Projekt Bieri: Das Handwerk der Freiheit (FiK)

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Projekt Peter Bieri, Das Handwerk der Freiheit. Über die Entdeckung des eigenen Willens, Frankfurt/M. 2003.

Seminarpräsentation Christine Schindler (FiK)

Siehe zu Bieri den nicht sehr ergiebigen Wikipediaeintrag, der sich vornehmlich, aber kurz mit Bieris Romanen beschäftigt.

Peter Bieri, geb. 1944 in Bern, Schriftsteller und Philosoph. Unter dem Pseudonym Pascal Mercier veröffentlichte er die Romane "Perlmanns Schweigen" (1995), "Der Klavierstimmer" (1998), "Nachtzug nach Lissabon" (2004). Philosophische Werke: "Das Handwerk der Freiheit" (siehe oben); (Hrsg.), "Analytische Philosophie des Geistes", Königstein/Ts. 1981; (Hrsg.), "Analytische Philosophie der Erkenntnis", Frankfurt/M. 1987; "Zeit und Zeiterfahrung. Exposition eines Problembereichs, Frankfurt/M. 1972.

Rezensionen zum "Handwerk der Freiheit" u. a. von:

"Das Handwerk der Freiheit" (Kursivsetzungen sind Zitate aus diesem Buch, Originalkursivsetzungen sind ausgesetzt, um die Betonung Bieris kenntlich zu machen; Seitenangaben in Klammer jeweils den Zitaten nachfolgend):

Man lebt nicht gut mit dem Gefühl, gerade über die wichtigsten Dinge keine Klarheit zu besitzen. Das ist der Grund, warum es Philosophie gibt. Sie ist der Weg und die Anstrengung, über die grundlegenden gedanklichen Dinge, die uns beschäftigen, Klarheit zu gewinnen. "Darüber kann man lange philosophieren." Eine solche Einstellung spöttischer Resignation stellt die Dinge auf den Kopf. Sie tut, als müsste es für immer willkürlich bleiben, was wir über die tiefsten Dinge, die uns beschäftigen, glauben. Als gehörte es gleichsam zur Natur dieser Dinge, dass es bei unauflösbaren Meinungsverschiedenheiten bleiben muss. Bei Licht besehen, ist das eine erstaunliche Einstellung. [...] In Wirklichkeit ist es umgekehrt: Meinungsverschiedenheiten sind nicht der Endpunkt der Philosophie, sondern ihr Anfang. Eine philosophische Beschäftigung mit einem Thema wie der Willensfreiheit bedeutet den Versuch, in der Sache eine begründete Entscheidung herbeizuführen. Und das geht.'' (S. 26)

"die grundlegenden gedanklichen Dinge": das kann man in zwei sehr verschiedene Richtungen verstehen. Entweder man geht von empirischen Befunden aus und klärt sie gedanklich, oder man bewegt sich im Bereich des Nachdenkens und sucht dort nach grundlegender Klarheit. Also: Anknüpfung an die neuesten Experimente mit anschließender Reflexion - oder Reflexion darüber, was solche Experimente "überhaupt" zeigen können. --anna 11:54, 6. Dez 2006 (CET)
<font: color=green> Ich sehe die Probleme nicht so sehr im Gegensatz zwischen Empirie und Reflexion, sondern vielmehr in den unterschiedlichen Epistemiologien und logischen Ansätzen. Darüber wird allerdings schon seit Anbeginn gestritten. Dass sich die Philosophie mit der Reflexion (zu) beschäftigt(en hat) liegt auf der Hand. Wird man jedoch innerhalb der Philosophie einen Konsens finden?
Wünschenswert wäre dieser allemal, da die Philosophie vielerorts, auf Grund dogmatischer Positionen, ihre Glaubwürdigkeit in dieser Diskussion verspielt hat.--Koe 16:31, 11. Jan 2007 (CET)

Unsere Idee ist die Idee einer verständlichen Welt. (S. 15) Eine andere Vorstellung der Welt können wir nicht haben. Phänomene zu erklären und dadurch verständlich zu machen, heißt, die Bedingungen zu entdecken, von denen sie abhängen. (S. 15) Unabdingbarer Zusammenhang zwischen Bedingung, Gesetzmäßigkeit und Verstehen ist grundlegend für unsere Idee einer Welt, in der wir planvoll handeln können (S. 16) und führt zu einem strikten Determinismus, ein Terminus, den Bieri in der Folge explizit vermeiden will.

In Bezug auf die Bedingtheit menschlicher Handlungen (als Teil der Natur) verwendet Bieri das Beispiel Raskolnikovs aus Dostojewskis "Verbrechen und Strafe" (ist die exakte Übersetzung, "Schuld und Sühne. Raskolnikoff" die häufigere deutsche Variante), das er im gesamten Buch immer wieder heranzieht. Bieri beschreibt Raskolnikovs Motive für seinen Raubmord, jedoch führen diese nicht notwendig zur Tat. Ohne die Armut etc. hätte er die Pfandleiherin vielleicht nicht ermordet, jedoch auch in Armut waren ihm viele andere Wege offen. Nicht gesetzmäßig führte Raskolnikovs Armut zum Mord.

[...] es macht unsere Freiheit aus, dass wir in ganz unterschiedliche Richtungen gehen können. [...] Wir können überlegen, bevor wir etwas tun, und in diesem Überlegen zeigt sich ein Spielraum verschiedener Möglichkeiten, zwischen denen wir wählen können. (S. 19)

Hier sind wir der Gegenwart und Zukunft zugewandt. In der Innenperspektive, auch sich selbst zugewandt, ist es unmöglich, sich nicht frei zu denken. Freiheit wird erfahren. Und so gilt auch für die Vergangenheit: Ich hätte auch anders handeln können. Ich hatte die Wahl und die Freiheit der Entscheidung. (S. 20)

So sehen wir auch die anderen Menschen und ziehen sie für ihre Taten zur Verantwortung. Freiheit und Verantwortung sind unabdingbar miteinander verbunden, so wie Empfindungen wie Reue, Groll, (moralische) Entrüstung. Idee einer verständlichen, bedingten, gesetzmäßigen Welt – Freiheitserfahrung, Wahl-, Entscheidungsmöglichkeit, Verantwortung / Bedingtheit – Freiheit: Obwohl sie sich widersprechen, brauchen wir beide, um uns und unsere Stellung in der Welt zu artikulieren. (S. 22)

Wie kann man mit diesem Widerspruch umgehen? Um welche Art von Widerspruch handelt es sich? Es gibt den logischen Widerspruch, der in einem System nicht auftreten darf, aber auch den Gegensatz, der auf unterschiedliche Betrachtungsweisen verweist. Als Beispiel könnte man etwa Schnarchen und artikulierte Worte anführen. Sie stehen in einem Gegensatz, sind aber beides akustische Ereignisse. Eine Analyse, die beides einfach gegeneinander stellt, ist suboptimal. --anna 14:35, 7. Dez 2006 (CET)

Jedoch kann man nicht von etwas und gleichzeitig seinem Gegenteil überzeugt sein; ist unser Handeln vollkommen frei (von festlegenden Bedingungen), dann ist es auch vollkommen zufällig, unbegründet, und deshalb auch unverständlich. Handlungen werden aus den Motiven, die zu ihnen führen, verständlich, das wäre aber festgelegtes Handeln und damit nicht frei. Bieri setzt hier Motive und Bedingungen, die gesetzmäßig zu etwas führen, gleich. Handeln und Wille unterliegen derselben Argumentation.

