MSE/Vo 06: Unterschied zwischen den Versionen

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(Sound exists only when it is going out of existence)
(Orality and literacy)
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Wenn nicht, mache ich jetzt mit Walter Ong weiter, wie eben letztes mal schon angesprochen.
 
Wenn nicht, mache ich jetzt mit Walter Ong weiter, wie eben letztes mal schon angesprochen.
  
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Das ist die neueste Auflage, es ist schon früher geschrieben worden. Da macht er jetzt auf mehrere Punkte aufmerksam, die ich Ihnen vor Augen führen möchte. Das eine ist diese Form von ständiger Präsenz, das werden wir übrigens sehr wichtig brauchen. Ich habe sozusagen vorgearbeitet bis zu dem Punkt, damit Sie wissen, in welche Richtung das geht, wenn Sie sich die Texte anschauen, die jetzt schon da sind. Ich habe vorgearbeitet, über den christlichen Bereich weiter werde ich dann über Dekonstruktion und über Derrida sprechen, über die Form wie heutzutage über diese Schriftlichkeit und Mündlichkeit aktueller gesprochen wird, und der Einstieg den Derrida in die Dekonstruktion nimmt – das muss ich Ihnen dann extra erzählen, worum es dabei geht – ist genau bei dieser lebendigen Gegenwertigkeit der Stimme, also das ist nicht nur Vergangenheit, sondern das ist auch gegenwärtig praktizierte Philosophie, auf die wir dann bald stoßen werden. Die erste Sache hat mit dieser Präsenz zu tun. Das Zweite, was Ong an dieser Stelle sagt, ist, dass Stimmproduktion etwas einmaliges zu tun hat mit dem menschlichen Körper, mit der Tatsache, dass die Stimme aus dem Körper heraus produziert wird, anders als das Ansehen. Wie sie aussehen, das ist etwas, wie sie in der Welt wahrgenommen werden. Das sind Schatten, Konturen, Risse, Linien die Sie in der Welt ziehen, wo Sie sich unterscheiden von anderen solchen Figuren. Eine Figur im Raum ist etwas abgetrenntes von was anderem, so wie Sie hier sitzen. Machen Sie sich einmal klar, dass wenn Sie jetzt alle zu reden beginnen, dann haben wir ein Sound-Event.  
 
Das ist die neueste Auflage, es ist schon früher geschrieben worden. Da macht er jetzt auf mehrere Punkte aufmerksam, die ich Ihnen vor Augen führen möchte. Das eine ist diese Form von ständiger Präsenz, das werden wir übrigens sehr wichtig brauchen. Ich habe sozusagen vorgearbeitet bis zu dem Punkt, damit Sie wissen, in welche Richtung das geht, wenn Sie sich die Texte anschauen, die jetzt schon da sind. Ich habe vorgearbeitet, über den christlichen Bereich weiter werde ich dann über Dekonstruktion und über Derrida sprechen, über die Form wie heutzutage über diese Schriftlichkeit und Mündlichkeit aktueller gesprochen wird, und der Einstieg den Derrida in die Dekonstruktion nimmt – das muss ich Ihnen dann extra erzählen, worum es dabei geht – ist genau bei dieser lebendigen Gegenwertigkeit der Stimme, also das ist nicht nur Vergangenheit, sondern das ist auch gegenwärtig praktizierte Philosophie, auf die wir dann bald stoßen werden. Die erste Sache hat mit dieser Präsenz zu tun. Das Zweite, was Ong an dieser Stelle sagt, ist, dass Stimmproduktion etwas einmaliges zu tun hat mit dem menschlichen Körper, mit der Tatsache, dass die Stimme aus dem Körper heraus produziert wird, anders als das Ansehen. Wie sie aussehen, das ist etwas, wie sie in der Welt wahrgenommen werden. Das sind Schatten, Konturen, Risse, Linien die Sie in der Welt ziehen, wo Sie sich unterscheiden von anderen solchen Figuren. Eine Figur im Raum ist etwas abgetrenntes von was anderem, so wie Sie hier sitzen. Machen Sie sich einmal klar, dass wenn Sie jetzt alle zu reden beginnen, dann haben wir ein Sound-Event.  
  

Version vom 28. Mai 2011, 15:12 Uhr

Einleitung

Wir machen weiter bei dem Thema, das das letzte Mal schon angesprochen worden ist, nämlich die besondere Position in der sich das Christentum inklusive der christlichen Theologen finden, im Zusammenhang mit der Wörtlichkeit und der Schriftlichkeit, in besonderem Hinblick auch deswegen, weil die zeitliche Nähe zwischen dem, was wir aus dem griechischen Bereich gehabt haben und dem, was dann im Nahen Osten stattgefunden hat doch in die Augen springt. Das, wie es aber schon hin und wieder vielleicht vielen bekannt ist und der Fall ist, wird noch ein bisschen aufgehalten durch eine Eingangsbemerkung, die ich machen möchte im Anschluss an einen Beitrag den ich in seiner Bedeutung ein bisschen zu spät wahrgenommen habe, nämlich vom Benutzer PW. Der schreibt über ein Schulmotto. Das war schon Ende April. Da war ich nicht ganz bei der Sache. Also es geht um einen Beitrag, den ich verspätet wahrgenommen habe über das Schulmotto und ich möchte ein paar Bemerkungen darüber machen. Sie werden sehen, dass das tatsächlich einleitend zu dem Thema mit der Christlichkeit ist. Es lässt sich aber ganz gut anbinden an das, womit ich vergangene Stunde begonnen habe. Sie erinnern sich, ich habe diese Skizze noch einmal vorgelegt und angewendet auf Events in Real Time, also auf Ereignisse die Aufmerksamkeit und Bedeutungen produzieren und die sich fortpflanzen auf eine Art und Weise, die wir heutzutage so beschreiben würden, das wir Life-Events haben, die auf viele verschiedene Arten und Weisen aufgezeichnet werden, und in diesen Aufzeichnungen bestimmte Richtungen verfolgen, die sich wellenartig wegbewegen von dem Ursprungsevent und die uns in den beiden Fällen die ich ihnen hier bildlich dargestellt habe, relativ bald vor sehr greifbare Schwierigkeiten bringen. Nämlich, wir wollen wissen, was ist wirklich gewesen in Fukoshima, was ist wirklich gewesen in Abbottabad, und sind satt dessen konfrontiert mit einer Reihe von Nachrichten – geschriebenen, gesprochenen, aufgezeichneten Nachrichten. Das war das, wovon ich das letzte Mal schon gesprochen habe.

Schulmotto – Erich-Fried-Gymnasium

Ich geh vielleicht gleich über zu diesem Thema des Schulmottos. Ich weiß nicht, ob Sie sich das schon angesehen haben? Das ist eine Geschichte aus der Selbstgestaltung eines Gymnasiums, da unten sehen sie es – Bundesrealgymnasium IX. Dieses Bundesrealgymnasium und was da drinnen beschrieben wird, kann man so auch darstellen: es gibt einen Namensgeber dieses Bundesrealgymnasiums – Erich Fried – Der hat gelebt, hat gewirkt, hat Sachen getan und ist berühmt geworden, das Realgymnasium hat sich nach ihm Erich Fried benannt. Die Benennung des Realgymnasiums in Erich Fried ist eine Folgeerscheinung des Lebens, des Auftretens auf dieser Welt von Erich Fried. Und dann hat sich folgendes Spezielles ergeben, was hier beschrieben wird.

Im Rahmen der Selbstverständigung dieses Realgymnasiums – und ich rede da jetzt quasi in der Traditionslinie von einem solchen Leben wie dem des Erich Fried – hat sich ergeben, dass es heutzutage modern ist, ein Leitbild zu haben. Das Leitbild dieses Gymnasiums, weil es schon Erich Fried Gymnasium genannt ist, ist ausgestattet worden mit einem Zitat von Erich Fried: "Wer will, dass die Welt so bleibt, wie sie ist, der will nicht, dass sie bleibt."

