PROTOKOLLE - MuD09 - Gruppe1 - 20.10.

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Bitte posten Sie hier Ihr Protokoll der Vorlesung vom 15.10.09 - Gerhard Gotz!


Zimmermann, Bettina

Gotz möchte mit seinen Einführungsvorlesungen bewirken, dass wir dem Begriff der Philosophie ein Stück näher kommen. Gleichsam der Annäherung an eine „verborgene Burg“, um einen ersten Blick in den Vorhof zu werfen.

Ausgangspunkt ist die Definition des Menschen bzw. die Differenz zw. Mensch und anderen Lebewesen/Tieren. Der Mensch ist nicht nur ein körperliches, sinnliches Lebewesen, sondern er weiß auch, dass er ein solches ist. Er weiß zudem auch von seinem Wissen dieses Wissens. Das Wissen steht als Metaebene über allen Inhalten. Das Wissende ist eine von den physischen Dingen unabhängige Existenz. Damit das Wissen jedoch nicht nur Negativität (nicht Inhalt, nicht Gegenstand) und damit Unbestimmtheit - Nichts - ist, braucht es den Bezug zum Gewussten. Wissen muss sinnlich sein. Das Wissen muss sich mit seinem Körper verbunden haben, geht jedoch nicht in seinem Körper auf. Wir wissen uns als ein „ich“. Der Mensch verfügt über reflexives Wissen. Er ist in der Lage die Allgemeinheit des Wissens in Worte, Begriffe zu fassen. Er verfügt über Sprache/Kommunikation.

Gleichzeitig wissen wir als Einzelpersonen auch von unserer Begrenztheit und Endlichkeit. Wir sind uns bewusst, dass unsere Wahrnehmung von unseren Sinnesorganen abhängig und damit begrenzt ist. Wir können die Gegenstände nicht in ihrer Ganzheit und Identität wahrnehmen. Unser Wissen von der Wahrnehmung erweitert und ergänzt diese. Erinnerung und Erwartung kommen hinzu. Unsere sinnliche Wahrnehmung wird durch Denken ergänzt, um die empirische Welt zu erkennen. Wir wissen um die Unsicherheit über die Auswirkungen unserer Handlungen und die Richtigkeit unseres Denkens.

Unsere Welt besteht also aus oberflächlichen Wahrnehmungen und unzulänglichen Begriffen. Wir brauchen eine Orientierung für die Praxis. Das Wissen sucht nach einer Begründung, eine überempirische Sinngebung wird gesucht. Hieraus entwickelt sich ein ideologischer Rahmen für das gesellschaftliche Zusammenleben. Die Reflexivität steigt stufenweise über ihren eigenen Inhalt immer wieder hinauf und bildet Vorstellungen von der überempirischen Welt.

Wir suchen objektives Wissen, d.h. Erfahrung, die von subjektiven Verzerrungen befreit ist, nachvollziehbare und überprüfbare Erkenntnis. Wir machen den Schritt von bloßer Meinung zu Wissenschaft dadurch, dass sich das Wissen selbst problematisiert. Wir suchen Erkenntnis unter dem Gebot der Allgemeinheit. Dies führt zur Methode der Erfahrungswissenschaft: Erfahrung ist eine Kombination aus Wahrnehmung (Beobachtung) und Denken (Theorie). Die Beobachtung muss über eine konventionelle Klassifizierung und Quantifizierung intersubjektiv nachvollziehbar und wiederholbar sein. Da jedoch nur die Wirkung, niemals die Ursache beobachtet werden kann, muss das Denken eine Theorie über die Kräfte hinter den Beobachtungen entwickeln, um eine Vorhersagbarkeit von Ereignissen zu erreichen. Die Theorie entwickelt anfangs Hypothesen über die notwendigen Gesetzmäßigkeiten und versucht, diese in Experimenten zu bestätigen. Je öfter sich die Hypothese bestätigt, desto wahrscheinlicher wird sie.

Die Gründe selbst zeigen sich nie, sondern nur die beobachtbaren Auswirkungen, d.h. die Gründe bleiben immer Gedankenkonstrukte. Die Erfahrung ist somit zur Erkenntnis der Wirklichkeit nicht fähig. Menschliches Handeln bleibt riskant. Wir verfügen über Wahrscheinlichkeiten, aber nicht über Sicherheit. Unser Wissen um unsere Begrenztheit führt dazu, dass wir in Unsicherheit leben.