Bieris Buch ist in drei Hauptteile gegliedert: Bedingte Freiheit – Unbedingte Freiheit – Angeeignete Freiheit.

Bieri versucht durch die Distanz der Sprache ein distanzierteres Verhältnis zum Problem zu gewinnen, er thematisiert die Ideen und Begriffe, die sich durch Worte erschließen und dadurch auch für andere überprüfbar machen, was grundlegend für die Philosophie ist. Am Anfang einer philosophischen Betrachtung von Wörtern steht [...] eine Verfremdung der Wörter. (S. 30)

Was ist die Idee einer Handlung? Innere Erfahrung (Spüren) einer Bewegung. Nicht jede Erfahrung mit einer Innenseite ist eine Handlung. (S. 31) Der Unterschied zwischen dem Heben und dem bloßen Hochgehen des Arms ist der Unterschied zwischen einer Bewegung, die wir in Gang setzen und vollziehen, und einer, die wir bloß erleiden, weil sie uns nur zustößt und also nur geschieht. (S. 31) (aktive – passive Bewegung / Tun – Erleiden). Raskolnikov ist Täter = Urheber seiner Tat (:: Marionette, EpileptikerIn). Erleben der Bewegung als Ausdruck des Willens, besondere innere Nähe zum Tun.

Handlung-Urheberschaft-Wille -> Sinn, Verständlichkeit. Zudem muss eine Handlung als eine Möglichkeit unter anderen erfahren werden (Erlebnis des Führens). -> elementare Erfahrung von Freiheit.

Eine Bewegung von jemandem ist dann und nur dann eine Handlung, wenn der Betreffende ihr Urheber ist. Er ist dann und nur dann ihr Urheber, wenn der Bewegung ein Wille zugrunde liegt. Dann und nur dann hat die Bewegung Sinn. Erlebte Urheberschaft ist erlebte Bedingtheit durch einen Willen. (S. 35) Wo es keinen bestimmenden Willen gibt, kann von Freiheit nicht die Rede sein. (S. 36)

Was ist die Idee eines Willens? Wunsch – Wille: Ein Wunsch muss uns in Bewegung setzen, um ein Wille zu werden, muss handlungswirksam werden. (S. 37) Hinzukommen Überlegungen zur Wahl der Mittel zur Erreichung eines Gewollten, planender Verstand (der bloße Wunsch braucht das nicht). Bereitschaft zur Handlung. Wunsch-Überzeugung-Überlegung-Bereitschaft. [entspricht der Kantischen Differenzierung von Wunsch-Wille]


Grenzen des Willens: Äußere Umstände (Unmöglichkeit), persönliche Fähigkeiten (Wollen hat mit Können zu tun), S. 39. Wollen muss nicht zu Tun führen: Unterlassung. Der Wille ist auch hier ein Wunsch, der gegenüber anderen, gegenläufigen Wünschen die Oberhand behält. (S. 41) Wille zum Tun, Wille zum Werden (sich zu etwas machen). Schließlich kann man auch wollen, dass etwas der Fall wird oder der Fall bleibt. (S. 41) Auch hier ist der Unterschied zum bloßen Wunsch: Herbeisehnen – Versuch herbeizuführen.

Die Grundidee der Handlungsfreiheit: Ein Tun, das aus einem Willen entsteht, ist Voraussetzung dafür, dass es überhaupt ein Tun ist. Jemand ist frei, wenn er tun und lassen kann, was er will.(S. 44) Die Freiheit des Handelns stellt sich nun für Bieri in der Frage, wie man seinen Willen in einem Tun verwirklichen kann. -> Frage nach der Freiheit des Handelns. Die Freiheit bezieht sich auf das Ausmaß, in dem man das, was man will, in die Tat umsetzen kann. Ein Mangel an Freiheit liegt vor, wenn der Wille gehindert wird in eine Tat umgesetzt zu werden (Gelähmter). -> Der Wille ist nicht ein bloßer Wunsch, der in die Tat umgesetzt wird, sondern als einen, der es wird, wenn die Umstände es zulassen, und der auch dann ein Wille bleibt, wenn er an der Verwirklichung gehindert wird. (S. 44)

Die Idee der Handlungsfreiheit: Hier ist ein wichtiger Bestandteil der Spielraum möglicher Handlungen (S. 45) Das, was man tatsächlich tut, ist nicht das einzige, was man tun kann. -> offene Zukunft(S. 45) Dies gilt auch für die Vergangenheit (ein vergangenes Tun war nur dann frei, wenn man auch anders handeln hätte können). Es gibt verschiedene Arten von Spielräumen für unser Tun:

  1. Die Gelegenheit: Die Freiheit bezieht sich hier auf den Reichtum der Gelegenheiten (soll ich ein Buch lesen oder ins Kino gehen?). Der Reichtum der Gelegenheiten kann größer sein, als ich glaube (S. 46) -> objektive Freiheit: Ihre Existenz ist nicht ihr Gedachtwerden (S. 47)
  2. Die Mittel, um Chancen zu nutzen, bestimmen ebenfalls den Spielraum (kann ich mir ein Studium leisten?). Auch hier kann der Freiraum größer sein, als ich mir vorstelle (überraschende Erbschaft ...).
  3. Der Freiraum ist auch von meinen Fähigkeiten abhängig (als Unmusikalische werde ich keine Sängerin werden können). Auch hier gilt, dass die objektive Freiheit größer sein kann, als man denkt.
  4. Am Ende steht der Spielraum des Willens. Wenn Gelegenheiten, Mittel und Fähigkeiten vorhanden sind, hängt es nur mehr davon ab, was ich will.

Bieri stellt sich die Frage, ob auch beim Willen zwischen einem objektiven und mir bewussten Willen unterschieden werden kann. Er ist der Meinung, dass man nicht alles über seine Wünsche und ihre mögliche Handlungswirksamkeit weiß (jemand kann z. B. bis an den Rand eines Mordes getrieben werden).

