Sophistes: Sprechen von Formen (IH)

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Plato kommt in seinem Kommentar zu Parmenides auf die "Anwesenheit" von "Ideen" wie Gerechtigkeit und Schönheit in der menschlichen Seele zu sprechen. Der Mensch ist ein Kompositum von Körper und Seele, wobei die Materie sich wandelt und die Ideen gleich bleiben. Durch die "Teilhabe" werden Ideen in der Körperwelt realisiert. Das heißt auch, dass sie in Zeitabläufe eintreten. Werden und Vergehen haben (gegen Parmenides) etwas mit dem Sein zu tun.

Das Verhältnis der Formen zu den wechselnden Umständen bildet sich in der Sprache ab. Der Mensch ist, d.h. er nimmt am Mensch-Sein teil, jede ist eine Ausprägung dieser Idee. Doch Menschen ändern sich. Man kann vieles über sie sagen und variieren. Eigenschaften werden ihnen beigelegt.

ἐπιφέρω
I. to bring, put or lay upon, τί τινι Il., etc.; ἐπιφέρειν τινὶ πόλεμον, Lat. bellum inferre, to make war upon him, Hdt., attic; so, ἐπ. δόρυ Aesch., etc.:— absol. to attack, assail, Ar.
2. to bring offerings to the grave, Thuc.
3. to bring as a charge against, Hdt., attic; so, ἐπ. μωρίην, μανίην τινί to impute it to him, Hdt., etc.
4. to confer or impose upon, in good or bad sense, Thuc.
5. to add to, increase, id=Thuc. Lexikon

Ausser der Teilhabe "am Sein" sprechen wir den Dingen viele Beschaffenheiten zu.

Wir sagen doch von einem Menschen gar vielerlei (λέγομεν ἄνθρωπον δήπου πόλλ᾽) indem wir ihn danach benennen, wenn wir ihm Farbe beilegen und Gestalt und Größe, auch Fehler und Tugenden (τά τε χρώματα ἐπιφέροντες αὐτῷ καὶ τὰ σχήματα καὶ μεγέθη καὶ κακίας καὶ ἀρετάς), in welchen und hunderttausend anderen Fällen wir denn nicht nur sagen, daß er ein Mensch ist (οὐ μόνον ἄνθρωπον αὐτὸν εἶναί φαμεν), sondern auch daß er gut ist, und unzähliges andere, und eben so verhält es sich mit allen andern Dingen, daß wir jedes als Eins setzen , und hernach doch wieder vieles davon sagen mit vielerlei Benennungen erklären durch vielerlei Worte (οὕτως ἓν ἕκαστον ὑποθέμενοι πάλιν αὐτὸ πολλὰ καὶ πολλοῖς ὀνόμασι λέγομεν). (Soph 251a-b)

In einem Ding ist also nicht nur die Idee des Seins verwirklicht, d.h. dass ihm etwas zugeschrieben werden kann. Und es ist auch nicht eine einzige und unverwechselbare Prägung, die nicht modifiziert werden kann. Wir schreiben ihm diverse Eigenschaften zu. Das Ding verkörpert nicht nur "ein Sein" (es "hat nicht nur ein Wesen"), sondern in dieser Verkörperung besitzt es weitere Charakteristika. Diese "Charaktere" gehen ebenfalls auf Formen ("Ideen") zurück (Farben, Tugenden ...). Wir legen Dingen Beschaffenheiten bei, wir sprechen ihnen Eigenschaften zu, sie "haben" Formen (Ideen).

  • Wie verhalten sich solche Ideen zueinander? Der metaphysisch-ontologische Aspekt.
  • Wie verhalten wir uns zu diesen Ideen? Wie "haben" wir sie? Erkenntnistheorie.



Es stellt sich heraus, dass Formen mit einander verknüpft oder nicht verknüpft sein können. Eins und Vieles schließen einander aus, Ruhe und Bewegung zusammen machen eine Entwicklung aus. Platon illustriert das mit der Grammatik:

GAST: Wenn nun einiges sich hiezu versteht, anderes nicht: so geht es damit fast wie mit den Buchstaben. Denn auch von diesen lassen sich einige nicht zusammenstellen mit einander, andere einigen sich wohl. (Soph. 253a)

Die Grammatik ist die Lehre davon, wie es sich damit verhält. Formenlehre.