Eine sehr eingängige und massive Formulierung, von der ich sagen würde, das ist auch einer dieser Stränge, die sich von Erich Fried aus ergeben. Da gibt es Fotos, da gibt es entsprechende Texte, Erinnerungen, persönliche Bekanntschaften, die Berühmtheit, die der Erich Fried hat. Und das ist das Verschwimmen von dem ich mehrfach schon gesprochen habe, dass die verschiedensten Quellen unserer Medienübermittlungen vor uns stehen und von uns verlangen, dass wir die, wenn wir ein Leitbild für ein Gymnasium schon herstellen wollen, auf eine kluge Art und Weise verbinden und damit einen Effekt erzielen, den wir im Zusammenhang mit Öffentlichkeitswirkung usw. haben wollen. Das ist die Geschichte, die kurz beschrieben wird.

Warum ist das für meinen Zweck hier speziell illustrativ?

Weil wenn man sich fokussiert auf dieses Textstück, wir hier ein Textstück haben und nicht einen Ausschnitt des Lebens von Erich Fried. Wenn Sie in das Lokal "Stadt Paris" gehen auf der Landesgerichtsstrasse, dann erzählt Ihnen der Kellner, dass ihm erzählt worden ist, dass der Heimito von Doderer dort gesessen ist, und dass er mit dem Bezahlen immer ein bisschen spät gewesen ist. Das ist der typische Fall von oraler Mitteilung. Das könnte man natürlich auch aufnehmen in den bestimmten Zusammenhang, aber was wir haben: das ist keine Frage der – es hat mir jemand erzählt, dass gesagt worden ist – sondern es gibt ein Textstück. Mit Hilfe dieses Textstückes können wir quasi zurückstoßen in diesem Durcheinander der gegenwärtigen Überlieferung, durchstoßen bis zu einem authentischen Punkt, an dem der Erich Fried das hingeschrieben hat. Das lässt sich bestätigen. Das ist publiziert, das hat ein Datum. Das kann man sozusagen zitieren. Die Bedeutung von dem besteht darin, in dem Kontext, den ich Ihnen vor Augen führen möchte, dass die Frage, was hat er denn geschrieben, die Frage in dem Sinn, worauf beziehen wir uns denn da – diese Frage lässt sich auf Grund der Textualität ziemlich eindeutig lösen. Indem Fall gibt es keinen Zweifel darüber, dass der Typ das geschrieben hat und dass da die Eisenbahn drüber fährt. Das heißt, wir können sagen, Erich Fried hat das gesagt. Und das ist ein Unterschied zu den Dingen die ich zunächst gesagt habe. Die Frage "was ist denn eigentlich passiert in Abbottabad oder was ist passiert in Fukoshima" ist nicht von dieser Art und Weise.

Wir haben von dem Event in Japan sofort ausgehend – niemand war dabei – die unterschiedlichsten Berichte und können an dieses Event nicht die Frage stellen, was ist denn da wirklich gestanden, was ist beschrieben worden. Das heißt, die Textualität gestattet uns durchzuschalten, in einem Sinn von historischer Verbindlichkeit und Verbürgtheit, also nach allen plausiblen Indizien, die wir haben, ist es so, dass wir sagen können, Erich Fried hat das geschrieben und darauf können wir uns verlassen, darauf können wir aufbauen.

Erinnern Sie sich daran. Ich werde Ihnen in der nächsten Stufe dann darüber etwas sagen, wieso das fürs Christentum wichtig ist und für die Bibelforschung.

Bevor ich das sage, will ich noch ein bisschen auf das Drama dieses Gedichts eingehen. Und das hat auch etwas mit Christentum zu tun. Also als kleines Modell. Ich verwende das als ein Hilfsmodell, an dem man ein paar Probleme gut diskutieren kann, die wir in allgemeinerem Ausmaß dann haben werden. Es hat sich nämlich herausgestellt – und das ist die Fipside, die andere Seite dieser historischen Verbürgtheiit – dass das zwar durchaus etwas ist, das Erich Fried geschrieben hat, was man auch auf ihn zurückführen kann, dass das aber leider oder faktisch ein Rumpf ist, und dass es, wenn man sich den Text ansieht, an der Stelle wo er auftritt, ein Gedicht ist, das einen Titel und einen Untertitel hat. Der Titel heißt „Status quo" und der Untertitel heißt „Zur Zeit des Wettrüstens".

Sie haben ein wirklich sehr reichhaltiges Potential, jetzt mit dem umzugehen. Alle die schönen Sachen, die ich gesagt habe über die Verbürgtheit des Textes, werden an der Stelle plötzlich ein bisschen brüchig, weil obwohl dieser Text verbürgt ist, hilft diese Tatsache überhaupt nicht dagegen, dass jemand kommt und sagt, hat einen Titel, hat einen Untertitel, gefällt uns nicht so gut, lassen wir weg, ist trotzdem Erich Fried.

Das ist eine Sache, die sich, wie man der Story hier entnehmen kann, tatsächlich zugetragen hat. Das heißt, man hat aus diesem Text, der ein verbürgter Text war, etwas rausgeschnitten zum eigenen Zweck und erinnern sie sich, Platon hat das vorausgesagt. Das ist ein klassischer Fall von Hilflosigkeit von ausgesetzten Texten im Rahmen einer Nachwelt. Der Text kann sich nicht wehren. Der Text ist zwar einerseits in einer gänzlich qualitativ neuen Art und Weise beglaubigt als die die Geschichte von Heimito von Doderer, der dort und dort nichts bezahlt hat. Der Text ist beglaubigt, aber in dieser Beglaubigung steckt auf der zweiten Seite auch die Verletzlichkeit, dass man den Text beschneiden und falsch einsetzen kann. das heißt, womit ich es hier zu tun habe, ist, das sich Traditionen auf der einen Seite durchaus beziehen können auf Texte und Tradition ist –deswegen gefällt mir der Schulentwicklungsprozess hier so gut – ein lebendiger Prozess einer bestimmten Gruppe von Leuten, die sich unter einem Titel gefunden haben und dort etwas zu entwickeln zu versuchen, das sie glauben, gerade zu brauchen. Das hat nichts mit Text zu tun. Das hat mit der Entwicklung menschlicher Gemeinschaften in der Zeit zu tun, mit Hilfe von was immer sie kriegen. In dieser Entwicklung menschlicher Gemeinschaften treten Texte auf. Also der Name Erich Fried, Das Motto von Erich Fried ist ein Eingehen von Textualität in dieser Traditionsentwicklung. Und nun ist die Frage, wer ist da die autoritative Instanz, zu beurteilen, was denn geschieht, was in diesem Prozess, der Selbstverständigung der Schule z.B, was da geschieht.

Und es zeigt sich in der Geschichte, wenn sie es zu Ende lesen, dass es eine Mehrheit von Lehrern und vor allem der Direktion in dieser Schule gegeben hat. Die haben gesagt, als die autoritative Instanz dessen, was wir da von Erich Fried zitieren, das ist nicht der Erich Fried oder ist nicht die historisch kritische Forschung, oder auch nicht der germanistische Hinweis, dass der Herr Erich Fried das und das geschrieben hat, sondern die autoritative Form, das sind wir. Wir nehmen uns, was wir brauchen und wenn die Schüler darauf hinweisen, dass das nicht das Ganze ist, dann zeigen wir uns darüber nicht gerührt, sondern lassen das alles so.

Ein kleiner kurzer Hinweis, ich komm gleich dazu, aber hier ist es unwiderstehlich, es zu sagen. Die Frage von Schrift und Tradition, von Bibel und Kirche, ist an dieser Stelle schön zu merken, welche Instanz ist es, die die Verantwortung dafür hat dass der christliche Glaube stattfindet und weitergetragen wird. Die christlichen Kirchen sind an der Stelle der selben Auffassung, wie das Realgymnasium IX, dass sie nämlich die Orte sind, in denen die Schrift eingebettet ist, und wenn es darauf ankommt, dann ist es die Praxis der Kirche und nicht der Wortlaut der Schrift, die an dieser Stelle zum Ausdruck kommen.

