Rückruf (AB): Unterschied zwischen den Versionen

Aus Philo Wiki
Wechseln zu:Navigation, Suche
K (add content)
K (add content)
Zeile 29: Zeile 29:
 
== retroaktiv ==
 
== retroaktiv ==
  
 +
[[Datei:BadiouEtreEvent3a.jpeg]]
  
 +
Das Sein ist von Einheit und Vielheit unaffiziert geblieben. Nächster Schritt: eine Definition von "Situation" und Auftritt der Mannigfaltigkeit. Sie ist präsentiert, das kommt vom Sein. Aber wo kommt die Vielfalt her? Badiou erläutert: "was immer die Bedingungen<ref>"les termes" gibt die englische Übersetzung als "the terms" wieder. Kann jemand die deutsche Variante nachsehen?</ref> der betreffenden Mannigfaltigkeit". Das erklärt ihren Auftritt  nicht, er wird einfach angenommen. Die Statuierung einer Struktur durch ein Zählen-als-Eins impliziert eine Vielheit, die der Zählung korrespondiert. Die wechselseitige Abhängigkeit Vielheit/Einheit funktioniert nach dem Muster des Verhältnisses zwischen dem Definitionsbereich und dem Ergebnis einer mengenbildenden Operation. Das ist die Welt nach logischen Prinzipien, ohne dass nach dem Verhältnis der Logik per se zu ihrer Anwendung in der Welt gefragt wird. Doch sie muss auch ins Boot geholt werden.
 +
 +
[[Datei:BadiouEtreEvent4.jpeg]]
 +
 +
=== Anmerkungen ===
 +
 +
<references />
  
 
----
 
----
  
 
[[Kategorie: Alain Badiou]]
 
[[Kategorie: Alain Badiou]]

Version vom 24. August 2012, 12:33 Uhr

Plotin, Wittgenstein und Badiou ist gemeinsam, dass sie mit einem strikten Verbot der Grenzüberschreitung arbeiten. Keine Fraternisierung mit dem Einen bzw. der Logik. Doch das ist nicht das letzte Wort. Es gibt dennoch verschiedene Annäherungsversuche:

  • Die Ausgestaltung. Plotins Eines öffnet sich dennoch in eigentümlicher Selbstentfaltung zur Welt.
  • Das Einhalten. Wittgenstein beendet seine Überlegungen, wo er nicht weiterkommt.

Badious Option ist ein Rückruf. Er statuiert ein fait accompli und rekonstruiert von ihm aus eine spekulative Vorgeschichte, die ihm erlaubt, von dem Bereich zu sprechen, der nach seiner Grenzziehung unzugänglich sein sollte. Die nachträglich eingerichtete Protogenese des Ist-Zustandes hat den Zweck, die revolutionäre Schärfe des Sprechverbots auf der Grundlage besprechbarer Umstände zu umgehen. Wittgenstein hat es so formuliert:

Die »Erfahrung«, die wir zum Verstehen der Logik brauchen, ist nicht die, dass sich etwas so und so verhält, sondern, dass etwas ist: aber das ist eben keine Erfahrung.
Die Logik ist vor jeder Erfahrung - dass etwas so ist.
Sie ist vor dem Wie, nicht vor dem Was.
Und wenn dies nicht so wäre, wie könnten wir die Logik anwenden? Man könnte sagen: Wenn es eine Logik gäbe, auch wenn es keine Welt gäbe, wie könnte es dann eine Logik geben, da es eine Welt gibt? (Tractatus 5.552 - 5.5521)

Zwar müssen wir eine Barriere zwischen dem Ganzen der Welt und der Logik aufbauen, welche sie bestimmt. Das Eine ist nicht (in der Welt). Doch damit laufen wir Gefahr, die Logik gänzlich von der Welt abzukoppeln; dann ginge die ganze Problemstellung verloren. Wittgenstein antwortet mit einem double bind: Die Logik kann sich, auch wenn sie noch so erhaben ist, nicht von der Welt losmachen, denn es gibt die Welt. Hätte Gott es unterlassen können, die Welt zu schaffen? Nun, er hat sie geschaffen und darum ist er dran.

Blankes Sein

BadiouEtreEvent3.jpeg

Die Stelle, an der "Das Eine" philosophisch auftritt, wird verschoben. Bei Plotin erhält es einen Platz im Vorbereich des Seins, bei Badiou im Seienden, als Operation. (Könnte man auf den metaphysischen Titel verzichten?) Zählen-als-Eins ist benachbart den Wittgensteinschen Vorgaben. Gegebenheiten werden in Sachverhalten miteinander in Verbindung gebracht:

Was der Fall ist, die Tatsache, ist das Bestehen von Sachverhalten.
Der Sachverhalt ist eine Verbindung von Gegenständen. (Sachen, Dingen.) (Tractatus 2 - 2.01)

Es ist zu fragen, was es in diesem Zusammenhang, also angesichts gegebener Verhältnisse, mit "dem Sein" auf sich hat. Badiou ist, was seine Einheit betrifft, konsequent. Nachdem er ihm die Einheit abgesprochen hat, kann er ihm keine Mannigfaltigkeit zusprechen. Beide Kategorien verfangen nicht. Gesagt werden kann bloß: Sein ist sich präsentieren. Es zeigt sich. Sonst noch etwas? Hier wäre Gelegenheit zum Einhalten. Alles, was präsentiert ist, kann die Souveränität des Sich-Präsentierens nur verdecken. Die Einheit/Vielheit-Dialektik geht verloren. Wenn das Sein vom Einheitszwang befreit ist, fällt auch die Gegenkategorie Vielheit weg. Das wäre das Ende des Kapitels "L'Un et le Multiple". Der Rückruf beginnt.

retroaktiv

BadiouEtreEvent3a.jpeg

Das Sein ist von Einheit und Vielheit unaffiziert geblieben. Nächster Schritt: eine Definition von "Situation" und Auftritt der Mannigfaltigkeit. Sie ist präsentiert, das kommt vom Sein. Aber wo kommt die Vielfalt her? Badiou erläutert: "was immer die Bedingungen[1] der betreffenden Mannigfaltigkeit". Das erklärt ihren Auftritt nicht, er wird einfach angenommen. Die Statuierung einer Struktur durch ein Zählen-als-Eins impliziert eine Vielheit, die der Zählung korrespondiert. Die wechselseitige Abhängigkeit Vielheit/Einheit funktioniert nach dem Muster des Verhältnisses zwischen dem Definitionsbereich und dem Ergebnis einer mengenbildenden Operation. Das ist die Welt nach logischen Prinzipien, ohne dass nach dem Verhältnis der Logik per se zu ihrer Anwendung in der Welt gefragt wird. Doch sie muss auch ins Boot geholt werden.

BadiouEtreEvent4.jpeg

Anmerkungen

  1. "les termes" gibt die englische Übersetzung als "the terms" wieder. Kann jemand die deutsche Variante nachsehen?