Die Begrenztheit als Bestimmtheit des Willens: Unser Wille entsteht nicht im luftleeren Raum. (S. 49) Der kurz- und langfristige Wille ist von verschiedenen Faktoren abhängig (von Angeboten in Kaufhäusern, von Berufsangeboten, ...). Beschneidet uns diese Abhängigkeit in unserer Freiheit? Nein, da wir Bestimmtheit und Grenzen benötigen, damit auch unser Wille jeweils ein bestimmter ist. In einer Welt ohne Bestimmtheit gibt es nichts, worauf sich ein Wille richten kann. Der Wille wird nicht nur von äußeren, sondern auch von inneren Faktoren(körperliche Bedürfnisse, Gefühle, Charakter, Geschichte) beeinflusst und begrenzt. -> Stört uns dies? Nein, denn die Abhängigkeit des Willens von inneren Umständen sorgt dafür, dass er jemanden zugehört. Ein vollständig ungebundener Wille wäre niemandes Wille und also kein Wille. (S. 53) Daraus folgt, dass die Begrenzung unseres Wollens Voraussetzung für die Freiheit ist.

Die Idee der Entscheidung besagt, dass das, was wir wollen, nicht unabhängig davon ist, was wir denken. (S. 54) Dadurch werden wir UrheberInnen des Willens.

Bei instrumentellen Entscheidungen geht es um die Mittel zur Verwirklichung eines feststehenden Willens (ein Tennisspieler will das Match gewinnen). Dieser Wille wird, trotz z. B. Gewohnheit, von der Einschätzung der Situation gelenkt. Dass er spontan ist, lässt sich dadurch erklären, dass wir hier keinen ausdrücklichen Prozess des Abwägens durchlaufen müssen. Dies geschieht erst, wenn es sich um neue oder komplizierte Situationen handelt. In beiden Fällen wird durch Überlegen ein Wille gebildet.

Unser Tun kann jedoch auch widerwillig sein. Dabei handelt es sich um ein echtes Tun, wenn es auch widerwillig geschieht. Willenloses Tun ist hingegen kein echtes Tun, da es ohne UrheberIn und ohne Sinn passiert.

Entscheidungen können laut Bieri auch substantiell sein. Hier stellt man sich die Frage, was man eigentlich will. Bei solchen Fragen beschäftigen wir uns mehr mit unserem Willen (Welche Wünsche sollen zu einem Willen werden?). Deshalb haben solche Entscheidungen auch einen größeren Tiefgang. Diese Art von Entscheidungen haben nicht immer dieselbe Art von Logik, auch sind nicht immer gleiche Fähigkeiten beteiligt und auch das vorausgehende innere Geschehen ist nicht immer dasselbe. Bieri betrachtet zunächst Entscheidungen, von bereits bestehenden Wünschen. Er unterscheidet zwei Fälle. Im ersten Fall handelt es sich um Wünsche, die von ihrem Gehalt her miteinander verträglich sind, jedoch nicht zur gleichen Zeit verwirklicht werden können. Die Entscheidung besteht darin, diese in eine zeitliche Abfolge zu bringen (einen freien Tag planen, Kinderwunsch). Im zweiten Fall handelt es sich um Wünsche, die nicht miteinander verwirklicht werden können (Berufswahl). Man muss für einen Wunsch Partei ergreifen und sich mit dem Wunsch identifizieren. Der andere Wunsch kann dann nie zum Willen werden. Bieri stellt sich nun die Frage, wie wir das machen. Bei solchen Entscheidungen hilft uns die Phantasie (= die Fähigkeit die inneren Möglichkeiten auszuprobieren). Phantasie ist auch bei instrumentellen Entscheidungen hilfreich, denn eine Phantasievolle kann ihren Willen besser verwirklichen, da seine Handlungsfreiheit größer ist. Bei substantiellen Entscheidungen muss ich mir in der Phantasie meine innere und äußere Zukunft vorstellen können (kann ich als Arzt mit dem Leid der Patienten umgehen, kann ich als Mönch Versuchungen widerstehen?). -> Phantasie muss mich in die Zukunft projizieren. Phantasie kann auch helfen Wünsche, die mir nicht bewusst sind, ans Licht zu bringen. Dies gilt auch für Wünsche, die man nicht wahrhaben will (Mann und Kinder verlassen). Die Freiheit des Willens liegt in der Größe der Phantasie und der Selbstkenntnis. (S. 70)

Auch die Fähigkeit sich selbst kritisch zu betrachten gehört zur Fähigkeit des Entscheidens. Denn zum Entscheiden gehört, dass man seine Ideen auch überprüft. Im Anschluss daran muss man diesen Abstand zu sich wieder aufgeben und die Handlung vollziehen (zuerst war ich mein eigener Prüfer und anschließend vollzieht sich mein Wille in einem Tun).

Unsere Freiheit liegt darin, die Zukunft des Wollens und Tuns als offen zu erleben (-> wir können zu jeder Zeit unterschiedliche Entscheidungen treffen). Doch trotz dieser Offenheit hängt unser Handeln von Bedingungen ab. Alles was man denkt, kann unsere Zukunft des Wollens und Tuns verändern. Unser Wille ist nicht starr. Die Freiheit des Willens liegt darin, dass er auf ganz bestimmte Weise bedingt ist: durch unser Denken und Urteilen. (S. 80) Wenn man anders urteilt, könnte man auch anders wollen. Daraus folgt, dass unser Wille unserem Urteil unterliegt.

Eine doppelte Verwendung von "bedingt": "Bedingt durch die äußeren Umstände" und "Bedingt durch gewisse Überlegungen". Im Beispiel der sonagraphischen Analyse könnte man so unterscheiden: Bedingt durch die Physiologie des menschlichen Mund-Rachenraums können wir Reibelaute, Verschlusslaute, Vokale hervorbringen. Andererseits: Bedingt durch die phonologischen Regeln des Deutschen ist "skpck" keine zulässige Lautkombination. --anna 14:59, 7. Dez 2006 (CET)

