PAUL, Lukas (Arbeit1)

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Schriftliche Arbeit zur Lehrveranstaltung “Methoden und Disziplinen der Philosophie” (IK, LV-Nr. 180248) im WS 2008, verfasst von Lukas PAUL, Matr. Nr. 0326533 Darlegung und Kommentierung des Argumentationsganges von Prof. Gotz in seinem im Rahmen der Ringvorlesung am 16.10.2008 gehaltenen Vortrag

Einleitung Im allgemeinen Sprachgebrauch scheint es oft so zu sein, dass der Begriff "Philosophie" dann verwendet wird, wenn man über das als für allgemein abgesichert gehaltene Wissen hinausgeht. Wenn man z.B. der Ansicht ist, dass die Wissenschaft keine Antwort darauf geben kann, ob eine Impfung wirklich als hilfreich eingestuft werden kann oder ob die Summe der Folgen eher negativ zu werten ist, würde man es eine "Frage der Philosophie" nennen, ob man sich nun impfen lassen soll oder nicht. Als ob zu Philosophieren soviel bedeuten würde wie über die Erfahrungswissenschaften hinaus ins Willkürliche zu schreiten. Ist dem so? Was ist Philosophie? Professor Gotz skizziert eine Antwort, die ihn im ersten Teil (der 2. Teil wurde von ihm am 23.10.2008 vorgetragen) von der radikalen Differenz der Unmittelbarkeit der Wahrnehmung und der Reflexion über diese zur Erfahrung als begrenzter und subjektiver Zusammensetzung aus Wahrnehmung und Reflexion führt und die Erfahrungswissenschaft begründet.

Unmittelbares und Reflexives Wissen, Ichbewusstsein Er beginnt damit, dass er den Mensch als eine Art Tier beschreibt. Dies bedeutet zunächst zu wissen, dass wir einen Körper haben. Es bedeutet mit den Sinnen wahrzunehmen (zu hören, zu sehen, zu schmecken etc.), unmittelbar zu wissen, was wahrgenommen und auch darauf entsprechend zu reagieren. Es bedeutet auch Triebe zu haben (Hunger, Sexualtrieb, Müdigkeit etc.) . In diesem Sinn weiß jedes Tier sich selbst. Wenn nun unser menschliches Wissen ebenfalls nur dieses sinnliche Wissen, dieses Unmittelbare, umfasste, so würden wir auch nichts anderes wissen als das, worauf unsere Sinne gerichtet sind. Wenn man aber genauer hinschaut, so merkt man, dass wir mehr wissen. Wir wissen und erleben die Farbe, aber darüber hinaus können wir auch über das Erleben von Farbe reden. Dies können wir tun, auch wenn wir die Augen geschlossen haben oder in einem dunklen Raum, also getrennt vom unmittelbaren Erleben der Farbe selbst, sind.

Wir sind also nicht nur sinnliche, triebhafte Lebewesen, sondern wir wissen auch, dass wir sinnliche, triebhafte Lebewesen sind. Unser Wissen ist nicht nur leiblich, sondern es weiß über den Leib. Demnach muss unser Wissen mehr umfassen als das unmittelbar durch die Sinne gewusste, denn wüssten wir bloß dieses, wüssten wir nur den Inhalt. Über einen Inhalt zu wissen geht aber über den Inhalt selbst hinaus.

Das Wissen umschließt viele räumlich und zeitlich getrennte Gegenstände, Erinnerungen, Veränderungen, aber als Wissen über diese Inhalte und Gegenstände kann es doch selbst nicht im gleichen Sinne Inhalt und Gegenstand sein. Unser Wissen ist nicht einfach nur körperlich, es kann aber auch nicht gänzlich unabhängig vom Körper sein, denn um sinnlich wahrnehmbare Inhalte zu haben, die gewusst werden, muss es wesentlich mit den Sinnen verbunden sein . Wenn wir wissen, haben wir also auch einen Körper. Das Wissen weiß seinen Körper, ist aber nicht nur körperlich, also unmittelbar, sondern steht sowohl der Außenwelt als auch sich selbst distanziert gegenüber. Da es sich ständig auf das unmittelbare Wissen bezieht, nennen wir es reflexives Wissen, die Reflexion, oder auch das Denken. Allen anderen Tieren steht nur das unmittelbare Wissen zur Verfügung.