Die Macht des Textes

Ein kleiner Hinweis noch, jetzt auf der anderen Seite, auf die Macht des Textes, dass Sie die Spannung ein bisschen sehen. Ich habe einerseits dargestellt, es ist ja richtig, wenn es nicht Menschen die gibt, Schulen gibt, in der Zukunft liegende Initiativen gibt, die sich an den Erich Fried erinnern, die in einer Traditionslinie liegen, die der Erich Fried angestoßen hat, Wenn es das nicht gibt, verschwindet auch der Erich Fried. Das heißt, in einer Art und Weise ist – und das ist auch das Argument der Kirche, das Wort Christi wird realisiert und weiter getragen, durch die Entwicklung der Kirche – Erich Fried wird weiter getragen durch das, was er in der literarischen Öffentlichkeit inklusive der österreichischen Bildungslandschaft auslöst, und insofern gibt es ein Argument dafür zu sagen, dass das eine unerlässliche und vielleicht auch tonangebende Instanz ist, umzugehen mit dem was da stattfindet. Das ist die eine Geschichte.

Plagiat

Die zweite Geschichte ist aber die – und das ist jetzt die Rolle, die die Textualität spielt – der Kollege PW hat das, würde ich einmal vermuten, hinein geschrieben als Reaktion auf die Plagiatsfrage, als Reaktion darauf, dass ich Ihnen ein paar Hinweise darüber gegeben habe, dass es für unsere wissenschaftliche und Expertenkultur einen hohen Wichtigkeitsgrad hat, unterscheiden zu können zwischen Plagiat und Nicht-Plagiat, und ich habe Ihnen auch gesagt, dass es in einer oralen Tradition nicht wirklich Plagiatsprobleme gibt, kann es keine Plagiatsprobleme geben, weil es keinen Nachweis gibt davon, dass etwas zu einem bestimmten Zeitpunkt schon veröffentlicht worden ist. Dass es ein Plagiatsproblem geben kann, ist ein Indiz dafür, dass wir in unserem Umgang mit Texten etwas finden, eine Kapazität und eine Möglichkeit haben, die sich gegen die Gegenwärtigkeit und das, was wir gerade im Moment damit tun, stellt.

Und wenn Sie Guttenberg oder die Hahn-Diskussion nehmen, dann können Sie diese Sachen sozusagen auch als Events in dem Spannungsbereich von "ich hole mir jetzt einmal alles zusammen, was ich gerade finden kann und werfe das in ein Buch, also ich mach das große Schmetterlingsnetz im Internet, hol mir ein paar Sachen rein, schreib das in einem Zusammenhang, schreib drüber Dissertation, und das ist es dann". Und da ich über diese Art von Technik verfüge und mein Dissertationsvater über diese Technik noch nicht verfügt, ist es für ihn eine präsentische Geschichte. Der sieht das Plagiatsproblem überhaupt nicht, der kommt überhaupt nicht auf die Idee, dass ich das gemacht haben könnte, und damit hab ich Erfolg.

Das Bestehen auf Textualität, „ist da jetzt richtig zitiert?“, ist eine Bewegung gegen diesen Präsentismus, der uns alle auch ein bisschen erfüllt und bestimmt, gegen das „man kann mit Texten, was immer einem einfällt, machen". Also eine Rückbindung auf diese Form von Verlässlichkeit, und was jetzt hier in dem Leitbild auftritt ist zwar keine Frage des Plagiats, aber es ist durch die Rückwendung zum Text ein Korrektiv möglich. Die Möglichkeit eines Korrektivs, gegen die Verwendung von solchen Texten nach Belieben.

Insofern kann man sagen, da gibt es eine Gegenbewegung zu der platonischen Hilflosigkeit des Textes, es ist nicht so, dass die Texte ganz hilflos sind, sondern in dem Moment, in dem man Texte hat, kann man sich über die Auseinandersetzung über Texte auch beziehen, zurück auf diese Texte als etwas Gegebenes und kann darauf hinweisen, diesen Text hast du aber nicht richtig gelesen und nicht richtig verwendet und die Addition der beiden Zeilen hier macht natürlich erstens aus diesem Text etwas viel Tiefgehenderes und etwas Eindrucksvolleres als die obige Version, weil wenn man nur die obige Version liest, dann ist das ein allgemeines Statement von der Art und Weise „wir werden nur bleiben, wenn wir uns verändern, ich bin konservativ, weil ich bin der Auffassung, dass man sich anpassen, dass man sich verändern muss, wenn man wirklich möchte, dass es so bleibt wie es ist“. In diesen Bereich geht das. Es ist also eine Antwort auf diese Konservativität, über die man reden kann.

Hier wird das aber in dem Zusammenhang der nuklearen Eskalation im Sinne der nuklearen Aufrüstung gestellt und enthält eine ganz scharfe Diskrepanz zwischen dem, was ich vorher gesagt hab, weil dieses „wer will , dass die Welt so bleibt" interpretiert wird als beibehalten des Status quo, und das allein reicht nicht, sondern der Status quo ist die Aufrüstung. das heißt, wer will, dass wir den gegenwärtigen Zustand, der ein Zustand des sich aufstufenden, des gallopierenden und sich gegenseitig aufschaukelnden Wettrüstens ist, das ist der Zustand. Der Zustand, den wir haben, ist der Zustand dessen, dass wir auf die Katastrophe zusteuern. Der Status quo ist die Näherung an die nukleare Katastrophe, und dieser Status quo muss unterbunden werden, und das heißt an der Stelle Abrüstung und Pazifismus. Das weiß man ja, dass Erich Fried dafür steht. Und es ist der Schule offensichtlich unbequem, den vollkommenem Sinn der hier zitierten Stelle in das Leitbild mit hinein zu nehmen. Und an dem Drama, dass der Titel da nicht hinein genommen wird zeigt sich, dass das, was die Schule mit dem Text gemacht hat, eine sehr beschränkte und selbstbezogene, den Erich Fried nur ausnützende Position ist. Diese Erkenntnis ergibt sich durch den Rückgang zum Text.

Mündlichkeit und Schriftlichkeit im christlichen Kontext

Die Sachen wollte ich Ihnen ein bisschen als Modell zum Anschauen und Nachdenken vorstellen und die Anwendung davon, da komme ich jetzt tatsächlich zu dem christlichen Bereich, diese Anwendung sieht im Prinzip so aus, dass man in den Beiträgen, von denen ich Ihnen zwei zur Verfügung gestellt habe aus dem Semeia, aus einem Sammelband einer Zeitschrift über Mündlichkeit und Schriftlichkeit im christlichen Kontext der Antike, dass dabei folgende Beobachtung zu Grunde gelegt wird: es wird gesagt, wir haben in der Bibelwissenschaft, also in der exegetischen Analyse der Schriften des Neuen Testaments, die uns überliefert sind, seit dem 19. Jahrhundert eine sogenannte historisch kritische Zugangsweise zu dem Bibelstoff, zu dem was da alles drinnen steht. Und diese historisch kritische Zugangsweise setzt sich ab von dem, was die christliche Praxis normalerweise ist. Da haben die christliche Praxis und die historische Bibelwissenschaft jetzt in einem Spannungsverhältnis.