Manchmal lassen wir uns einfach treiben und denken an nichts (Tourist). In jenen Momenten vermissen wir nicht die Last des Entscheidens und die damit verbundene Freiheit. Jedoch haben wir die Gewissheit, dass wir diesen Zustand jederzeit wieder aufheben können. Wäre dies nicht so, würden wir alle Wünsche, Entscheidungen und den Willen etwas zu wollen verlieren. Wir hätten unsere Zukunft nicht mehr in unserer Hand, da wir nicht mehr UrheberInnen unserer Handlungen sind. Man lebt in die Zukunft hinein ohne Ordunug und Plan. Da die Entscheidungsfreiheit fehlt, kommt es auch zu keiner Zukunftserfahrung. Der Getriebene macht sich seine Zukunft nicht, er stolpert ihr nur entgegen, und dasjenige, was als nächstes kommt, ist für ihn einfach nur das Spätere. Sein Mangel an Freiheit bedeutet, dass sein Zukunftsbewusstsein keine Tiefe besitzt. (S. 90) Die Entscheidungsfreiheit kann auch durch Hypnose, Hörigkeit oder Gehirnwäsche außer Kraft gesetzt werden. Jedoch kann auch ein zwanghafter Wille meine Freiheit einschränken. Bieri bezeichnet ihn als unkontrollierbaren Willen (S. 98) (nervöse Ticks sind unkontrollierbar -> zwanghafter Wille ist so etwas wie ein innerer Tick) Jedoch besteht meistens ein neuer Wille, der aber den alten Willen nicht ersetzen kann -> Willensschwäche. Bieri bezeichnet den zwanghaften Willen auch als unbelehrbar. (S. 101) Er widersetzt sich dem Prozess, dass sich der Wille von Personen in unterschiedliche Richtungen entwickeln kann. Dadurch wird er in der Innenwelt isoliert und als fremd wahrgenommen. -> Fremdheit wird im Sinne von Ablehnung verstanden. (Mit einem freien Willen kann man sich identifizieren.) Diese Fremdheit wird durch die Fähigkeit uns selbst gegenüberzutreten erlebt. Ähnlich verhält sich dies beim Unbeherrschten. Auch er ist nicht Herr seines Willens. Ihm fehlt die Kontrolle/ Selbstbeherrschung über seinen Willen (Handlungen im Affekt). Jedoch unterscheidet sich der Unbeherrschte vom Zwanghaften in zwei Punkten: Zum einen ist beim Unbeherrschten zur Zeit des Ausbruchs alles Überlegen "ausgelöscht". Zum anderen besteht der Unterschied darin, dass sich der Unbeherrschte nicht in seinem Gehalt der Kontrolle zu entziehen braucht, sondern nur in seiner Durchsetzungsfähigkeit. (S. 109) Man kann auch durch äußere Zwänge (S. 110) unfrei sein (Bankangestellter, der von einem Räuber bedroht wird). Hierbei handelt es sich um ein Tun, das man eigentlich nicht will (man will es nur, weil man dazu gezwungen wird) = Zwangslage. (S. 111) Die Freiheit besteht nur darin, zwischen aufgezwungenen Alternativen zu wählen (Geld her oder Tod, arbeiten um Geld zu verdienen oder arbeitslos sein) und durch angedrohte Sanktionen wird man gefügig gemacht (Verlust der Arbeit). Ein zwanghafter Wille muss jedoch nicht nur von außen aufgezwungen werden (Flugzeugabsturz -> um nicht zu verhungern, isst man die Toten). Eine Zwangslage ist nichts anderes, als eine Situation, in der ich ein ungeliebtes Mittel einsetze, um zum Ziel zu kommen. (S. 116)

Auch in der Art und Weise, wie wir Zeit erleben, spiegelt sich unsere Freiheit bzw. Unfreiheit des Willens. So kann sich z. B. der Getriebene nicht aus seiner Vergangenheit heraus in eine Zukunft entwickeln, denn dazu müsste er nachdenken und aus sich heraustreten können. Er kann auch seine Erinnerungen nicht deuten. Der Hörige oder Hypnotisierte erlebt die Zeit der Hörigseins bzw. Hypnotisiertseins nicht als seine, da er nicht Urheber seines Wollens ist, der auch Urheber seiner Zeit sein könnte. Diese fremde Zeit ist aus seiner gewöhnlichen Zeit wie herausgeschnitten, er erlebt sie ohne recht dabei zu sein. (S. 133) Nach dem Aufwachen gewinnt man den verlorenen Abstand zu sich selbst wieder und damit gewinnt man seine Freiheit zurück und die eigene Zeit. (S. 136) Die Unfreiheit des gedanklichen Mitläufers besteht darin, dass er dem neuen Willen keine Chance gibt, ihm als Erfahrung einer offenen Zukunft zu fungieren. Seine Vergangenheit nimmt er nur als eine Spanne wahr, in der er fest zu seinen Überzeugungen gestanden hat. (S. 140) Der Mitläufer sieht seine Unfreiheit nicht als solche, sondern als eine erwünschte Stetigkeit seines Wollens. (S. 146) Der Zwanghafte bringt sich durch seinen im voraus berechenbaren Willen, der sich unbelehrbar jeder Kontrolle entzieht, um die Erfahrung einer offenen Zukunft. (S. 141) Der Wille erscheint gerade bei inneren Zwängen als fremd und man wartet darauf, dass er verschwindet, um sich dann wieder frei zu fühlen. (Dazu müsste er einen Weg finden, seinen inneren Zwang zu brechen.) Das Warten wird als vergeblich wahrgenommen. Die Zwanghaftigkeit betrügt denjenigen um die Gegenwart, da sie immer zu etwas Zukünftigen wird.

Über die Freiheit, wie wir sie bis jetzt erfahren haben, sagt Bieri, dass Freiheit nicht nur mit Bedingtheit verträglich ist und sie braucht sie auch nicht zu fürchten. Sie verlangt Bedingtheit und wäre ohne sie nicht denkbar. (S. 166) Im zweiten Teil will er jedoch den Begriff der Freiheit weiterentwickeln und sagt: Freiheit ist Abwesenheit von Bedingtheit. (S. 168) Im Bezug auf den Willen folgt daraus, dass er von keinen Vorbedingungen abhängig ist und von nichts bewegt wird. Dies ist jedoch nur eine Negation des bereits vorhandenen Begriffs. Um den neuen Freiheitsbegriff näher zu definieren, meint Bieri, dass man nicht direkt vorgehen kann, wie dies bei der bedingten Freiheit der Fall war. Man kann zwei Arten von Überlegungen anstellen. Bei der ersten Art gehören Überlegungen, die als Beweisziel die folgende Behauptung haben: Nur dann, wenn wir unbedingte Freiheit des Willens besitzen, sind wir Personen. (S. 170) -> Nur jemand, der über unbedingte Freiheit des Willens verfügt, ist eine Person. Dieses Beweisziel lässt sich nur über den Zusammenhang von Ideen und Begriffen (S. 170) verfolgen. Dies geschieht über die Frage: Setzt die Idee der Person die Idee der unbedingten Freiheit voraus? (S. 170) Diese Frage verzweigt sich dann in weitere. Bieri formuliert das Beweisziel der Behauptung folgend: Es gibt eine oder mehrere Facetten am Personsein, die man ihrem begrifflichen Gehalt nach nur verstehen kann, wenn man unseren Willen unter die Idee der unbedingten Freiheit bringt. Nur wenn wir uns eine unbedingte Freiheit des Willens zuschreiben, können wir uns als Personen verstehen. (S. 171) Bei der zweiten Art fordert uns Bieri auf, Phänomene unserer Freiheitserfahrung als Beleg dafür zu sehen, dass wir die unbedingte Freiheit wirklich besitzen. (S. 171)

Bieri vertritt den Standpunkt, dass wenn wir nur eine bedingte Freiheit besäßen, auch überhaupt keine Freiheit besitzen würden. (Bei der bedingten Freiheit bestand die Freiheit darin, seinen Willen in einem relativen, eingeschränkten Spielraum [S. 175] von Möglichkeiten zu entwickeln. Daraus lässt sich folgern, dass wenn wir nur über eine bedingte Freiheit verfügen würden, dann besäßen wir auch keine Offenheit der Zukunft.) -> Dies käme einem Leben in vollständiger Ohnmacht (S. 181) gleich. Jedoch besitzen wir als Personen die Macht über unseren Willen und unsere Handlungen. (S. 181) Somit haben wir auch eine wirklich offene Zukunft vor uns.

