinen Denkens.

Einen viel stärker auf praktische Lebensgestaltung ausgerichteten philosophischen Standpunkt vertritt Friedrich Nietzsche: Indem er die Erkenntnis nur als Mittel zur gelungenen Lebensgestaltung betrachtet, betont er die Arbeit des Subjekts an sich selbst.

Wittgenstein postuliert Selbstbeherrschung und kritisiert in seinem Entwurf eines gelungenen Lebens auch das Verbeißen in philosophische Probleme, die zu einer „Krankheit“ werden können. Er stellt die philosophischen Probleme in Kontrast zum Alltag, indem er behauptet, viele philosophische Probleme seien nur aufgeworfen worden, weil die Alltagssprache missverstanden wurde.

Foucault schließlich stellt antike gesellschaftliche Konventionen und Handlungsrichtlinien den modernen gegenüber. Damit ermöglicht er, die Vereinnahmung durch anerzogene Wertvorstellungen und Bedeutungssystemen etwas zu lösen. In der kritischen Betrachtung der eigenen Sozialisation gewinnt das Individuum größere Gestaltungsfreiheit seines Lebens.


In ihrer Aufgabe, ständig Vorhandenes, Erkanntes und damit auch die eigene Arbeit zu hinterfragen, scheint es in der Philosophie die Neigung zu einer Ablehnung von ausgeprägter Theoriebildung und damit zu einer Flucht in die praktische Lebenswelt zu kommen. Funktioniert die Beschäftigung mit der Praxis aber wirklich lediglich über eine Flucht und die Ablehnung von philosophischen Problemen als abgehobener Wortverdreherei, wie es bei Wittgenstein anklingt? Darf die Philosophie überhaupt so praxisnah werden oder sollte sie bloß den theoretischen Boden bereiten für praktische Gedanken, die sich Politik, Religion und jedes Individuum selbst machen? Klaus Puhl hat seinen Vortrag mit Fragen zu diesen Schwierigkeiten beschlossen. Wenn die Philosophie das Anrecht auf Anleitung zum praktischen Leben gepachtet hätte und zum „Überleben“ notwendig wäre, bliebe ein gut gelebtes Leben wohl den Akademikern mit philosophischer Bildung vorbehalten. Gleichzeitig scheint in unserer Gesellschaft ein großes Bedürfnis nach Richtschnüren für ein gutes Leben zu bestehen. Die Beschäftigung mit dem eigenen Selbst wird in der Konsumgesellschaft in jedem angebotenen, auf eventuelle Bedürfnisse abzielenden Produkt mitverkauft. Umso wichtiger scheint eine differenzierte Beschäftigung mit der Praxis des „guten“ Lebens zu sein und sei es nur im Rahmen einer diachronen Betrachtung von Lebensgestaltung in unterschiedlichen Gesellschaften.

Hannah Weinhardt

Ich gehe auf die von Puhl zur Diskussion gestellten Probleme kurz ein.

1. Die „personale Einheit“ ist ein Paradigma, welches in unserer Gesellschaft meines Erachtens nach übertrieben wird. Es wird erwartet, dass ein Individuum nach außen eine Einheit bildet. Dass es Entscheidungen fällt, eingeschlagene Wege zu Ende geht und mit Anderen in Konflikt kommt, nicht mit sich selbst. Und doch kennt wohl jeder die Änderungen und Transformationen als Situationen des inneren Kampfes. Vielleicht täte es unserer Gesellschaft und vor allem den einzelnen Individuen in ihr gut, von diesem strengen Paradigma abzulassen. 2. Philosophie in dem Maße, bzw. der Art betreiben zu können, wie wir als Philosophie-Studenten es tun, ist durchaus ein großes Privileg, das bei weitem nicht jedem möglich ist. Doch ist eben diese Art der Philosophie auch bei weitem nicht die einzige, wie Puhl sehr deutlich gezeigt hat. Um Philosophie als Lebenskunst, nicht als Studienrichtung, zu betreiben, ist es nicht nötig, die Namen und Daten der großen Philosophen zu kennen. Nicht einmal muss man ihre Werke notwendigerweise lesen. Vielmehr muss man gewillt sein, aus den täglichen Strukturen geistig auszutreten und sich die „Grundfragen“ zu stellen: Wie könnte ich leben, warum und wofür will ich leben,...? Und um diese Fragen frei beantworten zu können, ist es einerseits sicher inspirierend, sich mit den Werken anderer Philosophen zu beschäftigen, doch kann einen das unter Umständen in seiner Entscheidungsfreiheit auch behindern, wenn man dem Gelesenen nämlich zu viel und zu unreflektiert zustimmt, „nur“ weil es sich um Werke von „großen Meistern“ handelt. Kämpft man jedoch, wie viele Menschen auf der Welt, täglich um das Überleben, bleibt einem die Möglichkeit, Philosophie als Lebenskunst zu betreiben und sich als Kunstwerk zu erschaffen, verwehrt. „Erst kommt das Fressen, dann die Moral.“ schrieb Bert Brecht und brachte damit dieses Thema auf den Punkt. Somit ist Philosophie ein Privileg, jedoch nicht unbedingt an die Möglichkeit des Philosophiestudiums gekoppelt. 3. Selbstsorge klingt nach Sorge um sich, und zwar primär um sich. Zur Entkoppelung von Selbstsorge und Egoismus finde ich die Nikomachische Ethik ein passendes Beispiel: Die Erkenntnis, dass eudaimonia nur durch gutes Handeln erreichbar ist und somit die Selbstsorge untrennbar verbunden ist mit der Sorge um die Umwelt. Man handelt gut und erreicht die Glückseligkeit, so schlägt man quasi zwei Fliegen mit einer Klappe. 4. Die Frage ergibt sich meiner Meinung nach durch eine zu wörtliche Auslegung der Metapher. Sich und sein Leben zu einem Kunstwerk zu machen ist die Aufforderung, sich frei und nach eigenen Vorstellungen zu entfalten ohne sich dem Druck der vorherrschenden Kultur zu beugen. Außerdem spielt die Ästhetik dabei eine große Rolle. Gotz würde vielleicht sagen, dass die Trennung zwischen Künstler und Kustwerk in der „radikalen Differenz“ bestehen kann. Dass mein „Reflexiver Teil“ quasi als Künstler fungiert und den „Unmittelbaren Teil“ zum Kunstwerk erschafft.