Unkritische Zugangsweise

Vermutlich werden Sie nicht so früh aufstehen, aber wenn Sie manchmal "Gedanken für den Tag" hören, um 5 vor 7, oder zumindest wissen worum es da geht, können Sie sich immer wieder einmal anhören, und ich finde es ist jedes Mal wieder eine Erinnerung die mich irgendwie betrifft, wie Sprecherinnen und Sprecher aus einem christlichem Zusammenhang oder aber auch einem muslimischen und einem jüdischen Zusammenhang von bestimmten Geschichten erzählen, so wie wenn das einfach Storys wären, die statt gefunden haben und über die man jetzt etwas sagt. Also warum hat Gott zu Lazarus gesagt, steh aus und komm aus dem Grab heraus, was hat Jesus gesagt, nach dem er hunderttausende Leute gespeist hat durch die Vermehrung einer kleinen Anzahl von Fischen. Diese Art und Weise, damit umzugehen, als ob das Storys wären, die wir damit vergleichen können, dass ich sage, gestern war ich am Donauinselfest und dort habe ich das und das gehört. Diese Form von unkritischen, und im Sinne der Traditionsüberlieferung fundierten Zusammenhang – ich steuere zu, zu dem Thema, es hat ein Ereignis gegeben und das Ereignis hat Spuren hinterlassen, hat Wellen geschlagen, wie man sagt, und die katholischen Kirchen, die christlichen Kirchen, auch der Islam gehören zu den Wellen, die bestimmte Ereignisse geschlagen haben und in dieser Wellenbewegung der Ereignisse gibt es die Storys von der Brotvermehrung, von der Himmelfahrt, die uns bald wieder in Erinnerung gerufen wird, alle diese Dinge. Und die christliche Argumentation, die an der Stelle eine Rolle spielt, ist zu sagen, wir haben das im Neuen Testament niedergeschrieben, ins Neue Testament ist es gekommen als Bericht von etwas, das stattgefunden hat und wir im Christentum sind jetzt eine Buchreligion, die sich darauf bezieht, was in dem Buch steht, was stattgefunden hat und was wir noch immer mit unserem Glauben, mit unserem Leben fortsetzen.

Das ist das Ensemble der ganzen Geschichte, in dem gelebte christliche Praxis sich noch immer aufhält. Das geht jetzt nicht nur um die christliche Praxis, das geht, ich würde einmal vermuten über die Freimaurer oder andere. Der österreichische Staat funktioniert auch nach nichts anderem. Der US-amerikanische Staat funktioniert ebenfalls nach dem. Das sind diese großen Geschichten, wo Leute angeboten bekommen, einen Overview über in der Zeit sich entwickelnde Kontinuität durch Erzählformen und Dokumentationen. Ich nehme das Christentum hier zwar als ein hervorgehobenes, aber nicht das einzige Beispiel

Historisch kritische Methode

Ich bin jetzt bei der historisch kritischen Methode gewesen. Im Rahmen des zunehmend problematischer werdenden Status des Christentums im 19 Jahrhundert zusammen mit den altorientalischen Philologien ist man draufgekommen, das Texte, die aus dem Meder-, Perserreich aus Babylon kommen, Überlieferungen von Schriftquellen, Gilgamesh-Epos, die Literatur des alten Orients, die uns vorliegt, dass es da doch ganz interessante Parallelen gibt zu dem, was wir in er Volksschule lesen und lernen, als christliche Überlieferung. Das ist ein bisschen vergleichbar gewesen mit der Entdeckung von Darwin. Darwin ist draufgekommen, dass es evolutionäre Formen und Entwicklungen gibt, die parallel zu der Menschwerdung gelaufen sind, also die Nähe des Affen zu dem, was der Homo Sapiens gewesen ist. Wenn man sich ein bisschen in der Umgebung umschaut, eine Gegenbewegung gegen diese Privilegierung, der menschliche Geist als was einzigartiges das sozusagen separat auf die Erde gekommen ist. Man kommt drauf, dass evolutionstheoretisch gesprochen der Mensch ein Teil eines komplexeren Entwicklungsprozesses ist. Und auf dieselbe Art und Weise ist mit den altorientalischen Philologien eine Aufmerksamkeit erzeugt worden, darauf dass es schriftliche Quellen gibt, aus ungefähr der Zeit, vorher – nachher, und das diese schriftlichen Quellen Momente enthalten, die wir wenn wir es nicht aus dem christlichen Zusammenhang sehen, weil es die Bibel ist, klassifizieren als z.B. Wundererzählungen, oder als Analogiebildungen als Zusatzreflexionen.

Formen der christlichen Literatur

Nehmen wir einmal Wundererzählungen. Eigentümliche mythologische, mythologisierende Dinge, im Griechentum ist Ihnen die Mythologie sehr stark bekannt. Es finden sich im orientalischen Bereich auch solche Mythologien, und es findet sich ein ganzer Blumenstrauß von verschiedenen Textüberlieferungen und Formen der Textüberlieferung, wo man eben sagen kann, das ist zum Beispiel ein Gedicht, das sind Gedichtformen, das sind Gleichnisse, das sind Vortragsskizzen, das sind Storys von Wundern, solche Überlegungen sind entstanden und diese Überlegungen sind auch auf das Neue Testament angewendet worden, indem man nun plötzlich gesagt hat, es ist nicht so. Plötzlich nicht. Es gibt eine Vorgeschichte. Indem man es gesagt hat, wir schauen uns diese schriftlichen Überlieferungen einmal darauf hin an, welchen Formenreichtum es in diesen Berichten gibt, also manche sind einem ganz einfach vertraut, und Sie wissen sozusagen einfach nur vom vorübergehen, es gibt z.B Briefliteratur. Es gibt Sachen, die sind geschrieben worden an bestimmte Gemeinden. Es gibt die Apostelgeschichte, das ist offenbar ein Bericht. Es gibt Berichte über das Leben von Jesus, es gibt apokalyptische Literatur. Man kommt drauf, dass die schriftlichen Quellen sehr unterschiedlich sind.

Und jetzt kommt man – das ist meine besondere Pointe im Verweis auf das Schulmotto – aus dieser philologischen Tradition her, kommt man auf die Idee zu sagen, es müsste doch möglich sein, wenn wir diese Schriftmaterialien haben, zurück zu gehen zu dem Punkt , wo das Ganze ausgelöst worden ist, also zu Jesus zurück zu gehen und herauszufinden, was der wirklich gesagt hat, so ähnlich, wie man in einem Streit um das Erich-Fried-Zitat sagen kann, der eine sagt, das ist aber ein entstellter Text, der Text ist zerstückelt, und die Schulleitung sagt, nein. nein, das ist schon Erich Fried. Wenn man das hat, dann kann man zurückgehen und kann sagen, ok, dort steht es das erste Mal. Hier kann es sich jeder anschauen. Das ist ein Effekt der Textwissenschaft, den wir hier haben, das will ich speziell sagen, dass wir eine Textwissenschaft haben, führt uns dazu, dass wir der Auffassung sind, wir können herausfinden, was da am Anfang gewesen ist. Am Anfang war dieses Gedicht. Das hat so ausgeschaut. Am Anfang war – und das ist jetzt der Punkt, an dem die christliche Medienwissenschaft einsetzt in dem Zusammenhang. Es wird das Folgende gesagt: die Textkritik des vergangenen Jahrhunderts hat so getan, als könnten wir zurück extrapolieren, was Christus wirklich gesagt hat, weil wir das aus den Texten heraus extrahieren können. Wir werfen das alles weg, was er nicht gesagt hat, weil es zu anderen literarischen Genera gehört, weil die Überlieferung nicht richtig ist, oder sowas Ähnliches. Aus dieser Textüberlieferung filtern wir heraus, was die ursprünglichen Textbestandteile waren. Dann gehen wir davon aus, dass diese frühesten und unverfälschten und nicht ausgeschmückten Textbestandteile in einem direkten Zusammenhang mit dem Wirken Jesu entstanden sind und – das war der Ausdruck der hundert Jahre lang auch wirklich normal praktiziert worden ist – dann haben wir etwas, das nennt sich Ipsissima Vox. Das heißt, was Jesus gesagt hat, finden wir heraus, durch diese Extrapolation. Weil es zwischen dem was die Person Jesus gesagt hat und dem was überliefert worden ist. vermittelt durch unsere wissenschaftliche Tätigkeit eine entsprechende direkte Kausalität gibt, wobei man dazu sagen muss, dass sich die Vorstellung in etwa so beschreiben lässt, als ob da jemand dabei gestanden wäre und mitgeschrieben hätte. Die ursprünglichen Transkripts wollen wir herausfinden.