GAST: Da wir nun zugestanden haben, daß auch die Begriffe sich gegen einander auf gleiche Weise in Absicht auf Mischung verhalten, (ἐπειδὴ καὶ τὰ γένη πρὸς ἄλληλα κατὰ ταὐτὰ μείξεως ἔχειν ὡμολογήκαμεν) muß nicht auch mit einer Wissenschaft seine Reden durchführen, wer richtig zeigen will, welche Begriffe mit welchen zusammenstimmen, und welche einander nicht aufnehmen? (δείξειν ποῖα ποίοις συμφωνεῖ τῶν γενῶν καὶ ποῖα ἄλληλαοὐ δέχεται). Und wiederum ob es solche sie allgemein zusammenhaltende gibt, daß sie im Stande sind sich zu vermischen? Und wiederum in den Trennungen, ob andere durchgängig der Trennung Ursache sind?
THEAITETOS: Wie sollte es hiezu nicht einer Wissenschaft bedürfen und vielleicht wohl der größten!
...
GAST: Das Trennen nach Gattungen, daß man weder denselben Begriff für einen andern, noch einen andern für denselben halte, wollen wir nicht sagen, dies gehöre für die dialektische Wissenschaft?
τὸ κατὰ γένη διαιρεῖσθαι καὶ μήτε ταὐτὸν εἶδος ἕτερον ἡγήσασθαι μήτε ἕτερον ὂν ταὐτὸν μῶν οὐ τῆς διαλεκτικῆς φήσομεν ἐπιστήμης εἶναι;
THEAITETOS: Das wollen wir sagen.
GAST: Wer also dieses gehörig zu tun versteht, der wird einen Begriff durch viele einzeln von einander gesonderte nach allen Seiten auseinander gebreitet genau bemerken,
ὅ γε τοῦτο δυνατὸς δρᾶν μίαν ἰδέαν διὰ πολλῶν, ἑνὸς ἑκάστου κειμένου χωρίς, πάντῃ διατεταμένην ἱκανῶς διαισθάνεται,
und viele von einander verschiedene von einem äußerlich umfaßte, und wiederum einen durchgängig nur mit einem aus vielen verknüpfte, und endlich viele gänzlich von einander abgesonderte. Dies heißt dann, in wiefern jedes in Gemeinschaft treten kann und in wiefern nicht, der Art nach zu unterscheiden wissen.
THEAITETOS: Auf alle Weise gewiß.

Hinter der Schleiermacherschen Übersetzung "Begriff" stehen drei griechische Worte:

  • τὸ γένος
  • τὸ εἶδος
  • τὰ ἰδέα


GAST: Aber dies dialektische Geschäft wirst du, hoffe ich, keinem andern anweisen als dem rein und recht philosophierenden?
ἀλλὰ μὴν τό γε διαλεκτικὸν οὐκ ἄλλῳ δώσεις, ὡς ἐγᾦμαι, πλὴν τῷ καθαρῶς τε καὶ δικαίως φιλοσοφοῦντι.
THEAITETOS: Wie sollte man es wohl einem Andern anweisen! (Soph. 253b)




GAST: Also ist ja ganz deutlich die Bewegung, wesentlich nicht das Seiende, doch seiend in wiefern sie am Seienden Anteil hat.
οὐκοῦν δὴ σαφῶς ἡ κίνησις ὄντως οὐκ ὄν ἐστι καὶ ὄν, ἐπείπερ τοῦ ὄντος μετέχει;
THEAITETOS: Ganz deutlich ist ja das.

Platon hat Differenzierungen in die "Welt des Seins" eingeführt. Verschiedene Ideen hängen zusammen. Um das beschreiben zu können ist die Verneinung nötig. Das heißt auch, dass zu jeder Charakterisierung eines Seienden die Abgrenzung gehört. Dass es bestimmte Qualitäten nicht hat. Das Absprechen ist integraler Bestandteil der Lehre von den Formen des Seins.

