Open Culture - Kritik

Aus Philo Wiki
Wechseln zu:Navigation, Suche

Zu: Open Culture - Versuch einer Begriffsdefinition

Grundgedanke von Open Culture ist, dass immaterielle Güter, also Texte, Software, Musikaufnahmen und Videos, ohne nennenswerten Aufwand reproduziert werden können. Doch auch die Produktion derartiger Güter erfordert einen beträchtlichen Aufwand, nämlich erstmalige Erstellung, laufende Aktualisierung, Marketing, der oft den Aufwand bei materiellen Gütern übersteigt. Wenn die Produkte kostenlos, zur Verfügung stehen: wer finanziert dann diesen Aufwand?

Ein Unternehmer investiert in neue Produkte oder Dienstleistungen nur dann, wenn er die Aussicht hat, seinen Aufwand und sein Risiko abgedeckt zu bekommen und darüber hinaus einen Gewinn zu erzielen. Diese Einnahmen kommen heute überwiegend aus dem Verkauf, wobei der Konsument einen Stückpreis oder ein Nutzungsentgelt bezahlt. Dieser Anreiz bewegt ihn, Innovation zu betreiben, also in die Entwicklung neuer Produkte zu investieren, und zwar nicht nur in eventuell verzichtbare Konsumgüter sondern beispielsweise in neue Medikamente oder in Verkehrssicherheit. Wenn diese Einnahmequelle entfällt: wie könnten alternative Geschäfstmodelle aussehen?

Wie bereits im Kapitel "Definition" erwähnt, kommt das Ziel, Produkte kostenlos, also "frei im Sinne von Freibier" anzubieten, aus der Free Software Bewegung, der radikalen Form von Open Culture. Nach diesem Modell kommen Einnahmen erst aus Folgeaktivitäten wie der Beratung, Implementierung und Betrieb von Produkten, also aus der Anwendung des formalisierbaren freien Wissens auf konkreten Kundenbedarf. Können derartige Dienstleistungen den Entfall von Einnahmen aus dem Produktverkauf kompensieren?

"Open Culture" bedeutet weder vom Begriff noch vom ursprünglichen Ziel her "Free Culture", sondern lediglich offenen Umgang mit den Bedeutungen kultureller Zeichen, im Sinne von Redefreiheit. In der Wissenschaft ist dieser Umgang selbstverständlich und äußert sich als Publikation samt Quellenangaben. Doch auch Publikationen waren und sind nicht kostenlos, man denke an die oft exorbitanten Preise von Wissenschaftsjorunalen oder Datenbanken. Diese "gemäßigte" Open Culture lässt angemessene Einnahmen, z.B. aus Lizenzen, zu. "Open" bedeutet diesfalls die Pflicht zur Offenlegung der Quellen von produzierten Objekten, also bei Software des Sourcecodes, vergleichbar den Konstruktionsplänen bei materiellen Gütern. Allerdings sind bei Unterhaltungsprodukten Quelle und Objekt weitgehend ident. Außerdem erfordern Lizenzen technische Schutzmaßnahmen wie zB Kopierschutz, der entweder leicht umgangen werden kann oder Eingriffe in die Freiheitsrechte des Nutzers erfordert. Wie können diese Probleme umgangen werden?

Die Rechtspraxis tendiert zu einer Ausweitung und Verlängerung von Schutzrechten. Die Ausweitung betrifft vor allem immaterielle Güter, zB. Patentierbarkeit von Software. Begründet wird dies mit der zunehmenden Bedeutung immaterieller Güter, deren Markt sich ohne derartige Eingriffe nicht entwickeln könnte. "Open Culture" argumentiert, dass Lizenzeinnehmen weniger der künftigen Innovation sondern eher der Rente aus früheren Innovationen dienen. Vor allem aber die aktuellen Verlängerungen der Schutzrechte stehen im Widerspruch zur Verkürzung der "Halbwertszeit" der Produkte Wissen und Unterhaltung.

Unsere volkswirtschaftlichen Modelle gehen davon aus, dass künftiger Wohlstand nur gewährleistet ist, wenn die Wirtschaft wächst. Aktuelle Statistiken weisen aus, dass erst etwa 15% der Weltbevölkerung den Status "gesicherter Wohlstand" erreicht hat. Wenn "Open Culture" tatsächlich zu einem Rückgang der Wirtschaftsleistung führt, wäre demnach der Wohlstand gefährdet. Diese Modelle gehen von traditionellen Parametern wie dem BIP aus. Welche Wohlstandsparameter wären in einer "Open Culture" relevant?

Unsere gesellschaftlichen Modelle gehen davon aus, dass Arbeitslosigkeit ein Manko ist. Auch die heute wieder diskutierte Grundsicherung setzt voraus, dass irgendwer das Geld verdient, das umverteilt wird. Allein zur Kompensation der Rationalisierung ist ein Wirtschaftswachstum von über 2% erforderlich. Zusätzlich werden durch Globalisierung Arbeitsplätze in die aufstrebenden Staaten verlagert. Durch "Open Culture" werden weitere Arbeitsleistungen, wie zB Vermarktung, obsolet. Wie könnte ein Gesellschaftsmodell aussehen, in dem (Lohn-)Arbeit nicht mehr Voraussetzung für soziale Anerkennung ist?

