Protokolle - MuD09 - Gruppe4 - 20.01.

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Baur, Katharina

Protokoll Vortrag Prof. Klaus Puhl vom 14.1.10 Zitate am Handout beachten. Inhalt des Vortrages war die Philosophie als Arbeit an sich selbst.

In der Antike war die Arbeit an sich selbst vorgegeben und streng reguliert. Die Selbsterkenntnis und Selbstsorge sollte die Persönlichkeit und den Charakter ausbilden. Durch Askesis, geistige und körperliche Übungen, sollte dieses Ziel angestrebt werden. Gesucht wurde nach einer allgemeinen Wahrheit, die allen gemeinsam ist. Die Allseele, das Gute galt es zu finden. Prof. Puhl merkte an dieser Stelle an: wenn wir in Bezug auf die Antike von allen sprechen, dann beinhaltet das nur alle Männer. Frauen waren davon ausgeschlossen, aber dazu später mehr.

Descartes: Descartes gilt als der Gründer der neuzeitlichen Philosophie. Er vollzog eine Trennung zwischen der materiellen und geistigen Welt, einen Übergang vom Objekt zum Subjekt. Das Subjekt, der Mensch, stellt sich die Frage nach der eigenen Natur. Allerdings nicht mehr gebunden an einen Lehrer, wie es in der Antike der Fall war, sondern autonom. Die Suche nach Wahrheit, die Aufgabe der Philosophie, wird zur reinen Theorie. Mit dem methodischen Zweifel sollen wir zur Wahrheit des Subjekts gelangen. Für Descartes ist das Ich vorstellbar ohne Körper: cogito ergo sum, einer der berühmtesten Sätze der Philosophie. Auch Platon sprach von einem Dualismus von Körper und Seele. Allerdings war für ihn die Trennung, die Möglichkeit einer solchen Situation nicht nachvollziehbar. Das Nachdenken ist unabhängig vom Körper und seiner Veränderlichkeit. Jeder, der Denken kann, hat Zugang zur Wahrheit. Für Descartes hat die Ethik als Disziplin ihren Platz weit hinten in der Hierarchie.

Nietzsche: Er gilt als einer der bedeutendsten Philosophen des 19.Jahrhunderts. In der Antike wurde die philosophische Arbeit gleichgesetzt mit der Frage nach einem gelungenen Leben. Diese Frage spielte auch für Nietzsche eine zentrale Rolle. (Es soll erwähnt sein, dass Nietzsche Altphilologe war und sich aufgrund dessen in der Antike besonders gut aus kannte.) Er polemisierte gegen die christliche Askese als Lehre des Verzichts und führte für sich die griechische Form der selben wieder ein. Auch die antike Unterordnung der Erkenntnis unter die praktische Askese behielt er bei. Für ihn hatte sie bestenfalls den Wert eines Mittels. Nietzsche kritisierte die Verwendung der Bergriffe Subjekt und Objekt. Er meinte, man sollte diese Begriffe nicht heranziehen, da sie wegen grammatikalischer Schwierigkeiten der indogermanischen Sprache nicht taugen. Weiters sagt er: es gibt nur das Selbst, die körperliche Person. Hier setzt er sich von der Antike ab. Von Kant übernimmt er die Idee der Autonomie und der Selbstgesetzgebung. Den Kategorischen Imperativ lehnt er allerdings ab, wie er jede Form von aufgezwungenen Gesetzgebungen und moralischen Geboten ablehnte. Das Selbst existiert nur in seinem Schaffen, darüber hinaus gibt es kein Selbst. Denn: beim Übergang zu der Frage „wie kann ich leben?“ muss er sich von der Idee verabschieden, dass das Selbst mehr ist als Körper und Handlungen. „Wir wollen die werden, die wir sind“. Das klingt seltsam, aber „werde derjenige, der du sein sollst, wie du gelernt hast zu sein“ entspricht nicht Nietzsches Vorstellung von Autonomie (Ecce Homo). In der Antike wurde Selbstbearbeitung als ein Prozess gesehen, der zu einer göttlichen Erkenntnis führen sollte. Puhl erwähnt an dieser Stelle, dass damals Leute, die anders sein wollten als andere, verachtet wurden . Nietzsche hingegen meint, dass die Seite der Kreativität und des Einmaligen in dieser Hinsicht besonders hervorgehoben werden sollte. Nietzsche war in jeder Hinsicht extrem, er dachte immer alles zu ende.

Wittgenstein: 1889 – 1951 Wittgenstein hatte Kontakt mit dem Wiener Kreis, von dem er oft eingeladen wurde, aber nie auftauchte, weil er, wie Prof. Puhl es ausdrückte, die Leute dort nicht ausgehalten habe. Der Wiener Kreis war eine Gruppe von Philosophen, die die Philosophie als Wissenschaft,verglichen mit Mathematik und Physik, betreiben wollte. Dem war Wittgenstein abgeneigt. Der Wiener Kreis wurde nach dem Anschluss von den Nazis zerschlagen, da viele Mitglieder Juden waren. Wittgenstein meinte, dass die Furcht vor dem Tod ein Zeichen sei für ein falsches/schlechtes Leben sei. Er verglich die philosophische Arbeit mit ästhetischer Arbeit und war der Meinung, dass man Philosophie eigentlich nur dichten dürfe. In seinem Hauptwerk erfindet er viele fiktive Beispiele. Zur Wahrheit: man muss ein guter Mensch sein, um sie sagen zu können. Ein guter Mensch ist jemand, der sich selbst bezwungen hat. Wittgenstein selbst hat Selbstveränderung durch Philosophie betrieben. Das Ziel der Philosophie ist also Veränderung. Wie Platon meinte Wittgenstein, die Philosophie sei nur etwas wert, wenn man dadurch ein besserer Mensch werde. Als der erste Weltkrieg ausbrach meldete er sich als Soldat, um eine andere Person zu werden. Er gewöhnte es sich darüber hinaus auch an, seine Freunde mit Geständnissen seiner Sünden zu belästigen. Aber die Philosophie hat auch einen negativen Aspekt: die philosophischen Probleme der Tradition seien nur „Scheinprobleme“, da die Philosophen einfach die Logik der Alltagssprache missverstanden hätten. Bsp.: Heidegger: nichts, Nichts; Adverb, Substantiv. Wittgenstein vergleicht die Philosophie auch mit einer Art Krankheit, die ein Hindernis für ein gelungenes Leben ist. Die Methode der übersichtlichen Darstellung, Zusammenhänge finden, bietet eine Aussicht auf die Lösung von philosophischen Problemen. Sie ist eine „Therapie“. Wittgenstein selbst versuchte das philosophieren aufzuhören, indem er sich als Volksschullehrer versuchte. Er wurde aber der Schule verwiesen, nachdem er einen Schüler mit einem Lineal bewusstlos geprügelt hatte. Er führte überhaupt ein unstetes Leben. Er gab seine Professur in Cambridge, mit der er unzufrieden war, bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges auf und meldete sich als Krankenpfleger, obwohl er dafür nicht ausgebildet war.