Wolfgang Steinwendner

Puhl II

Die Kernaussage nach zwei Vorlesungen von Puhl zu „Lebenskunst und Selbstsorge“: Für ein gutes Leben, für Weisheit und Seelenfrieden , für Lebenskunst und Selbstsorge in philosophischem Sinn braucht es Disziplin, Lernbereitschaft, Bereitschaft zur Selbsterkenntnis und dazu, sich selbst gegenüber kritisch zu sein. Und auch die Bereitschaft auch dazu, die eigenen Grenzen auszuloten. Im Zeitraffer nähert sich Puhl Foucault, der das Uralt- Thema wieder in das philosophische Bewusstsein der Gegenwart gerückt hat- wenn auch unter entscheidend geänderten Vorzeichen und einem anderen Verständnis von Disziplin und Selbsterkenntnis als Descartes, Kant, Nietsche und Wittgenstein: radikaler Verzicht auf normative Vorgaben, über den Anspruch „wir müssen uns selbst als Kunstwerk schaffen“ bis hin zur experimentellen Grenzüberschreitung.

„Lebenskunst und Selbstsorge“, ein Thema das an die Grundfragen der Philosophie rührt und Antworten in Richtung der kantischen Fragen Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? zu geben versucht. Diese Themen sind spannend wie eh und je und sehr lebensnah: Wen befassen diese Themen nicht?

Puhl spannt den Bogen von der Antike in die Gegenwart und das in einer Weise, die meiner Erwartungshaltung für eine Ring- Einführungsvorlesung – die ja auch Motivationsvorlesung für „Einsteiger“ sein darf – entspricht: philosophische Theorie und Praxis in enger Verbindung; ein konkretes Thema abgearbeitet an wesentlichen Persönlichkeiten der Philosophiegeschichte, ein beispielhaftes Thema für die Durchgängigkeit „abendländischer Philosophie“ an dem sich zugleich grundlegende Veränderungsschritte aber Kontinuität von der antiken über die neuzeitliche zur zeitgenössischen Philosophie zeigen.

Auf die Darstellung eigener Positionen hat Puhl im wesentlichen verzichtet. Ich habe das aber nicht als Defizit empfunden sondern viel mehr als Verzicht zugunsten der „Klassiker“. Das beigestellte Handout so wie Zitatensammlung und Literaturhinweise dazu sind für mich bestens. Einen Augenblick habe ich mich gefragt, ob der Vortragsstil nicht zu schulhaft, zu lehrerhaft ist - bei eingeschränkter zeitlicher Möglichkeit und der Absicht kompakter Wissensvermittlung im Sinne von „da gibt es ein philosophisches Thema, das seit zweieinhalbtausend Jahren nichts an Aktualität verloren hat“ war das wohl nicht anders möglich: Ringvorlesungen sind aus meiner Sicht ja nicht vorrangig zum philosophieren lernen geeignet sondern zum Philosophie lernen. Jedenfalls war es für mich die Einladung, orientiert an Inhalten, Namen, Zitaten und Literaturhinweisen mehr zu ergründen. Für Einsteiger auch eine wohltuende Übung - oder richtiger Demonstration-, dass die Philosophie der Gegenwart auch im Wettbewerb mit Soziologie, Psychologie, Neuro- und Biowissenschaften……….wichtigen Platz hat und es noch vieles gibt, „worüber man reden kann“.