Hentschke, Hannes

Der Vortragende der ersten Ringvorlesung, Gerhard Gotz, leitet seine Lesung mit einer schönen Darstellung des Begriffs Philosophie ein. Er beschreibt die Philosophie nicht als ein Haus dessen Räumlichkeiten man kennt, nachdem man ein Mal durchgeführt wurde. Viel eher stellt er die Philosophie als eine äußerst sichere, aber ebenso verborgene „Festung“ dar, die die bisherige Menschheitsgeschichte bis heute begleitet. Zwar gab es Epochen in denen die Existenz dieser Festung bestritten und verneint wurde und doch können wir heute behaupten, dass sie bis jetzt standgehalten hat. Das Thema der Vorlesung ist jedoch nicht die Annäherung an die Philosophie, die behutsam und langsam vonstatten gehen sollte, sondern ein bereits der Philosophie zugehöriger Bereich, nämlich die Erfahrungswissenschaften. Zu der sooft zitierten Frage: „Was ist der Mensch?“ gibt die Erfahrungswissenschaft eine leicht verständliche Antwort. Der Mensch ist aufgrund seines Körpers, der als Bestätigung für die empirisch wahrnehmbare Welt zählt, ein Forschungsgegenstand der Erfahrungswissenschaften, so wie auch jeder andere empirisch wahrnehmbare Gegenstand Forschungsgegenstand ist. Es gibt in der Erfahrungswissenschaft einerseits die Welt der sinnlichen Wahrnehmung und andererseits die Welt des Denkens und der Theorien. Der Unterschied zwischen Tier und Mensch beruht nicht auf der Bewusstwerdung seiner sinnlichen Gewissheit, sondern in der Tatsache, dass sich der Mensch im Gegensatz zum Tier eine überempirische Welt schafft, die empirisch nicht erklärbar ist. Angenommen, das menschliche Wissen wüsste nur um sinnliche Wahrnehmung, dann dürften wir nur das wissen worauf die Wahrnehmung Bezug nehmen kann. Alles was wir wissen können, müsste sinnlich vorliegen. Das ist jedoch nicht der Fall, denn das Wissen kann auch etwas wissen, das der Sinnlichkeit nicht zugänglich ist. Ein Unterschied zwischen sinnlicher Wahrnehmung und Wissen ist, dass die Sinnlichkeit die Möglichkeit besitzt in sich selbst aufzugehen, wogegen das Wissen immer einen Inhalt benötigt von dem es wissen kann. Wissen ist immer Wissen von etwas. Die Sinnlichkeit wird, wenn man sie auf einen Gegenstand richtet zum Inhalt des Wissens, was zeigt, dass das Wissen nicht nur um Wahrnehmbarkeiten, sondern auch um abstrakte Größen wissen kann, denn das Wissen weiß auch, dass es um seine Sinnlichkeit weiß und dass es weiß, dass es so etwas wie Sinnlichkeit überhaupt gibt, sonst könnte es in dem Augenblick in dem es um seine Sinnlichkeit weiß nicht aussagen, dass es Sinnlichkeit ist worum es weiß. Wenn das Wissen Inhalt hat, dann muss es eine gewisse Differenz zwischen dem Wissen und dessen Inhalt geben. So wie alle Gegenstände zu gewussten Gegenständen werden, so wird auch der Inhalt des Wissens zu einem gewussten Gegenstand. Das Wissen selbst ist aber als Metaebene zu allen Gegenständen zu sehen. Das ist der Grund warum es in seinem Inhalt nicht aufgehen kann. Es ist als Gegenstand nicht existent. Auch wenn das Wissen als Metaebene über allen sinnlich wahrnehmbaren Dingen steht, muss es immer noch davon wissen, sonst könnte es kein Wissen sein. Ein Wissen das nur weiß, könnte höchstens ein „Nichts“ sein und somit nicht sein, denn ein Wissen muss reflektieren um als Wissen erkannt werden zu können. Das Wissen identifiziert sich bis zu einem gewissen Grad auch sinnlich mit seinem gewussten Gegenstand. Es ist ein heikler Balanceakt zwischen sinnlicher Wahrnehmung und Wissen. Ein Wissen das in einem Körper gehortet ist weiß sich als Gegenstand, aber weil es weiß, dass es im Körper ist, weiß es auch um sich selbst. Eine entscheidende Eigenschaft des Wissens ist die Reflexion, die das Denken erst möglich macht. Die unmittelbaren Qualitäten, in denen sich die Sinnlichkeit erfüllt, können nicht in die Reflexion des Wissens aufgenommen werden, was der Idealismuskritik Ansatzpunkt liefert. Es entsteht durch diese Argumentationsform eine „radikale Differenz“ zwischen Sinnlichkeit und Wissen. Das Wissen weiß das von ihm Gewusste als Gewusstes, weil es reflektiert. Menschen wissen sich als Tiere und sind dadurch nicht mehr nur Tiere sondern stehen durch das Wissen davon in Distanz zur Unmittelbarkeit. Doch durch dass Wissen von uns selbst verharren wir nicht nur in der Metabene, sondern wissen auch um die Einzelperson die man ist und zugleich von deren Begrenztheit (wie vorhin angeführt: jedes Wissen muss sich bis zu einem gewissen Grad mit seinem Inhalt identifizieren). Jede Einzelperson erkennt sich durch die Reflexivität des Wissens als „ICH“. Jedes „ICH“ weiß von seiner Reflexivität, weil die die Erkenntnis erst ermöglicht. Jedes „ICH“ befindet sich in derselben prekären Lage, aufgrund seiner Reflexivität eine Meinung zu haben, aber nicht zu wissen ob diese stimmt. Wir befinden uns in folgender Situation: Jedes „ICH“ weiß sich als Einzelperson, die die eigene Meinung in eine Allgemeinheit, in der jede Einzelperson von ihrer eigenen Meinung und der Tatsache, dass jeder eine eigene Meinung hat und dazu, dass jede dieser Meinungen falsch sein kann weiß, eingliedern soll. Ein allgemeiner Bezugspunkt für jede Person ist das Wissen, dass jede Person eine eigene Meinung hat, die wiederrum Reflexion voraussetzt. Dieser Bezugspunkt bestimmt sich anhand der vorhandenen Gesellschaft. Um die Schwierigkeit der Orientierung jeder Einzelperson in einer Gemeinschaft zu entschärften, besteht das Ziel jeder Einzelperson darin die Beobachtung durch konventionelle Klassifizierung und Quantifizierung intersubjektiv nachvollziehbar zu machen. Als „ICH“ wissen wir von der Wahrnehmung und weil wir davon wissen, wird zu jedem Gegenstand den wir sinnlich wahrnehmen auch eine Identität hinzugedacht, weil das Wissen Erinnerung impliziert. Das heißt, dass in der Wahrnehmung nicht nur Sinnlichkeit steckt. Durch die Reflexion wird aus einer sinnlichen Welt die Ahnung/Vorstellung einer empirisch wahrnehmbaren Welt. In dieser empirischen Welt müssen wir unser Handeln “riskieren“, weil wir ja nicht sicher davon ausgehen können, dass uns die Erfahrung die Wahrheit vermittelt. Je idealer die Kombination von sinnlicher Wahrnehmung und Denken ist, desto eher hat der Mensch die Chance der Wahrheit hinter den Dingen näherzurücken. Die Gründe an sich können aber wahrscheinlich nie ganz durchleuchtet werden, weil sie immer Gedankenkonstrukte bleiben und nie zum Stoff der Sinnlichkeit werden. Die Durchführung eines Experiments veranschaulicht diese These sehr gut. Eine Theorie ist Ausgang für ein Experiment, bei dem nur die Auswirkungen dieser Hypothese zum Vorschein kommen und nie die Gründe selbst. Wir können empirisch die Gründe, die den Sachen zugrundeliegen nicht erreichen. Das was an Gründen hineingedacht wird kann nicht bewiesen werden und bleibt induktiv. Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Erfahrungswissenschaften nie erklären werden können , warum Gründe so sind wie sie sind und ob sie so sind wie sie scheinen. Die Erfahrungswissenschaft ist eine praktische Vorgangsweise, die die Wirkung und Brauchbarkeit von Gegenständen bearbeitet. Sie bemüht sich um empirisch allgemeine Gesetzmäßigkeiten, obwohl sie immer subjektiv behaftet bleiben wird. Letztlich werden wir uns aufgrund der Unsicherheit unseres Wissens auf unsere eigene Meinung verlassen müssen.