Was ist wirklich passiert

Abgesehen von den vielen Überlagerungen, und diese Transkripts, wenn wir die hätten, dann sind wir auf historisch festen Boden indem wir sagen können, was Christus wirklich gemacht hat. Und meine Story mit Abbottabad und Fukoshima und jetzt hier auch und in Verbindung mit dem, was die medientheoretisch ausgerichteten Exegeten sagen, meine Story ist jetzt die, zu sagen, das ist das falsche Muster im Umgang mit solchen Ereignissen, die zunächst einmal keine Schriftereignisse sind. Wir sind quasi verblendet, ungünstig beeinflusst von diesem Schriftparadigma, dass es uns gestattet hier eine Eindeutigkeit festzulegen, indem wir uns vorstellen, was es in Fukoshima gegeben hat ist eine eindeutige Geschichte und diese eindeutige Geschichte muss man jetzt herausfinden, damit man durch alle diese verschiedenen Stimmen, die es gibt, hindurch gehen kann und zu dem kommt, was dort wirklich passiert ist.

In dem Moment indem man Ereignisse hat, die nicht darin bestehen, dass jemand etwas hingeschrieben hat, sind wir damit konfrontiert, dass das, was wirklich passiert ist, eine Frage ist, die sich so direkt nicht stellen lässt und sie können in dem, was ich jetzt sage, ein Echo von dem hören, was ich Ihnen über Platon und die Ideenlehre gesagt habe, weil die Geschichten vom Sessel, die ich das letzte Mal beschrieben habe, haben ja eine platonisch gesehen ähnliche Färbung. Das ist nicht die Frage „was ist wirklich passiert?", sondern die Frage, „was ist wirklich ein Sessel?" „Was ist denn wirklich ein Sessel?" als Frage nach dem Wesen des Sessels haben wir gesehen, ist verbunden mit dem Eidos, mit der Ideenlehren, mit einer Form von Idealität und Transempirizität, die es gibt seit es Schrift gibt, wenn man dem Havelock glauben kann, dass der Zusammenhang ist und im Zusammenhang mit historischen Events, was ist wirklich passiert, funktioniert so etwas ähnliches. Das ist eine Idealisierung von Ereignissen in der Zeit auf der Basis davon, dass wir eine relativ gute Praxis und Kenntnis davon haben, dass wir Ereignisse in der Zeit segmentieren können, fixieren können, indem wir sie niederschreiben, oder auch in weiterer Folge fotografieren und so was ähnliches können.

Walter Ong

Um hier jetzt überzugehen zu dem nächsten Punkt, den ich ansprechen möchte: von Walter Ong gibt es dieses Zitat, dass ich glaube, das wirklich sehr eindrucksvoll ist, ich hab von der Sache schon einmal darauf hingewiesen, ich sag es Ihnen noch einmal: „Sound exists only when it is going out of existence.“ Also, wenn ich da stehe gibt es meinen Anblick auch ohne, dass ich etwas sage. Die Sichtbarkeit ist eine Dimension, die eine Permanenz und eine Stabilität hat, also diesen Raum z.B gibt es, ob jemand drinnen ist oder nicht. Auch um 24 Uhr in der Nacht gibt es diesen Raum, auch zum ansehen. Wenn sie dort hinkommen, wenn sie eine Kamera haben, sehen Sie das. Aber eine Stimme in diesem Raum gibt es nur so lange diese Stimme spricht. Diese Stimme ist auf der einen Seite und gerade deswegen so, weil in dem Moment, in dem die Stimme aufhört, ist nichts mehr da. Im Rückschluss heißt das, solange diese Stimme spricht, ist Gegenwart.Von der Seite der Stimme her ist die Präsenz der Stimme, die Produktion von Lauten uns von Worten immer up to date, muss ständig präsent und vorhanden sein, und in dem Moment, in dem ...(Schweigen)... ist nichts mehr da. Es bricht sozusagen alles zusammen obwohl ich noch da stehe. Vielleicht wollen Sie was sagen? Wenn nicht, mache ich jetzt mit Walter Ong weiter, wie eben letztes mal schon angesprochen.

Orality and literacy

Das ist die neueste Auflage, es ist schon früher geschrieben worden. Da macht er jetzt auf mehrere Punkte aufmerksam, die ich Ihnen vor Augen führen möchte. Das eine ist diese Form von ständiger Präsenz, das werden wir übrigens sehr wichtig brauchen. Ich habe sozusagen vorgearbeitet bis zu dem Punkt, damit Sie wissen, in welche Richtung das geht, wenn Sie sich die Texte anschauen, die jetzt schon da sind. Ich habe vorgearbeitet, über den christlichen Bereich weiter werde ich dann über Dekonstruktion und über Derrida sprechen, über die Form wie heutzutage über diese Schriftlichkeit und Mündlichkeit aktueller gesprochen wird, und der Einstieg den Derrida in die Dekonstruktion nimmt – das muss ich Ihnen dann extra erzählen, worum es dabei geht – ist genau bei dieser lebendigen Gegenwertigkeit der Stimme, also das ist nicht nur Vergangenheit, sondern das ist auch gegenwärtig praktizierte Philosophie, auf die wir dann bald stoßen werden. Die erste Sache hat mit dieser Präsenz zu tun. Das Zweite, was Ong an dieser Stelle sagt, ist, dass Stimmproduktion etwas einmaliges zu tun hat mit dem menschlichen Körper, mit der Tatsache, dass die Stimme aus dem Körper heraus produziert wird, anders als das Ansehen. Wie sie aussehen, das ist etwas, wie sie in der Welt wahrgenommen werden. Das sind Schatten, Konturen, Risse, Linien die Sie in der Welt ziehen, wo Sie sich unterscheiden von anderen solchen Figuren. Eine Figur im Raum ist etwas abgetrenntes von was anderem, so wie Sie hier sitzen. Machen Sie sich einmal klar, dass wenn Sie jetzt alle zu reden beginnen, dann haben wir ein Sound-Event.

Beispiel Chor

Die Wiener Festwochen beginnen mit einem Chorsingen, glaube ich. Was ist ein Chor, das muss man sich klarmachen, und das gehört ja zu den Faszinationsmomenten eines Chorgesanges. Da stehen fünfzig Frauen und Männer, Kinder, was weiß ich, jeder einzeln und jeder ist einzeln identifizierbar, dann öffnen sie den Mund, dann singen sie zusammen. Das ist eine Gemeinsamkeit von einer Art und Weise die schlicht und einfach nicht zu haben ist durch sehen. Es gibt bestimmte Momente, wo das nachgestellt wird, Gesellschaftstanz ist ein schöner Punkt, wo man sagen kann, die Separatheit der Körper wird eingebunden in eine Gesamtheit der Inszenierung, das wäre sozusagen ein Chorgesang der Körper, aber dazu braucht man auf eine Art und Weise trotzdem einzelne Körper.

Beispiel Projektseminar

Ich habe Ihnen hier – mal schauen ob das funktioniert – das hat ein Kollege im Rahmen eines Seminars aufgenommen und hergestellt, auf das ich jetzt verweisen wollte wegen der Volkstanzgeschichte, weil es hier ganz gut herein passt. Das Seminar geht über das Institut für Philosophie filmen, also ein Projektseminar, und was wir dabei machen, ist so etwas ähnliches, also an bestimmten Stellen gibt es da eine Parallele in der Aufgabenstellung. Das Seminar ist Späteffekt im Fukoshima-Event, dass wir nämlich gesagt haben, es hat in Fukoshima etwas gegeben, und wir versuchen jetzt, die Wellen, die dieses Fikoshima-Event auf das Institut für Philoophie geworfen hat, ein bisschen zu registrieren. Wir haben mit Stenger und Böhler – das waren die beiden – und einer ganzen Reihe von anderen Leuten Videoaufnahmen gemacht, um einen Film zu drehen, der dokumentiert, wie das Event Fukoshima angekommen ist, am Institut für Philosophie, mit der Absicht ein bisschen was über das Institut für Philosophie mitzuteilen, und ein bisschen was darüber mitzuteilen, wie wir damit umgehen, was in Fukoshima passiert ist.