Buchberger, Agnes

Vorträge Klaus Puhl. 07. und 14. Jänner 2010.

Philosophie und Selbstsorge von der Antike bis Michel Foucault.


Mensch setze sich vor einen PC. Dieser sollte Internetzugang haben, sonst kann mensch es gleich bleiben lassen. Mensch öffne Firefox o.Ä.. Mensch gebe den URL www.google.at ein. Dann tippe mensch sorgfältig folgende Tasten: L, E, B, E, N, S, K, U, N, S und schlussendlich T. Mensch klicke auf den button „Google-Suche“. Den Abschluss dieser kleinen Übung stellt die sorgfältige Prüfung der Suchergebnisse dar. Mensch übe sich hierbei in kritischer Haltung und Reflexion.


Nur einige Stichworte, die zu denken geben (ich verzichte hierbei auf genaue Quellenangaben):


„… ein Begriff aus der Philosophie, der in unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet wird …“

ja und was für welchen!!


Besinnliche Texte, Gedichte, Sprüche und Zitate zum WeiterDenken über Philosophie, Religion, Esoterik, Christentum und Liebe.“

diese Assoziation von Lebenskunst und Esoterik kam mir gleich anfangs der Vorträge in den Sinn und irritierte mich in großem Maße.


„Schule für Lebenskunst: Der Philosoph, Mystiker und spiritueller Lebensberater zum Thema Welt- und Selbsterkenntnis: Brechung des Bannes der Wissenschaft...“

ohne Worte …


usw. usf.


Tut mir leid, wenn ich hiermit jemanden beleidige, aber ich kann mit DIESER (alltäglichen?) Auffassung von Lebenskunst nichts anfangen … Es ärgert mich, dass Philosophie auf diese Art und Weise „popularisiert“ wird …

Magdalena Neuhauser

- Wiederholung der wichtigsten Punkte vom letzten Mal


- René Descartes:

cogito ergo sum-> Ordnungsmäßigstes bei vernünftigem Philosophieren; denkendes Wesen kann nicht denken, dass es nicht ist Erreichen der Wahrheit rein theoretische Sache, nur denken, keine Praxis unabhängig von der Veränderung des Selbst jeder, der denken kann, hat Zugang zur Wahrheit Beleg für Descartes Einstellung: Ethik hat bei ihm sehr niedrigen Stellenwert

- Nietzsche:

Antike: Gleichsetzung der philosophischen Frage mit gelungenem Leben (wie könnte man leben) Nietzsche polemisiert christliche Asketik (Lehre des Verzichts) - Nietzsche dagegen, gegen sich selbst vorzugehen

Erkenntnis der Selbstübung untergeordnet (siehe Zitat 5)

polemisiert gegen descartesianisches Erkenntnissubjekt Subjekt- und Ich- Aberglauben Annahme eines formellen Erkenntnissubjekts, das getrennt vom Körper bestehen kann, beruht auf Missverstehen des Subjekt- Objekt Verhältnisses

Abgrenzung zur Antike: Kritik an ihm selbst, jedem von uns vorausgesetzt; transzendente Idee, die in der Antike bestimmend ist, wird von Nietzsche abgelehnt

"wie soll ich leben?"---> "wie kann ich leben?" Nietzsche verabschiedet die Idee, dass es ein selbst in uns gibt, nach dem wir unser Leben ausrichten Identität des Selbsts besteht in den Handlungen

"wir aber wollen die werden, die wir sind" -nimmt Ode von Pinder auf (Original: "werde derjenige, wie du es einst gelernt hast zu sein": genau das will nietzsche nicht) Nietzsche sagt, das wir neu und einmalig sind "sich selbst gesetzgebend, sich selbst schaffend" und so sollen wir auch werden!

Nietzsche ist im Vergleich zu Wittgenstein und Foucault derjenige, der am Stärksten die Seite der Kreativität, des Einmaligen, hervorhebt; Resultat einer philosophischen Arbeit an sich selbst

-Wittgenstein:

war der Vorstellung einer wissenschaftlichen Philosophie abgelehnt Vergleich Philo mit ästhetischer Untersuchung (im Sinne Nietzsches) (Zitat 9) "Philosophie dürfte man eigentlich nur dichten" Ziel der philosophischen Arbeit= Veränderung und Arbeit an seiner selbst (Zitat am Handout)