Buchberger, Agnes

Nach der anfänglichen Warnung, man könne sich von ihm keine „Hausführung“ durch die Philosophie erwarten, beginnt Gerhard Gotz seinen Vortrag indem er mit einer Anekdote veranschaulicht wie sehr wir uns bei unseren alltäglichen Entscheidungen auf die Erfahrungswissenschaft (EW) verlassen. In diesem Fall geht es um die Frage, ob man die Zeckenimpfung machen lassen sollte, oder nicht. Im Verlauf der Vorlesung wird klar, wie unsicher das Wissen der EW ist und welche (philosophischen) Probleme damit verbunden sind.

Zuerst behandelt Gerhard Gotz kurz die Frage, warum es denn überhaupt notwendig ist, die Menschen zu untersuchen (warum ist es notwendig eine „Wesensbestimmung des Menschen“ vorzunehmen?). Man nimmt an, dass der Mensch ohnehin real ist (er hat einen Körper). Dem entgegnen bestimmte Disziplinen wie beispielsweise die Theologie oder die Philosophie, dass das, was den Menschen ausmacht (sein Wesen bestimmt) die Seele ist. Die Seele aber ist unfassbar, unsterblich. Menschen definieren sich also durch etwas Unwirkliches, das nicht empirisch nachweisbar ist. Was jedoch sind die realen Ursachen für solche Illusionen?


Dieser Frage – wie aus Unwirklichem Wirkliches entsteht – widmet sich Gerhard Gotz nun.

Jeder Mensch ist sich seines (realen) Körpers bewusst. Er ist sich bewusst, dass er ein Tier ist. Dieses Wissen davon, dass er ein Tier ist, macht ihn zu einer speziellen Art von Tier. Dieses Gefühl vom eigenen Körper (und der damit verbundenen Wahrnehmungen, Triebe und Emotionen) sprechen für die Sinnlichkeit des Menschen.

Eigentlich müsste alles, was unser Wissen umfasst, sinnlich wahrnehmbar sein (also körperlich gebunden). Eben diese Feststellung jedoch bezieht sich auf etwas, das nicht unmittelbar wahrnehmbar sinnlich ist, sondern auf die Sinnlichkeit an sich (welche kein Gegenstand ist). Weiters ist das Wissen nicht vollkommen ident mit seinen Inhalt – es existiert eine Differenz/ Distanz zwischen den beiden. Das Wissen selbst schließt aber nicht nur uns mit ein, sondern auch unsere Umwelt, die Gegenwart und die Vergangenheit. Wissen agiert als eine Metaebene (in Distanz zu dem Gewussten/ eine Ebene darüber). Es ist von physischen Dingen unabhängig. Ist es also übernatürlich?

Hier stoßen wir auf einen Widerspruch. Denn ein „Nichts“ ist nicht fassbar. Die Metaebene ist getrennt von der Objektebene, das Wissen ist von seinem Inhalt isoliert. Trotzdem wissen wir von ihm. Also muss Wissen sinnlich sein. Das Wissen ist kein Körper, hat ihn aber und weiß auch um sich selbst.

Wir wissen um das eigene ich; dieses Wissen um das eigene Ich bezieht sich auf sich selbst und auf seinen Inhalt (reflexives Wissen). Aus diesem Vorgang geht Denken hervor. Um das Wissen „real werden zu lassen“, gibt es die Sprache, die das Gewusste in Begriffe, Bedeutungen, etc. einteilt. Dies führt zu Kommunikation.

Das Denken/ die Reflexion und die Sinneswahrnehmung (unmittelbare Qualitäten) stehen einander gegenüber. Es existiert eine radikale Differenz zwischen den beiden. Diese radikale Differenz setzt dem Denken auch Grenzen. Wir kommen zu dem Schluss, dass wir begrenzt sind. Diese Erkenntnis jedoch ist wiederum eine beschränkte, da wir im Denken und in der Wahrnehmung begrenzt sind. Wir können niemals einen Gegenstand in seiner Allgemeinheit/Gesamtheit wahrnehmen. Dieses Wissen, dass unsere Erkenntnis beschränkt ist führt zu einer erweiterten Wahrnehmung.

Gerhard Gotz erläutert an dieser Stelle, wie Wahrnehmung zustande kommt. Diese ist nämlich nicht nur die Aktivität der Sinnesorgane, sondern wird auch stark von der jeweiligen Erfahrung des Ich beeinflusst. Wir denken uns also die Ganzheit dem Gegenstand hinzu. Um einen Gegenstand in seiner Ganzheit zu erfassen, fügen wir das Denken der sinnlichen Wahrnehmung hinzu. Die sinnliche Wahrnehmung und das Denken bilden/ formen folglich unsere empirische Umwelt. Doch das Hinzufügen unserer (subjektiven) Erfahrung zu unserer (subjektiven, selektiven) sinnlichen Wahrnehmung führt unweigerlich dazu, dass wir nicht mit Sicherheit sagen können, dass ein Gegenstand wirklich so ist. Es gibt (mit Sicherheit) einen Unterschied zwischen dem, wie etwas erscheint (Meinung) und wie etwas ist (Realität). Die Möglichkeit einer Revidierung der Meinung bleibt also immer bestehen, was natürlich einen Unsicherheitsfaktor darstellt. Gerhard Gotz nennt das das Problem der eigenen Begrenztheit.