Foucault: Foucault starb 1984 als er bereits sehr populär war. Er verfasste Werke über Wahnsinn und Gesellschaft, Sexualität und Wahrheit, uvm. Alles, was er geschrieben hat ging immer nur bis zur Renaissance. Er beschäftigte sich ausführlich mit der antiken Lebensführung und Selbstsorge. Man unterstellte ihm aufgrund seiner Untersuchungen der Antike anhand ihrer ein Modell für die Moderne schaffen zu wollen. Dieser Vorwurf war nicht gerechtfertigt, da sich Foucault selbst bewusst war, dass jede Zeit ihre Probleme hat. Er sah die Antike mit ihrem Sklaventum und der Unterdrückung der Frau als abschreckendes Beispiel. Die Antike hatte keinen eigenen Begriff für Sexualität. Der Begriff „Aphrodisia“ beinhaltete ursprünglich alle Formen des körperlichen Genusses, auch essen und trinken. Man muss auch wissen: wenn in Werken der Antike die Sexualität thematisiert wird, dann handelt es sich dabei um die Sexualität zwischen Männern, genauer gesagt, zwischen Männern und Knaben. Die Beziehung zwischen Mann und Frau fand nie den Weg in einen Text, weil sie einfach nicht erwähnenswert war. Die Sexualität hatte auch nicht den Sündencharakter wie im Christentum, das deswegen von Foucault stark kritisiert wurde. Es gab in der Antike keine moralischen Auflagen. Kein „du sollst“, „du darfst nicht“. Es stellte sich nur die Frage: wer penetriert wen? Der Penetrierte ist passiv. Der Penetrierer derjenige mit der geringeren Selbstbeherrschung. (Die Lösung von Platon lautete: verzichte auf Sex.) Frauen, Sklaven und Vieh haben den Männern gehört. Treue war zwar angesehen, wurde aber nicht unbedingt erwartet. Untreue Frauen wurden allerdings mit dem Tod bestraft. Auch Sex mit Sklaven gehörte zum Alltag und Vergewaltigung galt wohl nicht unbedingt als Verbrechen. Foucaults „Geständnisse des Fleisches“ behandelt das Christentum, in dem durch Verbote und Gebote die Notwendigkeit der Beichte entstand. Begierde wird zu einer fremden Macht: der Teufel beherrscht mich. Foucault übernimmt die „Ästhetik der Existenz“ wie Nietzsche von der Antike. Dabei geht es vor allem um die Arbeit an sich selbst, deren erster Schritt die Selbsterkenntnis ist. Foucault bleibt hier nicht abstrakt, sondern liefert sogar Beispiele für praktische Übungen. Dazu muss gesagt werden, dass Foucault als ausschweifend galt. Er praktizierte sadomasochistische Techniken und suchte nach körperlichen Grenzerfahrungen. Er war homosexuell, aber die Freundschaft, die bei ihm einen hohen Stellenwert hatte, beschreibt er ausdrücklich ohne sexuellen Charakter.


Dade, Björn

In seiner zweiten Vorlesung zur Philosophie als Lebenskunst und Selbstsorge wandte sich Dr. Puhl, nach kurzer Rekapitulation der den antiken Schulen gemeinsamen Aspekte, neuzeitlichen Konzeptionen derselben zu und beleuchtete beispielhaft entsprechende Fragestellungen in den Werken Descartes, Nietzsches, Wittgensteins und Foucaults.

Während die Antike das Wechselverhältnis der Selbsterkenntnis als Folge und Bedingung der Selbstsorge betonte und damit einen Zusammenfall theoretischer und praktischer Lebensführung, worin die Arbeit an einem selbst streng reguliert war in Technik und Inhalten, somit körperliche und geistige Übung (Stichwort: Askese) in einem „normativ-transzendenten Zusammenhang“ (Puhl) auf die angestrebte Wahrheit hin gerichtet waren, sollte Descartes als Vater der modernen Philosophie den Übergang zum philosophischen Subjekt begründen.

Während das antike Selbst durch Schule, Lehre, Wahrheitskonzeption etc. gebunden war an die gemeinsame, d.h. allen gemeine Arbeit, ist das descart'sche Subjekt mit seiner Wahrheit - als Folge des methodischen cartesischen Zweifels - allein: Die radikale Infragestellung der materiellen Welt wirft den Fragenden auf sich selbst als erste und einzige verläßliche Quelle - als Fragesteller - zurück: Cogito ergo sum. Diese erste Wahrheit ist aber, ungleich antiken Konzeptionen in ihrer Bindung an die Lehre und Praxis, eine unmittelbar-evidente, d.h. jedem Erkenntnissubjekt zugängliche. Infolge des Primats der Erkenntnis tritt in der cartesischen Philosophie die Arbeit an sich selbst (Stichwort: Handlung, Praxis) hinter die Selbsterkenntnis zurück, die Ethik wird von Descartes nachrangig behandelt.

Im 19. Jh. revitalisierte Nietzsche, nicht zuletzt angeregt durch seine Beschäftigung als Altphilologe mit der Antike, die Frage des gelungenen, des guten Lebens und machte sie - wenn auch in abgewandelter Form - zu einem Kernpunkt seines philosophischen Interesses: Wie soll man das (eigene) Leben gestalten? In scharfer Polemik gegen die christliche Askese-Lehre, die er als Selbstkasteiung und Verzichtslehre brandmarkt, befürwortet Nietzsche die antike Askese- Konzeption, derzufolge die Erkenntnis der Arbeit an sich sich unterzuordnen habe. Zentrale Bedeutung gewinnt für ihn der Begriff der Übung. Das descart'schen Erkenntnissubjekts verwirft er als Fiktion: Der Mensch begründe sein Selbst in seinen Akten (Stichwort: „Selbst-machung“): „Die Identität des Selbst erschöpft sich in seinen Handlungen.“ (Puhl) Hierin kontrastiert die Konzeption des Selbst bei Nietzsche deutlich mit jener der Antike, derzufolge ein gegebenes, vorausgesetztes Selbst durch die Arbeit an sich „aufgedeckt“ wird.

Obschon er den kantischen Begriff der Autonomie übernimmt, adaptiert und radikalisiert Nietzsche ihn: Autonomie ist Selbstgesetzgebung und einzig dies - die Überlegungen Kants zum moralischen Gesetz, welches als solches universalisierbar sein muß, lehnt Nietzsche entschieden ab: Der je einzelne Mensch gestalte sich als je Neues, Originäres, Eigenes - und Einzigartiges. Resultat dieser philosophischen Arbeit an sich ist die Selbststilisierung: „Gib deinem Charakter Stil“, d.h. der Mensch soll sich in Abgrenzung zum Häßlichen, Düsteren selbst herausbilden. Darin gründet für Nietzsche Schönheit, nicht in der antiken Konzeption der Harmonie.

Wittgensteins Reputation ist weitgehend beeinflußt von seiner Rezeption durch den Wiener Kreis um Carnap und Schlick und dessen Programmatik einer wissenschaftlichen Philosophie: Philosophie als exakte Wissenschaft gleich Mathematik und Physik. Dr. Puhl hingegen verwies auf den oftmals verkannten Lebens-Philosophen Wittgenstein, welcher schon im Abschluß des Tractatus logico-philosophicus (1921) - im Widerspruch zur (späteren) „objektiven Wahrheitssuche“ des Wiener Kreises - den Wert der Arbeit an sich selbst unterstreicht, und stützte sich in seinen Ausführungen en gros auf Wittgensteins Nachlaß postum veröffentlichter Schriften.

Durchaus biographisch geprägt deutet Wittgenstein die philosophische Arbeit als Arbeit an sich, welche sich des Fiktiven (Stichwort: Gedankenexperimente) zu bedienen habe und gar als „Dichtung“ verstanden (und betrieben) werden könne. Ziel ist für Wittgenstein die Veränderung seinerselbst, d.h. Abschied zu nehmen vor der „Furcht vor dem Tod“, welche das „falsche Leben“ charakterisiere, hin dazu, „ein besserer Mensch“ zu werden. Dies ermöglicht für Wittgenstein einzig die Selbstbezwingung und Selbstbeherrschung, womit er ein antikes Motiv aufgreift: „Du kannst die Wahrheit nicht sagen, wenn Du kein guter Mensch bist.“ (Puhl) Erkenntnis und gutes Leben bedingen einander.

Neben den positiven Charakter der Philosophie als Arbeit an sich tritt für Wittgenstein aber auch ihr zutiefst negativer, wenn sie infolge selbst aufgeworfener „Scheinprobleme“ - Resultat des Mißverständnisses der Philosophie in ihrer Auseinandersetzung mit der Sprache (und besonders: der Sprache des Alltags) - die Arbeit am Selbst behindere. So geriere die Philosophie sich wie eine Krankheit. Um dieser Fehlentwicklung abzuhelfen, sucht Wittgenstein nach den die jeweilige philosophische Problematik übersteigenden Zusammenhängen - also auch in der Praxis -, sie einzubetten und „zu heilen von der Philosophie“. Ergo vereint für ihn die Philosophie Übel und Heilung in sich, und ihr Ausweg bestehe darin zu bekennen, der Zusammenhänge (noch) zu entbehren: „Ich kenne mich nicht aus“: als ein zum platonischen Staunen radikal verschiedenes Bekenntnis und Ausgangspunkt.

