Produktivität - ein Prinzip für (fast) alles? (Vorlesung, Füllsack, 2007/08): Unterschied zwischen den Versionen

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(Wahrscheinlichkeiten)
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Die Rahmenbedingungen für das einschlagen von Nägeln bedarf grundlegend verschiedenster Rahmenbedingungen (Kriterien) um vollzogen werden zu können. Zum einen müssen die notwendigen Ressourcen sowie das nötige Werkzeug vorhanden sein und zum anderen muss die notwendige Zeit sowie anfallende Kosten berücksichtigt werden. Bei einer geringen Anzahl von Nägeln kann es durchaus produktiv sein die wenigen Nägel mithilfe eines Steins einzuschlagen. Die Alternative des Hammers rentiert sich hingegen bei einer größeren Anzahl von Nägeln da die Anschaffungskosten mit der eingesparten Zeit aufgerechnet werden müssen. (in der Betriebswirtschaft spricht man hierbei auch von Berücksichtigung der opportunity costs) Die interessante Grauzone auch als uncertain area bezeichnet liegt im Bereich wo die Produktivität des Steins und des Hammers gleichauf liegen.
 
Die Rahmenbedingungen für das einschlagen von Nägeln bedarf grundlegend verschiedenster Rahmenbedingungen (Kriterien) um vollzogen werden zu können. Zum einen müssen die notwendigen Ressourcen sowie das nötige Werkzeug vorhanden sein und zum anderen muss die notwendige Zeit sowie anfallende Kosten berücksichtigt werden. Bei einer geringen Anzahl von Nägeln kann es durchaus produktiv sein die wenigen Nägel mithilfe eines Steins einzuschlagen. Die Alternative des Hammers rentiert sich hingegen bei einer größeren Anzahl von Nägeln da die Anschaffungskosten mit der eingesparten Zeit aufgerechnet werden müssen. (in der Betriebswirtschaft spricht man hierbei auch von Berücksichtigung der opportunity costs) Die interessante Grauzone auch als uncertain area bezeichnet liegt im Bereich wo die Produktivität des Steins und des Hammers gleichauf liegen.
  
Desweiteren können sich die Rahmenbedingungen die einen Prozess ermöglichen, sich im Zuge des Ablaufes dieses Prozesses wiederum selbst verändern. Mit anderen Worten und angewendet auf das obige Beispiel, kann die Entwicklung des Hammers zu einer enormen Verringerung der Wahrscheinlichkeit des Anwendens des Steines führen. Die Veränderung der Rahmenbedingungen selbst wiederum kann den gesamten Prozess verändern. Folglich muss der Prozess und auch seine Rahmenbedingungen als etwas sich dynamische entwickeldes aufgefasst werden.
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Desweiteren können sich die Rahmenbedingungen die einen Prozess ermöglichen, sich im Zuge des Ablaufes dieses Prozesses wiederum selbst verändern. Mit anderen Worten und angewendet auf das obige Beispiel, kann die Entwicklung des Hammers zu einer enormen Verringerung der Wahrscheinlichkeit des Anwendens des Steines führen. Die Veränderung der Rahmenbedingungen selbst wiederum kann den gesamten Prozess verändern. Folglich muss der Prozess und auch seine Rahmenbedingungen als etwas sich dynamisch entwickeldes aufgefasst werden.
  
 
== Produktivität ==
 
== Produktivität ==

Version vom 16. Dezember 2007, 12:32 Uhr

Organisatorisches (Wann, Wo, Prüfung...) zur Vorlesung

Vorausblick

Der Untertitel Ein Prinzip für (fast) alles, der im Vorlesungsverzeichnis verloren gegangen ist, lässt im Kontext des Instituts für Philosophie vermuten, dass es beim Begriff der Produktivität nur um Randbereiche dessen gehen wird, was ein Wirtschaftsinstitut lehren würde.

Um etwas als produktiv bezeichnen zu können, sollte das Output-Input-Verhältnis positiv (oder zumindest nicht negativ) sein. Der Output muss größer als der Input sein. Das erscheint zunächst als triviale Definition, dennoch deckt sie die wichtigsten Aspekte ab. Es geht im Laufe einer Arbeit aber auch darum, den Begriff der Produktivität zu hinterfragen. Das Paradoxon dieser Lehrveranstaltung besteht darin, dass sie mehr verunsichert als konkretes Wissen bringt, sie in ihrem Kontext nicht dem klassischen Begriff der Produktivität entspricht.