Frei in seinem Willen sein heißt, dass man einen Willen durch Überlegen ausbildet (überlegen = verschiedene Möglichkeiten gegeneinander abwägen). -> Ich überlege, also bin ich frei. (S. 183) Damit hier der Freiheitsgedanke auch wirklich realisiert werden kann, muss es sich bei den Möglichkeiten um echte oder tatsächliche (S. 183) handeln. -> Zu der Idee des Personseins gehört nun, dass wir Entscheidungen durch Überlegen in einem Spielraum echter Möglichkeiten fällen. Daraus folgt, dass der Wille der Person unbedingt frei sein muss, denn sonst stünde ihr kein echter Spielraum zur Verfügung.

Echte Freiheit des Willens beschreibt Bieri, als die Fähigkeit, selbst darüber zu entscheiden, ob etwas den Willen beeinflussen darf oder nicht. (S. 189) Dies ist durch Fähigkeit zu sich selbst einen inneren Abstand aufzubauen möglich (sonst wäre ich eine Getriebene meiner Gedanken und inneren Bilder). -> Als Personen stoßen uns unsere Entscheidungen nicht nur zu, sondern wir bestimmen, ob sie fallen oder nicht. Dazu gehört auch, dass Personen in ihrem Willen unbedingt frei sind, denn die bloß bedingte Freiheit lässt nicht mehr zu als Entscheidungen, die sich ohne unser weiteres Zutun einfach ereignen. (S. 192)

Zur Idee des Personseins gehört auch, dass man eine echte Urheberschaft im Tun und Wollen (S.199) besitzt. Dazu gehört aber auch, dass diese Person über einen unbedingten freien Willen verfügt.

Bei der Idee der Verantwortung geht es um Regeln, die in Form von Normen und Vorschriften angeben, wie unser Tun sein soll. Es gibt gesetzliche und moralische. Beim Missbrauch bzw. beim Übertritt von solchen treten Sanktionen in Kraft, wenn man davon ausgehen kann, dass diese Person aus freien Stücken so gehandelt hat und ihr die Regeln bekannt waren. -> Die Zuschreibung von Verantwortung wird bei jeglicher Art von Einschränkung der Willensfreiheit abgeschwächt (Getriebene, Zwanghafte, ...).

Wir haben uns und anderen gegenüber moralische Erwartungen, welche mit typischen Empfindungen verknüpft sind, wenn sie enttäuscht werden (Reue, Scham, schlechtes Gewissen). (S. 213) Auch diese Empfindungen beruhen auf bestimmten Voraussetzungen. Auch hier gilt, dass jede Einschränkung der Freiheit Folgen für unser moralisches Empfinden hat (Tat unter Hypnose).

Bieri ist der Ansicht, dass man an der Erfahrung die Idee des unbedingten freien Willen ablesen kann. Dies geschieht durch die Fähigkeit hinter sich zurücktreten zu können. Dadurch erhält man die Möglichkeit, sich von aller innerer Bedingtheit frei zu machen und im Wollen und Tun einen neuen Anfang zu setze. (S. 227) Diese Fähigkeit verleiht unserer Zukunft eine echte Offenheit und gibt uns auch die Möglichkeit in der Gegenwart einen Neuanfang machen zu können.


Der losgelöste Wille: unbedingt frei, von nichts abhängig wäre auch losgelöst von mir als Person und damit gar nicht mein Wille. Sie müßten ihn als einen vollständig entfremdeten Willen erleben, der meilenweit von der Erfahrung der Urheberschaft entfernt wäre, zu deren Rettung er doch eingeführt wurde. (S. 230) Ein unbedingt freier Wille unterläge nicht dem Einfluss des Überlegens (Entscheidung), wir könnten uns daher nicht als seine Urheber empfinden und er wäre uns gänzlich fremd, zustoßend. Damit ist der unbedingt freie Wille so beschrieben, wie eigentlich der unfreie beschrieben wird: Unbeeinflussbarkeit, fehlende Urheberschaft, Fremdheit, wobei der unbedingt freie Wille diese Merkmale für immer besäße: Ein unbedingter Wille wäre als Folge seiner vollkommenen Ungebundenheit von Anbeginn an und für alle Zeit zur Unfreiheit verdammt. (S. 232) Er wäre auch nicht durch Wahrnehmungen beeinflusst, er wäre verrückt. Unbelehrbar, blind und stur würde er dem Besitzer seine Ziele diktieren, komme was wolle. (S. 232) Er bliebe uns auch unverständlich, da durch nichts bedingt. Er wäre unberechenbar, zufällig, launisch. Wesen mit einem vollständig entgrenzten Willen wären nicht vollkommen freie, sondern vollständig willenlose Wesen. (S. 240)

vgl. dazu den Einwand von Nagel und Strawson in --> Nagel und Strawson--Florian 11:31, 8. Mai 2007 (CEST)

Ein Wille ist stets ein bestimmter Wille, und er ist stets jemandes Wille. (S. 239) Dies ist eine begriffliche Feststellung. (S. 239) Wie oben ausgeführt, hängt unser Wollen von äußeren und inneren Umständen ab, woraus sich Begrenzungen ergeben, die auf den ersten Blick als Einschränkungen erscheinen, aus denen sich aber erst die begrifflich notwendige Bestimmtheit und Individualität des Willens ergibt. Ein unbedingter Wille ist ein unbestimmter und somit gar kein Wille. Auch der Spielraum muss ein eingeschränkter sein: Sein Wille kann variieren, wenn es zuvor eine Variation in seinem Überlegen gibt. (S. 240) Ein absoluter Spielraum würde wieder zu einem unbedingten Willen führen. Ein solcher Wille könnte auf nichts in der Welt reagieren. Es gibt ihn nicht. Die Rede vom unbedingten Willen hat über die Negation hinaus gar keinen weiteren Gehalt. (S. 242) Die unbedingte Freiheit, könnte man sagen, ist ein rein rhetorisches Gebilde. (S. 243) Die Idee der Bedingtheit ist Freiheit und Unfreiheit vorgeordnet. Der Unterschied zwischen Freiheit und Unfreiheit hat nichts mit Unbedingtheit - Bedingtheit zu tun. Weder muss die Freiheit gegen die Bedingtheit verteidigt werden noch wird sie durch diese aufgehoben. Bieri: Wir müssen überhaupt nichts beweisen, was wir tun müssen, ist zu verstehen, wie sich Freiheit und Unfreiheit im Rahmen universeller Bedingtheit unterscheiden. (S. 245) Viele Facetten gehören zu unserem Personsein: überlegen, wählen, entscheiden, verantwortlich handeln, moralisch empfinden, nicht aber unbedingt freien Willen haben.