Michel Foucault schließlich hat mit seinen Schriften das Interesse an der Philosophie als Selbstsorge reaktiviert, welches zuvor als Spezialthema für Antikenexperten galt. Seine Besinnung auf die Antike scheint prima facie ein Bruch mit seiner vorherigen Arbeit, welche als Projekt der Genealogie zu untersuchen ansetzte, Antwort zu geben auf die Frage: Wer sind wir heute? Foucault zufolge ist die Gegenwart zu verstehen als (kontingentes) Vermächtnis des (zeitlich relativ nahen: bis zur Renaissance) Vergangenen, „Elemente der Vergangenheit, zufällig gemischt“ (Puhl). Foucaults Beschäftigung mit der Antike hingegen streicht nicht die Genealogie, sondern die Differenz heraus: Das antike Konzept der Selbstfürsorge könne nicht eins zu eins umgesetzt werden auf die Moderne, weil die geschichtlichen und gesellschaftlichen Unterschiede (Differenzen) allzu groß seien (Stichwörter: Sklavengesellschaft, Frauen als (unfreier) Teil des οἶκος, „Besessenheit der Penetration“). Das Verhältnis der Moderne zum Körper sei entschieden anders, nicht einzig, weil der Begriff der Sexualität in der Antike keine Entsprechung finde, sondern auch (genealogisch!) infolge der langwährenden Vorherrschaft einer körperfeindlichen christlichen Lehre.

Somit seien, so Dr. Puhl, zwei Aspekte im Werk Foucaults bedeutsam für die Arbeit an sich, also für die Philosophie als Lebenskunst und für die philosophische Praxis: (1) Das Verständnis für die je eigene Kontingenz - in Form der Genealogie - relativiert für das Individuum die je eigenen Schwierigkeiten und Probleme, enthebt sie ihre Schwere (oder auch Wichtigkeit). (2) Das Bewußtsein der Differenz zeigt ihm eine Kultur auf, die vollkommen verschieden ist von seiner Erfahrung (und so Alternativen bezeugt).

Diese beiden Faktoren verschmelzen bei Foucault in einer Ästhetik der Existenz - mit welcher er eine antike Konzeption reformuliert: „Wir müssen uns selbst als Kunstwerk schaffen.“ (In der Antike ist das Ergebnis schon vorgegeben.) Erster Schritt hierbei ist eine kritische Ontologie, in welcher das Idividuum sich Aufschluß gibt, woher es kommt, was es ist und wodurch es bestimmt ist. Darauf, so Foucault, bestimmt sich der Einzelne einen eigenen Begriff des Ethos und erwirbt und entwickelt diesen mittels verschiedener Techniken (philosophisches Schreiben, körperliche Grenzerfahrung, militante Politik, Freundschaft). Darin erweise sich fortdauernde Übung als „verändernde Erprobung seinerselbst“ (Puhl).


Andreatta, Benjamin

Protokoll Vorlesung Klaus Puhl (14. 1. 2010)


Wiederholung Antike

Zu Beginn der Vorlesung wiederholte Herr Puhl noch einmal die wichtigsten Schwerpunkte vom letzten Donnerstag: Im Mittelpunkt aller verschiedenen Modelle stand die Übung an sich selbst, die Erkenntnis und daraus auch folgend, das gute Leben. Im historischen Kontrast führt er darauf Neuzeitliche, bis hin zur Moderne, Denkweisen an.


René Descartes

Mit diesem Philosoph gewinnt das Subjekt seinen Stellenwert, auch neu: es ist im Gegensatz zur Antike jeder zur Lebenskunst fähig. Zudem wird der Fokus ausschließlich auf den Geist und die Erkenntnis gelegt, wobei die Ethik abgestuft wird, ebenso wie das Materielle und mit ihm der Körper.


Friedrich Nietzsche

Bei Nietzsche fällt Körper und Subjekt hingegen wieder zusammen in eine Einheit, in das Selbst. Die Frage die er stellt, lautet „Wie könnte mein Leben aussehen?“ und lehnt jede Voralge, Imperativ und auch die christliche Moral ab. Er bevorzugt eine Selbstgesetzgebung, wobei diese im Kontrast zu Kants Autonomie verstanden werden sollte. Zu dem finden wir bei Nietzsche eine stärkere Anlehnung an die Antike. Die Übung formuliert er um in „seinem Charakter Stil geben“ oder in „wir wollen die werden, die wir sind“.


Ludwig Wittgenstein

Hier wird die Philosophie zur „Arbeit an einem selbst“ und es wird so die rein akademische und wissenschaftliche Disziplin abgelehnt. Einen negativen Aspekt erlangt die Philosophie bei Wittgenstein allerdings auch, nämlich durch ihre Eigenschaft, Missverständnisse und Sprachmissbrauch hervorzubringen. Für ihn fällt Krankheit und Heilmittel in gewissem Maße zusammen.


Michel Foucault

Für ihn ist die Betrachtung der Antike wichtig, wobei man die historische und gesellschaftliche Differenz niemals außer Acht lassen darf. Zum Beispiel befasste sich die Thematik der Sexualität damals eher mit und zwischen Männern. Für Foucault spielt dies deshalb eine Rolle, da er dachte, dass unsere Geschichte uns zufällig zu dem geführt hat, was wir heute sind. Deshalb müssten wir heute nicht so sein wie wir sind, also es in der Hand hätten, uns selbst zu verändern, auch wenn uns dies unsinnig erscheinen mag. Dabei lehnt er eben die exakte Nachahmung der antiken Selbstsorge ab. Zuerst solle man sich selbst erkennen und dann schließlich seine Grenzen überschreiten, ein von sich selbst lösen. Als Techniken erwähnt Foucault hier militante Politik, Schreiben, Freundschaft und körperliche Grenzerfahrungen.

Werner, Markus

Protokoll vom 14.01.10 (Prof. Klaus Puhl):


Die Vorlesung des Herrn Prof. Puhl behandelte, als Ergänzung zur vorherigen Woche, die Thematik der Philosophie, als Arbeit an einem selbst. Während in der vorherigen Vorlesung die Ideen der Antike kurz dargestellt wurden, war die diesmalig behandelte Epoche die Zeit der beginnenden Neuzeit bis heute. Begonnen hat Prof. Puhl seine Ausführungen mit den Gedanken zu der Thematik der Philosophie als Lebenskunst bei Rene Descartes. Bei ihm, Descartes, wendet sich auch die Sichtweise des Selbst, als personale Einheit, zum Subjekt (zum Ich). Diese, nun als theoretische Frage zur eigenen Natur umgewandelte, Fragestellung beginnt, wie dies für Descartes charakteristisch ist, mit dem Zweifel. Dieser Zweifel an der eigenen Umwelt, ja sogar am eigenen Körper, mündet in den Gedanken, dass es nur eines gibt, welches nicht bezweifelt werden kann, nämlich das Subjekt (also das Ich). Die daraus folgernde Körper-Geist-Trennung (bei Descartes: res extensa - res cogitans) verlangt dem Geist die Auseinandersetzung mit der Fragestellung der Philosophie, als Arbeit an einem selbst, ab. Antworten wurden bei Descartes, soweit es den Inhalt der Vorlesung betrifft, keine gegeben, was darauf schließen lässt, dass er (Descartes) keine allgemeine Antwort auf solch eine Frage zulässt. Die Beantwortung der Frage ist demnach dem Einzelnen überlassen.