Veränderung seiner selbst für Wittgenstein sehr wichtig (man vermutet, dass er sich freiwillig als soldat im 2.Weltkrieg gemeldet hat, um sich selbst zu ändern

ursprüngliche Rezeption von Wittgenstein als wissenschaftliche Philosophie ignoriert, schließt sich (gewollt oder ungewollt) der antiken Anschauung von Philosophie als Arbeit an sich selbst an, dadurch können wir uns selbst zu besseren Menschen machen

Philosophie hat für ihn auch negativen Aspekt, tractatus der Philosophie: alle Philosophie ist Sprachkritik, die meisten philosophischen Probleme der Tradition sind Scheinprobleme, weil die Logik der Alltagssprache nicht verstanden wurde

negativer Aspekt der Philosophie: Hindernis für gutes und gelungenes Leben philosophische Probleme entstehen durch Missbrauch der Sprache in der Philosophie, (vergleicht Philosophie mit einer Krankheit)

will sich von philosophischen Problemen befreien, Therapie, mit Philosophieren abzubrechen,wenn er will: beklagt, dass er nicht aufhören kann zu philosophieren (Therapie soll dabei helfen) -->Philosophie ist einerseits Heilmittel, andererseits Übel (Heilmittel gegen sich selbst)

-Foucault:

Thema der beiden Ringvorlesungen (Philosophie als Lebenskunst) ist ihm zu verdanken; Puhl wurde durch Arbeiten von Foucault angeregt

-den antiken Philosophen zwar bekannt, aber Foucaults letzte Bücher haben die Thematik wieder auf die Tagesordnung versetzt "Genialogie" wer wir heute sind: Foucault wollte zeigen, wie das, was wir heute sind aus Elementen der Vergangenheit und der zufälligen Kombination dieser Elemente entstanden sind , unsere Gesellschaft= zufälliges Resultat Rückgang zur Antike: will nicht Vermächtnis der Antike an dieser Gegenwart, sondern die Differenz zur Moderne zeigen

die Probleme der eigenen Zeit kann man nicht mithilfe von Lösungen einer ganz anderen Zeit lösen (Außerdem kritisiert er an der Antike die Besessenheit der Penetration)

Pointe/Dreh bei Foucault: Differenz zu anderer Kultur--> eigene Zwänge (der eigenen Gesellschaft oder Kultur) relativiert

zeigt wie Gesellschaft zufällig geworden ist: wenn etwas, das mir Probleme macht historisch ganz anders hätte kommen können, relativert das meine Probleme, zumindest theoretisch und es hilft, den Griff der Gesellschaft auf mich zu lockern


ANMERKUNG: alle Probleme der Philosophie sind Scheinprobleme(Wittgenstein): Ich habe mich bisher kaum mit Wittgenstein beschäftigt und frage mich deshalb, wie es möglich ist, dass alle Probleme, die jemals in der Geschichte aufgetaucht sind, nur Scheinprobleme sind. Würde das bedeuten, dass sich sämtliche Philosophen unnötigerweise mit Philosophie beschäftigt haben?

Moritz Homola

Gedanken zu Nietzsche und Kant anlässlich der Vorlesung von Prof. Puhl:

