Kommentare zum Vortrag Puhl - MuD09 - Gruppe4 - 13.01.: Unterschied zwischen den Versionen

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Was mir noch gut gefallen hat, ist die Idee, dass es nicht nur der Geist ist, der Übung und Training, sondern auch der Körper will in seiner Leistung und Gesundheit gefördert werden. Auch wenn Platon oder Sokrates den Körper nur als lästiges Anhängsel betrachteten, denke ich doch, dass ein gesunder Körper der bessere Ort für einen gesunden Geist ist.
 
Was mir noch gut gefallen hat, ist die Idee, dass es nicht nur der Geist ist, der Übung und Training, sondern auch der Körper will in seiner Leistung und Gesundheit gefördert werden. Auch wenn Platon oder Sokrates den Körper nur als lästiges Anhängsel betrachteten, denke ich doch, dass ein gesunder Körper der bessere Ort für einen gesunden Geist ist.
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'''Thomas Karner:'''Philosophie in der Antike und auch in der Folge war immer schon direkt oder indirekt, bewusst oder unbewusst, meist mittelbar über die Ehtik; politisch- also das Leben des einzelnen und der Gemeinschaft beschreibend und damit beeinflussend. Da man das richtige Leben und Verhalten des Einzelnen nicht von einer Regelung oder zum Beschreibung der Gemeinschaft trennen kann muss die Philosophie wenn sie von ihren Erkenntnissen Konsequenzen auf das Verhalten der einzelnen zieht somit auch mittelbar politisch wirken.
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Was mir im Vortrag ganz besonders aufgefallen war, und darauf möchte ich nun einen genaueren Blick werfen, waren der Umbruch von der Antike zum Christentum der ja auch den Gedanken des Individualismus mit sich brachte. Während in der Antike das Glück des einzelnen untrennbar mit dem der Gemeinschaft verquickt war (für Aristoteles etwas ist die Polis c.s.q.n. Für ein gelungen-geglücktes Leben), ist heute des Individuum Zentrum des moralischen und juridischen Universums.
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Heute ist ein gekonnt-geglücktes Leben daher, nach der gängigen Meinung auch vielmehr eine „Verwirklichung“ aller individuellen Begehren, die, potentiell unbegrenzt und unendlich, nur zerknirscht und widerwillig ihre Grenze in der Schädigung anderer finden.
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Dieser Bruch, der in den nicht-Europäischen Kulturen nicht stattfand ist sicherlich auch zentral für die Frage wie und ob man an sich selbst arbeiten soll.
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Soll ich mich in eine Gemeinschaft einfügen, mich an einer höheren Ordnung ausrichten (egal welche genau das ist) oder will ich viel eher mein Ich „verwirklichen“.
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Freiheit von oder zu- das ist die Frage.
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Auch Nietzsche war wohl kein Nihilist sondern wollte, m.A. mit  dem Übermensch als selbstherrlichen Setzer der Normen den alten Gott ablösen (zum habe ich diesen Aspekt so bei ihm verstanden).
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Letztlich endet man IMMER in einer politischen Ordnung,  mit Polizei, Normen, Tabus, Kindererziehung und zähmenden, einschränkenden Elementen für das Individuum (unter verschiedenen Prämissen).
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Nur mit dem Unterschied, dass die Antike diese Gemeinschaft als göttlich, kosmisch und nur  Abweichungen davon als schlecht empfand- während wir unsere heutige Gesellschaft, diese als Kontrakt einzelner Menschen-Atome, die letztlich für diese nur weniger lästig als ein bellum omnia contra omnes ist.
  
  

Version vom 13. Januar 2010, 14:13 Uhr

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Hier bitte nur die Kommentare zum Vortrag von Klaus Puhl einfügen!

Für Überlegungen zum Vortrag von Esther Ramharter finden Sie einen eigenen Link in der Übersicht zum Übungstermin am 13.01.--Roland Lukesch 12:58, 16. Dez. 2009 (UTC)


Ramona Küchenmeister: Diese Vorlesung hat mir sehr gut gefallen, da ein unmittelbarer praktischer und auf den Menschen bezogener Zweig der Philosophie vorgestellt wurde. Die drei Kernfragen „Wie soll man leben?“, „Was soll man tun?“ und „Wie könnte man leben?“ zeigen deutlich die Neigung des Menschen, sich in seiner Lebensführung an Idealen zu orientieren, auf. Gleichzeitig ist es ebenso Aufgabe der Philosophie diese Ideale und den Weg dorthin zu formulieren.

Mich hat besonders der Aspekt des Seelenfriedens angesprochen. Befreit von Furcht, Gewissensbissen und mit sich und seiner Umwelt im Reinen stellt der Seelenfrieden einen idealen und erstrebenswerten Zustand dar, der auf der anderen Seite eine bestehende Moral voraussetzt.

Insgesamt zeigte die Vorlesung den Wert, praktischen Nutzen und vor allem die Notwendigkeit der Philosophie für das (tägliche) Leben auf, worüber ich mich sehr freue!