Zum Abschnitt „Begriffsdefinition“ sei angemerkt, dass noch offen ist, ob dieser Paradigmenwechsel tatsächlich weg von einem elitären System führt oder nicht neue Eliten schafft, die besseren Zugang zu den neuen Medien haben, mit diesen umgehen können, mit technischen und/oder demagogischen Mitteln eine bestimmte Meinung zur bevorzugten oder gar öffentlichen erklären. Wer hilft dem einfachen Nutzer, im exponentiell wachsenden Informationsangebot Wesentliches und Verlässliches von Schrott und Irreleitung zu unterscheiden? Open Culture setzt also Fitness in der Wissensgesellschaft voraus, so wie in der Erwerbsgesellschaft berufliche Fitness vorausgesetzt wird. Ist diese mangels Fähigkeit, Interesse oder Finanzierung nicht gegeben, ensteht Wissensproletariat („digital divide“). Das fördert Parallelgesellschaften von passiven Konsumenten, Arbeitslosen, Ausländern, samt zugehörigem Bedrohungspotenzial. Denmach wäre "Open Culture" ungerecht und undemkoratisch, verhindert nicht die Ausbeutung. Welche Gegenargumente gibt es?

Zu: Open Culture - Die Rechtliche Frage

Die Einschränkung der Wiederverwendbarkeit freier Software in kommerziellen Produktenwurde schon im Abschnitt „Kritik an der GPL“ angesprochen.. Allerdings war der ursprüngliche „open source“- Gedanke nicht eine Verhinderung von Lizenzen, sondern lediglich die Offenlegung von Quellcode, um eigenständige - und eigenverantwortliche – Änderung zu ermöglichen. So wie zu einer Musikaufnahme in der Regel auch die Noten erhältlich sind. Eine derartige Rückbesinnung zeichnet sich bei Kooperationen von open source Erstellern mit etablierten Unternehmen ab.

Zu: Open Culture, Wissensgesellschaft - Beispiel Wikipedia

Unter „Gefahren / Probleme“ wurde schon angedeutet, dass ein Missbrauch des Mediums nicht auszuschließen ist. Allerdings wird ein Großteil der irreführenden Beiträge sehr schnell durch andere Beitragende richtiggestellt oder durch Administratoren eliminiert. Schneller jedenfalls als bei jedem Druckwerk, bei dem sich oft erst nach Monaten oder gar Jahren herausstellt, dass es sich um Fälschung handelt. Dennoch gibt es inzwischen Restriktionen. Wie bei jedem neuen Medium folgt auf die freie Entfaltung eine Phase der freiwiligen Selbstbeschränkung, bevor es zu verbindlichen Regelungen kommt. Da das weltweite Netz keine nationalen Regeln akzeptiert und internationale Regeln meist einen Minimalkonsens darstellen, stehen die Chancen für Meinungsfreiheit recht gut.

Offen bleibt das Problem der Finanzierung. Wie auch bei anderen andere kostenlos zugänglichen Informationen kommen die Einnamen nicht von den Konsumenten, wenn man von spärlichen Spenden absieht. Viele Anbieter, u.a. Suchmaschinen, finanzieren sich über Werbung, die nicht immer klar vom angefragten Informationsgehalt getrtennt angeboten wird.


Zu: Open Culture, Wissensgesellschaft - Beispiel Interview

Open source Entwickler betreiben ihr „Geschäft“ entweder als Hobby oder im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit. So ist es nicht erstaunlich, dass sich die Anfänge ausgerechnet auf einen Eisenbahnerklub zurückverfolgen lassen: Befriedigung aus der ästhetischen Nachbildung von Natur und Technik, aber auch aus dem Funktionieren des aus eigener Schöpfungskraft gestalteten Systems. Die berufliche Tätigkeit findet oft im Rahmen eines „Normalarbeitsverhältnisses“ statt, mit oder ohne Zustimmung oder gar Förderung des Arbeitsgebers, als geringfügige Beschäftigung, als freier Dienstvertrag oder Werkvertrag. Viele nutzen ihre dabei gewonnenen Erkenntnisse und Reputation für ihr berufliches Fortkommen. Nur wenige entwickeln ausschließlich und auf eigene Faust und Rechnung Freee Software. Das sind meist Idealisten, Sozialutopisten.



Wenn zahlreiche Freiwillige zu Open Culture beitragen, so wohl wegen des Reizes am Neuen, wegen Ärgers über verzopfte Ansichten, wegen Anerkennung aus Feedback oder „virtuell“, also aus dem Gefühl, dass viele Menschen den eigenen Beitrag lesen oder zumindest lesen könnten, ohne dass man dabei Lampenfieber hat, wie bei einem persönlichen Auftritt in der Öffentlichkeit, und ohne Aufwand und Kosten wie bei einer eigenständigen Veröffentlichung. Wie Leserbriefe oder Postings im Web. Die werden aber auch nur von einer Minderheit verfasst und – mit Ausnahme von „Brot und Spielen“ – auch nur von einer Minderheit wahrgenommen. Offen ist, wie die Mehrheit interessiert werden kann.

Es bleiben also Fragen, ob und wie sich daraus ein Mainstream entwickeln kann, ob sich unsere Tausch- und Geldkultur zur Gabenkultur (rück)entwickeln wird, welche Lebensbereiche, Berufe oder Branchen dafür geeignet sind, ob sich aus dieser, heute noch eher elitären Bewegung eine Massenbewegung entwickeln wird, wie z.B. die Umweltbewegung oder gar die seinerzeitige Arbeiterbewgung.

Und zuletzt bleibt die Frage: was kommt nach Open Culture?

--Hofbauerr 23:27, 20. Feb 2006 (CET)

zurück zu Open Culture, Wissensgesellschaft