Als nächsten zentralen Philosophen wurde, im Zuge der Vorlesung, Friedrich Nietzsche genannt. Dieser polemisiert sowohl gegen das christliche sowie auch gegen das kartesianische Erkenntnis-Subjekt. Es handelt sich, so Nietzsche, bei selbigem um eine fiktive Vorstellung des Rene Descartes. Dieses folgenschwere Missverständnis begründet Nietzsche mit der Subjekt-Objekt-Grammatik. Nietzsches versöhnliche Antwort lautet, dass es nur das „Selbst“ und kein Subjekt-Erkenntnis gebe. Nun ändert Nietzsche auch noch die Problematik des „Wie soll ich leben?“ zu der Frage „Wie kann ich leben?“. Ergänzend zu den Überlegungen des Friedrich Nietzsche wurde in der Vorlesung außerdem erwähnt, dass er die sehr streitbare Meinung vertreten hat, dass sich die Identität eines Menschen in dessen Handlungen erschöpft. Den Gedanken im Hinterkopf behaltend, beantwortet Nietzsche die Frage nach der Philosophie als Lebenskunst, nun mit der Aufforderung „Werde so, wie du sein sollst“. Was jedoch soll dies wiederum bedeuten? Es bedeutet, dass laut Nietzsche, die Einmaligkeit/Besonderheit der eigenen Identität angestrebt werden soll. Allgemein formuliert, kann gesagt werden, dass Nietzsche den Menschen dazu auffordert, sich neu zu erfinden. Und zwar auf eine unverkennbar, einzigartige Weise neu zu erfinden.

Die Ideen finden ihre Weiterführung bei dem Philosophen Ludwig Wittgenstein. Dieser Philosoph, obwohl Mitglied des Wiener Kreises (eine, sich durch die wissenschaftsorientierte Auseinandersetzung mit der Philosophie auszeichnende Vereinigung von Philosophen) kein Anhänger des Gedankens der Philosophie als Wissenschaft, war demgegenüber von einer „Philosophie als Lebensweise“ überzeugt. Er ging sogar so weit die Arbeit des Philosophen mit so einer Art ästhetischer Untersuchung gleichzusetzen. Schlussfolgernd kann philosophische Arbeit, bei Wittgenstein, als Dichtkunst verstanden werden. Überhaupt, so Wittgenstein, mache Philosophie nur dann einen Sinn, wenn sie einen besseren Menschen aus der Person, die sich ihrer annimmt, macht. Philosophie ist demnach, wenn man dem Gedanken des Ludwig Wittgenstein folgt, so etwas wie eine Therapie für das eigene Leben. Also verkörpert Wittgenstein den Gedanken, der Philosophie, als Arbeit am eigenen Leben. Schließlich folgten den Überlegungen des Ludwig Wittgenstein die des Michel Foucault. Prof. Puhl erklärte in diesem Zusammenhang auch, dass Michel Foucault der Grund dafür sei, dass wir heute überhaupt einen Schwerpunkt auf die Thematik der Philosophie, als Arbeit an einem selbst setzen. Foucault, und dies war zentral für seine Lebensphilosophie, wiederbelebte die Antike und deren Gedanken. Obwohl er dessen Gedanke der so genannten Selbstsorge nicht teilt, so ist er dennoch davon überzeugt, dass wir unser Leben in der eigenen Hand halten, wir also den Lauf der Geschichte selbst bestimmen und verändern können. Die Differenz spielt in diesem Zusammenhang eine ganz zentrale Rolle bei Foucault. Zuvor aber bestimmt er die Frage, welche es zu klären gebe. Diese lautet „Wer bin ich?“. Diese doch auch sehr oft missverstandene Frage zielt darauf ab, sich von sich selbst zu lösen, sich also von sich selbst zu differenzieren. Solch ein „von sich selbst lösen“ kann bei Foucault auf unterschiedliche Arten und Weisen erreicht werden. Hierbei wird zunächst das Schreiben, als eine Technik um ein anderer zu werden, erwähnt. „Man schreibt, um ein anderer zu werden“ so Foucault.

Zu Ende der Vorlesung von Prof. Puhl wurde noch auf eine Frage, eines Hörers, ob denn nicht vielleicht auch eine Moralvorstellung des Friedrich Nietzsche skizziert werden könne, geantwortet. Die Antwort, etwas verkürzt wiedergegeben, lautete, dass jedwede Form einer normativen Moralvorstellung von Friedrich Nietzsche strikt abgelehnt wurde. Demnach also auch der Kategorische Imperativ des Immanuel Kant. Es gibt also keine Moralvorstellung bei Friedrich Nietzsche. Und damit endete bereits die zweite Vorlesung des Herrn Prof. Klaus Puhl.


Kos, F.

Protokoll zur Ring-Vorlesung vom 14. Jänner 2010, Professor Klaus Puhl


Um die Verbindung zwischen philosophischer Theorie und Praxis in der Neuzeit zu konturieren, wird im Anschluss an den vergangenen Vortrag eine prägnante Zusammenfassung gestellt. Bereits in der Antike entspann sich ein facettenreicher Diskurs zu der Frage, wie man glücklich leben könne. In diesem Zusammenhang sind gewisse Gemeinsamkeiten der antiken Schulen auffallend. Elementar gilt die Voraussetzung der Selbsterkenntnis für die Selbstsorge. Die Kriterien und Techniken zur Erlangung des guten Lebens sind als transzendent-normative Vorgaben festgehalten. Zudem kommt in jedem Modell der Wahrheit eine bedeutende Rolle zu. Sie wird jeweils als allgemeine Wahrheit (bei Platon z.B. die Idee des Guten) definiert und steht auf diese Weise in engem Zusammenhang mit der Allseele.

Mit seinem skeptischen Rückzug auf das erkennende Subjekt begründet René Descartes (1596-1650) einen Hauptzug der neuzeitlichen Philosophie. Eigentlicher Ausgangspunkt der cartesianischen Philosophie ist jedoch der Zweifel. Er sucht seiner Methode gemäß nach einem Ansatzpunkt, der nicht mehr anzuzweifeln ist und meint schließlich, dass selbst im Zweifel das Ich, also das Selbstbewusstsein des Subjekts, vorausgesetzt sein muss. Das methodische Zweifeln wird im indirekten Anschluss an den ontologischen Gottesbeweis wieder eingeführt. Descartes ist Verfechter eines Dualismus. Außer dem ungeschaffenen und vollendeten Sein Gottes gibt es in der Welt die zwei völlig getrennten Reiche von ausgedehnten Körpern (res extensa) und reinem Denken (res cogitans). Das Erlangen der Wahrheit wird zu einer theoretischen Sache, ist unabhängig von der Änderung des Selbst und durch reines Denken zu erwirken. Der Ethik kommt außerdem nur eine untergeordnete Rolle zu. Nach den Tugenden zu leben sei nicht weiter obligat, um die Wahrheit zu kennen. Der metaphysische Dualismus der Zweisubstanzenlehre wurde in weiterer Folge zum Ausgangspunkt der idealistischen Unterscheidung zwischen Objekt und Subjekt. Oftmals als Sünder der Philosophiegeschichte gesehen wurde Descartes rationalistisch-mechanistische Denkweise ebenso heftig kritisiert wie seine Verständnislosigkeit gegenüber historischen Prozessen. ¹

