PIRCHER, Simon (Arbeit1)
DISKUSSION (1.Arbeit PIRCHER, Simon)
Ralph Waldo Emerson – Die Natur
- verfasst von Pircher Simon, Matr.Nr.: 0847162
Einleitung zur schriftlichen Arbeit
Die folgende schriftliche Arbeit befasst sich mit dem Essay “Die Natur” von Ralph Waldo Emerson, einem Mann der als Dichter und Essayist, als Geistlicher und philosophischer Denker eine hohe Autorität im geistigen Leben der Vereinigten Staaten des 19. Jahrhunderts war und dessen Denkrichtung des Transzendentalismus durch die postulierte Einheit von Gott, Mensch und Natur gekennzeichnet ist.
Mein persönliches Interesse an Emerson fand ich darin, dass ihn die Philosophen für einen Dichter und die Dichter für einen Philosophen gehalten haben und in seinem tief begründeten Verhältnis zur Natur als philosophischen Grundbaustein und als Werkzeug der Erkenntnis und der Interpretation des Universums.
Außerdem stellt diese Arbeit über einen Essay eines Transzendentalisten eine Gegensatz zu meiner anderen Arbeit über die Ästhetik dar und schafft somit einen sichtbaren Kontrast und Spielraum, der zeigt wie weit sich überhaupt das Feld der Philosophie erstreckt.
Abgesehen von den Zitaten spreche ich mit eigenen Gedanken, jedoch stets willentlich im Sinne Emersons.
Dem Essay ist ein Gedicht von Emerson selbst vorangestellt, welches ich auch für diese Arbeit als Einleitung übernehmen möchte.
„Eine zarte Verkettung von endlosen Ringen Mag das Nächste dem Fernsten noch nahe zu bringen; Das Auge liest Zeichen, wohin es auch schweift, Die Rose alle Sprachen umgreift; Und strebend Mensch zu sein, der Wurm Erhebt sich durch alle Wandlung der Form.“ 1
„Unser Zeitalter ist retrospektiv.“ 2Mit diesem Satz beginnt Emerson den eigentlichen Text seines Essay. Er wirft in Folge mit mehreren Sätzen die Fragen in den Raum, warum der gegenwärtige Mensch nicht seine eigenen Einsichten und Erkenntnisse der Welt erarbeitet, anstelle der Geschichte der Religion seiner Vorväter nicht seine eigene Religion aktueller sprechender Offenbarungen erschafft, eine eigene Dichtung und Philosophie anstrebt und nicht endlich anstelle der alten verblichenen Masken und Kostüme selbst seine eigene Figur des Welttheaters formt und gestaltet. Warum sollte der Mensch von Heute, wo er doch denselben Reichtum und Kraft der ihn all umgebenden Natur genießt, wie seine vorhergehenden Generationen, es ihnen nicht in dem Sinne gleichtun, als, dass er kraft der Ressourcen der Natur und des ihm eigenen Künstlers in sich, sich selbst, sein Leben und die Welt um ihn herum neu aufbaut und in neuem und frischen Glanz erwachen lässt? Die Sonne scheint auch Heute. Noch immer wachsen Getreide, Wolle und Flachs auf den Feldern wie seit eh und je. Darum sollen wir unsere eigenen Werke, Gesetze und Weisen der Verehrung gegenüber der Natur fordern. Unsere aller Urmutter wird uns, unseren Bedürfnisse gemäß befriedigen, wir sollten daher unsere Vertrauen an ihr in ihre Hände legen. In diesem Essay verwendet Emerson den Begriff Natur im doppelten Sinne, nämlich in seiner gewöhnlichen und in seiner philosophischen Bedeutung. „Natur im gewöhnlichen Sinne bezeichnet Wesenheiten, die der Mensch nicht verändert hat: der Raum, die Luft, der Fluss, das Blatt.“ 3 Sprechen wir hingegen im philosophischen Kontext von Natur, so erscheint uns diese als eine Harmonie zwischen der Natur im gewöhnlichen Sinne und der Seele der ihr dazugehörigen Lebewesen, vor allem der Einfluss und die Vermischung des menschlichen Willens mit den Naturgegebenheiten und das daraus Entstehende. Diese menschlichen Werke und Schöpfungen insgesamt sind jedoch so unbedeutend in Gegenüberstellung mit der Schöpfung der Natur, dass sie in einem solchen Verhältnis verbleichen und unwichtig erscheinen. Im umgekehrten Falle hingegen, hinterlassen die Erscheinungen der Natur einen gewaltigen Eindruck im menschlichen Geist. Im fortschreitenden Text treten Beschreibungen der Natur und ihrer Beziehung zum Mensch auf. Wie die Himmelskörper den immerwährenden Anblick des Erhabenen