Nancy Fraser: Soziale Gerechtigkeit in der Wissensgesellschaft: Umverteilung, Anerkennung und Teilhabe

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Dieser Text von Nancy Fraser [1] diente als Vorlage ihres Beitrags zum Kongress „Gut zu Wissen“ der Heinrich-Böll-Stiftung

Fraser versteht unter dem Begriff der Wissensgesellschaft das Produkt einer historisch gewachsenen „epochalen Veränderung“; diese Veränderung ist von einem Wandel des Ford-Kapitalismus zu einer prekären „Nach-Ford-Phase“, der Auflösung einer internationalen Ordnung souveräner Nationalstaaten und eben einer „Verschiebung“ der Industriegesellschaft zu einer Wissengesellschaft – die auf der „Informationstechnologie der dritten industriellen Revolution“ (?) beruht - gekennzeichnet.

Mit der Wissensgesellschaft entstanden und entstehen neue Gefahren für soziale Ungerechtigkeit. F. spricht hier von einem „Problem der Verdrängung“, einem „Problem der Verdinglichung“ und einem „Problem falscher Begrenzung“. Drei Tendenzen, die F. als problematische Charakteristika der Wissensgesellschaft ortet aber auch Strategien zu deren Lösung ortet.

Die Wissensgesellschaft fordert „eine verbreitete Politisierung der Kultur“ bedingt durch wachsende Konflikte und Kämpfe um Identität und Differenz, F. spricht hier um von „Kämpfen um Anerkennung“. Diese Neuakzentuierung politischer Kämpfe entmachtet die traditionellen Themen (linker) emanzipatorischer Politik, die sich in ihrer theoretischen (und praktischen) Basis auf ökonomische Ungleichheit stützen und deren Angleichung, also Umverteilung als Ziel von Klassenpolitik, fordern. Themen wie Geschlechts- oder ethische Zugehörigkeit oder Sexualität, Nationalität und Religion werden zu den neuen Maßstäben politischer Auseinandersetzungen.

Einen derart zusammengesetzten Begriff politischer Gerechtigkeit entfaltet F. in zweiten Teil ihres Essays. Hier fordert sie eine „bifokale Sicht“, die neben der Forderung nach gerechter Verteilung auch dem Anspruch einer wissensgesellschaftlich bedingten Fokussierung auf dem Kampf um gegenseitige Anerkennung erfüllt.