In seiner zweiten Vorlesung ging Prof. Puhl näher auf einige Philosophen ein, die den antiken Philosophiebegriff, sprich die Philosophie als Lebenskunst und Mittel zur Selbsterkenntnis, wieder aufgriffen. Zusammenfassend gab Prof. Puhl wieder ein Handout aus, dass den Inhalt der Vorlesung, also die Ansätze der genannten Philosophen gut wiedergibt. Das Handout ist unter http://philo.at/wiki/images/MuD09_PuhlHandout2.pdf einzusehen. Unter anderem behandelte er auch Nietzsches Ansätze zur Philosophie als Lebenskunst. Dieser hielt die Frage wie man Leben sollte als Denkansatz für verfehlt und gestaltete sie deshalb dahingehend um, als dass er die Frage "wie man leben könnte" als Ausgangspunkt nahm und damit das Erlangen eine mehr subjektbezogene Lebenstraregie forderte. Dazu erzählte uns Prof. Puhl, dass Nietzsche zu diesem Zweck den Autonomiebegriff Kants übernahm, welcher im Grunde besagt, dass sämtliche Normen einen intrinsischen Wert annehmen müssen um für ein Individuum als solche gültig zu sein. Hier lokalisiert Kant auch seinen Moralbegriff indem er zu zeigen versucht beziehungsweise zeigt, dass man sich durch bewusst unmoralisches Handeln in einen perfomativen Selbstwiderspruch verlaufen würde, weil man dadurch im Prinzip gegen seine eigene Freiheit handeln würde. Und das kann ja wohl in niemandes Sinne sein. Den Kategorischen Imperativ verwendet kannt nach meiner Auffassung nur als eine art Attributszuordnungsmechanismus für 'moralisch' beziehungsweise 'unmoralisch', da man den moralischen Gehalt einer Handlung, eines Gedankens oder einer Maxime nicht bestimmen kann solange man die Handlung, den Gedanken oder die Maxime nicht unter Bezugnahme auf die Moral geprüft hat. Nietzsche sieht in diesem Konzeptz einen Widerspruch zu seinem Ausgangspunkt, der Frage wie man leben könnte. Dieser Widerspruch ist für mich in keiner weise ersichtlich. Warum sollte die Frage wie man leben soll beziehungsweise was man tun, oder vielmehr was man nicht tun sollte nicht mit der Frage wie man gut und erfüllt leben könnte vereinbar sein? Die zwei Fragen setzen so wie ich es auffasse in diesem Sinn an unterschiedlichen Punkten an. Kants wie soll man leben nimmt expliziten Bezug auf moralische Anligen und befasst sich daher mit bereits mit Dingen, die man tun könnte. Setzt somit also eine Ebene unter Nietzsche an. Nietzsches Frage dagegegne befasst sich damit was man alles tun könnte, anfangs völlig ungeachtet ob die jeweilige Maxime mit denen von anderen kollidiert und völlig ungeachtet der Frage nach dem gut und richtig des Handlungsgrundsatzes. Diese Ebene thematisiert Nietzsche in meinen Augen hier noch nicht. Aber allein daraus zu schließen, dass Nietzsche keine Moralkonzeption hatte halte ich für mehr als verfehlt, denn ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es in Nietzsches Sinn war eine Philosophie zu etablieren, die ein einander völlig ungeachtes nebeneinander herleben postuliert. Weiters sehe ich im Verwurf des Kategorischen Imperatives einen Widerspruch zur Übernahme von Kants Autonomiebegriff. Auf diesem baut nämlich die Möglichkeit zu jeglicher Norm mit intrinsischem Wert auf. Obwohl Nietzsche die Universalisierbarkeit von Gesetzen ablehnt, steht das, denke ich, nach wie vor nicht im Widerspruch zum Kategorischen Imperativ, wenn man eine Art 'Relativismus auf zweiter Ebene' einbaut. Der Kategorische Imperativ kreiert ja weder Maximen, noch gibt er Handlungsanweisungen in irgendeiner Form. In diesem Sinne kann man, so wie ich es sehe die Gedanken und Maximen, die aus "Was könnte ich tun?" entstanden sind problemlos an den kategorischen Imperativ herantragen um deren Gültigkeit unter dem Paradigma des respektierens der Lebensweisen anderer zu prüfen. Eine Ebene der, so denke ich, auch Nietzsche ihre Gültigkeit und Berechtigung zusprechen würde.



Bernhard Zarzer

Rene Descartes kommt vom natürlichen Zweifel auf den methodischen Zweifel. Speziell bezweifelt R.D. Die res extensa und auch das Existieren anderer Bewusstsein wird deutlich hinterfragt. Es ist nichts gewiss außer, dass ich es bin der denkt. Es könnte auch alles Täuschung , verursacht durch einen Deus malignus, sein. Das Ich, dass diese Gedanken bildet, ist jedoch gewiss. „Cogito ergo sum.“ Dieses Subjekt ist unabhängig vom Äußeren und kann durch reines Denken der Wahrheit immer näher kommen. Friedrich Nietzsche hat die Frage des gelungenen Lebens wieder aus den Aufzeichnungen der Antike aufgegriffen. Am besten sei seiner Meinung nach, wie ein Bildhauer an sich zu arbeiten und dabei Übung zu bekommen, um selber zu werden bzw. aus sich ein Kunstwerk zu kreieren; etwas Neues (deutlich im Gegensatz zur antiken Einstellung). Nietzsche stärkte die progressive Kreativität und wollte die christliche Moral verwerfen. Die Erkenntnis hat bei ihm lediglich den Stellenwert eines Mittels. Nur durch Akte, durch Handeln arbeitet man an sich selbst. Durch Handlungsgrenzen ergibt sich dann die Frage, wie man leben kann. Er kritisiert an Kant und Descartes, dass die Trennung von Subjekt und Körper fiktiv sei, da man unabhängig vom Körper nicht agieren kann und daran gebunden ist. Außerdem lehnt er den kategorischen Imperativ Kants ab, übernimmt aber die Autonomie des Selbst. Ludwig Wittgenstein hatte gute Beziehungen zum Wiener Kreis, der motiviert war die Philosophie „wissenschaftlicher“ zu machen. Er selber wollte sie eher wie Nietzsche ästhetisch betrachten. (Philosophie sollte eigentlich nur gedichtet werden.) Zusätzlich vertritt er die Meinung „we use fiction to talk about facts“. Ähnlich wie schon zuvor erwähnt, betonte er, dass Philosophie nur dann etwas wert ist, wenn sie verändert. Er gehört auch zu einen der größeren Metaphysikkritiker und erklärte, dass viele Probleme dieser Sparte Scheinprobleme, verursacht durch sprachliche Probleme. Michel Foucault meinte, dass die Gesellschaft, wie sie ist, durch zufällige Elemente der Vergangenheit geschaffen wurde (Genealogie). Durch Vergleiche mit anderen und früheren Kulturen wird das deutlich und man kann durch die Differenz einiges lernen oder unsere Traditionen und Angewohnheiten relativieren. Die Sexualität war einer dieser Bereiche, die er analysierte. Er richtete seine Aufmerksamkeit unter anderem auf den fehlenden Begriff für Sex in der Antike, der mit dem allgemeinen Begriff aphrodisa, der für Sex, Trinken, Essen z.b. stand oder die Penetration, wobei dies in der Antike bei den Griechen verpönt war, weil der penetrierende Mann mangelnde Selbstbeherrschung hatte und der Penetrierte unfrei das passiv erlitt. Die platonische Liebe war das Ideal. Durch die Genealogie soll es zur Auflockerung der Gesellschaft kommen, wobei das nützlich ist um sich selbst zu analysieren. Seine kritische Ontologie des Ich-selbst war der erste Schritt an sich zu arbeiten. Kritische Ontologie deshalb, weil man kritisch, ohne Illusionen, das betrachten soll, was man ist und nicht was man erkennen kann.