gewähren und die Sterne eine gewisse Ehrfurcht erwecken, da sie, obwohl sie immer gegenwärtig sind, doch unerreichbar bleiben. Sind es jedoch nicht nur die Sterne die einen solchen Eindruck hinterlassen können, sondern natürliche Erscheinungen überhaupt. Die Natur bewahrt ihr Geheimnis gut. Kein noch so Weiser vermag es ihr abzuringen, es bleibt dem Menschen ein ständiges Staunen und Entziffern, eine immerwährende Neugierde durchdringt das menschliche Lebewesen. Der menschliche Geist ist wie eine Leuchte, mit der der Mensch versucht in den dunkelsten Ecken der Natur ihre Wirklichkeit zu entdecken. Doch sein Licht ist nicht stark genug für dies Unternehmen, es lassen sich bloß kontrastschwache Umrisse erkennen. Die Natur lässt keinen Besitz ihrer zu. Es mögen zwar Grundbesitzer rechtlich ein Stück Land ihr Eigenen nennen dürfen, doch die Landschaft an sich kann nur dem gehören der alle Einzelheiten und Feinheiten des Horizonts in seinem Auge und in seinem Geist zu vereinen vermag, nämlich dem Dichter. Das Beste vom Land ist seine eigentliche Erscheinung, seine erstrahlende Landschaft, die durch die Natur auferlegte Heiligkeit seiner. Niemals wird sich dies Beste mit Geld erkaufen lassen. Nur das Auge vermag es zu erobern. „In der stillen Landschaft und besonders in der fernen Linie des Horizonts erblickt der Mensch etwas, das der Schönheit seiner eigenen Natur vergleichbar ist.“ 4 Die traurige Wahrheit unserer heutigen Gesellschaft liegt darin, dass nur wenige Menschen im Stande dazu sind ,mit dem Auge die Natur zu lieben anstatt mit Geld sich ihrer zu berauben. Die Beziehung zwischen Natur und Mensch scheint zunehmend zu schwinden, vielleicht deshalb, weil der Mensch im Glauben ist, sich mit seiner Macht über jene der Natur hinweggesetzt zu haben und nun nicht mehr ihrer zu bedürfen. Diese erwachte Blindheit führt jedoch nicht zur geglaubten Stabilität der Seele, sondern im Gegenteil zu dessen Instabilität. Aus menschlicher Sicht ist die Harmonie mit der Natur eine lebenswichtige Notwendigkeit, denn es ist die Ästhetik aus dem der Mensch seine Kraft schöpft. Diese Erkenntnis will zu einem späteren Zeitpunkt noch genauer beschrieben werden, bisweilen finden wir uns damit ab. Diese unweigerlich vorhandene Beziehung zwischen Mensch und Natur findet ihre Existenz im Spiel der Gemütslage des Menschen in Relation mit der parallel stattfindenden Naturgestalt. Jede Stunde und Jahreszeit entsprich einer eigenen Geisterverfassung. So habe ich selbst die Erfahrung gemacht, dass im Herbst, in jener Jahreszeit in der der Tod über das Land streift und die Bäumen ihre Blätter verlieren, die Natur überhaupt sich ihrem sterbenden Abschnitt zuneigt, auch ältere Menschen eher zum Sterben gewillt sind. Es bezeugt diese meine eigene Erfahrung für mich, die Wichtigkeit und Existenz überhaupt, der tiefgreifenden Beziehung zwischen Mensch und Natur. „Die größte Freude, die Feld und Wald uns bereiten, ist die Andeutung einer dunklen Beziehung zwischen Mensch und Pflanzenwelt.“ 5 Natur ist pulsierendes Leben. Sie durchdringt Menschen wie Pflanzen. Es liegt eine übersinnliche Kommunikation zwischen beiden zu Grunde, dessen der Mensch sich unbewusst bewusst ist, die in ihm eine unscheinbare und feine Ahnung lächeln lässt. Das Vermögen diese Verbindung zu empfinden liegt jedoch nicht in der Natur beschlossen, sondern im Menschen oder in der Harmonie beider. Denn die Natur erscheint dem Menschen in ähnlicher Gestalt und Beschaffenheit seines Gemüts und seiner persönlichen Weltanschauung. Menschen die von Kind auf sich mit körperlichen wie seelischen Schmerzen abgeben mussten, werden in der Natur kaum Glück und Zufriedenheit erkennen, sondern viel eher Leid und Elend gegenüber sich selbst verspüren. „Die Natur trägt immer die Farben des Geistes.“ 6
Der Endzweck der Natur unterscheidet eine ganze Reihe von Nutzen, die Teil des Endresultates sind. Emerson definiert dabei vier unterschiedliche wesentliche Klassen: Gebrauchsnutzen, Sprache, Schönheit und Erziehung.