GAST: Also ist ja notwendig das Nichtseiende (τὸ μὴ ὂν), sowohl an der Bewegung als in Beziehung auf alle andere Begriffe (κατὰ πάντα τὰ γένη). Denn von allen gilt daß die Natur des Verschiedenen, welche sie verschieden macht von dem Seienden, jedes zu einem nicht seienden macht, und alles insgesamt können wir also gleichermaßen auf diese Weise mit Recht nicht seiend nennen, und auch wiederum seiend und sagen daß es sei weil es Anteil hat am Seienden (μετέχει τοῦ ὄντος).
THEAITETOS: So mag es wohl sein.
GAST: An jedem Begriff also ist viel Seiendes unzählig viel aber nicht seiendes.
περὶ ἕκαστον ἄρα τῶν εἰδῶν πολὺ μέν ἐστι τὸ ὄν, ἄπειρον δὲ πλήθει τὸ μὴ ὄν.
THEAITETOS: So scheint es.
GAST: Muß man nicht auch von dem Seienden selbst sagen, daß es verschieden ist von dem übrigen?
οὐκοῦν καὶ τὸ ὂν αὐτὸ τῶν ἄλλων ἕτερον εἶναι λεκτέον.
THEAITETOS: Notwendig.
GAST: Auch das Seiende also ist, wiefern das übrige ist, sofern selbst nicht. Denn indem es jenes nicht ist, ist es selbst Eins, das unzählig viele übrige aber ist es nicht.
THEAITETOS: Beinahe so verhält es sich wohl.
GAST: Auch darüber also ist keine Schwierigkeit zu machen, wenn doch die Begriffe ihrer Natur nach Gemeinschaft mit einander haben (ἐπείπερ ἔχει κοινωνίαν ἀλλήλοις ἡ τῶν γενῶν φύσις). Will aber jemand dies nicht zugeben, der überrede erst unsere vorigen Reden und dann überrede er uns das weitere.
THEAITETOS: Das ist nach strengstem Recht gesprochen.
GAST: Laß uns nun auch dieses sehn.
THEAITETOS: Welches doch?
GAST: Wenn wir Nichtseiendes sagen, so meinen wir nicht, wie es scheint, ein entgegengesetztes des Seienden, sondern nur ein verschiedenes.
ὁπόταν τὸ μὴ ὂν λέγωμεν, ὡς ἔοικεν, οὐκ ἐναντίον τι λέγομεν τοῦ ὄντος ἀλλ᾽ ἕτερον μόνον.
THEAITETOS: Wie das?
GAST: Wie wenn wir etwas nicht groß nennen, meinst du daß wir durch dies Wort mehr das kleine als das gleiche andeuten?
THEAITETOS: Keineswegs.
GAST: Wir wollen also nicht zugeben, wenn eine Verneinung gebraucht wird, daß dann entgegengesetztes angedeutet werde, sondern nur soviel, daß das vorgesetzte Nicht etwas von den darauf folgenden Wörtern, oder vielmehr von den Dingen, deren Namen das nach der Verneinung ausgesprochene ist, verschiedenes andeute.
THEAITETOS: Auf alle Weise freilich. (Soph 256 d ff)



Zur ontologischen Betrachtung kommt die weitere Frage: Wie ist die Formenwelt zugänglich. Wir sprechen über sie. In der bisherigen Ausdrucksweise gesagt: die Rede verbindet sich mit dem Seienden. Dabei ist das interessante Problem, wie sie sich mit dem nicht Seienden verbindet. Nach Parmenides ist das nämlich unmöglich. Eine naheliegende Perspektive ist, dass es sich in diesem Fall um falsche Rede handelt. So gewinnt Platon gegen Parmenides das Thema des Irrtums und der Täuschung zurück. Er erklärt, wie es überhaupt möglich ist, sich zu täuschen.

GAST: Weil doch die Rede auch eine von den wirklichen Gattungen ist. (πρὸς τὸ τὸν λόγον ἡμῖν τῶν ὄντων ἕν τι γενῶν εἶναι) Denn ihrer beraubt wären wir, was das größte ist, auch der Philosophie beraubt, überdies aber müssen wir uns auch jetzt darüber einigen was eine Rede ist. Wollten wir sie nun ganz ausschließen, daß sie überall nicht sein soll, so vermöchten wir nicht weiter etwas zu sagen. Wir schlössen sie aber aus, wenn wir einräumten, es gäbe gar keine Verknüpfung für nichts mit nichts.
THEAITETOS: Ganz richtig ist dies wohl; warum wir aber jetzt die Rede erklären müssen, das habe ich noch nicht verstanden.
GAST: Vielleicht wenn du mir so folgen willst, wirst du es ganz leicht fassen.
THEAITETOS: Wie doch?
GAST: Das Nichtseiende hat sich uns doch als einer von den übrigen Begriffen gezeigt durch alles Seiende zerstreut.
τὸ μὲν δὴ μὴ ὂν ἡμῖν ἕν τι τῶν ἄλλων γένος ὂν ἀνεφάνη, κατὰ πάντα τὰ ὄντα διεσπαρμένον.
THEAITETOS: Richtig.
GAST: Nun laß uns zunächst zusehn, ob es sich wohl mit Vorstellung und Rede verbindet?
οὐκοῦν τὸ μετὰ τοῦτο σκεπτέον εἰ δόξῃ τε καὶ λόγῳ μείγνυται.
THEAITETOS: Weshalb?
GAST: Verbindet es sich mit diesen nicht, so ist notwendig alles wahr; verbindet es sich, so entsteht ja falsche Vorstellung und Rede. Denn Nichtseiendes vorstellen oder reden, das ist doch das falsche was in Gedanken und Reden vorkommen kann.
μὴ μειγνυμένου μὲν αὐτοῦ τούτοις ἀναγκαῖον ἀληθῆ πάντ᾽ εἶναι, μειγνυμένου δὲ δόξα τε ψευδὴς γίγνεται καὶ λόγος: τὸ γὰρ τὰ μὴ ὄντα δοξάζειν ἢ λέγειν, τοῦτ᾽ ἔστι που τὸ ψεῦδος ἐν διανοίᾳ τε καὶ λόγοις γιγνόμενον.
THEAITETOS: Allerdings.
GAST: Und ist Falsches oder Irrtum, so ist auch Täuschung.
THEAITETOS: Ja. (Soph 260a ff)