Diese Diskrepanz zwischen Wissen und Wahrheit führt zu einer Selbstreflexion des Wissens, was zu Fortschritt führt. Dieses ganze System stellt also eine stufenweise Entwicklung dar, bei der die Reflexivität stufenweise aus seinem eigenen Inhalt steigt. So wird aus einem bloßen Faktum eine überempirische Welt fern von Realität erschaffen, die von subjektiven Verzerrungen geprägt ist.


Gerhard Gotz betont wiederholt dass die Erkenntnis in der Erfahrung keinesfalls der Erfassung der Wirklichkeit entspricht. Durch diese stufenweise Entwicklung jedoch wird versucht, sich an ein objektives Wissen/ an eine objektive Erkenntnis anzunähern und dadurch zu methodischem Wissen zu gelangen.

Ziel der EW ist es, subjektives Wissen methodisch zu erkennen.


Daraufhin geht Gerhard Gotz auf die Methoden der EW ein. Wie gesagt, entsteht Wissen aus der Kombination von sinnlicher Wahrnehmung und Reflexion/ Denken. Die Wissenschaft baut auf Beobachtung und Theorie. Ziel der Beobachtung ist es, möglichst alles, möglichst genau zu messen. Wahrnehmung wird also zu Beobachtung bzw. ist Beobachtung die Folge/ Erscheinung des Wahrnehmbaren. Ziel der Theorie ist es, die Beobachtung zu begründen. Die Theorie soll also Zufälligkeit in Gesetzmäßigkeit umwandeln, um in der Folge Vorhersagen treffen zu können. Diese Begründungen selbst sind rein theoretisch und verlangen wiederrum nach einer Überprüfung durch Experiment und Prognose, um die Hypothesen zu bestätigen und somit Sicherheit zu schaffen. Dieser Prozess läuft auf die Annäherung an eine wahre, objektive Erkenntnis hinaus.

An dieser Stelle hebt Gerhard Gotz die Schwächen der Methoden der EW hervor: (1) Die Abhängigkeit von der sinnlichen Wahrnehmung. Diese ist, wie wir wissen, selektiv und somit begrenzt; wer garantiert uns also, dass nicht wichtige Aspekte des Wahrzunehmenden weggelassen wurden und die wissenschaftliche Beobachtung somit unvollständig ist? (2) Die Überprüfung von Gründen und Theorien anhand von Prognosen und Experimenten. In Experimenten werden sich nie die Gründe selbst zeigen, sondern bloß die Auswirkungen, die man ursprünglich untersuchte. Begründungen bleiben somit immer Gedankenkonstrukte.


Wir schließen daraus, dass Erfahrung zur Erkenntnis der Wirklichkeit nicht fähig ist (Subjektivität, Selektion, Begrenztheit, etc.) und die Wirklichkeit als solche sich der Wahrnehmung entzieht. Es gibt also keine absolute Sicherheit. EW, die ihre Erkenntnisse aus Erfahrung gewinnt, ist somit ungewiss und zu keinem allgemein gültigen Schluss fähig.


Gerhard Gotz kommt am Ende seines Vortrags auf den Einstieg zurück, indem er bestätigt, dass es wohl eine philosophische Frage bleibt, ob man sich impfen lassen soll, oder nicht. Er stellt in Aussicht, in der folgenden Woche den praktischen Umgang mit diesem Problem behandeln zu wollen.

Sophie Haas

Über Erfahrungswissenschaften


Was ist der Mensch?

Der Mensch ist ein (sterbliches) Naturwesen mit Körper, Wahrnehmungen und Trieben. Das macht ihn selbst zum Gegenstand seiner Erfahrungswissenschaften. Jede wache Person ist sich seines Körpers bewusst. Wir sind Tiere, allerdings gehören wir einer speziellen Art an, da wir uns dessen bewusst sind (Selbstbewusstsein).

Für Vertreter der Gegenposition (Religion, Glaube) ist der Mensch wesentlich gekennzeichnet durch eine unsterbliche Seele und der Nähe zu einem Gott.


Beziehung Mensch und Welt

Der Mensch empfindet sich in einer überempirischen Welt, die in der empirischen Welt nicht zu beweisen ist.

Forderung einer Metaebene (Metaphysik)

Gäbe es nur die empirische Welt, müsste alles was unser Wissen umfasst, sinnlich vorliegen, wie dies beim Tier der Fall ist (David Hume, John Locke sind Vertreter des Empirismus).

Es besteht die Forderung nach einer anderen Dimension also eine Ebene darüber. Diese lässt sich vergleichen mit dem Unterschied zwischen „Hören“ und über Hören zu reden, Wissen als Aktivität geht also nicht unmittelbar von unserer Leiblichkeit aus. Allerdings hat es sie auch zum Gegenstand, es weiß von ihr. Wir sind als sinnlicher Gegenstand für uns selbst ein bewusster Inhalt, wir sind selbst ein Gegenstand unter anderen für uns selbst. Daraus kann man folgern, das Wissen nicht auf der gleichen (biologischen) Ebene liegen kann, da es dann für uns als inexistent wahrgenommen werden würde. Deshalb ist die Funktion des Wissens mit einer Metaebene zu beschreiben.

Wissen hat eine außernatürliche (nach Gotz ??? Entspringt Wissen nicht aus der Natur ???) und übernatürliche Existenzweise. Die besteht unabhängig von physischen Dingen, unserer Leiblichkeit. Eine reine Gegensätzlichkeit ist auch nicht möglich, da wir sonst kein Wissen aus der Natur ziehen könnten. In diesem Fall wäre Wissen nur Negativität wären: nicht Inhalt, nichtwissend, nicht Gegenstand. Dies allerdings widerspricht den Fakten. Wissen steht zwar in Distanz zur Körperlichkeit (um sie wahrzunehmen), allerdings können wir auch nicht von einer vollkommenen Abtrennung sprechen, da sonst unsere Leiblichkeit nicht Gegenstand des Wissens sein könnte. Deshalb ist Wissen mit der Körperlichkeit (Sinnlichkeit) verbunden. Es besteht eine Balance zwischen Distanz und Nähe.