Der Gebrauchsnutzen Unter dem Begriff Gebrauchsnutzen soll all jenes verstanden werden, das unsere Sinne der Natur verdanken. „Dies ist selbstverständlich ein Nutzen, der in sich vergänglich und mittelbar ist und nicht absolut wie sein Gewinn für die Seele. Aber obwohl ein geringer Nutzen, so ist er doch auf seine Art vollendet und der einzige Gebrauch der Natur, den alle Menschen kennen.“ 7 Zahlreiche natürliche Erscheinungen vermag der Mensch zu seinem Nutzen zu gebrauchen, aus ihnen die Nahrung für seine Existenz zu schöpfen und noch darüber hinaus mit der Schönheit der Natur die Flamme seiner Seele zu kühlen. Natürliche wie seelische Bedürfnisse des Menschen zu stillen liegt in der Macht der Natur. Der Kreislauf der Natur hält uns Menschen am Leben. So spenden die Wolken das Wasser für die Felder und die Jahreszeiten das Klima für das Gedeihen von allen natürlichen Früchten die das Dasein der Menschheit sichern. „Tiere, Feuer, Wasser, Steine und Getreide, sie alle dienen dem Menschen. Das Feld ist ihm zugleich Grund und Boden, Arbeitsstätte, Spielplatz, Garten und Bett.“ 8
„Mehr Diener hat der Mensch, Als er je um sich weiß. – “ 9 Der Mensch findet in der Natur den Stoff aus dem er erschafft. Jedoch ist wie wir gesehen haben die Natur auch zugleich Prozess und Ergebnis. So wie der Wind die Saat sät; die Sonne das Meer zum Verdunsten bringt; der Wind den Dunst auf die Felder weht; der Regen nährt die Pflanzen; die Pflanzen nähren Mensch und Tier; schließlich entsteht dieser beständige natürliche Kreislauf der dem Menschen zugute kommt. Der Mensch selbst jedoch, mit Hilfe seiner ihm gegebenen geistigen Fähigkeit, erfindet praktische Künste welche er auf die Natur anwendet und diese nach seinem Willen verändert und verformt. Er pflastert mit Steinen seine Straßen, erschließt die Weiten der Welt mit Eisenbahnen, überquert Ozeane mit Schiffen und überbrückt die Entfernung zwischen den Kontinenten mit Flugzeugen, baut Städte, Kanäle, Brücken, erfindet den Buchdruck um das Wissen von Generationen zu vermitteln. Der Katalog ist endlos.
Der Mensch also macht sich kraft seines Geistes die Natur nicht nur unmittelbar, sondern auch im weiteren Blickfeld seines Daseins zu Nutze. Die Erde verändert fortschreitend ihr Gesicht. Und der Mensch spielt dabei die Rolle des einflussreichsten Künstlers. Er trägt eine große Verantwortung inne.
Wir sehen, dass dieser materielle Nutzen nicht für sich selbst dasteht, sondern für einen höheren Zweck, nämlich dem Mensch sein Dasein zu ermöglichen, wie auch die Kultivierung seines Geistes und Arbeit überhaupt.
Die Schönheit Die Natur dient aber auch einem noch feineren und edleren Bedürfnis des Menschen, nämlich seiner Liebe zur Schönheit. Eine sekundäre Bedeutung des griechischen Wortes kosmos, ist Schönheit. „Derart ist der Zustand aller Dinge oder derart die Formkraft des menschlichen Auges, dass die Urformen wie Himmel, Gebirge, Baum, Tier uns Vergnügen an und für sich bereiten; ein Vergnügen, das aus ihrer Gestalt, Farbe, Bewegung und Anordnung hervorgeht.“ 10 Emerson ist der Auffassung, dass das Auge das gewichtige Instrument dafür ist. Denn in der Interaktion seiner Struktur und Beschaffenheit mit den Gesetzen des Lichtes erzeugt es eine Sichtweite und –weise die jedes Objekt, selbst wenn es als Einzelnes betrachtet wenig anziehend und nicht interessant erscheint, in Harmonie mit dem Ganzen bringt und ihm somit den Zauber der Schönheit verleiht. Das Auge alle Sprachen umgreift. Das Auge ist der wundervollste Komponist. Das Licht ist der beste Maler. Das Licht besitzt die Fähigkeit einen an sich noch so hässlichen Gegenständ bemerkenswert und schön erstrahlen zu lassen. Es ist das Symbol des Guten und Schönen. Unzählige Assoziationen entspringen dem menschlichen Geist in Gedanken an das Licht. Licht ist Hoffnung, Wärme, Wissen, Leben, Schönheit, Güte… Selbst ein Leichnam in anmutigem Licht getaucht hat seine eigene Schönheit. Emerson sieht die Schönheit um der größeren Klarheit willen in dreifachem Aspekt.
1. Allein schon die einfache Betrachtung der Natur und ihrer zahlreichen Formen und Gestalten bereitet uns ein großes Vergnügen. Für einen arbeitsamen Menschen bedeutet ein Spaziergang in der Natur Heilung und Wiederbelebung der Sinne und des Geistes. Die Natur wirkt wie eine allgegenwärtige Vitalquelle, der sich der Mensch stets bedient um neue Kraft zu schöpfen und die angesammelte Last von seiner Seele zu streifen. „In ihrer ewigen Ruhe findet er sich selbst.“ 11 Dieses Beobachten bedeutet zugleich auch Teilhaben. Der Mensch nimmt an der Verwandlung der Natur teil, die Grenzen zwischen Mensch und Umwelt scheinen geradezu zu verschwinden und sich aufzulösen, als würde der Mensch sich durch die Betrachtung der Natur mit dieser vereinigen und vereinheitlichen. Der Mensch gibt sich der Natur hin, d.h. er öffnet seine Seele ihr gegenüber, es entsteht daraus eine tiefe und innige Beziehung zwischen beiden. In solchen Augenblicken vermag uns die Natur zu vergöttlichen. Es ist dies ein tiefes Bedürfnis des Menschen: das Eins-werden mit der Natur. Doch die Schönheit welche aus der Betrachtung heraus geboren wird, will nicht gefunden werden. Sie will selbst frei sein für die Bestimmung von Ort und Zeit ihrer Offenbarung.