Adrien Feix

Puhl überfliegt Descartes (für ihn: Das Individuum in den Mittelpunkt rückend; Ethik dem Wissen unterordnend) um auf Nietzsche zu sprechen zu kommen. Zwar dominiert bei Nietzsche, wie bei den antiken Philosophen, der praktische Aspekt der Philosophie, er lehnt jedoch die (für ihn platonisch-christliche) Tradition des Dualismus ab, sowie alle moralischen Postulate die daraus folgen (auch Kants Kategorischer Imperativ). Puhl gibt daraufhin eine interessante Interpretation (vor allem des späten) Wittgensteins, nicht als analytischen Philosophen, sondern als auf eine Art von Lebenskunst bedachten, trotz seines zwiespältigen Verhältnisses zur Philosophie. Für Puhl ist auch Foucault in gewisser Weise ein Erbe der alten Tradition der Askese. Er sehe sie jedoch als eine Hinterfragung von gesellschaftlichen Normen, und nicht bloß als eine blinde Befolgung ebendieser.

Meines Erachtens beruht Puhls Beschreibung von Descartes' Denken auf einer Fehlinterpretation. So liegt es Descartes nicht primär am Zweifel, oder an der Selbsterkenntnis (Individuum), sondern eher an der absoluten Legitimierung für Wissenschaft und Religion. Auch die Ethik als der Wissenschaft untergeordnet zu sehen ist (zumindest für den späten Descartes) ein Fehler, die Principia und die Passions de l'âme öffnen einen ganz anderen Blickwinkel, in der res cogitans und res extensa die man so gerne als streng gegensätzlich sieht, vereint werden.


Fedja Pivodic

Ringvorlesung am 14. 1. 2010, Klaus Puhl

Bemerkungen zu Puhls Diskussionsanregungen:

  • Ist das Programm einer Philosophie als Lebenskunst nicht doch wieder nur, wie schon in der Antike, einigen Privilegierten vorbehalten, die über die notwendige Zeit, Muße und Bildung verfügen?

Die Beschäftigung mit akademischer Philosophie ist zweifellos ein Privileg einiger Weniger (Man betrachte in diesem Zusammenhang etwa globale Alphabetisierungsraten). Wenn man Philosophie nicht auf den klassischen akademischen Kontext reduziert will, so wäre ich sehr vorsichtig damit, Menschen die Fähigkeit zur philosophischen Betrachtung ihres Lebens abzusprechen.

Ich kann mich auch nicht der Meinung von Tobias Göllner anschließen, wonach einem „das Wissen über bestimmte philosophische Werke“ die Fähigkeit verleiht, sich auf einer anderen Ebene mit dem Leben zu beschäftigen. Das Wort Ebene unterstellt, dass es höhere und niedrigere Arten der Beschäftigung mit dem Leben gäbe. Die Kenntnis philosophischer Literatur mag vielleicht dabei helfen, verschiedene Aspekte einer Problemstellung kennen zu lernen, die Philosophie hat aber nicht das Denken erfunden.

Ich wäre auch vorsichtig mit der Idee, unterschiedliche Lebensmodelle zu entwerfen, wie Eder und Strohberger es vorschlagen. Ich bin mir nicht sicher in wie weit Philosophie es für sich beanspruchen kann, eine „normative Theorie des Lebens“ zu entwerfen.