Friedrich Nietzsche (1844-1900) revitalisiert die aufgeworfenen Thematisierungen in Bezug auf die Frage „Wie soll man sein Leben gestalten?“ und formt sie, seinen Vorstellungen entsprechend, zu „Wie könnte man leben?“ um. Wesentlich polemisiert er gegen die christliche Vorstellung von Askese, nämlich den Verzicht, sowie gegen das abstrakte cartesianische Erkenntnisobjekt. Indem er meint, das Verhalten der Menschen richte sich an dem Willen zur Selbsterhaltung, setzt er sich von der antiken Vorstellung ab. Vor diesem Hintergrund geht Nietzsche an die Umwertung aller Werte, die sich nach dem Prinzip des Willens zur Macht richten. Gut und Böse ließen sich nach dem Nutzen einer Handlung für die Vitalität und dem Machtgewinn, der aus ihr zu ziehen ist, bestimmen. Er greift die akademische Philosophie an, weil diese seiner Ansicht nach dem Leben nicht angemessen sei, postuliert, dass das Denken nicht zweckfrei, sondern ein Mittel sein sollte, ein gutes Leben zu ermöglichen.² Wenn Pindar (5.Jh. v. Chr.) meint: „Werde der, der du einst gelernt hast zu sein.“, so tritt bei Nietzsche der Einzelne, der so genannte freie Geist, der seit dem Anfang der Philosophie bei Sokrates von der wissenschaftlichen Rationalität unterdrückt worden sei, ins Zentrum der Vision einer neuen Kultur. Jedes gute Leben müsse auch ein schöpferisches sein. Die Metapher des Bildhauers verwendet bereits Epikur, bei dem der schaffende Prozess allerdings mit dem Ausbrechen der Tugend endet. In der Antike wäre die Vorstellung Nietzsches wohl auf Ablehnung gestoßen, galt jemand, der dem Herkömmlichen nicht angepasst war, doch als verrückter Außenstehender. Jene von ihm propagierte selbst-wechselseitige Ordnung, die man finden müsse, sowie die Seite des Einmaligen, noch nie da Gewesenen lässt sich durch die Vertretung eines Dandys, wie etwa Charles Baudelaire, konkret veranschaulichen.

Ludwig Wittgenstein (1889-1951) gilt eigentlich als Hauptvertreter wissenschaftlicher Philosophie, weshalb er in Bezug auf das Motto der Vorlesung durchaus überraschend Erwähnung findet. Wittgenstein tendierte aber zu einem ausgeprägten Bezug zwischen Philosophie und Leben. Er besaß eine, wenn auch nicht unproblematische Nähe zum Wiener Kreis, dessen Ziel die Erarbeitung einer wissenschaftlichen Philosophie war, die so exakt arbeiten kann wie beispielsweise die Physik oder Mathematik. In seinem Werk „Tractatus logico-philosophicus“ unterzieht Wittgenstein die Philosophie einer Sprachkritik und deckt geläufige philosophische Begriffe als Scheinbegriffe auf. Beispielsweise wird die adverbielle Bestimmung nichts ohne Weiteres zum Substantiv Nichts umgewandelt („Da ist nichts.“ „Das ist Nichts.“), nach Wittgenstein ein klares Missverständnis von Logik in der Alltagssprache. Die Schlusssätze des „Tractatus“, welche das Mystische thematisieren gehen aber entgegen der Ansicht des Wiener Kreises und den darin versammelten logischen Empiristen nicht um Metaphysik-Kritik, sondern um Ethik und wurden deshalb von ebenjenen abgelehnt. In ästhetischen Untersuchungen zur Philosophie meint Wittgenstein gar, dass man in der Philosophie eigentlich nur dichten dürfe, worunter wohl die Heranziehungen fiktiver Beispiele, Abweichungen und Gedankenexperimente zu verstehen sind. Für Wittgenstein spielt die Veränderung seiner selbst, also die Transformation eine große Rolle. Sein Verhältnis zur Philosophie ist auch geprägt von negativen Seiten. So sieht er sie als Krankheit, die ein anderes Leben erfordert, um die belastenden Gedanken aus dem Kopf zu bekommen. Es sei zudem Aufgabe der Philosophie die Menschen zu bessern. Sie agiert somit als Hilfsmittel und Übel zugleich, man könnte meinen als Heilmittel gegen sich selbst. So ist auch sein eigenes Leben durch diese Auffassungen in seltsamer Manier beeinflusst: Freiwillig zieht Wittgenstein in den Ersten Weltkrieg, wird Lehrer, wobei er einen Schüler dermaßen prügelt, dass er vom Dienst suspendiert wird, gibt eine Professur in Cambridge schließlich auf, um als Krankenpfleger zu arbeiten. All dies mit der Absicht eine andere Person zu werden. Er spricht von Zusammenhängen, die den Philosophen erst frei machen, wenn er sie gesehen hat.

Das Thema der Lebenskunst gerät bei Michel Foucault (1926-1984) wieder in den Fokus des Interesses. Die Genealogie spielt hierbei eine gewichtige Rolle. Sie soll feststellen wer wir heute sind und untersucht die Herkünfte. Die Zufälligkeit des Resultats wird besonders hervorgehoben, wir müssten also nicht so sein, wie wir sind. Für das Vermächtnis der Antike an uns betont er jedoch eine Differenz. Ihre Ideen der Selbstsorge seien für uns nicht relevant, da jede Zeit ihre eigenen Probleme mit sich bringe und die ethische“ Ästhetik der Existenz“ einer heute strategischen Vereinnahmung des Subjekts entgegenstünde. Neben der Genealogie sieht Foucault auch die Penetration als Grundlage zur Arbeit an sich selbst. Die Antike hatte etwa keinen direkten Begriff für die Sexualität. „Aphrodisia“ stand sehr allgemein für körperliche Genüsse unterschiedlichster Art. Sie galt auch als nur eine Facette des Lebens, welche nicht das Geheimnis des Selbst ausmache. Überhaupt war die Beziehung zwischen Mann und Frau wenig von Bedeutung, wesentlich wichtiger jedoch jene zwischen jungen und älteren Männern. Es stellte sich die grundlegende Frage: „Wer penetriert wen?“ nicht im moralischen, doch selbstbeherrschenden Sinne. Das Ausleben der Sexualität konnte zwar zum Vorbehalt bestimmter Ämter führen, wurde jedoch nicht examiniert. Treue wurde hoch angerechnet, war aber im Grunde genommen obsolet. Im Anschluss an die Antike und in Verknüpfung mit Kant übernimmt Foucault eine kritische Ontologie (eigentlich: woraus die Welt besteht; Art der Selbsterkenntnis) unserer selbst. Wenn wir uns fragen, welche Abhängigkeiten in diesem Zusammenhang für uns bestehen, so handle es sich nicht um eine theoretische Sache, sondern vielmehr um ein Ethos. Als besondere Techniken eines von-sich selbst-Lösens sieht Foucault beispielswiese das Schreiben, die Freundschaft oder militante Politik.


¹ Vgl. Franz-Peter Burkard, Peter Kunzmann, Franz Wiedmann, dtv-Atlas Philosophie, München 2007, 105ff.

² Vgl. Burkard, Kunzmann, Wiedmann, dtv-Atlas Philosophie, 179.


Bogner, David

Philosophie als Lebenskunst und Selbstsorge von der Antike bis Michael Foucault


Teil 2: Descartes, Nietzsche, Wittgenstein, Foucault


Rückblick: Den Kernpunkt der antiken Philosophie ist, dass die Selbsterkenntnis eine Folge, bzw Voraussetzung der Selbstsorge ist. Theorie dient der Arbeit an einem Selbst (auch askesis genannt und meint geistige und körperliche Übung) . Das Ziel ist die Wahrheit des Selbst zu finden, die jedoch je nach philosophischer Strömung anders definiert wird.

1. Descartes:

Rene Descartes wird als der Begründer der neuzeitlichen Philosophie angesehen, indem er das philosophische Subjekt einführt. Sein Methodischer Zweifel (methodisch deshalb, weil er nur so tut) stellt alles, bis auf das denkende Subjekt, die res cogitans, in Frage. Damit kommt es zu der Trennung von Körper und Seele.

Für die Frage nach dem richtigen Leben hat das folgende Konsequenzen:

- Das Erreichen der Wahrheit ist eine rein theoretische Sache, ohne Arbeit an sich selbst.

- Es kommt zu einer Trennung von Wissens- und Handelssubjekt. Jeder der denken kann, bekommt Zugang zur Wahrheit. Man kann also in der körperlichen Welt Tun und Lassen, was man will, für das Erkennen der Wahrheit hat das keine Relevanz. Weiters Indiz dafür: Ethik hat eine untergeordnete Bedeutung in Descartes philosophischem Konzept.