Das Verhältnis des Ichs zum Körper

Das Wesen weiß sich als wissendes Wesen (ich weiß von mir also bin ich). Hier wird der Begriff des Ichs eingeführt. Das Ich besteht zur Differenz zu sich selbst und zum Körper. Zwei Qualitäten: das Ich und dein biologischer Körper. Es besteht eine radikale Differenz (Unterschied) zwischen unmittelbaren Erleben und dem Denken. Es gibt in unserem Bewusstsein etwas, das durch denken nicht aufzulösen ist. Die sinnliche Wahrnehmung stimmt mit dem Naturvorgang nicht überein, sondern ist verändert.

Folgerungen:

Der Mensch lässt sich vom Tier damit abgrenzen, das er vom Inhalt als Gewusstes weiß. Diese Gewusste wird in Form ein Sprache konkretisiert. Dabei wird die Verbindung von Umständen in Worte gefasst und mit allgemeinen Eigenschaften ausgeschmückt. Hier stößt der Mensch auf Sprachgrenzen.

Formulierung von Allgemeinheiten

Der Mensch kann sich nicht auf das eigene Ich beschränken. Wir wissen, dass wir begrenzt sind. Unser Problembewusstsein bezieht sich ganz unmittelbar auf unser eigenes (unvollständiges, nicht vollkommenes) Erkenntnisstadium. Die Wahrnehmung (über die Sinne) an sich ist eine sehr beschränkte Erkenntnisweise. Durch Wissen (aus der Metaebene) wird diese Wahrnehmung ergänzt und erweitert. Die Wahrnehmung wird in ein Bild gebettet. Sie soll in ihrer Ganzheit betrachtet werden.

• Es werden sowohl Vergangenheits-, Gegenwarts- und Zukunftsszenarien entwickelt.

• Ebenso werden unsichtbare Phänomene, wie z.B. Kräfte, hinzugefügt.

• Allgemeine Zusammenhänge (Gedanken, Theorien) werden erstellt.

• Sie wird in System der Arten, Gattungen (…) eingegliedert.

Man spricht von einer Reflexion.

Plural

Aus der sinnlichen Welt wird durch Reflexion (Variable) die empirisch beschriebene Welt. Der einzelne Mensch hat also keine Sicherheit, dass der Gegenstand so ist, „wie er ist“.

Um sich dem Gegenstand in seiner wirklichen Beschaffenheit zu näheren, wird Ordnung aufgebaut. Dies geschieht im Kontakt mit anderen Einzelpersonen. Dadurch soll eine allgemeine Sicht der Dinge entwickelt werden. Diese ist möglichst dauerhaft und verlässlich, um das höchste Maß an Orientierung zu bieten. Durch den Diskurs soll die Diskrepanz zwischen Meinung und Wahrheit durch den Prozess der Findung von gemeinsamen Nennern möglichst verringert werden. Die Einzelperson geht durch die Verallgemeinerung allerdings nicht verloren, dies ist als Prozess der Verknüpfung zu sehen.

Wie aus Wirklichkeit Unwirklichkeit wird

Dass die Reflexion über eine überempirische Welt (Szenarien, Theorien, Gedanken, Systeme, Ordnungen -> künstlicher Rahmen) in der Gruppe nicht zwingend zur Wahrheit (die wahre Beschaffenheit der Welt) führen muss, zeigen religiöse Interpretationen. Es wird eine überempirische Sinngebung (Gott, Belohnung im Himmelreich, …) verlangt, diese wird vermischt mit empirischer Sinngebung. Das Produkt davon sind erstaunlichste Weltbilder, die sich besonders über die eigene Endlichkeit konkretisieren. Schließlich verfestigt es sich zu einem ideologischen Rahmen über das Zusammenleben einer Gesellschaft. So kann man grob skizzieren, wie ein gemeinsamer Glaube entsteht, der sich aber nicht empirisch belegen lässt. Hier kann man das Beispiel der Taube aus Kants Kritik der reinen Vernunft anführen.

Wissen

Wissen wird möglichst streng an (sinnlicher) Wahrnehmung gebunden. (Umso exakter die Wahrnehmung, desto näher steht sie an der Wahrheit). Dabei ist es besonders wichtig, dass diese Wahrnehmung nicht von einer Person verzerrt wird.

Dabei soll entstehen:

• Objektives Wissen: Die Subjekte (Mensch) sind austauschbar.

• Methodischen Wissen: Die Erfahrung methodisch erkennen -> Erfahrungswissenschaften.

Dies geschieht durch die Kombination von Wahrnehmung und Denken. Diese beiden sind allerdings nicht als Kontrahenten, sondern als Erkenntnisstufen zu betrachten. Dabei bedient man sich zweier Komponenten:

• Beobachtung

• Theorie


So wird die subjektive Wahrnehmung (des einzelnen Menschen) zu intersubjektiv nachvollziehbarer (von vielen Menschen), wiederholbarer Beobachtung.

Theorie

Eine Theorie ist ein hypothetischer (Gedankengang) Begründungsversuch. Es handelt sich dabei um eine Vorhersagung. Allerdings besteht bei ihr der Zwang der Überprüfung (Verifikation durch Experiment). Je öfter die Theorie sich durch das Experiment bestätigt, desto sicherer ist die Vorhersage. Dies ist der Gegenstand der Erfahrungswissenschaften.

Dabei tun sich zwei wesentliche Schwächen auf:

1. Die Erfahrungswissenschaften sind abhängig vom Erfolg der Theorie (Verifikation durch Experiment)

a. Grenze der Exaktheit (Mikrobereich)

b. Fülle der Daten und der damit verbundene Selektionszwang. Dies führt zu einem unvollständigen Bild.