  • Wie kann man die Selbstsorge vom egoistischen Paradigma der Moderne und dem

Riesenangebot an Individualitäts- und Selbstverwirklichungsprogrammen abgrenzen?

Selbstsorge im philosophischen Sinne verhält sich zu modernen Selbstverwirklichungsprogrammen in etwa so, wie eine Pilgerfahrt zu einem All-inclusive Urlaub.


  • Wie weit lässt sich das Leben überhaupt mit einem Kunstwerk vergleichen? Müsste

dazu, sieht man von Äußerlichkeiten wie Kleidung etc. ab, nicht das Selbst von seinem Leben, wie der Künstler von seinem Material, getrennt sein?

Ich finde den Vergleich des menschlichen Lebens mit einem Kunstwerk reichlich abwegig. Ein Charakteristikum des Kunstwerks ist, dass es geschaffen wird. Wenn man nun von den eher einfallslosen Ideen des Kreationismus absieht, so ist es meiner Meinung nach absurd zu sagen, Leben werden nach bestimmten Vorstellungen geschaffen. Die überwältigende Fülle von Faktoren die auf ein Individuum und damit sein Leben Einfluss nimmt ist vom menschlichen Verstand nicht zu erfassen, geschweige denn zu kontrollieren.


Alexander Hlavac

Dass es verschiede Arten die eigene Lebensführung zu gestalten gibt wurde anschaulich verdeutlicht, was dabei aber etwas auf der etwas Strecke blieb war, meiner Meinung nach, die Frage nach den Kriterien der Erfüllung dieser Gestaltung. Was für ein Leben ist es, das man als Exempel für geglückte Lebenskunst bezeichnet. Wann gilt die "Kunst" zu Leben als gelungen? Heute hört man oft, dass das Glück des Menschen der Maßstab sei, wobei man dann das leben Gandhis oder selbst das von Jesus als gescheiterte bezeichnen müsste. Dem Leben mit "Sinn" zu erfüllen ist wiederum zu subjektiv für eine philosophische Normierung.


"Wie soll ich leben?" fragt auch stets "Warum soll ich so leben?" wobei wir hier in Selbstbestimmtheit zurücklässt oder auf Überbegriffe wie Disziplin, Lernbereitschaft, Bereitschaft zur Selbsterkenntnis usw. verwiesen werden um sich selbst zu finden und ein erfülltes Leben führen zu können, was jedoch rein im Hypothetischen verbleibt. Ohne Zweifel, es sind nützliche Eigenschaften, aber viel zu verallgemeinernd um so etwas hochkomplexes wie das Menschliche Leben auf einen gelingenden Pfad zu führen, wenn nicht einmal klar ist welcher Weg der richtige ist.


Ich denke eine Festlegung dieser Art wäre nötig um diese Frage zu erörtern, jedoch bin ich von der Unmöglichkeit einer solchen Beschreibung überzeugt (und die Tatsache, dass das Thema seit 2000 Jahren aktuell zu sein scheint, scheint mir recht zu geben). Ein Beschreibung, oder Bewertung des Lebens würde voraussetzen, dass wir Absolute Maßstäbe hätten um ein Leben zu beurteilen und messen. Da uns solche jedoch fehlen können wir uns nur auf Kompromisse, bestehend aus höchst subjektiven Meinungen, berufen, die Zeit und Mode unterworfen sind.


Die Frage nach dem richtigen Lebensweg steht wohl, wie so oft gehofft, nirgends geschrieben (auch wenn einige Bücher es behaupten mögen), sondern muss von jedem einzelnen gestellt und beantwortet werden.


Sascha Böhm

Protokoll der Ringvorlesung vom 14.01.2010:


Philosophie als Lebenskunst und Selbstsorge von der Antike bis Michel Foucault.


In der zweiten Vorlesungseinheit vertiefte Prof. Puhl das Thema der ersten Einheit anhand der Standpunkte der folgenden Philosophen:

1) René Descartes.

2) Friedrich Nietzsche.

3) Ludwig Wittgenstein.

4) Michele Foucault.


Durch René Descartes passiert eine Abkehr vom antiken Modell. Er bezweifelt die Existenz des Selbst als denkende Substanz und der Trennung der materiellen von der geistigen Welt. Man spricht bei Descartes auch von der „Ich-Metaphysik“ (Cogito ergo sum). Das Erreichen der Wahrheit ist theoretisch und somit unabhängig von der Askese. Man muss nicht tugendhaft sein um die Wahrheit zu erkennen.


Friedrich Nietzsche stellt sich die Frage, wie man sein Leben gestalten könnte. Er polemisiert gegen die christliche Asketik und fordert eine Wiederbelebung der antiken praktischen Asketik. Man muss an einem selbst arbeiten, wie ein Bildhauer. Sein altes Selbst überwinden und sich in ein neues Selbst einordnen mit allen seinen „Stärken und Schwächen“.