Und die Sache, die sich an der Stelle zeigt, das werden Sie unschwer sehen, ist, dass wir durch die Aufzeichnung von Stellungnahmen dazu natürlich die Vielfältigkeit und die Multiplizität der Späteffekte von Fukoshima unsererseits weiter vermehren, und dass wir jetzt vor der Frage stehen, wir wollen ja nicht einfach ein Archiv anlegen darüber, was sich da – neun werden es dann wahrscheinlich sein – was sich neun Leute dazu gedacht haben, wir lassen da einfach die Kamera mitlaufen, dann legen wir es irgendwo hin, sondern wir wollen etwa daraus machen, wir wollen daraus etwas gestalten für bestimmte Zwecke. Und das heißt Editionsprozesse, und das heißt in dem speziellen Fall das Anlegen einer Filmlogik, die dann – das ist jetzt schriftlich, aber vergleichsweise ist es wohl eine Form von Verschriftlichung, also ein Drehbuch, ein Schnitt-für-Schnitt-Event, eine Mitteilung die über die Filmsprache kommt, und die eine Form von Verdokumentation von solchen verschiedenen Traditionslinien ist, das nur als kleiner Hinweis darauf, wo das herkommt. Warum ich es Ihnen gezeigt habe, ist, weil ich Ihnen zeigen wollte, natürlich können wir heutzutage mit visuellen Mitteln diese Form von ineinander gleiten von Figuren durchaus herstellen können. Das ist ein wunderschönes Beispiel dafür, wie man Figuren, wie man die Getrenntheit einer Videoaufnahme und die Separiertheit der Personen in ihrem Aussehen im Raum mit heutigen Mittel auch zusammen-morphen, gestalten kann. Aber obwohl das so ist und gerade weil das so schön ist, wird auch deutlich, dass niemals das sein kann, was passieren würde, wenn die Leute gleichzeitig reden. Wenn sie einstimmig reden, wenn sie sozusagen dasselbe reden oder auch wenn sie gegeneinander reden. Gerade wenn wenn man den negativen Fall nimmt. Es ist gut möglich, wenn die beiden laut genug gleichzeitig reden und was anderes reden, dann verstehen Sie nichts mehr. Und das besteht darin, weil das Medium der Mündlichkeit an der Stelle eine Konsistenz verlangt, eine Fusion verlangt, das Audio-Event, die Audio- Wellen konkurrieren sich auf eine Art und Weise, die müssen sich nicht konkurrieren, sie können sich auch gemeinsam verstärken und implementieren, aber sie können sich auch konkurrieren, und das heißt, das findet in seinem sensuellen Raum statt, indem eine Ganzheit naheliegt, vorgegeben wird, die sich, wie Sie in dem Bildmaterial sehen, auf diese Art und Weise nicht direkt herstellen lässt, wie man an dem schönen beiden Filmen sieht. Man kann im visuellen beide ungestört gestikulieren lassen, ohne dass sie sich gegenseitig im Gesicht herumfummeln. Das wäre ja irgendwie dasselbe, wenn beide unabhängig etwas sagen und die Töne sich auflösen, canceln sozusagen, so geht es nicht im Zusammenhang mit den Gestalten. Die kann man gegenseitig nehmen.

Das ist mein Kommentar zu dem Thema, das Ong hier anspricht, nämlich

"[...] vision, the dissecting sense, sound is thus a unifying sense. A typical visual ideal is clarity and distinctness, a taking apart. The auditory ideal, by contrast, is harmony, a putting together."

Indem man sagt, die Gesprochenheit des Wortes, also dass jemand etwas sagt, hat etwas zu tun im originalen Sinn mit dem Inneren einer Person, mit einer persönlichen Produktion. Diese persönliche Produktion macht es, dass die frühen religiösen Konzeptionen oraler Kulturen so aussehen.

„For oral cultures, the cosmos is an ongoing event with man at its center.“

Sehsinn – Hörsinn

Also Sie können auf einfache Art und Weise auch so sehen. Der Sehsinn ist um vieles weiter nach aussen gerichtet, also von der Distanz her können Sie, wenn das Wetter gut ist, den Schneeberg sehen von Wien, wenn Sie wo oben stehen, aber Sie können einfach nicht hören, was am Schneeberg gerade gesprochen wird. Das heißt, wenn Sie das zurücknehmen in eine frühe Zeit, in der es noch kein Mobiltelefon am Schneeberg gegeben hat, haben Sie eine Situation, wo Sie als Erschließung des Kosmos den Sternenhimmel und alle diese Dinge gehabt haben, es hat natürlich den Sinn ins Weite gegeben, aber dieser Sinn des ins Weite gehen war nicht die Sinn- bestimmende Instanz. Aus dem hat es sich nicht ergeben. Woraus sich ein Sinn ergeben hat, ist aus dem, was Menschen miteinander, sodass sie einander hören können, sagen. Darum auch Zentralität des Menschen. Jeder Mensch der spricht, ist auf eine Art und Weise für sich selber das Zentrum und für die Umgebung seiner Lebenswelt das Zentrum, wie er es in dem selbstverständlichen Sinn im Visuellen nicht ist und nicht sein kann.

Gemeinsamkeitsstiftung der Sprechfunktion

Daran schließt an, dass die Sprechfunktion, die Modalität des Sprechens auch eine Gemeinschaftsstiftung ist, die es im visuellen so nicht gibt. Es hat Ong da eine wunderschöne ethymologische Bemerkung diesbezüglich. Er weißt darauf hin, dass es das Wort „audience“ gibt, Zuhörerschaft. Und audience kommt vom hören natürlich, die die zuhören, die ZuhörerInnnen, und der Ausdruck der Leserschaft ist zwar parallel dazu gebildet, also LeserInnenschaft ist die Analogie zu dem was man beim gesprochenen Wort haben will. Ich rede jetzt noch immer vor den modernen Massenkommunikationsmittel, wo sich das alles noch einmal anders darstellt, aber er weißt darauf hin, dass – gehen wir sozusagen von der Situation vor broadcasting, vor Radio und Fernsehen und vor dem Internet aus – dass die Kompaktheit und die Gemeinschaftlichkeit, die dadurch entsteht, dass es Leute gibt, die mit zuhören, ein anderer Modus ist als derjenige Modus, der damit zu tun hat, dass es Leute gibt die etwas von mir lesen.

Leute die etwas von mir lesen, sind über Raum und Zeit verstreut auf eine Art und Weise, die schlicht und einfach in eine andere Dimension reicht, als die, die mich jetzt hören. Die, die mich jetzt hören, die müssen z.B. schon geboren, dürfen nicht schon gestorben sein, um etwas einfaches zu sagen. Die müssen mit mir eine Zeit in der Welt teilen. Und das ist einfach nach wie vor eine erstaunliche Geschichte, wenn man sich das überlegt, dass das beim Schreiben nicht der Fall ist.

Man muss sich vorstellen, es ist leicht, oder ganz schwer, sich vorzustellen, was wir tun würden, wenn wir von Leuten nur lauter Geschichten wüssten, und nicht, was sie geschrieben haben. Das ist ein Punkt, den ich immer wieder einmal mache, weil er sich an der Stelle so anbietet.

Das ist der Punkt, der hier eine Rolle spielt und die Bemerkung, die Ong diesbezüglich macht, ist auch, dass die Kraft des ausgesprochenen Wortes in einer Gemeinschaft natürlich eine sehr stark liturgische Funktion hat. Wenn man es im Christentum nimmt, dann ist es eben nicht so, dass gesagt wird und dass es praktiziert wird, dass man sagt, dann soll jeder bei sich zu Hause die Abendmahls-Worte nachlesen, weil die stehen ja da geschrieben, das ist mein Leib, zu jedem Sonntag um 9 Uhr soll jeder einmal die Bibel aufschlagen und soll die Worte des Abendmahls lesen, sondern, was stattdessen passiert ist, man kommt zusammen und man hat jemanden, einen Beauftragten, der vorspricht, der eine entsprechende Legitimation hat, und im Rahmen dieser Legitimation, die überhaupt nicht in der Bibel steht – das muss man sich ja klarmachen, in der Bibel ist der Bericht, davon – Christus hat das beim Abendmahl gesagt und dann hat er noch gesagt, tut desgleichen. Und das „Tut desgleichen" über 2000 Jahre hinweg besteht darin, dass die Leute sich zusammensammeln zu bestimmten Orten, zu bestimmten Zeiten, und jemanden haben, der das noch einmal sagt. Der sagt es, er liest es nicht vor, er kann das auswendig in dem speziellen Fall. Es wäre ein Witzeffekt wenn der Priester sich hinstellen würde, die Bibel hernehmen und das vorliest, dass das in der Bibel ist. Das ist genau nicht das, was passiert, sondern, was passiert ist, er belebt es neu. er macht es neu indem er es wieder sagt, indem er es wiederholt, indem er es noch einmal sagt. Und dieses Neu-machen geht einfach nicht dadurch, dass es geschrieben steht. Ich spitze es sozusagen ein bisschen zu, man könnte sich ja auch vorstellen, an der Stelle in der Liturgie gibt es ein Handout und der Priester gibt das Handout her und sagt, lest euch das einmal alles durch. Bitte, jetzt lest gleichzeitig alle dieses Ding.