2. Nietzsche:

Friedrich Nietzsche revitalisiert die Frage nach dem gelungenen Leben. Auch durch seine Tätigkeit als Altphilologe wurde die Antike zu Nietzsches Vorbild. Er ist ein Philosoph der Extremen und ein Großteil seiner Polemiken gehen gegen die christliche Moral.

Er polemisiert einerseits gegen die christliche Asketik ( = geistige Übung wird zu einer Lehre des Verzichts) und verteidigt andererseits aber die praktische Asketik der Griechen. Gleichzeitig lehnt er das kartesianische Ich-Subjekt (er spricht von einem „Subjekt- und Ich-Aberglauben) und das versteckte Selbst der Antike ab.

Aus „Wie soll ich leben?“ wird ein „Wie kann ich leben?“

- Wir wollen die werden, die wir sind.

- Wir sind uns selbst schaffende und so sollen wir auch werden.

- Mit dem Bild des an sich Arbeitens wie ein Bildhauer greift er ein antikes Bild auf, will jedoch im Gegensatz zu damals nicht die göttliche Tugend zum Vorschein bringen sondern das einmalige in jedem von uns (das heraus stechende wurde bei den Griechen abgelehnt)

- Das Resultat der philosophischen Arbeit sollte das Kreative, das Einmalige sein.


3. Wittgenstein:

Ludwig Wittgenstein galt immer als Hauptvertreter einer wissenschaftlichen Philosophie und als wichtiger Vertreter des Wiener Kreises. In Wahrheit beherbergt seine Konzeption auch eine starke Verbindung von Philosophie und Leben. Das wird besonders im letzten Teil des Tractatus Logico-Philosophicus betont, der vom Wiener Kreis abgelehnt wurde.

- Die Arbeit an einem Selbst vergleicht Wittgenstein mit einer ästhetischen Untersuchung.

- Wer sich vorm Tod fürchtet, hat ein falsches = schlechtes Leben geführt.

- Der Leitspruch „Philosophie darf man nur dichten,“ äußert sich im häufigen Gebrauch von Fiktion.

- Philosophie zu lehren, heißt Leute in ihrem Geschmack zu ändern.

- Man kann die Wahrheit nur sagen, wenn man sich selbst bezwungen hat.

- Philosophie ist nur etwas Wert, wenn sie die Menschen zu besseren macht.

- Die meisten Probleme der Philosophie sind Scheinprobleme.

Wittgensteins Position ist schwer festzumachen. Einerseits kritisiert er die theoretische Philosophie mit ihren sprachlichen Problemen (Bsp. Heideggers Ungenauigkeit bei der Groß- und Kleinschreibung), sieht sie generell als ein Hindernis für ein gutes und gelungenes Leben, sogar als Krankheit. Andererseits wird vergleicht er die Philosophie auch mit der Therapie im Sinne Freuds.

Er selbst beklagt immer wieder, dass er nicht aufhören kann zu philosophieren. Seine Biografie zeigt aber, dass es ihm zumindest zum Teil gelungen ist (Stelle als Lehrer, Gärtner, Architekt, Niederlegen seiner Professur in Cambridge zugunsten einer Stelle als Krankenpfleger)


4. Foucault Michael Foucault beschäftigte sich in den beiden letzten Werken von Sexualität und Wahrheit mit der antiken Selbstsorge und Lebenskunst. Dies stellte eine Überraschung dar, weil bis dato seine Betrachtungen maximal bis zur Renaissance reichten. Wichtig ist dabei der Begriff der Genealogie: Der aktuelle gesellschaftliche Zustand wird durch eine zufällige Kombination aus Elementen der Vergangenheit bestimmt. Es handelt sich quasi um das Vermächtnis der Vergangenheit an die Gegenwart, wobei letztere auch ganz anders aussehen könnte.

Das Aufzeigen der Unterschiede der beiden Epochen hat aber nicht die Folge eines Zurückwünschens der Antike, weil:

- jede Zeit ihre eigenen Probleme hat

- Foucault die Antike auch als abstoßend auf Grund ihre Penetranz der Penetration und die Unterdrückung von Frauen und Sklaven bewertet

Beispiele für Unterschiede zwischen Antike und Moderne:

- die Antike hat keinen eigenen Begriff für Sexualität alleine, Sex war nur einer von mehren körperlichen Aspekten, die unter aphrodisa zusammengefasst werden.

- Texte in der Antike problematisieren nie heterosexuellen Sex, die Frage der Moral stellt sich nicht, einzig die Penetration ist wichtig.

Durch das Aufzeigen der Differenz werden die aktuellen Zwänge relativiert. Die aktuellen Verhältnisse sind nicht in Stein gemeißelt, es hätte auch ganz anders kommen können (siehe die Bedeutung des Zufalls für die Genealogie). Wie könnte ich leben?

Foucault führt die Ästhetik der Existenz ein und meint damit die künstlerische Gestaltung des Selbst. Einen ersten Schritt stellt die Selbsterkenntnis dabei dar, die kritische Ontologie unserer Selbst. Hier bietet sich der Verknüpfungspunkt zu Kants „Wage es, dich deines Verstandes zu bedienen“. Erkenne die gesellschaftlichen Zwänge und wie man kreativ damit umgehen kann.


Kleiser, Viola

Protokoll zum Vortrag von Professor Puhl vom 14.01.2010 Philosophie als Lebenskunst und Selbstsorge von der Antike bis Michel Foucault Da die Vorlesung am 14.01 der zweite Teil des Themas: „…“ war fasste zu Beginn Professor Puhl den ersten Teil noch einmal kurz zusammen. In diesem wurden drei große Fragen in den Raum gestellt:

• Wie soll man leben? • Was soll man tun? • Wie könnte man leben?

Die erste der drei Fragen wurde als Leitfrage der Antike charakterisiert und anhand der Philosophen Epiktet, Platon, Aristoteles, Seneca und Marc Aurel abgehandelt. In der Antike war es noch wichtig einen Platz in der kosmischen Ordnung zu bekommen oder in anderen Worten sich der Allnatur anzupassen. Dieses kosmische Bewusstsein erlangte man durch geistige (z.B.: Dialoge) und körperliche (z.B.: Anleitung zum Zuhören, zum Schreiben,…) Übungen (Askesis). In der Neuzeit hat dann eine Demokratisierung stattgefunden, die das Individuum in den Vordergrund stellt. Auch vor allem durch den Einfluss des Christentums ist es nun primär nicht mehr Ziel sich in eine Allnatur einzugliedern sondern sich als einzelner vor Gott zu verantworten. Weiters macht Professor Puhl dann den Sprung zu Friedrich Nietzsche, der mit „dem Tod Gottes“ Kritik an jedem transzendenten Bezug nimmt und nur die menschliche Welt als gegeben hinnimmt – alles andere sei nur Fiktion. Der Mensch habe aktive und reaktive Kräfte in sich die sein Leben bestimmten. Während aktive Kräfte Neues schaffen hemmen die reaktiven Kräfte diese. Auch Sartre sei hier kurz erwähnt mit den allbekannten Schlagworten: die Existenz geht der Essenz voraus. Der Mensch bestimme selbst was er ist und wirklich frei sei er nur ohne Gott.

