Lacan: Metapher und Genießen

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In den späte(re)n Arbeiten Lacans treten andere Begriffe in den Vordergrund, ohne dass bisher dominierende Konzepte damit verschwinden würden. Neben dem Körper (vgl. dazu Kadi 2006, Verhaeghe 1999, 2001) der nun deutlich mehr Aufmerksamkeit erhält, werden auch die letter, der Buchstabe, und das Genießen in besonderer Weise berücksichtigt.

Jouissance

Für das Folgende vgl. Evans (1998): Jouissance (und es ist vermutlich besser, den franzoesischen Ausdruck zu verwenden, weil dann nicht die bekannten alltagssprachlichen Konnotationen gleich alle aufsteigen) ist eine Übersetzung, die Lacan fuer das deutsche Wort Genuss verwendet (ein frueher Text aus den Dreissiger Jahren, den er in das Franzoesische uebernommen hat, belegt das).

Die ersten regelmaessigen Verwendungen des Wortes bei Lacan fallen in die frühen Fünfziger Jahre. Da ist die Übersetzung Genuss wiederum gut geeignet, den Kojeve- (bzw. Hegel-) Bezug des Ausdrucks zur Dialektik von Herr und Knecht anzuzeigen. Ab 1956 schwingt immer ein Moment von Orgasmus mit, wenn Lacan von jouissance spricht, und zwar insbesondere von masturbatorischem Orgasmus. Jouissance umfasst damit eine Konnotation von biologischer Befriedigung, von Bedürfnisstillen. Damit gerät es in Gegensatz zum Symbolischen. Diese Bedeutungsfacette schwingt bis in die späten Seminare in den Siebziger Jahren mit. Dazu kommt eine von Bataille übernommene Konnotation von "nicht kommunizierbarer mystischer Erfahrung", die später besonders bei der jouissance der Frau wichtig werden wird.

1958 gibt es eine Wende im Jouissance-Begriffsverstaendnis bei Lacan. Es ist nun vom Geniessen des Begehrens die Rede. Damit geraet die Jouissance aus dem Bannkreis des Biologischen und steht fuer etwas dem Masochismus Nahestehendes. Diese Linie verschiebt sich in der Folge noch etwas, weil Lacan sich fuer ein Begehren interessiert, dass das Geniessen, das es anstrebt, per definitionem nie erreicht. 1960 verliert die jouissance den positiven Charakter. Das Lustmoment wird angereichert um ein simultan vorhandenes Unlust- oder auch Schmerzmoment. Schmerz und Lust treten hierbei als package auf, anders als beim Masochismus, wo der Schmerz die Lust befoerdert. Diese Konnotation bleibt neben der allerersten Bedeutung von jouissance als befriedigender Genuss bestehen. Wobei die Mischung aus Lust und Schmerz, grob gesagt, als jouissance des Subjekts, der befriedigende Genuss als jouissance des Anderen (der darob vom Subjekt beneidet wird) firmiert. Ab dem Seminar ueber die Angst spricht Lacan von weiblicher jouissance. Es wird weiblicher von maennlicher jouissance unterschieden. Der Bezug zum Orgasmus schwingt dabei mit.

Eine weitere Schiene bildet die jouissance des Körpers. Hier geht Lacan von einer Substanz (sic!) aus, die den kindlichen Körper als ganzen umhüllt und die es in der Kastration aufzugeben gilt. Dieser Verzicht gelingt allerdings nicht vollstaendig, es bleibt (in Anlehnung an Marx) ein Überschuss, ein Mehr (surplus jouissance, plus de jouir), konzentriert in erogenen Zonen, in Keimen hysterischer Symptome. Die sind in analytischer Arbeit daher auch nicht aufzuloesen. Das sinthome (franz. fuer Symptom) gilt daher auch als Ort des Geniessens. Sprache und jouissance stehen einander hiermit eher gegenüber. Aber auch diese Dialektik ist teilweise aufgehoben und zwar im Konzept der lalangue, die als ein freies Flottieren von unverbundenen, bedeutungslosen mit jouissance aufgeladenen Signifikanten gedacht ist.


Letter

Vgl. für das Folgende Evans (1996): Unter "lettre" versteht Lacan in den 1950 Jahren den Träger, die materielle Basis der Sprache selbst. Der Buchstabe ist verbunden mit dem Realen. Der Buchstabe selbst ist bedeutungslos. Der Buchstabe ist das, was stets wiederkehrt und sich wiederholt, darin ähnlich dem, was wir zuletzt als den traumatischen Kern der Neurose beim Wolfsmann kennengelernt haben. Er erscheint in zahlreichen Verkleidungsformen. Der Buchstabe zirkuliert wie ein Brief, was im Französischen und Englischen deutlicher gemacht werden kann, weil lettre, letter Brief und Buchstabe bedeuten.

Die Rolle des Buchstaben im Ubw ist Grund dafür, dass es nicht um das Auffinden von Bedeutungen im Unbewussten geht, sondern um formale Aspekte. Der Text des Unbewussten muss buchstäblich genommen werden.



Lit.:

Evans, Dylan (1998), From Kantian Ethics to Mystical Experience: An Exploration of Jouissance, in Dany Nobus, Key Concepts of Lacanian Psychoanalysis. New York: Other Press 1998, 1-28.

Kadi, Ulrike (2006), Keine Frau, kein Körper, in: RISS 64/2006-3, 87-111.

Verhaeghe, Paul (1999), “Subject and Body. Lacan's struggle with the Real”, in: The Letter. Lacanian Perspectives on Psychoanalysis. Autumn 1999, 79-119, siehe dazu auch die etwas überarbeitete Form dieses Textes in ders., Beyond gender. From subject to drive. New York: Other Press 2001a, 65-97.

Verhaeghe, Paul (2001), “Mind your Body. Lacan's Answer to a Classical Deadlock”, in: Ders., Beyond Gender. From subject to drive. New York: Other Press 2001, 99-132, siehe dazu auch die überarbeitete Form desselben Textes mit dem Titel: “Lacan's Answer to the Classical Mind/Body Deadlock: Retracing Freud's Beyond”, in: Barnard, Suzanne, Bruce Fink (Hg.), Reading Seminar XX. Lacan's Major Work on Love, Knowledge, and Feminine Sexuality. Albany: State University of New York Press 2002, 109-139.



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