Was letztendlich in einer Gesellschaft als produktiv gilt, hängt vom Beobachter ab. Eine der großen Errungenschaften des 20. Jahrhunderts ist die Hinwendung des Blickfelds auf den Beobachter; das 20. Jahrhundert hat uns auf die Rolle des Beobachters aufmerksam gemacht. Die Aufmerksamkeit hat sich also verändert. Wir sind darauf aufmerksam gemacht worden, die Dinge in ihrem Kontext zu sehen. Die Ansicht der Produktivität muss mehrheitsfähig sein. Hier tritt schon eine erste wichtige Differenz auf: Die Unterscheidung von Gebrauchs- und Tauschwert. Diese Diskrepanz zwischen individueller und gesellschaftlicher Produktivitätsvorstellung wird im Laufe der Vorlesung noch interessieren.


Mit den Worten des Lehrveranstaltungsleiters:

"Die VO wird das Kriterium Produktivität in seinen vielfältigen Bezügen und Funktionen für die moderne Gesellschaft und Wirtschaft zu beleuchten suchen und zum einen, und einleitend, die historischen Debatten zur Tauglichkeit dieses Kriteriums insbesondere zur Erfassung "nicht-ökonomischer" Zusammenhänge thematisieren. Zum anderen, und mit Schwerpunktsetzung, sollen in ihr neue und neueste wissenschaftliche Forschungen, insbesondere aus den Bereichen der System-, Informations-, Spiel- und Netzwerktheorie, sowie aus den Evolutionary Economics aber nicht zuletzt auch etwa aus der analytischen Philosophie erörtert werden, die im Bemühen zusammengefasst werden können, Phänomene, die sich eigentlich im klassischen Sinn rationalem Verstehen entziehen - insbesondere solche aggregierter (sich selbstorganisierender) Ordnungen wie sie etwa der Markt, die Wissenschaft oder die Gesellschaft darstellen -, doch analytisch - also orientiert an Produktivitätskriterien - zu erfassen." (Homepage Dr. Manfred Füllsack)

Wahrscheinlichkeiten

Bei allen aufgestellten Behauptungen und Thesen geht es immer nur um Wahrscheinlichkeiten, nie um Absolutes. In der Wahrscheinlichkeitstheore wird etwas absolut Sicheres mit der Zahl 1 (Eins) definiert, während die absolute Unwahrscheinlichkeit mit 0 (Null) festgelegt wird. Alle Werte zwischen Eins und Null repräsentieren Wahrscheinlichkeiten. Es geht im Grunde um das Aufrechterhalten einer Korrelationswahrscheinlichkeit. Die Korrelation von Angebot und Nachfrage muss hinreichend wahrscheinlich sichergestellt werden. Wenn die Welt als Wahrscheinlichkeit betrachtet wird, fällt der Unterschied, so die provokante These Füllsacks, zwischen geisteswissenschaftlichen und naturwissenschaftlichen Traditionen. Wirklichkeit entsteht, wenn man allen Wahrscheinlichkeitsverteilungen verschiedene Realitätswerte zurechnet. Dinge, die deutlich diffuser sind, wird keine hinreichende Dichte in Wahrscheinlichkeit zugeschrieben. Auch das Recht kann nur eine Wahrscheinlichkeit bereitstellen, dass sich Menschen daran halten. Eine gewisse Fuzzyness, ein Graubereich ist im Spiel, der nicht definiert, determiniert ist. Weitere durchaus provokant formulierte, in den Raum gestellte und durchaus diskussionsbedürftige Beispiele dafür wären z.b Rituale verschiedenster Art bis hin zur Liebe.

Wahrscheinlichkeiten innerhalb von Rahmenbedingungen

Eine bestimmte Wahrscheinlichkeit vollzieht sich innerhalb bestimmter Rahmenbedingungen, welche selbst durchaus einer eigenen Wahrscheinlichkeit unterliegen können.

Beispiel: Die Rahmenbedingungen für das einschlagen von Nägeln bedarf grundlegend verschiedenster Rahmenbedingungen (Kriterien) um vollzogen werden zu können. Zum einen müssen die notwendigen Ressourcen sowie das nötige Werkzeug vorhanden sein und zum anderen muss die notwendige Zeit sowie anfallende Kosten berücksichtigt werden. Bei einer geringen Anzahl von Nägeln kann es durchaus produktiv sein die wenigen Nägel mithilfe eines Steins einzuschlagen. Die Alternative des Hammers rentiert sich hingegen bei einer größeren Anzahl von Nägeln da die Anschaffungskosten mit der eingesparten Zeit aufgerechnet werden müssen. (in der Betriebswirtschaft spricht man hierbei auch von Berücksichtigung der opportunity costs) Die interessante Grauzone auch als uncertain area bezeichnet liegt im Bereich wo die Produktivität des Steins und des Hammers gleichauf liegen.