Platon geht bei der Klärung der Frage nach dem Zugang zu den Formen von grundlegenden sprachlichen Strukturen aus. Die Prädikation gibt die Gestalt vor, innerhalb derer es sinnvoll ist, zu sagen, dass etwas eine Beschaffenheit hat. Wie "hat" nun die Rede Zugang zu dieser Beschaffenheit? Wie haben wir Kenntnis von Ideen?

GAST: Rede und Vorstellung laß uns also wie gesagt jetzt vornehmen, damit wir desto untrüglicher berechnen können, ob das Nichtseiende sie erreicht, oder ob beide in alle Wege wahr sind und keine von ihnen jemals falsch.
THEAITETOS: Richtig.
GAST: Wohlan denn, wie wir uns über die Begriffe und Buchstaben erklärten, eben so laß uns auch wegen der Worte nachsehen, denn auf diese Art wird sich wohl das jetzt gesuchte zeigen.
THEAITETOS: Worauf sollen wir eigentlich bei den Worten Acht haben?
GAST: Ob alle sich mit einander zusammenfügen, oder keines, oder ob einige wollen, andere aber nicht.
THEAITETOS: Offenbar wollen doch einige, andere aber nicht.
GAST: Du meinst es vielleicht so, daß die, welche nacheinander ausgesprochen auch etwas kund machen, sich zusammenfügen, die aber in ihrer Zusammenstellung nichts bedeuten, sich nicht fügen.
THEAITETOS: Wie meinst du dies eigentlich?
GAST: So wie ich glaubte, du hättest es dir auch gedacht, als du mir beistimmtest. Es gibt nämlich für uns eine zwiefache Art von Kundmachung des Seienden durch die Stimme.
THEAITETOS: Wie das?
GAST: Das eine sind die Benennungen oder Hauptwörter, das andere die Zeitwörter.
THEAITETOS: Beschreibe mir beide.
GAST: Die Kundmachungen welche auf Handlungen gehn nennen wir Zeitwörter.
THEAITETOS: Ja.
GAST: Die Zeichen aber, die dem was jene Handlungen verrichtet durch die Stimme beigelegt werden, sind die Hauptwörter.
THEAITETOS: Offenbar freilich.
GAST: Und nicht wahr, aus Hauptwörtern allein hinter einander ausgesprochen entsteht niemals eine Rede oder ein Satz, und eben so wenig auch aus Zeitworten die ohne Hauptwörter ausgesprochen werden?
THEAITETOS: Das habe ich nicht verstanden.
GAST: Offenbar also hast du etwas anderes in Gedanken gehabt, als du mir eben beistimmtest. Denn eben dies wollte ich sagen, daß aus diesen so hintereinander ausgesprochen keine Rede wird.
THEAITETOS: Wie so?
GAST: Wie etwa geht läuft schläft, und so auch die andern Zeitwörter welche Handlungen andeuten, und wenn man sie auch alle hintereinander hersagte, brächte man doch keine Rede zu Stande.
THEAITETOS: Wie sollte man auch!
GAST: Und eben so wiederum, wenn gesagt wird, Löwe Hirsch Pferd und mit was für Benennungen sonst was Handlungen verrichtet pflegt benannt zu werden, auch aus dieser Folge kann sich nie eine Rede bilden. Denn weder auf diese noch auf jene Weise kann das Ausgesprochene weder eine Handlung noch eine Nichthandlung noch ein Wesen eines Seienden oder Nichtseienden darstellen, bis jemand mit den Hauptwörtern die Zeitwörter vermischt. Dann aber fügen sie sich, und gleich ihre erste Verknüpfung wird eine Rede oder ein Satz, wohl der erste und kleinste von allen.
THEAITETOS: Wie meinst du nur dieses?
GAST: Wenn jemand sagt, der Mensch lernt, so nennst du das wohl den kürzesten und einfachsten Satz.
THEAITETOS: Das tue ich.