Vom kognitiven Effekt her wäre es natürlich dasselbe, aber es wird jetzt deutlich, warum das nicht so stattfindet. Weil diese Art Wiederbelebung, wenn Sie so wollen, etwas zu tun hat mit dem Verständnis einer Gemeinde in einer geschichtlichen Situation. Wollen Sie dazu etwas sagen? Bemerkung aus dem Auditorium: … Unterschied zwischen Life-Event wenn eine Band spielt, habe ich ein anderes Erlebnis, als wenn ich eine Schallplatte höre. Life-Medium, wo ich nicht nur oral, sondern auch visuell erlebe....(unverständlich)

Life-Event

Ich stimme Ihnen vollkommen zu, das ist ein schöner Hinweis auch noch, beim man das Ganze Medientechnisch und gegenwärtig greifbarer machen kann. Ein Life-Event, sagen wir, bei einer Band, wenn Mick Jagger oder eine Led-Zeppelin-Revival-Tour oder was immer es gibt, Bob Dylan, der auftritt. Nun wissen wir mittler Weile wirklich genau, was Bob Dylan von 40 Jahren gesungen hat. Und Bob Dylan ist ein schönes Beispiel dafür – das ist schon eine zweite oder dritte Stufe, ich fange jetzt bei der zweiten oder dritten Stufe an. Bob Dylan ist ein schöne Beispiel davon, dass er sagt, glaubt nicht, dass ich tot bin. Ich bin so lebendig, dass ich das, was ich vor 40 Jahren gemacht habe, locker noch immer zerstören kann. Ich kann das vollständig ruinieren, und ich habe die Berechtigung dazu. Ich kann mich hinstellen und kann das alles kaputtmachen, was ihr da gelesen habt, im Sinne von aufgezeichnet habt. Ich mache euch das alles kaputt, weil ich noch immer lebe und dazu ein Verhältnis habe. Und die Leute gehen dazu hin, um diese Form von Lebendigkeit zu sehen, die nicht zu tun hat mit einem ...

Die andere Methode, die es ja auch gibt, man hat sozusagen eine Cover-Version, man hat Playback. Das wäre eine schöne Verbindung diesbezüglich. Es gibt natürlich Gesetzlichkeiten im Popbetrieb, im Medienbetrieb die so ausschauen, das man sagt, schöner als im Tonstudio kann ich das nicht aufnehmen. Alle diese Effekte kriege ich niemals hin, das heißt, was ich tue, ich nehme einfach den Sound vom Studio der fix und fertig ist, spiele ihn über die Lautsprecher und hample dazu, so als ob ich das jetzt singen würde.

Und das ist wirklich tot. Das ist tödlich, das ist ein schöner Hinweis darauf, wie Aufgezeichnetes ein Zeichen für Tod ist. Dazu kommen wir im nächsten Zusammenhang, im nächsten Beispiel von Ong werde ich noch etwas darüber reden von Aufzeichnung und Tod.

Und wenn man das im Hintergrund hat, dann kommt man in die Richtung, die Sie gesagt haben und die ich wirklich komplett unterstreichen würde, dass der Effekt des Wiedergebens, der Effekt eines Life-Auftritts – und dem Sinn ist auch der Priester ein Life-Event – besteht nicht darin, dass man das einfach wiederholt, sondern dass man das zum Leben erweckt, wie man so schön sagt, und dass das nicht leben würde, wenn es nicht so gemacht würde – und einen Punkt sage ich noch dazu: mit diesem Leben hängt noch ein weiterer Punkt zusammen. Das kann schief gehen.

Das kann auf eine Art und Weise schief gehen, wie es ein aufgezeichnetes Event nicht kann. Es kann natürlich das Playback zusammenbrechen aus technischen Gründen. Aber das Playback kann niemals heiser sein, es kann nicht indisponiert sein und es kann auch keine Sternstunde haben. Das geht nicht und von da her ist diese Art von Präsenz, die verbunden ist mit dem Scheitern, die verbunden ist jedes Mal neu mit ein bisschen Zittern, wird das jetzt gelingen, was ist das jetzt mit dem Lampenfieber. Das ist ein Punkt, der an der Stelle wirklich unterschieden ist und der ja auch ausgenützt wird. Das ist der Grund für die Life-Tournéen.

Bemerkungaus dem Auditorium:... dieses ewige Wiederholen des immer Gleichen ganz essentiell ist, also, man ist in der Messe und dann ist das ewig Repetitive, und das sagen sie, haben sie vor 40 Jahren auch schon gesagt. Das verändert sich halt langsam, aber es wird nicht passieren, dass jemand sagt, erbarme dich unser, und dann sagt plötzlich jemand was ganz anderes. Das ist eben die Schallplatte, die sich abspielt, und die Vorstellung, dass das dann besonders lebendig sei, finde ich also...ich weiß nicht. Das spielt sich doch eigentlich einfach ab.

Ok. Das ist ein guter Hinweis. Ich will auch darauf was sagen. Das eine Moment ist eben das, dass man alles kennt, was dort ist und dass man sagen könnte, in Wirklichkeit sind das alles aufgezogene Figuren. Die gehen dort hin, sagen ihr Sprücherl runter, gehen wieder nach Hause.

Beispiel Begräbnis

Ich verstehe das sehr gut, eine gähnende Langeweile darüber, dass diese Formeln da ständig neu und immer wieder runtergebetet werden. Begräbnisse, wenn man z.B. nimmt. Die wirklich schmerzhafte Wahrnehmung – ich weiß nicht, wie es Ihnen geht – dass wurscht was passiert, wurscht, welche Person da in dem Sarg liegt, immer wieder dieselben Formeln gemacht werden. Es gibt persönliche Worte, aber darüber hinaus, der Ritus ist immer wieder dasselbe, ganz egal, wer da ist. Das ist doch gedankenlos. Ich zumindest – ich nehme an, es wird bei Ihnen bei einigen auch so sein – stell mir schon vor, es müsste doch … also wenn diese Person einzigartig gewesen ist, verdient sie auch eine einzigartige Abschiedszeremonie, die genau nach dem abläuft, was sie gemacht hat, also macht man eine Videoshow, die die schönen Stufen des Lebens der Person zeigt, das haben wir ja mittlerweile alles, können wir tun und der Rest interessiert uns nicht so sehr. Die Antwort darauf ist, glaube ich schon die – und da rede ich sozusagen jetzt versuchsweise aus der Position eines Kirchen-Anhängers und eines Liturgie-Anhängers – damit kriegst du nie eine Liturgie hin und es ist auch einfach ein falscher Zugang, sich daran zu stoßen, dass in der Liturgie immer wieder die gleichen Formeln gesagt werden, weil die Pointe ist die, dass diese Formeln jedes Mal neu belebt werden. Das wäre, um es an dieser Stelle zu sagen, wenn der Bob Dylan singt, Times are a changing, dann ist es noch immer "Times are a changig". Das ist immer noch die selbe Formel, das sind immer noch dieselben Akkorde und der Effekt besteht darin, dass man sich mit diesen Wiederholungen in ein Verhältnis zur Vergangenheit setzt, das ist der Effekt der Erinnerung, der Effekt der Repetition. Man ist in einem Verhältnis zur Vergangenheit und dieses Verhältnis ist aber gleichzeitig eines, dass jedes Mal erneuert werden kann und das nur deswegen erneuert werden kann, weil es ein Verhältnis zur Vergangenheit ist. Ohne ohne das es ein Verhältnis zur Vergangenheit ist, kann es nicht erneuert werden, sondern ist sozusagen ein Single-Event.

