Protokoll 4.12.2008 (PSI)
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</div><ignore><includeonly></ignore><ignore></includeonly></ignore></root> erstellt von --Thai 21:45, 4. Dez. 2008 (CET)
348b (Thrasymachos: "Gerechtigkeit ist dumm")
schwer einzuschätzen: sind die gemachten Deduktionen gültig, und in welchem Umfang?
Möglichkeiten des (philosophischen) Umgangs mit dem Text
- Gestus des Restaurators: "das ist schon so" (wie Platon das sagt), Argumentation bloß nachzeichnen, konturieren
- aufgeklärte Version: milder Eingriff, umgestaltender Nachvollzug, vorsichtige Optimierung - Hauptbetätigungsfeld der Philo - viel Arbeit, umstrittene Ergebnisse
- Versuch von Hrachovec: [es gibt ein semantisches Spannungsfeld einer ganzen Reihe von Begriffen, Platon versucht Ordnung in diesen Pool durcheinandergewürfelter Begriffe zu bringen; einerseits Anwendung von Axiomen und Schlussregeln - Versuch, implizite Voraussetzungen deutlich zu machen - Konsequenzen, die sich daraus ergeben, finden sich im Widerspruch zu vorher Geschlossenem -> Widerlegung] - semantische Felder benennen und ihre Funktion darstellen - siehe Skizze
mehrere Dichotomien, Feuerwerk von Assoziationen
Beispiel der Mehrdeutigkeit der Dichotomie arethé - enantiois ("das Andere")
- wird arethé als Tugend übersetzt, ist sein Anderes das Laster
- wenn jedoch als Tüchtigkeit, dann Untüchtigkeit
"Gerechtigkeit gehört nicht zur arethé" - übersetzt als Tugend (riskant) oder als Tüchtigkeit (weniger skandalös)? semantisches Feld der Gerechtigkeit (staatstragende Deutung): vorteilhaft, gut, vernünftig Skandalstufe 2: umgedreht, alle Eigenschaften der Gerechtigkeit gehören in Wirklichkeit zur Ungerechtigkeit
[wenn moralischer Beigeschmack bei kakós (Laster) -> arethé nicht einfach Tüchtigkeit, sondern Tugend]
Skandalstufe 1 (von Thrasymachos gewählt): nicht einfach Gegenteil; nicht kakós im Gegensatz zu agathós, sondern euétheia vs. kakoétheia
Gerechtigkeit nicht lasterhaft, aber gutmütig -> semantisch nicht einfach positiv-negativ-Bestimmung überkreuzt, sondern Bruch innerhalb der Bestimmungen des Guten (weil nicht alles Gute gut ist - man kann auch "guter Depp" sein) -> Kontrastbildung gut vs. klug [im positiven Sinne] (euetheia, euboulía)
klug im "negativen Sinne"?
unterschiedliche Weisen, die Sprache zu teilen:
- ja/nein, Dichotomien (vgl. Beispiel der Unsterblichkeit der Ideen [Ideen sind nicht sterblich -> also unsterblich] oder die Frage "Hast du aufgehört, deine Freundin zu schlagen?")
- gleichzeitig in verschiedenster Weise geschichtet (vgl. Schillern der arethé zwischen Tugend und Tüchtigkeit); Ineinandergleiten von Bedeutungen (vgl. vorteilhaft und vernünftig, "Vorteilshaftes ist doch vernünftig?" vs. "Vernunft ist nicht auf Vorteil bedacht")
Verfließendes/-schwimmendes x Schnitte x Interplay
es gibt keine sauberen Oppositionspaare, Dichotomien sind immer durch Relativität "gestört" -> es kommt zum shift
Hinweis auf Sprachprobleme: Hrachovec - grundsätzlich philosophischer Inhalt auch in andere Sprache transportierbar, kein grundsätzlicher Vorteil für Griechischkönner
354a/b (Ende 1. Buch)
Abschlussbemerkung des Sokrates am Ende des 1. Buchs ernüchternd: "nichts gelernt" - "...das Ergebnis ist nun, dass ich nichts weiß!"
2 mögliche Interpretationen:
- Sokrates weiß, was Gerechtigkeit ist und kommt nur nicht dazu, es zu sagen
- als Figur par excellence des historischen Sokrates ("ich weiß, dass ich nichts weiß")
- historische Interpretation: Thrasymachos für sich stehender Frühdialog, der zur Politeia weiterentwickelt wurde -> Übergang vom 1. zum 2. Buch ist Übergang vom historischen Sokrates zur literarischen Figur Platons
358e (Entstehung von Gerechtigkeit)
Glaukon, Adeimantos - Geschichte der Entstehung von Gerechtigkeit (vgl. Rechtspositivismus)
agathós: enthält Bedeutungen von "gut" und "vorteilhaft"
evolutionstheoretische Überlegung: der Stärkere kann sich durchsetzen - 2 Haltungen:
- dagegen kann man nichts machen
- das ist auch in Ordnung so
vgl. Mafia-Beispiel: sich durchsetzen heißt nicht unbedingt auch, Anerkennung zu bekommen
"naturwüchsigerweise sind die Stärkeren die Guten"
die Stärkeren sind nicht die "wirklich Guten"? -> erste Frage: wie, in welchem Sinn ist "gut" gemeint?
der Begriff "gut", so wie er hier angelegt ist, enthält auch die Schwächeren - "gut" soll nicht einfach bedeuten "hat sich durchgesetzt", auch für die Schwächeren soll etwas "gut" sein können -> Bestimmung des Sinns abgekoppelt von Kräfteverhältnissen -> daher kommt der erwünschte Mehrwert (Argumentation des Herrschenden: "Mit meiner Macht tue ich, was auch für dich gut ist.") [vgl. Nietzsche: Gerechtigkeit nur eine Erfindung der Schwachen?]
können wir heute nicht mehr über Gerechtigkeit reden?
Beispiel des Ehrenmords: bloß Fortsetzung von Thrasymachos - "das ist immer schon so gewesen" tritt an die Stelle der Maschinenpistole, man muss dem nicht zustimmen
gerecht vs. rechtens?
- gegen Rechtspositivismus ("Recht dessen, der sich durchsetzt")
- Naturgesetz: natürliche im Menschen vorhandene Gerechtigkeitsintuition (-> Menschenrechte)
Gerechtigkeit nur unter Philosophenkönigen?