Die Vorlesung am 14.01.10 beginnt Professor Puhl mit Decartes der als Erster den Wechsel vom Objekt zum Subjekt vollzieht. Er stellt die Frage nach der eigenen Natur. Decartes‘ radikaler Zweifel ist auch ein Zweifel am eigenen Körper. Cogito ergo sum bezieht in keiner Weise das körperliche mit ein und vollzieht sogar eine Trennung von Körper und Geist. Die Schlagwörter zu dieser Trennung sind res extensa und res cogitas. Hier zieht Professor Puhl einen kurzen Vergleich zu Platon, der ebenfalls Körper und Seele trennt, jedoch nie den Standpunkt vertritt die Seele könnte ganz ohne Körper existieren. Das Erreichen der Wahrheit bei Decartes ist rein theoretisch und jeder der denken kann hat Zugang zu dieser Wahrheit. Der zweite Philosoph den Professor Puhl erwähnt ist erneut Friedrich Nietzsche zu der Frage nach einem gelungenen Leben. Er fragt sich nicht wie soll ich leben, sondern wie kann ich leben. Dabei vergleicht er die Arbeit an einem Selbst mit der Bildhauerei. Ähnlich wie in der Antike vertritt er die Meinung, dass das Selbst nicht durch Erkenntnis sondern durch Übung weiterentwickelt wird. Kreativität und Einmaligkeit seien etwas sehr wichtiges. In seinen Werken übertreibt er auch des Öfteren und nimmt sehr extreme Positionen ein. Der Erfolg an einer philosophischen Arbeit liegt seiner Meinung nach nur an einem selbst.

Bei Wittgenstein steht die wissenschaftliche Philosophie im Vordergrund und in diesem Zusammenhang macht Professor Puhl einen kleinen Exkurs zum Wiener Kreis. Dieser bestand aus Philosophen, die in wöchentlichen Treffen die Philosophie „verwissenschaftlichen“ wollten in Anlehnung an die Naturwissenschaften, wie zum Beispiel die Mathematik. Sie stellten einen Absolutheitsanspruch an die Philosophie und im Zuge dessen hatten sie oft in Wittgensteins erstem Buch gelesen. Jedoch lehnten sie Großteils den zweiten Teil dieses Buches ab und obwohl Wittgenstein mehrmals von ihnen zu einem Treffen eingeladen war lehnte er jedes Mal ab, da er ihrem Gedankengut eigentlich abgeneigt war.

Völlig konträr zur Stellung des Wiener Kreises behauptet er sogar einmal „Philosophie dürfte man nur dichten“, damit sei aber nicht gemeint, dass philosophische Texte in Zukunft lyrische verfasst werden sollen, sondern damit spielt er auf seine vielen fiktiven Beispiele in seinen Werken an. Ziel der philosophischen Arbeit sei eine Veränderung an sich selbst. Wittgenstein selbst kann man anhand von biographischen Daten vermuten versuchte selbst öfter eine andere Person zu werden, als er zum Beispiel freiwillig als Soldat in den ersten Weltkrieg ging, oder nach seiner Lehrtätigkeit als Pfleger arbeitete. Eine Parallele zur antiken Philosophie kann man an dem Standpunkt: „Arbeit an einem selbst!“ ziehen. Wittgenstein sieht die meisten philosophischen Probleme nur als „Scheinprobleme“ und vertritt die Meinung viele dieser Probleme sind nur entstanden weil seine Vorgänger die Alltagssprache nicht verstanden hätten (zum Beispiel: Heidegger: nichts – Nichts). Die Philosophie hat für Wittgenstein zwei Seiten: als positiv bezeichnet er sie nur wenn sie etwas verändert, sie kann aber ebenso ein Hindernis für ein gutes Leben sein. Diesen negativen Aspekt bezeichnet er sogar als Krankheit der philosophischen Probleme. Er selbst beklagt sich nicht aufhören zu können zu philosophieren. Gleichzeitig, in Anlehnung an Sigmund Freud, sieht er die Philosophie aber auch als Therapie. Sie ist somit Übel und Heilmittel zugleich. Den letzten Philosophen, den Professor Puhl zu dieser Thematik anführt, ist Michel Foucault. Dieser stellt sich die Frage wer wir heute sind. Bei dieser Thematik vertritt er die Theorie der Genealogie. Unser heute besteht aus Elementen der Vergangenheit und ist ein zufälliges Resultat – es hätte nicht so sein müssen. In seinen Bänden 2 und 3 behandelt er die Antike. Oft wird ihm unterstellt er vertrete ein Modell, welches für die Rückkehr zur Antike plädiert. Jedoch wollte er bloß die Differenz zwischen der Antike und dem Heute aufzeigen. Außerdem stellt er dem entgegen, dass jede Zeit seine eigenen Probleme hat und eine Rückkehr in eine Gesellschaftsform, in welcher Sklaverei und die Unterdrückung der Frau selbstverständlich waren, keineswegs anzustreben sei. Durch ein Aufzeigen solcher Differenzen meint er werden die Probleme der eigenen Kultur relativiert und der „Griff der Gesellschaft“ lockert sich. Die Ästhetik der Existenz übernimmt Foucault jedoch aus der Antike. Der erste Schritt um die Frage: Wer bin ich zu dieser Zeit zu beantworten, sieht er in der Selbsterkenntnis >> „kritische Ontologie unserer selbst“. Das Ethos hierbei ist keine rein theoretische Sache, sondern das Leben gibt Übungen/Techniken (z.B.. Grenzerfahrungen, Freundschaft,…) vor.


Ziegelmayer, Daniel

Protokoll zur Ring-Vorlesung von Professor Klau Puhl am 14.1.10

Zu Beginn seiner Vorlesung wiederholte Professor Puhl die Gemeinsamkeit der verschiedenen philosophischen Schulen, nämlich dass die Selbsterkenntnis die Folge und die Voraussetzung der Selbstsorge darstellt. In der Antike ist die Arbeit an sich selbst streng reguliert, es sind Kriterien und Techniken vorgegeben, die man sich aneignen muss, um philosophische Arbeiten an einem selbst vollziehen zu können. Die angestrebte Wahrheit dieser Zeit ist eine allgemeine Wahrheit, die Allen gemeinsam ist (doch vor allem freien Männern) und sich letztendlich auf einen großen Zusammenhang im Kosmos, der Idee des Guten und ähnlichem bezieht.

Nach dieser Einleitung ging Herr Puhl über zu René Descartes. Descartes gilt als Gründervater der neuzeitlichen Philosophie, ihm gelang der Übergang von der personalen Einheit in der Antike zum philosophischen Subjekt. Die Selbsterforschung ist eine theoretische Frage der eigenen Natur, die jeder Mensch mit sich selbst ausmachen muss. Das Subjekt bei Descartes hat demnach zunächst nur mit sich selbst zu tun. Descartes Prinzip der Erkenntnis ist der methodische Zweifel. Somit zweifelt er an allem, was nicht klar erkennbar ist, unter Anderem auch an seinem eigenen Körper. Das führt ihn schließlich zu der Wahrheit des Subjekts als denkende Substanz, der sogenannten res cogitans. „Ich denke, also bin ich“ ist bei ihm die Wahrheit, die gewiss und unbestreitbar ist. Den eigenen Körper führt er in seinen Meditationen erst in der sechsten Meditation mit der Hilfe Gottes wieder ein. Letztendlich trennt Descartes zwischen materieller und geistlicher Welt. Zwei wichtige Punkte zu diesem Thema sind: 1) Das Erreichen der Wahrheit ist eine rein theoretische Sache, die durch Denken erreicht wird und nichts mit Arbeit an sich Selbst zu tun hat; 2) Das Subjekt wird zu einem allgemeinem Wissensobjekt, zu dem jeder Mensch, der denken kann, Zugang hat.

Nach dieser Betrachtung vollzieht Professor Puhl einen zeitlichen Sprung zu Friedrich Nietzsche. Nietzsche hat die antike Gleichsetzung der philosophischen Arbeit mit der Frage nach einem gelungenen Leben am stärksten revitalisiert. Die Frage, wie man sein Leben gestalten soll, spielt bei ihm eine zentrale Rolle. Er behält die antike Unterordnung der Erkenntnis unter der praktischen Art der Asketik und lehnt damit die christliche Asketik ab, welche nach ihm eine Lehre des Verzichts darstellt. Nietzsche lehnt das kartesische Erkenntnissubjekt ab – er spricht dabei vom Subjekt des Ich-Aberglauben. Für ihn gibt es nur das Selbst, die körperliche Person. Er betont dabei, dass dieses Selbst sich lebenslang selbst macht, es existiert nur in seinen Akten, in diesem „sich selbst“ schaffen. Darüber hinaus gibt es kein Selbst. Damit schafft er den Übergang von der Frage „Wie soll ich leben“ zu „Wie kann ich leben“. Nach Nietzsche also wollen wir die werden, die wir sind. Wir sind uns selbst Schaffende, uns selbst Gesetzgebende, so sollen wir auch werden.

