SEYFRIED, Rolf (Arbeit2)

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DISKUSSION (2.Arbeit SEYFRIED, Rolf)

Anmerkungen zum Begriff des Phänomens

  • von Rolf Gregor Seyfried (Matrikelnummer: 9007993)


Gerhard Gotz und Arno Böhler zum Begriff des Phänomens In den Vorlesungen von Gerhard Gotz und Arno Böhler wurden uns zwei sehr unterschiedliche Verständnisweisen zu dem präsentiert, was man das Phänomen bzw. die Erscheinung nennt. Für Gotz ist das Phänomen jenes, das mit den Sinnen wahrgenommen werden kann. Es ist daher empirisch und als empirisches Faktum einerseits meßbar und andererseits mittels begründenen Denkens hinsichtlich seiner nicht empirischen Ursächlichkeit erschließbar. Entscheidend ist der Gedanke, daß das, was sich zeigt, also das Phänomen, immer nur etwas Sinnfälliges sein kann. Die Ursache, also das eigentliche Sein des Seienden, kann mittels Hypothesen angesetzt und gesetzt werden, sie zeigen sich jedoch nicht. Das, was sich demnach zeigt, kann immer nur etwas Empirisches und damit Meßbares sein. So entsteht die Doppelsttruktur: einerseits der Wirklichkeit, andererseits des Menschen. Sinne und und den Sinnen Gegebenes auf der einen Seite, Denken und Ursächliches auf der anderen Seite. Bei Arno Böhler finden wir einen ganz anderen Phänomenbegriff. Vom „ekphantischen Seinsverständis“ ausgehend, betont er, daß Sein die Fähigkeit ist, daß Erscheinungen überhaupt erst zum Vorschein kommen. Und das erste, was Erscheinungen tun, so Böhlers These, ist, daß sie sich in Raum und Zeit ausbreiten. Bei Gotz ist das Sein des Seienden hinter der sinnfälligen Erscheinung, eine „unsinnliche“ nur mit dem Verstand mittels Thesen gesetzte und zu setzende Welt der Ursachen hinter einer phänomenalen Welt. Bei Böhler ist das Sein nicht etwas, das sich hinter etwas anderem befindet, sondern es ist das zum Vorscheinkommen der Erscheinung; das Zum-Vorschein-Kommende ist die Erscheinung als das Sich-durch-Raum-und-Zeit-Bewegende. Dabei zitiert Böhler Nietzsche, der von einem „sich aus sich herausrollendem Rad“ spricht.


Abriß und Auszug zur Geschichte des Phänomens Das Wort „Phänomen“ hat eine lange bis in die Antike zurückreichende Begriffsgeschichte und zahlreiche Deutungen und Verständnisweisen erfahren. „Phänomen“ geht auf das altgrieschische φαινόμενον zurück, das heißt: „ein sich Zeigendes, ein Erscheinendes“ zurück. Platon unterscheidet zwischen Phänomen und Idee. Ein Pferd z. B. gehört zu den Phänomenen, während die Idee des Pferdes in dem besteht, was alle konkreten und möglichen Pferde als Pferde auszeichnet, ihrem gemeinsamen Wesen. Das Phänomen ist damit das sinnfällig Einzelne im Unterschied zum ideell Allgemeinen. Die Idee ist ewige Einheit, immer dieselbe und unveränderlich; die Phänomene dagegen sind als Mannigfaltige und Vielfache verstreut in Zeit und Raum, voneinander unterschieden und dauernder Veränderung unterworfen. Nur dem Anschein nach liegt daher in den Phänomenen Wirklichkeit; die eigentliche Wirklichkeit ist die Idee. Sie läßt sich mit Hilfe der Vernunft schauen, während die Phänomene an die Sinne gebunden sind. Im Platonismus rückt das Phänomen in eine Nähe zum bloß Scheinhaften; allerdings steht und fällt diese Deutung mit der Lehre von den dahinterstehenden ewigen Ideen als der eigentlichen Wirklichkeit. Wird sie aufgegeben, erhält das Phänomen zwangsläufig einen anderen Status. Für den naiven Realismus gibt es zwischen den wahrnehmbaren Phänomenen und der Wirklichkeit, wie sie an sich ist, keinen Unterschied. Beides ist unmittelbar identisch. Der kritische Realismus definiert dagegen die Phänomene als Bewußtseinszustände, die durch die Wahrnehmung und in ihr gegeben sind. Sie spiegeln die dahinterstehende Wirklichkeit nicht unmittelbar wider. Aber sie sind Zeichen dafür: Aus der Art, in der die Phänomene auftreten, läßt sich die Wirklichkeit erschließen.

Aber dies bestreitet Kant. Phänomen ist für ihn "Erscheinung", Gegenstand der Erfahrung, das Ding, wie es sich dem Wahrnehmenden zeigt. Wie es als "Ding an sich", d.h. unabhängig von aller Wahrnehmung, beschaffen ist und welches Verhältnis es zwischen dem Ding an sich und dem Ding als Erscheinung gibt, darüber kann nichts gewußt werden.