GAST: Denn hiedurch macht er schon etwas kund über seiendes oder werdendes oder gewordenes oder künftiges, und benennt nicht nur sondern bestimmt auch etwas, indem er die Hauptwörter mit Zeitwörtern verbindet. Darum können wir auch sagen daß er redet und nicht nur nennt, und haben ja auch dieser Verknüpfung eben den Namen Rede beigelegt.
THEAITETOS: Richtig.
GAST: Wie also die Dinge teils sich in einander fügen teils auch nicht, so auch die Zeichen vermittelst der Stimme fügen sich zum Teil nicht, die sich aber fügen bilden eine Rede.
THEAITETOS: So ist es auf alle Weise.
GAST: Nun noch dieses wenige.
THEAITETOS: Welches?
GAST: Daß eine Rede, wenn sie ist, notwendig eine Rede von etwas sein muß, von nichts aber unmöglich.
THEAITETOS: So ist es.
GAST: Und auch von einer gewissen Beschaffenheit muß sie sein.
THEAITETOS: Unbedenklich.
GAST: Nun laß uns recht aufmerksam bei uns selbst.
THEAITETOS: Das wollen wir.
GAST: Ich will dir also eine Rede vortragen, indem ich eine Sache mit einer Handlung durch Hauptwort und Zeitwort verbinde, wovon aber die Rede ist sollst du mir sagen.
THEAITETOS: Das soll geschehen nach Vermögen.
GAST: Theaitetos sitzt. Das ist doch nicht eine lange Rede?
THEAITETOS: Nein, sondern sehr mäßig.
GAST: Deine Sache ist also nun zu erklären wovon sie ist und was sie beschreibt?
THEAITETOS: Offenbar von mir und mich.
GAST: Wie aber diese wiederum?
THEAITETOS: Was für eine?
GAST: Der Theaitetos, mit dem ich jetzt rede, fliegt.
THEAITETOS: Auch von dieser würde wohl niemand etwas anderes sagen als sie rede von mir und über mich.
GAST: Und irgend eine Beschaffenheit, sagen wir, habe notwendig jede Rede?
THEAITETOS: Ja.
GAST: Wie wollen wir also sagen, daß jede von diesen beschaffen sei?
THEAITETOS: Die eine doch falsch, die andere wahr.
GAST: Und die wahre sagt doch das wirkliche von dir daß es ist?
THEAITETOS: Ja.
GAST: Und die falsche, von dem wirklichen verschiedenes?
THEAITETOS: Ja.
GAST: Also das Nichtwirkliche oder Nichtseiende sagst sie aus als seiend?
THEAITETOS: Beinahe.
GAST: Nämlich seiendes, nur verschieden von dem Seienden in bezug auf dich. Denn in bezug auf jedes sagten wir doch gebe es viel seiendes und viel nichtseiendes.
THEAITETOS: Offenbar freilich.
GAST: Die letzte Rede nun welche ich von dir ausgesagt, war nach unserer vorigen Bestimmung darüber was eine Rede ist, zuvörderst ganz notwendig eine der kürzesten.
THEAITETOS: So waren wir eben wenigstens darüber einig geworden.
GAST: Dann redete sie doch von etwas.
THEAITETOS: Gewiß.
GAST: Und wenn nicht von dir, dann gewiß von niemand anderem.
THEAITETOS: Freilich nicht.
GAST: Und redete sie von nichts, so wäre sie ganz und gar keine Rede. Denn wir haben gezeigt es sei ganz unmöglich daß was eine Rede ist, sollte eine Rede von nichts sein.
THEAITETOS: Vollkommen richtig.
GAST: Wird also von dir verschiedenes als selbiges ausgesagt, und nichtseiendes als seiend, so wird eine solche aus Zeitwörtern und Hauptwörtern entstehende Zusammenstellung wirklich und wahrhaft eine falsche Rede.
THEAITETOS: Vollkommen wahr.
GAST: Und wie steht es mit Gedanken, Meinung oder Vorstellung und Wahrnehmung? Ist nicht schon deutlich daß auch diese alle in unsern Seelen wahr und falsch vorkommen? (Soph. 261 c ff)