2. Überprüfung der Gründe (Ursachen) anhand von Experiment und Prognosen

a. Im Experiment zeigen sich nie die Gründe selbst, sondern immer nur die Auswirkungen. Die Gründe bleiben immer Gedankenkonstrukt. Menschliches Handeln bliebt trotz Erfahrungswissenschaften immer riskant, bleibt somit induktiv und ungewiss.

b. Wahrnehmung bleibt begrenzt, die Verbindung zum Denken prophylaktisch.

Die Erfahrungswissenschaften ermöglichen uns die Naturbeherrschung und deren technische Verwertung. Ebenso bemühen sich die Erfahrungswissenschaften das Empirische zu logifizieren (Formeln, Ordnungen, Gesetze, …). Die beiden Seiten lösen sich nicht ineinander auf. Somit können sie auch keine exakte Auskunft über die Beschaffenheit der Dinge geben, sie kann lediglich Orientierung geben.

Hamel, Hanna

In seinem Vortrag vom 15.10.09 problematisiert Gerhard Gotz die menschliche Erkenntnisfähigkeit. Dabei thematisiert er die Methode der Erfahrungswissenschaften, verlässliches Wissen zu erlangen. Er kommt zu dem Schluss, dass diese Wissenschaften das menschliche Bewusstsein für die Begrenztheit der eigenen Erkenntnisfähigkeit nicht ausräumen könnt.

Zu Beginn nennt Gerhard Gotz ein konkretes Problem: Ist es sinnvoll sich gegen FSME impfen zu lassen, oder nicht? In diesem Beispiel von Gerhard Gotz reagiert der befragte Arzt mit der Antwort: „Das ist eine philosophische Frage.“ Ist es nun möglich, diese Frage als „philosophisch“ zu bezeichnen, nur, weil man nicht aus der Erfahrung vorherzusagen mag, ob ein Individuum der Gefahr einer Ansteckung ausgesetzt sein wird? Und ist die Empirie überhaupt das einzige, woraus wir verlässliche Schlüsse ziehen dürfen? Der Mensch scheint als „Naturwesen“ sein Wissen zunächst aus der Erfahrung zu beziehen, die der empirischen Wirklichkeit recht nahe kommt. Dennoch entwickelt er dem Realismus der einzig aus der Wahrnehmung entspringenden Wahrheit widersprechende Gedanken, zum Beispiel in der Religion. Menschen erfinden eine unempirische Welt. Gerhard Gotz geht nun auf die Frage ein, ob dieses Unempirische nur ein Trugbild sei. Um diese Frage beantworten zu können, widmet er sich der Untersuchung des menschlichen Wissens. Hier stellt er fest, dass der Mensch um sich selbst weiß. Dabei weiß er nicht nur das, was er sinnlich wahrnehmen kann, sondern er ist sich seiner eigenen Sinnlichkeit bewusst, die wiederum kein Gegenstand der Sinne ist. Gerhard Gotz definiert an dieser Stelle das Wissen als Aktivität, als etwas, das einen Inhalt hat und mit seinem Inhalt nicht identisch werden kann. Wir wissen um uns selbst also nicht nur als sinnlich wahrnehmbare Wesen, sondern auch um uns als Wesen mit Sinnlichkeit, zusätzlich zum Beispiel auch um (unsere) Vergangenheit, um anderes Gegenwärtiges und können alle diese Wissensinhalte aufeinander beziehen. Das Wissen ist daher eine Meta-Ebene über dem Gewussten. Die Frage, die diese Aussagen aufwirft, ist, ob hier die Existenz von etwas Übernatürlichem vorliegt. Zunächst kann das Wissen kein ausschließlicher Nicht-Inhalt sein, denn sonst wären wir der negative Gegensatz alles Gewussten und könnten somit nicht um uns wissen. Wissen muss also einerseits in Distanz stehen zur Sinnlichkeit, sich andererseits aber auch mit dem Körper identifizieren, um ihn zu wissen. Das Wissen weiß sich als ein Ich. Es ist ein reflexives Wissen, weiß den eigenen Körper, aber auch vieles, was darüber hinausgeht. Es gibt also zwei getrennte Bereiche im Bewusstsein: Es gibt das Gedachte und die unmittelbaren sinnlichen Eindrücke. Diese beiden Bereiche stehen laut Gerhard Gotz in „radikaler Differenz“. Daraus muss die Folge gezogen werden, dass es etwas gibt, was mit Gedanken nicht einzuholen ist. Das menschliche Wissen ist zwar in seinem Wissen um sich selbst über ein Tier erhaben, weiß aber gleichzeitig aufgrund seiner eingeschränkten Wahrnehmung auch um seine Begrenztheit. Um den beschränkten Rahmen der Wahrnehmung auszudehnen, können allerdings auch frühere Wahrnehmungen hinzugezogen werden, die gemeinsam zu einem ganzheitlichen Bild von einem Gegenstand führen. Das Denken erweitert anhand empirischer Wahrnehmung die sinnliche Umwelt. Das Denken lässt den Menschen damit aus einer Einordnung in die Natur herausfallen; das Individuum ist fähig aufgrund seiner Reflexion ein eigenes Weltbild zu erschaffen, es ist fähig, Meinungen zu entwickeln. Das Bewusstsein für die Eingeschränktheit der eigenen Meinung führt aber zu einer Verunsicherung des Individuums, die es wiederum mit allen anderen Individuen teilt. Gerhard Gotz beschreibt diese Selbstreflexion als „Allgemeines Prinzip der Vereinzelung“. Für wie allgemein ein Wissen nun genommen wird, ist begründet in der Situation der Gesellschaft, die zusätzlich zu den von allen Individuen geteilten Wahrnehmungen nun auch den Überbau eines Sinnes liefert, einen ideologischen Rahmen. Bei der Weiterentwicklung solcher Weltbilder übersteigt die Reflexion immer wieder sich selbst, bis zur Erkenntnis, dass sie letztendlich gar nichts verlässlich wissen kann. Um doch eine Art von Verlässlichkeit zu erzeugen, werden Methoden der Wissensaneignung entwickelt. An dieser Stelle sind wir bei der Arbeit der Erfahrungswissenschaften angelangt. Hier soll subjektives Wissen über verlässliche Methoden zu allgemeiner Erfahrung werden, was nur durch „Quantifizierung der Beobachtung“ gelingt, wie Gerhard Gotz es beschreibt. Doch auch das ist nicht möglich ohne eine Theorie, die Erwartungen an die zu machende Beobachtung stellt. Es werden Hypothesen vorausgesetzt und überprüft, die Zahl der Bestätigungen gibt ein Urteil über die Qualität der Hypothese. Gerhard Gotz weist nun auf zwei Schwächen dieser Methode hin: Zunächst kann nur ein sehr eingeschränkter Bereich von Daten analysiert werden, dabei könnte Wichtiges übersehen werden. Die zweite Schwäche ist, dass die Erfahrungswissenschaft zwar nach Gründen sucht, aber nie die Gründe selbst sich in Experimenten offenbaren, sondern immer nur die Hinweise auf Gründe. Gerhard Gotz schließt daraus, dass sich die oben genannte Differenz zwischen Denken und Wahrnehmung so nicht überbrücken lässt. Auch die Erfahrungswissenschaft unterliegt der menschlichen Begrenztheit und somit bleibt für das menschliche Handeln – und auch für die FSME-Impfung – stets ein Risiko. Bleibt also jede Fragestellung eine philosophische, da wir für nichts die letzte Antwort aus der Empirie gewinnen?