2. Die Vollendung der Schönheit gebraucht jedoch ein geistiges Element. Die hohe und göttliche Schönheit offenbart sich in der Einheit von natürlichen und menschlichen Geist. Die nämliche Verbindung von Natur und Mensch bringt den Glanz des Universums zum Ausdruck, der als die vollendete Schönheit verstanden werden kann. „Schönheit ist das Kennzeichen, das Gott der Tugend verliehen hat.“ 12 Tugend ist Einklang und Harmonie überhaupt. Die Tugend verleiht einer Handlung Anmut. Und jede tugendhafte und anmutige Handlung lässt den Ort und die Umwelt der Tat in einem eigenen Glanz erstrahlen. Große Taten lehren uns, dass das Universum allen Individuen gehört, ihr Wille genügt. Die Welt zeigt sich dem Menschen in der Form und Gestalt entsprechend der Energie seines Denkens und Wollens. „Immer stiehlt sich die natürliche Schönheit ins Bild wie Luft und umhüllt die großen Taten.“ 13 „ Selbst an gewöhnlichen Orten, inmitten der üblichen Niedrigkeiten, scheint sich ein Akt der Wahrheit oder des Heroismus sofort den Himmel zum Tempel und die Sonne zur Wiege zu machen. Die Natur breitet ihre Arme aus, um den Menschen zu umarmen, wenn nur sein Denken sich ihrer Größe als würdig erweist.“ 14 Das Bild soll vom Künstler gemalt werden, der Rahmen wird alsdann dem Bild erst angepasst. Die Begegnung eines Menschen mit kraftvollem Charakter und harmonischer Seele wird einem stets in Erinnerung bleiben und es wird einmal komisch erscheinen wie einfach es einem solchen Menschen glückt seine Umwelt zu verzaubern und in einem anmutigen Bann zu halten. 3. Der dritte Aspekt unter dem die Schönheit betrachtet werden kann, ist jener, wenn sie zum Gegenstand des Intellekts wird. Der Mensch ist im Stande im Rahmen seiner intellektuellen Fähigkeit die Darstellung und Ordnung der Dinge zu erfassen und erkennen. Der Intellekt ermöglicht dem Menschen die Erhabenheit der Natur nicht nur in sich aufzunehmen, sondern in einem intellektuell-produktiven Prozess neue Schönheit im Sinne des Erhabenen zu erschaffen. „Die intellektuellen und praktischen Kräfte des Menschen scheinen aufeinander zu folgen […]“15 Es ist ein ständiges Wechselspiel zwischen natürlichem Eindruck und menschlichem Ausdruck. Diese menschlichen Ausdrücke sind jedoch nicht bloß wertlose Abbilder der natürlichen Eindrücke, sondern eigenständige Schöpfungen, die wiederrum die Außenwelt in einem gewissen Ausmaß beeinflussen. Ob aller Urgrund des menschlichen Daseins in der Ästhetik begründet liegt, liegt einem nahe zu denken, gab es die Natur bereits vor der Entwicklung des eigentlichen Menschen, der Mensch kann jedoch als Ahnung in der universalen Entwicklung bis zum Ursprung der Natur selbst zurückgedacht werden. Auch besitz die körperliche Natur selbst einen Geist, eine Seele die sie vollständig durchdringt und ihr eigentliches Leben entfacht. Zumindest war auch Aristoteles dieser Auffassung. Was sich aber sagen lässt, aus dem Standpunkt des Menschen, dass er bis zu einem gewissen Grade von der Erscheinung der Welt beeindruckt wird, einige gar bis zum Entzücken. „Diese Liebe zur Schönheit nennt man Geschmack.“ Wobei die Schönheit im Sinne von Erhabenheit verstanden werden soll. Manche Menschen verspüren eine solche Liebe in so überreichlichem Maße, dass es ihnen nicht genügt sie bloß aus der äußeren Natur zu ziehen, sondern versuchen selbst neue geistige Formen zu verkörpern. Diese Erschaffung nennt man Kunst. Kunst heißt Schöpfung, Ausdruck. (Für mich persönlich ist Philosophie nicht bloß eine Wissenschaft, sondern vielmehr ein Zusammenspiel von Wissenschaft und Kunst, und wenn, dann doch eher auf der künstlerischen Seite. Gerade die Philosophie ist sich gegenüber allen anderen Wissenschaften eher der Wertlosigkeit der Wissenschaft, in Ausschließung der Kunst bewusst, oder sollte es zumindest sein.) Die Erschaffung eines Kunstwerks ist der Ausdruck des Daseins des Künstlers. Es wirkt wie ein Lichtstrahl welcher den Künstler beleuchtet. Je mehr es an ehrlicher und seelischer Tiefe aufweist, desto intensiver ist sein Licht. Dieses menschliche Kunstwerk stellt eine Beziehung zur Natur her. „Natur ist ein Meer von Formen, die entschieden gleichartig und sogar unverwechselbar sind.“ 16 Ob ihre Zahl endlich oder endlos sei, vermögen wir nicht zu beantworten. Aber: „Was ihnen allen gemeinsam ist – diese Vollendung und Harmonie -, eben das ist Schönheit.“ 17 „Nichts ist vollendet schön in seiner Vereinzelung, sondern nur als Teil des Ganzen. Ein einzelner Gegenstand ist nur insofern schön, als er uns diese universale Anmut ahnen lässt.“ 18 Jeder Künstler, sei es ein Maler, Musiker, Dichter, Sänger, Tänzer, Bildhauer, sucht diese Anmut, diese Schönheit und Erhabenheit des Universums auf einen Punkt zu konzentrieren und jenen in diesem gerecht zu werden. „So ist Kunst eine Natur, die durch die Retorte des Menschen gegangen ist.“ 19 Die Erhabenheit der Kunst liegt in ihrer Erfüllung des menschlichen Willens, der wiederrum durch die natürliche Kunst, die äußere Natur inspiriert worden ist. Die Kunst beeinflusst und wirkt wiederrum auf die Natur, sodass ein immerwährender Kreislauf in Schwung kommt.