Der nächste Philosoph, auf den Herr Puhl näher eingeht, ist Ludwig Wittgenstein. Wittgenstein hatte großen Einfluss auf den Wiener Kreis, der sich mit einer wissenschaftlichen Philosophie auseinandersetzte, er selbst jedoch hat die Vorstellung einer wissenschaftlichen Philosophie abgelehnt. Wittgenstein selbst sieht eine engere Verbindung zwischen Philosophie und Leben. Er sagt, Philosophie dürfte nur gedichtet werden. In seinem Spätwerk „Philosophische Untersuchungen“ finden sich viele fiktive Gedankenexperimente, welche er als diese Dichtung verstanden haben könnte. Die Philosophie ist insofern eine Dichtung, sofern sie stark von Gedankenexperiment Gebrauch macht. Das Ziel einer philosophischen Arbeit ist nach Wittgenstein auch eine Transformation seiner selbst. Die Aufgabe des Philosophie-Lehrers besteht demnach darin, den „Geschmack“ der Leute zu verändern. Ähnlich wie in der antiken Philosophie macht er die Fähigkeit, die Wahrheit zu sagen, von einem praktischen Verhältnis abhängig.

Die Philosophie hat bei Wittgenstein jedoch auch einen negativen Aspekt. Er behauptet, die Philosophie sei eine Sprachkritik und philosophische Probleme seien im Wesentlichen Scheinprobleme, die durch ein Missverstehen der Logik der Alltagssprache entstanden sind. Er bezeichnet die Philosophie als Krankheit, weil philosophische Probleme auf einen Missbrauch der Sprache zurückzuführen sind und somit ein Hindernis zu einem guten und gelungenen Leben darstellen können. Wittgenstein stellt eine Methode auf, die er als Therapie bezeichnet: Die Methode der übersichtlichen Darstellung. Zusammenhänge, die der Philosoph übersehen hat, werden gefunden und erfunden und ihm gezeigt, um ihn von seinem philosophischen Problem zu befreien. Die Philosophie ist für Wittgenstein somit ein Heilmittel, aber auch das Übel. Sie ist ein Heilmittel gegen sich selbst.

Den letzten Philosophen, den Professur Puhl im Zusammenhang mit Philosophie als Lebenskunst und Selbstsorge vorstellt, ist Michel Foucault. Für viele Anhänger und auch Gegner von Michel Foucault war das Zurück in die Antike seiner letzten beiden Bücher überraschend. Mit diesem Rückgang versucht er, zu zeigen, dass das, was wir heute sind, aus Elementen der Vergangenheit durch zufällige Kombination entstanden ist. Dabei zeichnet er unsere Geschichte auf eine Art und Weise nach, die zeigt, dass das Resultat, welches wir jetzt sind, ein zufälliges Resultat ist und es nicht notwendig so hätte kommen müssen. Das Vermächtnis der Vergangenheit hat uns demnach zu dem gemacht, was wir sind.

Foucault versucht, ähnlich wie Friedrich Nietzsche, einige Formen des antiken Umgangs mit sich selbst als für uns wichtig übernehmen. Er zeigt ausführlich, dass es in der griechischen Antike keinen Begriff für Sexualität gab, sondern nur „aphrodisia“, welches körperliche Genüsse im Allgemeinen fasst. Antike Texte, die das Thema Sexualität problematisierten, haben nie Probleme zwischen Männern und Frauen behandelt, sondern nur zwischen zwei Männern. Erst durch das Christentum wurde die spätere Herangehensweise an die Sexualität geprägt. Der eigene Körper wird zu einer fremden Macht, der Teufel agiert durch die sexuellen Gelüste; der Umgang mit dem eigenem Körper ist ein völlig anderer als in der Antike.

Für Foucault besteht der erste Schritt der Arbeit an einem Selbst in der Selbsterkenntnis. In der Erkenntnis dessen, wo persönliche Grenzen und Forderungen bestehen. Er nennt das eine kritische Ontologie unserer selbst. Diese fragt: Wer bin ich jetzt, zu dieser Zeit. Kritisch ist sie deshalb, da es zu versuchen gilt, herauszufinden, in welcher Abhängigkeit man steckt. Das ist keine rein theoretische Sache, sondern Foucault nennt es Ethos und appelliert an die praktische Seite. Er gibt auch Techniken an, zum Beispiel das Suchen von körperlichen Grenzerfahrungen oder das philosophische Schreiben, bei dem es darum geht, ein Anderer zu werden.

Hann, Benjamin

Nach einer kurzen Wiederholung der ersten Vorlesung, setzte Prof. Puhl am letzten Donnerstag bei der Neuzeit an. Réne Descartes kommt mit Hilfe seines methodischen Zweifels zu der Erkenntnis (methodisch deshalb, weil er „tut nur so, als wäre es ein wirklicher Zweifel“), dass sich das Selbst nur als denkendes Ding, res cogitans, wahrhaftig begründen lässt. Die Selbsterkenntnis ist somit nicht Aufgabe der antiken Askesis, sondern allein durch rationales Denken erreichbar. Zwar unterscheidet auch Platon zwischen Körper und Seele, jedoch nicht mit der Absicht, die Existenz des Körpers prinzipell in Frage zu stellen.

Friedrich Nietzsche lehnt, neben dem „Subjekt und Ich – Aberglaube“ Descartes, vorallem die christliche Asketik ab. Er übernimmt den antiken Gedanken der praktischen Askesis und verknüpft ihn mit seiner Philosophie. Da „Gott (gesamte Metaphysik; moralische Gebote; das eigentliche Selbst) tot ist“ kann das Selbst nur existieren, indem es an sich arbeitet, sich erschafft -> Handlungen und Identität des Selbst sind voneinander untrennbar. In diesem Selbsterschaffungsprozess spielt Kreativität eine wesentliche Rolle. Prof. Puhl machte in diesem Zusammenhang auf die Gemeinsamkeit mit dem Dichter Baudelaire aufmerksam.

Ludwig Wittgenstein sieht in der Philosophie, anders als erwartet, die „Arbeit an einem selbst“ im Sinne einer „ästhetischen (künstlerischen) Untersuchung“. Die Aufgabe der Philosophie ist es, wie in der Antike, eine Veränderung des Selbst hervorzurufen. Der Wiener Kreis schätzte ihn hingegen für seine Wissenschaftlichkeit, an deren donnerstäglichen Treffen , er trotz mehrfacher Einladungen, nie teilnahm. Die krankhafte, negative Seite der Philosophie sieht Wittgenstein im „Missbrauch und Missverstehen der Sprache“. Dieses Problem will er lösen, indem er eine philosophische Methode entwickelt, die einer Therapie gleicht (vergleicht sich an dieser Stelle mit Freud).

Michel Foucault beschäftigt sich mit dem antiken Verständnis des Selbst in Form einer Genealogie. Sein Interesse gilt besonders der Differenz von historischen und modernen Vorstellungen. So hatten die Griechen beispielsweise keinen eigenen Begriff für Sexualität. Die Beschäftigung mit der Antike soll ein Bewusstsein dafür schaffen, dass gegenwärtige Vorstellungen und Normen in der Vergangenheit anders waren und auch heute anders sein könnten. Eine kritische Distanz zu sich selbst und seiner Umgebung einzunehmen (in Anlehnung an Kant: den eigenen Verstand zu benutzen), ist philosophische Arbeit an einem Selbst in Hinblick auf ein „sich von sich Selbst lösen“ können. Besondere Möglichkeiten um dies zu erreichen wären: militante Politik, das Schreiben, sowie das Aufsuchen von körperlichen Grenzerfahrungen.


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