Bemerkung aus dem Auditorium: Das geschieht eben dadurch nicht, dass alle wissen aus der Schrift, wie sie zu antworten haben, sondern weil sie es so gelernt haben,....

Logozentrismus

Den einen Punkt, und das ist mir wichtig, das heute noch rüberzubringen, weil das etwas ist, womit ich mich die nächsten Vorlesungen dann intensiver beschäftigen werde. Alle diese Dinge mit dem Life-Event, die wir jetzt gesagt haben, sind geradezu in einem paradigmatischen Kontrast zu dem, was Derrida sagt und was an vielen Stellen der postmodernen Diskussion stattfindet. Ich sage Ihnen das eine Schlagwort – Schlagwort habe ich es genannt, wenn Sie sich gefragt haben, wofür das Schlagwort steht in den Untertiteln – das Schlagwort heißt Logozentrismus. Also in der Logik dessen, was ich beschrieben habe, steckt drinnen, dass es möglich ist, nicht auf Grund der Formeln, die wir hier haben, sondern auf Grund der lebendigen Wiederbelebung, für die wir die Gegenwart und die Stimme brauchen, um einen Zugang auch zu kulturellen philosophischen zentralen metaphysischen Problemen zu haben. Und Derrida ist seit 1967, wo er die Grammatologie geschrieben hat – ich werde ein bisschen andere Texte dann beschreiben – dafür bekannt dass er gesagt hat, das ist ein großes Vorurteil der abendländischen Tradition, dass wir diese Art von Lebendigkeit brauche, dass an dieser Lebendigkeit letztlich alles hängt. Er hat Gründe dafür, die ich dann beschreiben werde, darauf hinzuweisen, dass das wonach wir uns richten sollten, in Wirklichkeit die Schrift ist. Das, was aufgeschriebene Systeme leisten, dass das etwas ist, was durch die Mündlichkeit nicht geleistet werden kann und dass unsere nach wie vor bestehende Faszination von der Mündlichkeit, die ich jetzt auch ein bisschen dargestellt und vertreten habe, dass das eigentlich ein Fehlweg ist, ein bisschen ein Verhängnis, etwas, das reformiert gehört durch eine Orientierung an der Schrift. Und die Situation mit dem Christentum ist an dieser Stelle eben auch wichtig, weil das Christentum eine Form hat, die zwar die Schriftlichkeit mit einbezieht, das ist eben die ganze Pointe der Buchreligion, aber diese Buchreligion – da waren wir jetzt gerade bei unserem Beispielen - in den Kontext einer Verlebendigung stellt, die das Lebendige Wort betrifft und dieses lebendige Wort ist gegenwärtig, das Wort, das jetzt in der Gemeinde ankommt und nicht das geschrieben Wort. Es gibt dann weiter unten in dem nächsten Text von Ong einen sehr schönen Hinweis, der das deutlich macht, wo er sagt: in der christlichen Theologie, der Sohn Gottes ist das Wort Gottes. Die Trinitätssituation, Gott Vater, Gott Sohn, Heiliger Geist. Am Anfang war das Wort. Das Wort war bei Gott. Christus wird im Johannes-Evangelium als der Logos bezeichnet. Dieses dynamische Verhältnis dessen, was in Gott passiert, was produziert wird, wird als Wort gesagt. und das ist der Punkt, dieses dynamische Verhältnis ist das gesprochene Wort. Es steht nirgends, es ist vollständig undenkbar zu sagen, Gott hat das Wort hingeschrieben und das war sein Sohn. Es ist ja genauso weit von Gott entfernt, dass Gott spricht als dass Gott schreibt, muss man sagen. Er kann sicher beides.

Lebenshauch

Aber in der gesamten religiösen Überlieferung kommt nicht vor, dass er sich hingesetzt hat und das Wort geschrieben hat. Er hat nicht geschrieben "Jesus", sondern was er gemacht hat, er hat es ausgesprochen und das ist in dem hebräischen Zusammenhang zu sehen von – das habe ich noch gar nicht angesprochen – Lebenshauch. Das ist eine Sache, die für die Stimme noch dazu kommt, in einer Art und Weise, die sich so ein bisschen überlagert, die zunächst nicht wirklich mit Sprache zu tun hat, die aber phänomänologisch sehr leicht parallel geführt werden kann. So wie es einen Lebenshauch gibt, dass der Atem des Menschen den Menschen begleitet, so lange er lebt und wenn er tot ist, dann atmet er nicht mehr, dann muss man auch sehen, dass mit Hilfe des Atems, mit Hilfe der Luft, die da produziert wird, durch die Luftröhre, dass durch diesen Atem die Stimme produziert wird und dass der Akt des Leben-einhauchens und der Akt des Sprechens ein benachbarter Akt ist. Das erklärt die Tatsache, dass das Wort Gottes ein ausgesprochenes Wort ist und von daher die abendländische Geschichte des Logozentrismus auch von Derrida sozusagen in das Licht gestellt wird und werden kann, einer jüdisch christlichen Tradition. Wogegen das Wort, das ein geschriebenes Wort ist, das eigentlich, kann man sagen, nicht jüdisch christlichen, schon auch aber, vorwiegend einmal christlichen Tradition insofern es der Sohn Gottes, der auf die Welt gekommen ist, das Wort, das Fleisch geworden ist, ein gesprochenes Wort ist, das im Christentum vorkommt, und man kann die Gegenbewegung die Derrida dazu macht, nämlich den Hinweis auf die Rolle des Geschriebenen, auf den wir noch näher eingehen werden, kann man auch in Beziehung sehen zu einem jüdisch traditionellen Zusammenhang, dass die hebräische Bibel, die Torra als etwas was als schriftliche Überlieferung festgehalten ist, als den Buchstaben, als ein Gesetz. Und Sie kennen vielleicht diese klassische Konfrontationssituation im ersten nachchristlichen Jahrhundert zwischen der Schriftgläubigkeit der jüdischen Tradition der Überlieferung der hebräischen Bibel und der Propaganda der Evangelien und des Paulus, die sagt, wir sind nicht orientiert an Schriften, die seit hunderten Jahren überliefert sind, sondern wir geben die Botschaft Christi weiter, der hier gewesen ist und zu uns geredet hat. Dieses Reden Christi in der christlichen Tradition, das parallel ist im Sprechen des Gottes auf dem Berg Sinai – auf dem Berg Sinai hat Gott auch zu Moses gesprochen, aber das was er da gesprochen hat ist nicht das Wichtige, was gesprochen ist, sondern was er gemacht hat ist, er hat ihm Gesetzestafeln gegeben. Er hat ihm in dieser Überlieferung etwas zum Niederschreiben gegeben. Die fünf Bücher Moses die ganz einfach als Textbestand vorhanden waren und auf der Basis dieses Textbestandes, der betrachtet worden ist als ursprünglicher Bestand, auf dieser Basis hat es den jüdischen Glauben als eine mündliche Auslegung des überlieferten Textbestandes gegeben, während das Christentum an der Stelle auftritt und sagt, ok, das sagt uns die Schrift. Ich aber sage euch – und dieses "ich aber sage euch" geschieht von jemandem, der an der Stelle auftritt, der verbürgt ist als Mensch, verbürgt ist mit Stimme, und der jetzt das overruled, was in den Schriften bisher gewesen ist und damit einen neue Art von Glaubenskonstellation herstellt. Ich sage das als Hintergrund, um Ihnen deutlich zu machen, dass der Akzent auf der Grammatologie, auf der Schriftlichkeit auch so eine polemisch Spitze gegen die Form von christlichen Life-Event ist, das in den Kirchen zum Beispiel jedes Mal neu stattfindet. Soviel für heute. Danke.