Im Rückblick können wir die drei Aspekte der Schönheit in folgenden drei Punkten zusammenfassen: 1. Die Schönheit der Natur an sich 2. Die Schönheit der Harmonie und Interaktion zwischen Natur und Mensch 3. Die Schönheit des menschlichen Intellekts
Wir haben nun gesehen, dass die Natur einerseits existiert um das Schönheitsbedürfnis der menschlichen Seele zu stillen. Emerson nennt dies einen Endzweck. Es findet sich kein Grund für das Schönheitsverlangen der Seele. Die Schönheit ist an sich ein Ausdruck des Universums. Die Wahrheit, das Gute und die Schönheit sind nur verschiedene Erscheinungsformen des Universums. Das Schöne in der Natur, so Emerson, ist nicht das Letztgültige. Es fungiert vielmehr als Verkünder des Universums. „Es muss stets als ein Teil und nicht schon als der letzte und höchste Ausdruck des Urgrundes der Natur verstanden werden.“ 20
Die Sprache
Ein dritter Nutzen, den die Natur nach Emersons Meinung dem Menschen bietet, ist die Sprache. „Die Sprache“ , wird manch einer einwenden, „ist doch eine geistige Schöpfung des Menschen, ein Kind des Denkens.“ Sehr wohl, nur darf dabei nicht vergessen werden, dass die Natur das Medium des Denkens ist. Um die Sprache nun genauer zu betrachten zeigt Emerson drei Punkte auf:
1. „Wörter sind Zeichen für natürliche Erscheinungen.“ 21 „Jedes Wort, das eine moralische oder eine geistige Erscheinung ausdrückt, entpuppt sich in seinem Ursprung als Bezeichnung für eine materielle Erscheinung.“ 22 Als Beispiele führt Emerson die Begriffe recht und unrecht an, die er mit den natürlichen Erscheinungen gerade und verdreht assoziiert. Oder im Weiteren Geist mit Wind, Übertretung, hochmütig, Anheben der Augenbraue. Ein großer Teil solcher analogen Umwandlungen verliert sich jedoch im Dunkel jener Zeit, als die Sprache noch in der Wiege lag. Bei Kindern und primitiven Völkern, so Emerson, können wir noch heute diese bildhafte Sprache beobachten, die sich aus Substantiven und Namen von Dingen, die sie in Verben umwandeln, zusammensetzt, und dann auf analoge geistige Vorgänge anwenden. Die Sprachgeschichte ist Zeuge der Ästhetik der Sprache. 2. „Bestimmte natürliche Erscheinungen sind Symbole für bestimmte geistige Erscheinungen.“ 23 Umgekehrt verhält es sich so, dass nicht allein Wörter Zeichen für natürliche Erscheinungen sind, sondern auch natürliche Erscheinungen Symbole für bestimmte geistige Zustände sind und auf diese hinweisen. Emerson führt dafür Beispiele an wie, „ein wutentbrannter Mensch ist ein Löwe, ein listiger Mensch ein Fuchs, ein standhafter Charakter ein Fels, ein gelehrter Kopf eine Leuchte. Ein Lamm steht für Unschuld, eine Schlange für heimtückische Bosheit, Blumen sind uns der Ausdruck zarter Empfindungen. Sichtbare Entfernungen hinter und vor uns geben unser jeweiliges Bild für Erinnerung und Hoffnung ab.“ 24 Dieser alles durchdringenden Seele, dieser All-Seele, ist sich der Mensch im tiefsten Innersten bewusst. Er nennt sie die Vernunft. Und als Sinnbild der Vernunft bezeichnet er den Himmel in seiner ewigen Ruhe und Harmonie. Diese Aufstellung von Analogien ist nichts Zufälliges oder Launenhaftes, ist nicht bloß Gedanken von einigen Dichtern, sondern sie durchdringen das gesamte Universum. In allem sucht der Mensch nach Analogien und Beziehungen, deren Existenz er sich in Ansehung der Ahnung einer All-Seele zurückführt. Der Mensch ist ein Teil des Ganzen. Will man also den Mensch verstehen, so muss man versuchen das Ganze zu begreifen. Wie bereits erwähnt, liegt die Schönheit der Einzelteile darin, dass sie das Ganze, die Einheit erahnen lassen. Die einzelnen Teile gewinnen ihre Bedeutung im Puls des Gesamten. Je weiter wir in der Geschichte der Sprache zurückblicken, desto bildhafter wird sie, bis zu ihrer Kindheit wo alles Symbol und Poesie ist. Die Fähigkeit eines Menschen Beziehungen zwischen Gedanken und Natur herzustellen hängt von seiner Liebe zur Wahrheit und der Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit seines Charakters ab. Auf den Verfall des Menschen folgt der Verfall der Sprache. Wo diese Liebe zur