In der Folge geht Bieri darauf ein, wie es zu dem Irrtum kommt, dass Personsein unbedingte Freiheit des Willens voraussetzt, da wir diesen Irrtum immer wieder begehen. Diesen Irrtum sieht Bieri in vielen zusammenhängenden Facetten: - Missdeutung bestimmter Wörter: Man zieht assoziative Linien aus, die in anderen Zusammenhängen durchaus zu dem Wort gehören, aber nicht in unserem jetzigen Kontext (S. 249), was auch auf Unkenntnis beruhen kann. Z. B. wenn man bedingt mit abhängig erläutert oder bedingen als notwendig festlegen sieht. Bedingungen und Forderungen von Menschen an Menschen schränken tatsächlich die Freiheit der anderen ein, aber ein bedingter Wille bedeutet, dass bestimmte Dinge innerhalb und außerhalb einer Person der Fall sein müssen, damit es überhaupt einen bestimmten Willen geben kann. (S. 252) Dies hat weder mit Freiheit noch mit Unfreiheit zu tun. Dieser Zusammenhang gilt auch zwischen Überlegen und Wollen, hätte man anders überlegt (geurteilt), würde man auch anders wollen – der Wille variiert mit dem Überlegen, was ebensowenig mit Unfreiheit zu tun hat. Abhängig darf auch nicht von menschlicher Abhängigkeit abgeleitet werden, wenn die Umgebung meinen Willen beeinflusst, er nicht im luftleeren Raum entsteht. Auch Zwang und Vorbedingungen dürfen nicht verwechselt werden: Beide reduzieren zwar die Möglichkeiten, aber keine Vorbedingung kann den Willen zwingen. Auch die Sprache der Ohnmacht führt uns in die Irre, die uns letztendlich als Ausführende eines nicht aufzuhaltenden Willens sieht. Aber, so Bieri, diese Ohnmacht gibt es nicht, denn das würde bedeuten, ein Geschehen wäre verschieden von jemandem, es wäre kausal unabhängig von diesem und dieser jemand möchte es nicht und würde es lieber aufhalten. So erlebt aber die aus Freiheit Wollende nicht ihren Willen. Im Entscheiden beeinflusse ich als Urteilende mich als Wollende. Schließlich will ich so, wie ich urteile (ich bin dieses Geschehen), es wäre sinnlos zu denken meine freie Entscheidung aufhalten zu wollen (und auch es zu können) – weil es einen dem Geschehen äußeren Standpunkt nicht gibt (S. 260 f.) - Ein weiterer Irrtum entsteht aus dem Anschein, dass bedingte Freiheit keine echte Urheberschaft von Wollen und Tun gibt und der unbedingte Wille ist keiner. Unterscheidung gewolltes Tun und bloßes Geschehen ist richtig, aber entscheidend ist, worauf sie angewendet wird. Wie Bieri schon ausgeführt hat, sind Begriffe und Ideen von uns gemacht (im Kantischen Sinne erfahrungskonstitutiv), das gilt auch für die Begriffe Urheberschaft, Subjekt und Unterscheidung gewolltes Tun – bloßes Geschehen. Sie beziehen sich auf ganze Personen und werden sinnlos, wenn man sie im Inneren einer Person sucht. Wir suchen die Urheberschaft unseres Wollens aber im Inneren der Person. Aus der Innenperspektive kann ich hinter alle meine Wünsche und Überlegungen etc. zurücktreten, man könnte laut Bieri sagen, so bin ich ein reines Subjekt. Diese Zurückgezogenheit ermöglicht die echte Freiheit, ich werde zu einem echten Subjekt von Verantwortung. (hier wären aber wiederum die Bedingungen der Ohnmacht gegeben). Vielfältiger Zusammenhang zwischen der Erfahrung des inneren Fluchtpunktes und dem Gedanken des reinen, aller Bedingtheit enthobenen Subjekts: Erfahrung der Distanzierung von unseren Wünschen, indem wir sie gedanklich zum Thema machen und ihre unmittelbare Wirksamkeit unterbrechen. (S. 270) -> innerer Abstand zu uns selbst. Eine innere Distanzierung von Wünschen ist nur von anderen Wünschen aus möglich, sie ist relativ. Eine absolute Distanzierung und ein absoluter Fluchtpunkt ergibt sich, wenn man ein Subjekt hinter allem inneren, im Sinne der Bedingtheit verketteten Geschehen annimmt. (S. 271) Dabei nimmt man die Verkettung als Ohnmacht an, gegen die die Freiheit verteidigt werden muss; in diesem Fall setzt man ein reines Subjekt schon voraus. Die Idee des reinen Subjekts [...] ist auf der einen Seite nötig, um den Eindruck der Ohnmacht zu erzeugen, und auf der anderen, um die Freiheit gegen diese von ihr selbst erzeugte Ohnmacht zu retten. Es ist [...] eine Idee, die nur durch sich selbst motiviert ist, eine Idee also, die überhaupt nicht motiviert ist. (S. 271) So sind weder die Erfahrung eines inneren Abstandes noch das innere Geschehen Begründung für ein reines Subjekt. Es gibt keinen wunschlosen Fluchtpunkt. Es gibt in uns kein reines Subjekt, das unserer konkreten Person und ihren Wünschen entgegenstünde. Wenn ein Wunsch dem anderen unterliegt, kann das als Ohnmacht erlebt werden, es ist aber nicht die Ohnmacht eines reinen Subjekts gegenüber der Verkettung von Bedingtheiten, sondern eine Ohnmacht, das zu wollen und zu tun, was meinem Urteil entspricht. Ein reines Subjekt müsste ein bestimmtes Subjekt sein, Bestimmtheit aber verlangt auch hier Bedingtheit, und damit löst sich die Idee des reinen Subjekts genauso auf wie die Idee des unbedingt freien Willens. Moderate Unbedingtheit führt zu denselben Ergebnissen wie Annahme absoluter Unbedingtheit.

Bewusstsein, dass wir jederzeit zwischen mehreren Möglichkeiten des Wollens und Tuns wählen können. Dieser Spielraum macht die Substanz unserer Freiheitserfahrung aus. (S. 281)

Erfahrung der Offenheit der Zukunft: Erfahrung des Entscheidens (= mit Überlegen und Phantasie über seinen Willen bestimmen), Wissen um Widerrufbarkeit von Entscheidungen, Erfahrung, dass Wissen um den üblichen Weg des eigenen Willens Entscheidung beeinflussen und Willen lenken kann.