Ludwig Wittgenstein stellt sich gegen ein wissenschaftliches Programm in der Philosophie, wie es etwa vom Wiener Kreis vertreten wird. Für ihn ist Philosophie unmittelbar mit dem Leben verbunden. Das Ziel der Philosophie soll die Veränderung des Selbst und jener die man lehrt sein. Wittgenstein betont jedoch auch, dass durch sprachliche Missverständnisse die Philosophie auch zum Hindernis, oder zur „Krankheit“, wie er es nennt, werden kann. Sie ist Krankheit und Heilmittel zugleich.


Michele Foucault beschäftigte sich am intensivsten mit der antiken Philosophie der Selbstsorge und Lebenskunst. Er erstellte auch eine genealogische Rekonstruktion dessen, was uns zu dem gemacht hat, was wir heute sind. Dadurch zeigt Foucault, dass historische Zufälligkeiten zu unserer jetzigen Situation geführt haben, und wir deshalb nicht so sein müssen, wie wir sind.


Rogers Christoph. Scheiner Benjamin

In seiner 2. Vorlesung geht Puhl genauer auf die Fragestellung, wie sie sich in der Kontentinalphilosophie der Moderne formulierte, “Wie könnte man leben?“ ein. Nietsche argumentiert vehement gegen die Idee eines gesetzten Selbst, das heißt gegen die Legimität einer Ordnung, in welcher das einzelne Indivduum seinem Fatum folgen müsse. Indem er Gott für tod erklärt, betont er die Freiheit des Menschen und seine Fähigkeit sein Selbst selber zu setzen, sich also selber zu schaffen. Wir müssten unser Leben als Kunstwerk betrachten. Die Bestimmung des Menschseins wird damit aufgehoben, bzw. findet sie sich im Prozess des Schaffens wieder. Die Frage: “Wie könnte man Leben“ öffnet das Feld für die ästhetische Fragestellung des Seins. Michel Focault greift insbesodere Nietsches Kritik an den ordnungssetzenden Kräften, welche die Freiheit des Individuums unterbinden auf, um damit in seiner historischen Anlayse die Legitimität unseres Weltbilds, besonders im Hinblick auf die Ausformung einer angenommenen Genealogie des Menschen zu hinterfragen. Die Einsicht, dass unser Leben völlig anders aussehen könnte, löst den Menschen von der Gebundenheit an gesellschaftliche Vorgaben und desweiteren von seinem Selbst als Konstrukt einer bestimmten Gesellschaftskonstellation.

Die Lebensgestaltung hat ihr Ziel in der ästhetischen Ausformung. Durch diese Reduzierung findet sich der einzelne Mensch in einer existentiellen Sinnkrise, da er jegliche Orientierung verliert. Die Autorität und Legitimität jeglicher Vorgabe wird verworfen, das Individuum fällt ins Bodenlose. “ Wenn Gott tod ist, ist alles erlaubt“ lautet die Deduktion von Dostojevskijs Stawrogin aus dem Roman “Die Dämonen“. Fraglich bleibt ob dieser Zustand absuluter Freiheit überhaupt wünschenswert sei, ob der Mensch in seiner Ohnmacht damit umzugehen weiß. Auf der Dimension der Ästhetik wäre das Leben eines Massenmörders oder Drogensüchtigen durchaus ein Geglücktes. Im Motiv des Todes und der Melancholie trifft die Ästhetik auf äußerst fruchtbaren Boden. Klar ist das jene Philosophie nicht konstituierend für eine Gesellschaftsordnung sein kann. Sie ist eine Philosophie des Individuums, welches in einer anfangs innerlichen Auflehnung gegen sich selbst und gegen das System, gegen die Ordnung rebelliert, um im Moment des Ausbruchs seine Freiheit zu erlangen, wobei Freiheit nur im Moment der Auflehnung seine Geltung bekommt, somit ist sie ordnungswidrig. Die Transformation erfolgt durch die Entlarvung des eigenen Widerspruchs, jener Widerspruch welcher sich durch die Distanzierung des Ichs von der Gesellschaft ergibt. Die Identität des Ichs konstituiert sich allerdings erst in Bezug zu seiner Umwelt und seiner Interaktion mit anderen Inviduuen. Das Ich befindet damit in einem paradoxen Zustand. Befindet sich die Gesellschaft in einer eigentlichen Disharmonie ohne jeglichen Rückhalt, so trifft das Selbe auf das Individuum zu. Der Mensch sieht sich mit einem unaushaltbaren Nihilismus konfrontiert, welcher jedoch nicht konsequent aufrecht erhalten werden kann. Der Bruch mit alten Werten setzt neue voraus. Um es drastisch zu formulieren, wir entfesseln uns, um uns neue Fesseln aufzulegen.


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