Wahrheit erlischt und abgelöst wird, durch sekundäre Begierden wie Reichtum, Prestige, Macht und Ruhm, verblasst auch allmählich die Intensität der Beziehung mit der Natur. Es werden keine neuen Beziehungen zu Sinnbildern mehr erschlossen, die Fähigkeit des Menschen in Kraft seines Geistes Neues zu schöpfen geht verloren und in Konsequenz folgt der Niedergang der Sprache. Der Einklang mit sich selbst und mit der Natur, diese Harmonie der Seelen, ist unabdingbare Voraussetzung für eine eigene kraftvolle Sprache. Unsere Art der Sprache, diese bildhafte Sprache entsteht spontan. Erfahrung und Tätigkeit des Geistes vermischen sich und bringen Neues zum Ausdruck. Im Ganzen ist Sprache Schöpfung im eigentlichen Sinne. Es lässt sich daher erahnen, dass diejenigen Menschen die in Landgegenden aufgewachsen sind und eine tiefere und innigere Beziehung zur Natur empfinden, einen kraftvolleren Geist und eine ausgeprägte Sprache gegenüber dem eingeengten Leben der Menschen in den Städten besitzen. Doch auch hier hängt die Schönheit und Redlichkeit Sprache an der Geradlinigkeit des Charakters; ein ausschlaggebender Punkt. 3. Natur ist das Symbol des Geistes. Sie ermöglicht uns besondere Bedeutungen zum Ausdruck zu bringen. Die Natur ist reich an Erscheinungen und Dingen, deren unsere menschliche Sprache in ihrem qualitativen wie quantitativen Gebrauch nicht gerecht wird. Diese ist verglichen mit der Größe der Natur nur eine kahle, magere Gestalt. Eine Gestalt, die sich nur anhand der Natur zum Ausdruck bringen lässt, sich in ihren Formen kleidet. Hierin, in dieser existenznotwendigen Relation der Sprache zur Natur, liegt die Ästhetik der Sprache begründet. Doch wir Menschen ahnen, dass wir den eigentlichen Gebrauch der Natur noch nicht hinreichend erschöpft haben und dies wahrscheinlich auch niemals vermögen werden. Es stellt sich uns die Frage ob nicht die zahlreichen Erscheinungen der Natur, wie Berge, Himmel und Wellen nicht noch eine andere Bedeutung, neben der, uns überhaupt die Sprache zu ermöglichen, indem wir sie als Embleme unseres Denkens gebrauchen, und der des Zweckes der Schönheit, an sich haben. „Die Welt selbst ist emblematisch. Einzelteile unserer Sprache sind Metaphern, eben wie das Gesamt der Natur eine Metapher für den menschlichen Geist ist.“ 25 Es zeigen sich wieder diese wechselwirkenden Relationen zwischen dem menschlichem Geist und der Natur. Ist die menschliche Sprache ein verstricktes Gefüge von Emblemen, welche die natürlichen Erscheinungen versinnbildlichen, so entsteht nun unter dem weiteren Horizont die Erkenntnis, dass diese natürlichen Erscheinungen selbst Embleme für den menschlichen Geist sind. „Die Axiome der Physik übersetzen die Prinzipien der Ethik.“ 26 Als Beispiel führt Emerson folgende Sätze an: „Das Ganze ist größer als sein Teil“, „Reaktion ist gleich Aktion“, das kleinste Gewicht kann das größte heben, wenn der Gewichtsunterschied durch den Zeitfaktor kompensiert wird“. Diese physikalischen Lehrsätze erfahren in der Anwendung auf die Ethik einen umfassenderen und universelleren Sinn, als bloß jenen begrenzten in ihrer technischen Anwendung. In gleicher Weise verhalten sich Fabeln, Parabeln, Sprichwörter und Allegorien. Wiederrum führt Emerson an dieser Stelle Beispiele an: „Ein rollender Stein setzt kein Moos an“, „Ein Vogel in der Hand ist besser als zwei im Busch“, „Essig ist der Sohn des Weines“, „Langlebige Bäume bilden zuerst die Wurzeln aus“ und dergleichen mehr. An sich sind all diese Aussprüche trivialste Tatsachen, doch angewandt auf das menschliche Dasein entfalten sie für den Menschen eine völlig neue und tiefere Kraft und Sinnlichkeit. Diese Verwandtschaft von Geist und Materie ist mehr als vermutlich bloß das Werkzeug eines Dichters, sie erfüllt das gesamte Universum und dient dem Menschen auf jene Weise, als, dass sie seine Existenz in dieser primitivsten Grundlegung ermöglicht. Die Menschheit versucht seit ihrer Geburt an, Erkenntnis aus dieser Einheit von Geist und Materie zu gewinnen und es ist die Ahnung der Existenz dieser allesumfassenden Einheit, welche die Verwunderung und das Interesse des Menschen seit Anbeginn in Bann hält. „Da sitzt die Sphinx am Wegesrand, und alle Propheten, die von Zeitalter zu Zeitalter vorbeiziehen, versuchen ihr Glück bei der Auflösung ihres Rätsels.