Das Ichbewusstsein steht in der radikalen Differenz der Wahrnehmung seines Körpers und des Wissens über die Wahrnehmung seines Körpers, also in der radikalen Differenz zwischen Unmittelbarkeit und Reflexion. Das Wissen weiß an seinen Inhalten sich selbst.

Subjektivität und Begrenztheit der Erfahrung Dadurch dass die Reflexion über das unmittelbare Wissen weiß, erhalten die Inhalte der Reflexion eine Allgemeinheit, die über die Unmittelbarkeit hinausgeht, die Wahrnehmungen werden gedacht, geordnet, kategorisiert. Aus dem unmittelbaren Inhalt werden Begriffe, welche wiederum die Grundlage für die Bildung der Sprache sind. So ist also die Reflexion die Basis für eine Gemeinsamkeit, die Kommunikation ermöglicht.

Reflektierend über unsere Wahrnehmung wissen wir auch, dass diese nur oberflächlich und begrenzt ist, z.B. kann ich einen Körper nicht von allen Seiten gleichzeitig wahrnehmen. Aber eben weil wir das wissen, sind wir auch gewissermaßen über diese Begrenztheit hinaus, durch z.B. Gedächtnis, Vorausschau, durch uns bekannte Einteilungen und Kategorien. Durch Beurteilung und Ergänzung der Wahrnehmung schaffen wir dann die Erfahrung.

Zumindest dadurch, dass ein Teil der Erfahrung mein Denken ist, ist also die Erfahrung subjektiv. Auch stellt sich die Frage, wie wir wissen können, ob das Dazugedachte wahr ist. Ist es durch unsere begrenzte Wahrnehmungsfähigkeit bzw. unsere subjektive Erfahrung somit überhaupt möglich, die Wirklichkeit zu erfassen? Man könnte also sagen, die Reflexion führt zur Vereinzelung, denn wenn Erfahrung subjektiv ist und Wahrnehmung begrenzt, ergibt sich doch automatisch, dass meine Verallgemeinerung, meine Begriffswelt, meine Sprache eine andere ist als die von anderen, abgesehen davon, dass ich nicht sagen kann, ob sie ein wahrheitsgetreues Abbild der Wirklichkeit ist oder nicht. Auf der anderen Seite aber hat jeder Mensch dieses Problem, es ist also gleichzeitig auch etwas Gemeinsames, ein Anknüpfungspunkt, etwas, das den Menschen in die Gesellschaft treibt, um im Dialog zu versuchen, von der einzelnen, subjektiven Erfahrung und Meinung zu einer objektiven Erkenntnis, zu einem objektiven Wissen zu gelangen.

Allerdings scheint klar, dass aus einer Menge von subjektiven Erfahrungen und Meinungen wohl ein allgemeiner Konsens, eine allgemeine Meinung gefunden werden kann, aber dass dadurch keineswegs gesichert ist, dass die Wahrheit gefunden wird. Auch über ein Allgemeinwissen, eine Weltanschauung, kann reflektiert werden, neben eine allgemeine Meinung kann eine zweite mögliche Meinung gestellt werden, eine Weltanschauung kann durch eine weitere relativiert und in Frage gestellt werden, ohne dass die Möglichkeit besteht, festzustellen, was denn nun wirklich wahr ist.

Wir suchen also nach objektiver Erfahrung, die für jeden zugänglich ist, nach methodischer Erkenntnis. Dies ist die Begründung, die Aufgabe der Erfahrungswissenschaft.


Literaturverzeichnis Klein, Hans-Dieter: Geschichtsphilosophie - Eine Einführung. Wien, Literas-Verlag, 1988 Höffe, Otfried: Immanuel Kant. München, Beck, 1983


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