Desweiteren können sich die Rahmenbedingungen die einen Prozess ermöglichen, sich im Zuge des Ablaufes dieses Prozesses wiederum selbst verändern. Mit anderen Worten und angewendet auf das obige Beispiel, kann die Entwicklung des Hammers zu einer enormen Verringerung der Wahrscheinlichkeit des Anwendens des Steines führen. Die Veränderung der Rahmenbedingungen selbst wiederum kann den gesamten Prozess verändern. Folglich muss der Prozess und auch seine Rahmenbedingungen als etwas sich dynamisch entwickeldes aufgefasst werden.

Produktivität

Invisible hand

Die invisible hand (dt.: Unsichtbare Hand) ist ein von Adam Smith in seinem Werk An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations aus 1776 (dt.: Untersuchung über Wesen und Ursachen des Reichtums der Völker) geprägter Begriff. Verkürzt gesagt, könnte man meinen, dass ein allgemeines egoistisches Handeln mehr Produktivität bringt. Der Begriff unsichtbare Hand wird vor allem von Vertretern des wirtschaftlichen Liberalismus für den Mechanismus der Selbstorganisation des Marktes verwendet, der zu einer optimalen Allokation der Ressourcen führe. Ein eigennütziges Streben aller (Unternehmen als auch wirtschaftstreibende Menschen) trägt im "System der natürlichen Freiheit" zum Wohl der gesamten Gesellschaft bei. Zwar verfolgt kein Teilnehmer den Zweck der Förderung des gesamtgesellschaftlichen Wohlstands, die unsichtbare Hand sorgt aber dafür, dass die effiziente Marktmenge gehandelt wird. Die Wirkung der unischtbaren Hand kann allerdings nur mit einer Einschränkung wirksam werden: Die natürliche Freiheit, von der Smith schreibt, ist ein System, welches frei von Monopolen, also einseitiger Möglichkeit der Beherrschung eines Marktes, ist. Der Wirtschaftsakteur verfolgt zu allererst seine eigenen Interessen, würde er beim Außenhandel an den Gesellschaftlichen Nutzen denken, so könnte nichts Sinnvolles dabei entstehen.

Matthäus-Effekt

Der Matthäus-Effekt ist ein von Robert Merton geprägter Begriff der handlungsbezogenen Soziologie, der seinen Namen von einer Stelle des Matthäusevangeliums bezieht: "Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, daß er Fülle habe; wer aber nicht hat, von dem wird auch genommen, was er hat." (Mt/13/12, Mk/4/25) Beobachtet wurde der Effekt bei der Zitationsanalyse wissenschaftlicher Arbeiten: Autoren, die bereits bekannt sind, werden öfters zitiert als unbekannte Autoren; mit der logischen Folge, dass bekannte Autoren noch bekannter werden. Theoretisch löst der Matthäus-Effekt eine Dynamik aus, die sich selbst begünstigt: Um als unbekannter Autor seinen Texten mehr Gewicht zu verleihen, muss man bereits bekannte Autoren zitieren, die noch bekannter werden. Gleichzeitig wird es genau dadurch für unbekannte Autoren schwieriger, bekannt zu werden. Das erscheint zunächst paradox; empirische Untersuchungen haben aber gezeigt, dass in der Praxis die Halbwertszeit zitierter Publikationen trotz eines Zitationsanstiegs aufgrund des Matthäus-Effekts relativ konstant bleiben. Eine mögliche Erklärung lautet, dass vielzitierte Texte schneller als gewusst und allgemein bekannt angenommen werden. Im Kontext der Produktivität bedeutet dies, dass sich durch den Matthäus-Effekt Pfadabhängigkeiten bilden, die u.a. die Kriterien von Produktivität beeinflussen und so in den gesamten Prozess eingreifen; um ein praktisches Beispiel zu nennen, möglicherweise selbst in einer Seminararbeit zu einer sozialphilosophischen Theorie an der Universität Wien ist es zielführend (und daher produktiver) Immanuel Kant denn Manfred Füllsack zu zitieren. Dadurch ändern sich aber die Voraussetzungen, auf der die Arbeit fußt.