“ 27 Die Offenbarung des Geistes in materiellen Formen scheint notwendig zu sein und alle natürlichen Erscheinungen müssen „als notwendige Ideen im Geiste Gottes bereits bestehen und sind, was sie sind, aufgrund früherer Regungen in der Welt des Geistes.“ 28 „Die sichtbare Schöpfung ist Grenzlinie oder Peripherie der unsichtbaren Welt.“ 29 Die Natur ist das Symbol des Geistes. „Jede Schrift muss in dem Geiste interpretiert werden, der sie entstehen ließ.“ 30 Das ist ein fundamentales Gesetz der Erkenntnis. Sind wir also im Willen die Natur zu erkennen, so ist ein Leben „in Harmonie mit der Natur, Liebe zur Wahrheit und zur Tugend“ und Respekt der Natur gegenüber von unbedingter Notwendigkeit, um ihre Schrift zu entziffern und die zugrundeliegende Wahrheit und Wirklichkeit , den Sinn der Natur zu erfassen „und jede ihrer Gestalten zum bedeutungsvollen Zeichen ihres verborgenen Lebens und letzten Grundes“ werden zu lassen. Im Sinne dieser Beziehung des Menschen zur Natur, erschließt jede ihrer Erscheinungen und Gegenstände eine neue seelische Fähigkeit. Die unbewusste Wahrheit verdeutlicht sich in den Gegenständen und wird „Teil der Domäne unseres Wissens – eine neue Waffe im Arsenal unserer Macht.“ 31
Die Erziehung In Ansehung der bisher genannten Naturzwecke, ergibt sich für uns ein neuer und höherer, im Sinne eines umfassenderen, Nutzen der Natur, nämlich der, der Erziehung und Schulung des Menschen. Alles natürlich Existierende wie z.B. Raum, Zeit, Materie, Klima, Bewegung, oder die vier Elemente Feuer, Wasser, Erde, Luft, ist ein täglicher bedeutungsvoller Unterricht. Denn sie alle erziehen unsere Sinne, unseren Verstand und unsere Vernunft. Und zwar besteht diese Schulung in dem Gebrauch von geistiger und natürlicher Anlagen, Geist und Sinne, auf die Beschaffenheit und Eigenschaft der natürlichen Erscheinungen. „Der Verstand addiert, teilt, kombiniert, misst und findet Nahrung und Raum für seine Aktivitäten auf diesem würdigen Gebiet. Inzwischen überträgt die Vernunft all diese Lehren in ihre eigene Gedankenwelt, indem sie die Analogie, welche Materie und Geist verbindet, wahrnimmt.“ 32
„1. Natur ist die Schulung des Verstandes in intellektuellen Wahrheiten. Unser Umgang mit wahrnehmbaren Dingen ist eine ständige Einübung in die notwendigen Lehren von Differenz, Gleichheit, Ordnung, Sein und Schein, fortschreitender Anordnung, des Aufsteigens vom Besonderen zum Allgemeinen und der Kombination vielfältiger Kräfte zu einem Zweck.“ 33 Diese Schulung wird in Ansehung ihrer Wichtigkeit mit einer außerordentlichen Sorgfalt betrieben. Diese Sorgfalt findet sich tagtäglich in den noch so kleinsten Ereignissen und Vorkommen des menschlichen Daseins. Jedes noch so flüchtige Bild, jeder kurze Ton, Affekt, jede schnelle Empfindung ist ein großer Lehrmeister in Rücksicht auf seinen alltäglichen Unterricht. Der gesamte Charakter und das Schicksal der Menschen unterscheidet sich durch die Verschiedenheit in der Bildung ihres Verstandes. Raum und Zeit sind dem Mensch zur Hand gegeben, damit er lernt, dass die Dinge in ihrer Unterschiedenheit in bestimmter Art vorkommen und nicht willkürlich und wahllos durcheinander und zusammengeworfen sind. Jedes Ding hat seinen eigentlichen Zweck, oder mehrere, aber stets in eingeschränkter Weise. So kann man das Wasser trinken oder damit die Felder und Blumen begießen, doch es stillt den Hunger nicht. Und eine Frucht kann man zwar essen, aber nicht ein Kleid daraus spinnen. Jedes Ding hat seine zweckmäßige Bestimmung und deren zugehörige Beschränktheit. Der Mensch vermag kraft seines Geistes gewisse Gesetze und Ordnungen der Natur zu erkennen und sie in einem System festzulegen. Jene Momente des Erkennens, des Lichtblicks, der Einbeziehung des Menschen in das Universum in seinem bewussten Zustand, erfüllt ihn mit Glück und edlen Gefühlen. Er fühlt sich für einen flüchtigen Augenblick als Teil des vollkommenen Ganzen und Ewigen. „Die Schönheit der Natur erstrahlt in seiner Brust.