Weger, David

Gerhard Gotz leitet den ersten Vortrag der Ringvorlesung mit dem Beispiel eines fiktiven (?) Gespräches zwischen Alternativmediziner und Patient ein. Gegenstand der Debatte ist die Frage nach Sinnhaftigkeit einer Impfung zur Prävention gegen FSME, einer viralen Gehirnhautentzündung welche von Zecken übertragen wird, zu Behinderungen oder sogar Tod führen und – einmal ausgebrochen – nur mehr symptomatisch behandelt werden kann. Während Schulmediziner landläufig zur Impfung raten und die Pharmaindustrie teure Werbekampagnen führt, meint der Alternativarzt, dass ohnehin nur etwa jede tausendste Zecke infiziert und die eigentlich größere Gefahr die Impfung per se wäre, zumal eine FSME Impfung ja auch keinerlei Immunisierung gegen die ebenfalls von Zecken übertragene Borreliose bietet. Auf die Frage hin ob die Impfung als Individuum nun also erstrebenswert ist oder nicht entgegnet er letztlich: „Das ist eine philosophische Frage.“ Diese Begebenheit dient als Einstieg zur Thematik der Erfahrungswissenschaft, welche zwar empirisch die potentiellen Folgen einer Ansteckung ausloten, nicht jedoch die Notwendigkeit einer Impfung für den Einzelnen bestimmen kann, da es selbstverständlich nicht in ihrer Macht steht vorherzusagen ob der Biss einer infizierten Zecke erfolgen wird. Gotz präsentiert die Erfahrungswissenschaft als sich stetig entwickelnde Wissenschaft welche ihre Erkenntnislücken immer wieder durch neue Erfahrungen schließen und die eigenen Fehler durch methodische Korrektur beständig ausbessern kann. Dadurch scheint sie der (empirischen) Wirklichkeit und damit einem gewissen „Monopol auf Wahrheit“ kontinuierlich näher zu rücken. Es bietet sich erfahrungswissenschaftlich also weiterführend an insbesondere den Menschen als Naturwesen (mit einem Körper, Trieben, Bedürfnissen) und integralen Bestandteil der Wechselwirkungen in der Natur zum Forschungsgegenstand zu machen. Diesem Bestreben gegenüber stellt Gotz Religionen und philosophische Strömungen in denen der Mensch wesentlich durch eine unsterbliche Seele gekennzeichnet ist. Diese erfinden sich oft eine überempirische Welt und einen allmächtigen Gott, was rein empirisch betrachtet schnell als Humbug abgetan werden mag. Gotz wirft nun die Grundsatzfragen auf, welche reale Ursache dahinter steckt, dass solche „Illusionen“ entstehen respektive wie es möglich ist, dass aus Wirklichem Unwirkliches entsteht.

Zunächst meint er, dass sich jeder gesunde Mensch seines eigenen Körpers bewusst ist. Was den Menschen als Tier von anderen Lebewesen unterscheidet ist eben dieses Wissen über und von sich selbst. Hier liegt ein entscheidender Unterschied zur Sinnlichkeit anderer Tiere vor, welche ja durchaus auch auf beispielsweise Schmerzen und Gefahren reagieren. Wenn nämlich das menschliche Wissen nur die genannte Sinnlichkeit (Triebe, Instinkte) umfassen würde, dann dürften wir nichts anderes wissen als die Eindrücke die wir durch unsere Sinne aufnehmen. Alles was wir erfassen oder denken müsste folglich in irgendeiner Form sinnlich vorliegen. Gerade diese Aussage jedoch ist nicht bloß sinnlich, sondern bezieht sich auf die Sinnlichkeit per se. Sinnlichkeit ist nicht ihr eigener Gegenstand, so wie Hören nicht gehört oder Sehen nicht gesehen werden kann, da sie weder Geräusch noch Farbe sind und dennoch wissen wir davon. Der Mensch und sein Wissen haben also die eigene Körperlichkeit zum Gegenstand. Das Wissen kann nicht in ihm aufgehen da hier eine Distanz besteht. Wissen ist Wissen von etwas, es kann nicht ident mit seinem Inhalt im Allgemeinen oder einem bestimmten einzelnen Inhalt sein. Wäre dem so würde das Wissen und wohl auch der Wissende quasi „verschwinden“. Dennoch ist der Mensch eben für sein eigenes Wissen auch Inhalt und diesbezüglich eigentlich auch nur ein – wenngleich wichtiger - Gegenstand unter vielen. Dieses Wissen beinhaltet Wissen über Gegenwart, Vergangenheit und (mögliche) Zukunft. Es liegt aus den oben angeführten Gründen auf einer Art Metaebene, es hat eine „übernatürliche Präsenz“ und scheint in sich vom Physischen unabhängig zu sein. Selbstverständlich kann es aber nicht wirklich vollkommen isoliert ohne Bezug existieren und nur Nicht-Körper, Nicht-Inhalt sein, denn für eine reine Negativität wäre Reflexion nicht möglich (und Negation wäre ohne Bezug zu etwas zu Negierendem auch undenkbar). Tatsache ist, dass wir zwar wir zwar einerseits eine Entfernung zum Sinnlichen haben, uns andererseits jedoch auch darauf beziehen können, eine Verbindung muss also vorherrschen. Das Wissen muss nämlich mit dem eigenen Körper verbunden sein um ihn überhaupt erfassen zu können – es hat also einen Körper und weiß sich als sich wissendes Wesen – als Ich. Reflexives Wissen (das an seinen Inhalten auch weiß, dass sie gewusst sind) bezeichnet Gotz als Denken, wobei sich mir nicht ganz erschließt ob er nun meint, dass Reflexives Wissen eine Art des Denkens ist oder jedes Denken reflexives Wissen darstellt. Der Körper des Wissens wird durch Sinnes- und Gefühlsqualitäten bewusst macht. Diese Qualitäten geben dem Wissen auch erst seinen Inhalt, obwohl sie keinen direkten Zusammenhang mit dem Wissen haben und nicht beschreib- oder vergleichbar sind. Zwischen ihnen und dem Denken besteht ein radikaler Unterschied – das Denken kann diese Distanz nicht überwinden.