Es muss sich um echte Möglichkeiten des Spielraums handeln, nicht bloß um vorgestellte. Echt aber sind die Möglichkeiten, die jemand vor sich sieht, nur dann, wenn es nicht hinter den Kulissen seines Nachdenkens bereits entschieden ist, welche er wählen wird. Doch genau das ist der Fall, wenn alles bedingt ist. (S. 281 f.) Hier liegt nach Bieri der Irrtum in der Rede von den "echten Möglichkeiten". Auch wenn die Freiheit des Handelns tatsächlich eingeschränkt sein mag, ist es nicht die des Willens, wenn der Entscheidende um die Handlungseinschränkung nicht weiß.

Die Offenheit der Zukunft, die wir für die Freiheitserfahrung brauchen, liegt im Spiel der Einbildungskraft. Und nur in diesem Spiel. Nicht nur ist es falsch, dass bloß vorgestellte Möglichkeiten für die Freiheit des Willens nichts nützen. Es ist umgekehrt: Nur vorgestellte Möglichkeiten nützen etwas. (S. 284) Die vorgestellten Möglichkeiten üben einen echten Einfluss auf den Willen ausm der dadurch zu einem freien wird.

"Echte Möglichkeiten" werden auch so verstanden, dass unbewusst nicht schon entschieden ist, wofür jemand sich entscheidet. Das kann bedeuten, dass sich der Wille unabhängig vom Nachdenken bildet, das trifft auf den unbedingten, nicht auf den bedingten Willen zu. Mit "echten Möglichkeiten" kann aber auch gemeint sein, es ist nicht offen, welche Vorstellungen letztendlich über jemandes Willen bestimmen. Dies löst Bieri so (S. 287): Er will, dass ihm das Abwägen von Möglichkeiten zu einem Willen verhilft, der zu ihm, dieser konkreten Person passt. Was die Einbildungskraft für ihn leisten soll, ist, zu demjenigen Willen zu finden, mit dem er sich identifizieren kann. Und die Einbildungskraft kann das nur dann leisten, wenn die Wirkung ihrer Bilder nicht zufällig ist, sondern von all den Dingen mitbestimmt wird, die ihn zu der bestimmten Person machen, die er ist. Wenn die Überlegungen zu keinem solchen bestimmten Willen führen können, wäre das Ohnmacht. Der Sinn des Überlegens besteht darin, am Ende sich für etwas entschieden zu haben, was den Weiterbestand verschiedener Möglichkeiten nicht berührt. Wille unter Absehung vom Entscheidungsprozess – Wille unter Einbeziehung dieses Prozesses (nach Entscheidung).

Weiters kann zur Idee der Unbedingtheit und zum Missverständnis, dass es auf so genannte "echte Möglichkeiten" ankommt, führen: Ihre Gedanken und die Bilder Ihrer Phantasie überschreiten sich auf ihren Gegenstand hin. Oder vielleicht besser: Sie überschreiten die Gedanken und Bilder auf ihren Gegenstand hin. (S. 291) So entsteht ein Eindruck unvermittelter Begegnung des Willens, der Freiheit mit einem Spielraum objektiver Möglichkeiten, aus denen der Wille als unbedingter auswählen kann. Relevant sind aber wie ausgeführt die Möglichkeiten nur als Vorstellungen. Zur Illusion einer Unbedingtheit kann auch eine falsch verstandene Spontaneität des Vorstellens führen. Zu der Erfahrung des gedanklichen Draußenseins nämlich gehört, dass die Bilder der Phantasie plötzlich einfach da sind. (S. 292) Wenn wir uns nicht damit beschäftigen, woher unsere Vorstellungen kommen, scheinen sie oft bedingungslos zu sein. Auch Wollen nimmt uns im Erleben gefangen: Die Spontaneität (Bieri: unvermittelt erlebte Anwesenheit) erweckt den Eindruck von Bedingungslosigkeit.

Die Idee des Bedingtseins, führt Bieri weiter aus, entstammt der Außenperspektive und eignet sich daher nicht die Freiheit, die ihrem Wesen nach eine Sache der Innenperspektive ist, beschreiben. Wenn man es trotzdem tut, so macht man etwas Paradoxes: Man beschreibt die Innenperspektive aus der Außenperspektive. [...] Was irritierend erschien, war, dass von der Urheberschaft [...] letztlich doch nur ein inneres Geschehen übrigblieb und es scheinen konnte, als gingen wir dadurch als Subjekte der Freiheit verloren. Das [...] rührt daher, dass wir, indem wir den Gedanken der Bedingtheit zum Leitfaden der Analyse machten, die Innenperspektive von vornherein zum Gegenstand einer außenperspektivischen Betrachtung machten und sie dadurch, ohne es zu merken, ihrer wahren Natur entfremdeten. (S. 295) Aus der Außenperspektive ist es genauso wie ein Uhrwerk, Räderwerk, wenn wir jemanden von Gedanken, Vorstellunge, Überlegungen, Willen bestimmt sehen. Aus der Innenperspektive erlebt sich Freiheit aber ganz anders. Die Innerlichkeit wiederum hat mit Freiheit nichts zu tun. Wenn die Innerlichkeit von außen nicht angemessen beschrieben werden kann, so muss das nicht auf die Freiheit zutreffen.

Innerlichkeit: Phänomen, dass wir Erlebnisse haben, und Phänomen, dass wir in der Ausübung unserer Freiheit vor dem Blick der anderen durch eine besondere Intimität geschützt sind. (S. 297) Diese Phänomene gehen mit der Freiheit einher, machen sie aber nicht aus.

Erlebnisse: Wir können mitempfinden, nachvollzuziehen, wir können dieselbe Art von Erlebnissen haben, aber ein Erlebnis einer anderen Person können wir nicht haben, weil wir sie nicht sind. Da wir nicht jemand anderer sein können, bleiben uns fremde Erlebnisse in gewissem Sinne verschlossen. Wenn sich erlebte Freiheit der Perspektive von außen entzieht, dann nicht, weil sie Freiheit ist, sondern weil sie erlebt ist. (S. 299) Wenn die Freiheit weniger emotional erlebt, wird sie farbloser, bleibt aber Freiheit.

Intimität: Auch die Intimität ist nicht notwendig mit Freiheit verknüpft. Nur: Je durchsichtiger unsere Willensbildung ist, desto beherrschbarer / manipulierbarer können wir sein.