“ 34 Ein Gefühl von Größe und Teilnahme durchzuckt seine Muskeln und Sehnen. „Hier wiederrum werden wir von dem ungeheuren Universum, das wir erforschen sollen, beeindruckt, ja erschreckt.“ 35 Emerson greift an dieser Stelle zwei Einzelheiten der Erziehung aus ihrer Vielfalt auf, und unterzieht sie in Folge einer genaueren Betrachtung. Diese wären alsdann: 1. Willensübung und Lektion in Machtentfaltung. Dieser spezielle Erziehungsinhalt findet seinen Anfang beim Menschen - in Anlehnung an die Triebtheorie von Sigmund Freud - bereits im Kindesalter von zwei bis drei Jahren in der sogenannten analen Phase, in der das Kind die Ausscheidung oder Zurückhaltung von Exkrementen bewusst zu steuern lernt und somit ein Machtgefühl gegenüber den Eltern entwickelt. Mit der Zeit entwickelt sich dieses Gefühl der individuellen Macht als Möglichkeit des Einflusses auf die Umwelt immer weiter. Der Mensch lernt Ereignisse, Klassen, Formen, Ordnungen ecc. seinem Willen unterzuordnen und so die Außenwelt mit der Innenwelt in Einklang zu versetzen. Die Natur verlieh dem Menschen ein gewisses Maß an Macht, mit der er ihre Erscheinungen und Gegenstände zu seinem Nutzen gebrauchen kann. Der menschliche Wille ist das schaffende Prinzip.
2. Die Lehre von der wechselseitigen Abhängigkeit und Beeinflussung von Moral und Gegenstand, d.i. von der Analogie von Geist und Natur. Die Erforschung der Mannigfaltigkeit natürlicher Erscheinungen wird für den Menschen zu einer Lehre und Prüfung in der ethischen Frage. Die Formen, Linien und Gestalten der Natur lassen im Menschen die Ahnung von Gut und Böse, Recht und Unrecht pulsieren. „Das Moralgesetz ruht im Zentrum der Natur und strahlt bis zur Peripherie aus. Es ist die Seele und das Mark jeder Substanz, jeder Relation und jedes Prozesses. Alle Dinge, mit denen wir zu tun haben, predigen zu uns.“ 36 „Hieran im besonderen begreifen wir die Einheit der Natur – die Einheit in der Vielfalt -, die uns überall begegnet. Die ganze endlose Vielfältigkeit der Dinge macht auf uns ein und denselben Eindruck.“ 37 Alles ist Teil des Ganzen und nimmt in diesem Verhältnis daher an dessen Vollendung teil. Dieser Eindruck der Einheit in der Vielfalt aller Dinge aber wird uns nicht nur dort vermittelt, wo die Analogien offenkundig sind, sondern auch in einer transzendentalen Weise. Emerson zitiert als Beispiel an dieser Textstelle Goethe, der die Architektur als versteinerte Musik bezeichnete. Außerdem teilt er dem Leser seine Erkenntnisse bezüglich Haydns Oratorien mit, die besagen, dass deren „Musik der Phantasie nicht nur den Eindruck von Bewegungen, wie etwa die der Schlange, des Hirsches und des Elefanten, sondern auch von Farben, wie etwa das Grün des Grases“ 38 vermittelt. „Jede Kreatur ist nur eine Modifikation der anderen; ihre Gleichheit ist größer als ihre Verschiedenheit, und ihr ursprüngliches Gesetz ist ein und dasselbe.“ 39 Emerson will damit sagen, dass die Einheit im Ursprung zu suchen sei, weil dieser allem gemein ist. So durchdringt diese Einheit auch das Denken, den menschlichen Verstand und seine wahrhaftigen Worte. „Jede solche Wahrheit ist das absolute Eins, von einer Seite aus gesehen. Aber es hat unzählige Seiten.“ 40 „Worte sind endliche Instrumente des unendlichen Geistes.“ 41 Wir sehen also, der Mensch ist irgendwo durchdringt von der Einheit. Diese „dunkel gedachte“ Beziehung zur Einheit, wie Kant es definieren würde, ist unser Lehrer und Meister. Die Ahnung des Vollkommenen die uns vorschwebt lehrt uns immer weiter zu gehen, zu denken und zu kämpfen.
Verzeichnis der Zitate
Alle Zitate sind folgendem Buch entnommen: Ralph Waldo Emerson, Die Natur – Ausgewählte Essays, Herausgegeben von Manfred Pütz, Philipp Reclam Jun. Stuttgart, 1982
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3: Seite: 86
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12: Seite: 96
13: Seite: 97
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