Wissen/Reflexion sind uns gemein, werden als Sprache konkretisiert und sind somit (sogar sprachübergreifend) Basis für Kommunikation zwischen verschiedenen „Ichs“. Dennoch bleibt natürlich jedes Ich ein Individuum mit Wissen über persönliche Grenzen und Endlichkeit. Begrenzt ist vor allem unsere Wahrnehmung die abhängig von unseren Sinnesorganen ist und uns oft nur die Oberfläche oder Teile von Dingen zeigt. Ein Gegenstand ist in seiner Ganzheit allein durch unsere Sinne nicht wahrnehmbar. Hier tritt erneut das Wissen in Kraft welches unsere Wahrnehmung (z.B. durch frühere Beobachtungen) ergänzt und zusammensetzt. Wir denken immer etwas hinzu oder erklären Begebenheiten für uns selbst. So konstruieren wir eine empirische Welt für die und in der es eigentlich objektiv gesehen (was eben nicht möglich ist) keine Sicherheit gibt. Selbst von Subjekt zu Subjekt kann hier eine Diskrepanz in Meinung und Weltsicht bestehen. Das Wissen um diese eigene Begrenztheit der Wahrnehmung ist eine Quelle der Verunsicherung, also suchen wir nach Gemeinsamkeiten mit anderen Personen, die auch gegeben sind. Gruppen solcher Ichs entwickeln unter ähnlichen Umständen gemeinsame Sichtweisen und fragen normalerweise über die bloße Situation hinaus, was den Raum für Mythologie und Theologie eröffnet. Vermischt mit Empirie bildet sich so der ideologische Rahmen einer Gesellschaft. [Auf eine Frage aus dem Publikum hin merkt Gotz an, dass Selbstreflexion erst durch Gemeinschaft entstehen und religiöser Nährboden so also nur in Ansammlungen von Menschen vorhanden sein kann.] Reflexives Wissen kann stufenweise über sich selbst und seinen eigenen Inhalt hinaussteigen (und so eben auch zu einer Art gemeinschaftlicher Reflexion bis zu ideologischen Vorstellungen werden) und über seine eigenen Voraussetzungen (sich selbst) nachdenken. Es reflektiert sein eigenes Reflektieren. Eine Reflexion auf der Metaebene ist also gegeben. Natürlich kann so wiederum die selbst kreierte überempirische Welt hinterfragt werden.

Um sich in dieser Spirale nicht immer weiter von der Realität zu entfernen, sollten Wissen und Denken möglichst eng mit der Wahrnehmung verbunden sein. Wünschenswert wäre auch eine Befreiung von subjektiven Verzerrungen und eine methodische Annäherung an die Erkenntnis. Dies führt wiederum zu einer wissenschaftlichen Form der Wahrnehmung, der Erfahrungswissenschaft. Sie ist eine aus der christlichen Weltanschauung geborene Alternative und ein Schritt weg von der unsicheren Meinung des Individuums hin zur Wissenschaft im Sinne einer Allgemeingültigkeit.

Wie jede Wissenschaft muss die Erfahrungswissenschaft eine Kombination aus Wahrnehmen und Denken, also Beobachtung und Theorie sein. Erste Schritte sind es sich auf eine gemeinsame (intersubjektive) Einordnung aller bekannten Gegenstände zu einigen (Klassifizierung) und eine Möglichkeit zu ihrer Messung zu schaffen (Quantifizierung). Die Theorie der Erfahrungswissenschaft soll die Gründe für Beobachtungen aufdecken und verantwortliche Kräfte, Gesetzmäßigkeiten, etc. formulieren. Diese Hypothesen sollen durch Experimente bestätigt werden und je öfter dies gelingt desto gesicherter erscheinen sie. Gotz nennt hier zwei bedeutende Schwachpunkte: 1. Die Begrenztheit der Wahrnehmung in allen Bereichen (Mikro-, Normal- und Makrobereich) und der Zwang zur Selektion von Daten. 2. Die Notwendigkeit sich auf Experimente zu verlassen in denen sich immer nur Auswirkungen, nie jedoch Gründe selbst zeigen. Die Gründe als solche bleiben Gedankenkonstrukte die niemals wirklich ermittelt werden können.

Eine Spannung zwischen Beobachtetem und Hineingedachtem bleibt bestehen. Die Erfahrungswissenschaft selbst gibt also Macht über die Natur, könnte letztendlich jedoch dennoch auch nur als eine neuzeitliche Ideologie gesehen werden. Als schwacher Trost bleibt die Sicherheit der Unsicherheit des Wissens.



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