Anmerkungen zum Fatalismus: Sich gegen eine Lebensbahn auflehnen, die dem eigenen entschiedenen Willen entspringt – das ergäbe keinen Sinn: Es gibt gar nichts, wogegen man sich auflehnen könnte. (S. 314) [...] weil die Vorherbestimmtheit an und für sich kein Übel ist, kann auch die Vorherbestimmtheit unserer freien Entscheidungen kein Übel sein. (S. 315 f.) Wir lehnen uns nur gegen ein vorherbestimmtes Unglück auf, nicht gegen ein vorherbestimmtes Glück, also lehnen wir uns gegen den Inhalt auf, nicht gegen die Vorherbestimmtheit an sich. Es steht außerdem nicht fest, wie mein Wille sich entwickelt, denn er entwickelt sich anhand meiner Gedanken, Entscheidungen und Handlungen, ich erarbeite ihn mir. Der Fatalismus ist [...] eine psychologisch unmögliche Lebenseinstellung. Sie müsste lauten: Mal abwarten, was ich wollen werde. Es wäre der Versuch, sich selbst immer nur geschehen zu lassen. Das geht für kurze Zeit, im Kino, beim Tagträumen, am Strand – überall da, wo uns keine Entscheidung abverlangt wird [...] Der Fatalismus im Sinne einer psychologischen Empfehlung tut, als könnten wir daraus eine dauerhafte Einstellung machen. Das ginge nur, wenn wir uns in Getriebene verwandelten, so dass wir nicht mehr wüssten, was das ist: sich entscheiden. Solange wir es wissen, ist es unmöglich, das Entscheiden sein zu lassen, und in dieser Unmöglichkeit besteht unsere Freiheit. (S. 318)

Anhand eines fiktiven Dialogs Raskolnikovs mit seinem Richter bespricht Bieri die Praxis von Verantwortung und darauf basierender Bestrafung und Reue, er streift das Thema Moral.

Die Lösung: Angeeignete Freiheit

Indem wir die Freiheit des Entscheidens ausüben, machen wir etwas mit und für uns. Indem wir durch Überlegen und durch das Spiel der Phantasie einen Willen ausbilden, arbeiten wir an uns selbst. Wir geben dem Willen ein Profil, das vorher nicht da war. In diesem Sinn ist man nach einer Entscheidung ein anderer als vorher. (S. 382) (-> durch die Fähigkeit einen inneren Abstand aufzubauen und uns dadurch in unserem Willen zum Thema zu werden, Identifikation mit einem Wunsch).

Eng verknüpft mit dem Freiheitserlebnis ist für Bieri die Zeiterfahrung, nur der Freie erlebt Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft als eigene Zeit.

Die Freiheit des Willens muss man sich erarbeiten (daher auch der Titel des Buches). Bieri nennt den freien Willen den angeeigneten Willen, dessen Aneignung drei Dimensionen hat: Artikulation (Klarheit darüber, was genau es ist, was man will), Verstehen des eigenen Willens und Bewertung des eigenen Willens. Diese Dimensionen greifen ineinander. Die Voraussetzung der Freiheit ist ein realistisches Selbstbild. Bei den nachfolgenden Ausführungen, wie man sich den eigenen Willen angehen kann, greift Bieri zur Psychologie und gibt praktische Anweisungen.

Artikulation: Vor allem der langfristige Wille ist oft in Richtung und Gehalt nicht klar. Lösungen: Gehalt durch Worte durch Sprechen oder Schreiben äußerlich machen und überprüfen. (-> Rückwirkung). Artikulation durch Bilder (Malen), Träume, Phantasien. Auflösung von Selbsttäuschungen. Unvoreingenommene Bestandsaufnahme meiner Wünsche. -> Beseitigung einer Wissenslücke.

Verstehen des Willens: Interpretation eines unverständlichen Wunsches. Ein Wille kann einen anderen Gehalt haben als zuerst angenommen. -> Beseitigung eines Irrtums. Nach der Aufdeckung einer Selbsttäuschung kommt es zu einem Verstehen, warum diese Täuschung notwendig war.

Bewertung des Willens: Aneignung des Willens durch Artikulation und Verstehen ist ein Erkenntnisprozess, Selbsterkenntnis ist ein Maß für Willensfreiheit. Von einem inneren Abstand aus billigen wir bestimmte Wünsche, bewerten den Willen oder missbilligen sie. Je nachdem identifizieren oder distanzieren wir uns. Die Bewertung erfolgt nach praktischer Nützlichkeit von Wünschen und auch unabhängig davon, je nachdem, wer ich sein will. Die substantielle Bewertung, mein Selbstbild, kann die instrumentelle dominieren. Das Selbstbild selbst ist – auch – ein Wunsch, wie ich sein möchte. So gibt es neben den Wünschen, die am Selbstbild gemessen werden, Wünsche, die das Selbstbild ausmachen – sie beeinflussen sich gegenseitig. Auch jedes Bewerten muss verstanden werden.

[...] über die bloße Freiheit der Entscheidung hinaus an der Freiheit des Willens zu arbeiten, indem man sich den eigenen Willen aneignet. Es geht um Genauigkeit und Tiefe der Artikulation, die eine größere Reichweite des Verstehens vorbereitet, das wiederum zu einer Bewertung führen kann, die uns erlaubt, in größerem Umfang aus einem Willen heraus zu leben, den wir gutheißen können. (S. 408) -> Identifikation mit dem eigenen Willen und Zugehörigkeit unseres Willens zu uns selbst.

Bieri verweist die Entscheidungsfrage, ob es einen freien Willen gibt (ja oder nein, ein für allemal) in den Verdacht, dass damit der – widerlegte – unbedingt freie Wille gemeint ist.

Für Bieri kann Freiheit kommen und gehen, erreicht werden und wieder verlorengehen. Denn die Aneignung ist etwas, das innerhalb des fließenden Wollens und Denkens geschieht [...] (S. 409) Während ich artikulierend, verstehend und bewertend damit beschäftigt bin, meinen Willen zu modellieren, stellt sich die Frage nach der Freiheit dieser Beschäftigung nicht. [...] Es ergäbe keinen Sinn, sie zu stellen, denn die aneignende Beschäftigung bildet den Rahmen für das Stellen jeder solchen Frage. (S. 410)

[...] dass die Freiheit des Willens etwas ist, das man sich erarbeiten muss. Man kann dabei mehr oder weniger erfolgreich sein, und es kann Rückschläge geben. Was man an Freiheit erreicht hat, kann wieder verlorengehen. Willensfreiheit ist ein zerbrechliches Gut, um das man sich stets von neuem bemühen muss. Und es ist dieser Idee zufolge eine offene Frage, ob man sie jemals in vollem Umfang erreicht. Vielleicht ist sie eher wie ein Ideal, an dem man sich orientiert, wenn man sich um seinen Willen kümmert. (S. 383)

<root><br /> <h level="2" i="1">== Kontext ==</h>

Freiheit im Kopf (Seminar Hrachovec, 2006/07)

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