Gefangenendilemma

Das Gefangenendilemma (engl.: prisoner's dilemma) ist ein aus der Spieltheorie kommendes Paradoxon. Die Ausgangsituation ist folgende: Zwei einer gemeinsamen Straftat Verdächtigte sitzen in Untersuchungshaft. Die Polizei bietet beiden unabhängig voneinander und ohne Wissen des anderen einen Deal an: Gesteht einer die Tat und der andere nicht, so kommt der Geständige sofort frei und der andere muss die Höchststrafe von fünf Jahren absitzen. Schweigen beide, so werden sie jeweils zwei Jahren eingesperrt. Gestehen aber beide, werden beide für jeweils vier Jahre eingesperrt. Die beiden Gefangenen haben, wie erwähnt, keine Möglichkeit miteinander zu kommunizieren, jeder muss die Entscheidung alleine treffen. Beide sind also gezwungen, mit Nichtwissen zu operieren. Versucht man an das Problem rational heranzutreten, so erscheint es zunächst am sinnvollsten für den Einzelnen zu gestehen. Gesteht der Andere auch, so müssen beide für vier Jahre im Gefängnis verbleiben, gesteht der Andere nicht, kommt man gleich frei. Umgekehrt hat man im schlechtesten Fall mit fünf Jahren Strafe zu rechnen und im besten Fall, schweigt der andere Verdächtige ebenfalls, mit zwei Jahren. Sowohl die höchste mögliche Strafe (vier Jahre) als auch das geringste Strafausmaß (Freigang) bei dem Verrat des Anderen liegen unter den Werten, die man durch Schweigen erreicht. Es scheint also so, als ob ein Geständnis in diesem Fall produktiv wäre. Spätestens wenn man das Spiel jedoch etwas variiert und daraus ein iteratives Gefangenendilemma macht, wird die scheinbar produktive Spielstrategie höchst unproduktiv. Nun weiß auch der Andere, dass es für ihn nicht produktiv ist, fünf Jahre im Gefängnis zu verweilen, während man selbst frei geht. Er wird also ebenfalls gestehen. Dadurch kommt man im besten Fall vier Jahre Gefängnis. Hätte man hingegen geschwiegen, wäre man das erste Mal zwar zwei Jahre eingesessen, hätte das zweite Mal allerdings ebenfalls nur zwei Jahre kassiert und wäre in Summe bereits bei zwei Spielrunden mit einer kürzeren Haftstrafe ausgestiegen (vier statt fünf Jahre). Letzten Endes kann sich ein nicht-egoistisches Verhalten als durchaus gewinnbringend erweisen. Robert Axelrod ließ diese These mithilfe vom Computerprogrammen, die mit verschiedenen Strategien gegeneinander antraten, verifizieren. Als produktivste Strategie erwies sich dabei Tit for tat.

Tit for tat

Tit for tat ("Wie Du mir, so ich dir") wird die Strategie eines Spielers bezeichnet, der in einem mehrperiodigen Spiel im ersten Zug kooperiert und danach genauso handelt, wie sein Gegenspieler in der jeweiligen Vorperiode. Die einfach zu merkende und zu durchschauende Regel lautet: Hat der Gegenspieler zuvor kooperiert, so kooperiert auch der Tit-for-tat-Spieler. Hat der Gegenspieler in der Vorrunde hingegen nicht kooperiert (defektiert), so antwortet der Tit-for-tat-Spieler ebenfalls mit Defektion, um den Verrat zu vergelten. In der von Axelrod veranstalteten Computer-Simulation des Gefangenendilemmas aus dem Jahr 1980 erwies sich die von Anatol Rapoport von der Universität Toronto entwickelte Strategie dabei als erfolgreichste Strategie. Auch bei wiederholten Versuchen sowie neueren Versuchen mit weiterentwickelten Programmen und Strategien blieb tit for tat weiterhin die erfolgreichste Strategie. Man kann damit in einem Spiel über mehrere Runden zwar nie besser abschneiden als der eigene Gegenspieler, aber der maximale Rückstand ist dafür verhältnismäßig klein. In seinem Buch Die Evolution der Kooperation führt Axelrod dies auf die leichte Verständlichkeit und der Unmöglichkeit, tit for tat auszunutzen, zurück:

"Was den robusten Erfolg von tit for tat erklärt, ist die Kombination, freundlich zu sein, zurückzuschlagen, Nachsicht zu üben und verständlich zu sein. Freundlichkeit schützt vor überflüssigen Scherereien. Zurückschlagen hält die andere Seite nach einer versuchten Defektion davon ab, diese unbeirrt fortzusetzen. Nachsicht ist hilfreich bei der Wiederherstellung wechselseitiger Kooperation. Schließlich erleichtert Verständlichkeit die Identifikation und löst dadurch langfristige Kooperation aus." (Axelrod: Die Evolution der Kooperation, S. 47)

Axelrod leitet daraus fünf Grundregeln ab, die in sozialer Interaktion als Basis robuster Kooperation angesehen werden können:

(1) Sei nicht neidisch,
(2) defektiere nicht als Erster,
(3) erwidere sowohl Kooperation als auch Defektion und
(4) sei nicht zu raffiniert.
(5) Zudem muss dafür gesorgt sein, dass mit hinreichend hoher Wahrscheinlichkeit eine häufige Wiederkehr der Situation möglich ist, um zu verhindern, dass durch Defektion der kurzzeitge Gewinn gesichert wird.