Noch einen Schritt weiter geht der Phänomenalismus (Ernst Mach). Er verneint sogar die Existenz des Dings an sich. Die Wirklichkeit besteht in nichts anderem als den wahrgenommenen (oder wahrnehmbaren) Phänomenen selber. Auch Hegel nimmt den Ausdruck des Phänomens auf, wenn er die Darstellung der Erscheinungsweisen des Geistes in seiner stufenweisen Heranbildung zum in sich vollendeten Wesen eine „Phänomenologie des Geistes“ nennt. In der Phänomenologie des 20. Jahrhunderts wird der Begriff des Phänomens ausgeweitet und neu interpretiert. Die erste methodische Forderung der Phänomenologie ist: „Zu den Sachen selbst.“ Edmund Husserl meint die Sachen, die in ursprünglicher Erfahrung gegeben sind. Mit Phänomen ist zunächst – negativ bestimmt – keineswegs das vermeint, was allgemeinhin als „Erscheinung“ bezeichnet wird, das in einer sinnlichen Wahrnehmung gegebene Seiende: der Gegenstand der Erfahrung, der gewissermaßen im Bewußtsein in einer Vorstellung als das Vorgestellte erscheint. Das „Phänomen“ ist nicht das, was als das Objekt bewußt wird, das dem Menschen als dem Subjekt als dessen Gegenstand gegenüber und entgegen steht; sei dies nun in den Einzelwissenschaften oder grundlegend und allgemeiner in der alltäglichen Erfahrung, die im Handeln gemacht wird. Der lebensweltliche Ansatz der Phänomenologie wurde von Martin Heidegger und Jean-Paul Sartre aufgenommen und weiterverfolgt. Beispiel: Phänomenologie der Endlichkeit Zum Schluß möchte ich auf Gotzens Endlichkeitsverständnis Bezug nehmen: Da alles menschliche Wissen nur Meinung aus der Spannung von Denken und Sinnlichkeit ist, ist das einzig Sichere die Unsicherheit. Die permanente Unsicherheit, in der somit der Mensch stehen muß, konfrontiert ihn mit seiner Endlichkeit. Nach Gotz ist Endlichkeit ein Fehlen, nämlich das Fehlen absoluter Gewißheit in Bezug auf das, was in Wahrheit ist. Aber könnte Endlichkeit nicht anders verstanden werden? Endlichkeit nicht als ein Fehlen sondern als ein positives „Faktum“ menschlicher Existenz. Ich meine hier die Endlichkeit als Sterblichkeit, die aber nicht als Mangel zu erfahren ist sondern als fundamentaler existentieller Horizont, worin erst die Weite und Offenheit menschlichen Daseins sich öffnet und bekundet. Mag sein, daß auch diese Endlichkeit mit einer Ungewißheit einhergeht, weil sie uns permanent ins Nichts verweist, auf der anderen Seite jedoch könnte gerade jene Grenze der Endlichkeit, die uns zugleich über sie hinausweist, allerst Bedingung der Möglichkeit sein, in Freiheit und Verantwortung angesichts der eigenen Sterblichkeit zu handeln. Vielleicht könnte jene Endlichkeit uns eine eigentümliche Art von Sicherheit, ja Zuversicht geben, vielleicht könnte jene „Unsicherheit“, von der Gotz gesprochen hat, positiv gewendet eine Haltung erwirken, die wir als „Offenheit angesichts des Nichts“ bezeichnen können, insofern wir das Nichts nicht bloß privativ im Sinne des Nichtigen verstehen, sondern: Es zeigt sich gerade nicht innerhalb des Horizontes eines Entwurfs als bestimmbares, relatives Nichts, sondern eher umgekehrt als das die Beziehung (Begegnung) und den Entwurf ihrer Zeitspielräume (daher Währen und Walten) Ermöglichende. So ist es nicht etwas, das uns in Anspruch nimmt, sondern eben das Nichts, und dieses ist in seiner Anspruchslosigkeit bedeutsam, spricht es uns doch an durch sein zurückhaltendes Schweigen, in dem sich die Abgründigkeit der Tiefe der Welt auftut und wir das Anspruchsvollste gewahren: grundgebendes Anwesen des Unergründlichen. Mir scheint, daß gerade das Verhältnis von „positiven Nichts“ und Endlichkeit zu denken gibt, das eine vom anderen her beleuchtet und verständlich gemacht werden könnte. Sein und Nicht-Sein im „ekphantischen Seinsverständnis“ Mich interessiert die Frage, wie die „Endlichkeit“ im „ekphantischen Seinsverständnis“ Böhlers zu begreifen ist. Böhler hat hierzu keine Aussagen gemacht. Sich beziehend auf J. L. Nancy meinte er jedoch, daß Körper, die per se ein Exponieren, ein Sich-von-sich-Wegbewegen, sich dehnend ein Ausgesetzt-Sein sind, dort aufhören, sich beschränken und begrenzen, wo sie andere Körper berühren, wo sie mit anderen Körpern in eine „Auseinandersetzung“ geraten. „Aufhören“, „beschränken“, „begrenzen“: Könnte der „Berührungsort“ ebenfalls ein „Ort der Endlichkeit“ sein? Die Frage ist freilich, ob das „Aufhören“ nur im Sinne eines geometrischen Raumentwurfs gemeint ist. – Wie steht es mit unserem Körper? WEISS ich, wo mein Körper aufhört, sofern dieser Körper nicht bloß der Organismus sondern Leib ist? Wenn ich das nicht weiß, dann kenne ich auch nicht den Ort meiner Berührung und den Ort meiner Endlichkeit.

Quellenverzeichnis 1 Johann Mader, Johann (1989): Einführung in die Philosophie II. Das 19. und 20. Jahrhundert, Wien: WUV-Universitätsverlag (1. Auflage)

2 Wucherer-Huldenfeld, Augustinus Karl (1997): Ursprüngliche Erfahrung und personales Sein. Ausgewählte philosophische Studien II, Wien; Köln; Weimar: Böhlau Verlag


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