Julia Schindlbauer: Wie schon in einigen vorigen Kommentaren erwähnt wurde, ist auch für mich persönlich die antike Definition von Philosophie, die die mich ursprünglich und als erstes sehr ansprach und die der Grund ist aus dem ich mich für philosophie zu interessieren begann. Philosophie als Lebensweg und Lebenseinstellung ist für mich der grundlegende Gedanke, darauf basieren doch die theoretischen Konstrukte zum Beispiel in der Ethik, dass man sie im praktisch umsetzt, im alltäglichen Leben, nicht nur im philosophischen Werk. Mir gefällt auch der Vergleich des Philosophen mit einem Sportler sehr, es ist nicht die theoretische Arbeit die große Auswirkungen haben kann, sondern das praktische Exempel das man setzt. Es ist die Arbeit an sich selbst , die einen zu einem besseren Menschen macht, egal wie der Mensch selbst definiert ist oder wie das Gute definiert wird. Praktische Handlungen sind das was zählt. Auch in Bezug auf die Diskussion die wir über das Bild der Philosophie in der Gesellschaft hatten, ist anzumerken dassdie Philosophie in der Antike eine enorme Stellung hatte, weil die Menschen nachvollziehen konnten was die Philosophen zeigten, da sie es selbst vorlebten, während heute die Philosophie oft als lebensfremd abgestempelt wird, und vielleicht oft auch ist .

Viola Kleiser: Die Vorlesung von Puhl hat mir gefallen, auch deshalb weil ich mich persönlich sehr für die antike Philosophie interessiere. Besonders der Punkt der geistigen und körperlichen Übungen um ein kosmisches Bewusstsein zu erreichen hat mich angesprochen. Im Handout wird es auch als „Praxis, die auf das Denken und Wollen bezogen ist und auf das Trainieren, Abhärten, richtige Ernährung, Pflegen und Formen des Körpers“. Meiner Meinung nach ist das ein Aspekt, der heutzutage viel zu wenig zur Diskussion steht. Körperliche Ertüchtigung ist zwar gerade ein aktuelles Thema wenn es um den körperlichen Verfall der Kinder und Jugendlichen heute geht, wird aber viel zu wenig in Verbindung auch mit der geistigen Gesundheit gesetzt. Vielleicht kann man den Gedanken der antiken Philosophen nicht eins zu eins für eine Debatte über Sport heranziehen, dennoch denke ich, dass sie im Grunde völlig richtig liegen, wenn sie meinen, dass Training, Abhärtung und eine richtige Ernährung genau so zur Erreichung des Seelenfriedens beitragen.

Noch ein Punkt zum Vortrag: das Thema hat mir sehr gut gefallen, jedoch konnte ich gegen Ende der Vorlesung den „roten Faden“ nicht mehr finden. Zuletzt war es für mich schwer dem Vortrag folgen zu können, auch deshalb weil er etwas monoton gehalten wurde.

Elke Karpf:Ich beziehe mich auf die von Prof Puhl vorgetragenen Überlegungen von Platon:er bindet die Frage der Selbsterkenntnis an die Sorge um sich selbst - Platon hat sich bekanntlich ja nur auf die Seele konzentriert. Die Kenntnis des eigenen Körpers und der Umgang damit ist aber ein wichtiger Punkt der Selbstsorge. Körper-Geist-Seele ist definitiv eine Einheit, speziell auch wenn es um die Selbstsorge geht.Aristoteles hat da wirklich weiter gedacht als Platon. Außerdem kam Platons Gedanke des Strebens nach dem Guten auf. Was ist aber DAS Gute? Gibt es eine Übereinstimmung aller Menschen hinsichtlich des Guten? Ist das ein objektiver Begriff oder unterliegt er nicht so wie alles nicht der Subjektivität?Und wenn das Gute als Wahrheitssuche definiert wird, so wie es Platon gemacht hat, wenn ich in der VO richtig verstanden habe, stellt sich dasselbe Problem... was ist die Wahrheit? Wie kann ich nach etwas streben, oder etwas suchen, wenn ich nicht weiß, was. Außerdem: Ist Selbsterkenntnis überhaupt möglich? Das Selbst unterliegt ja ständigen Wandlungen. Heute ist die eine Charaktereigenschaft stärker ausgeprägt als morgen, jetzt habe ich andere Interessen, Anliegen und Bedürfnisse als später. Ist es nicht einfacher, Selbstbeobachtung anzustreben als Selbsterkenntnis? Oder einfach Selbstliebe?


Paula Unterwurzacher: Laut Spinoza gibt es überhaupt keine Sünde und keine Tugend bis auf die bürgerliche Ausformulierung einer Moral, die Taten als gut oder schlecht einstuft, die überhaupt nicht gut oder schlecht sein können. Nach Spinoza wäre die Philosophie der Antike also hauptsächlich unnütz bzw. schlecht. Dahingegen behauptete Platon, dass Normen sogar unabhängig von der Gesellschaft existieren würden. Ich finde Spinozas Gedankengang da schon eher einleuchtend denn von Natur aus gibt es Sünde gar nicht. Vergewaltigung kann es in der Natur nicht geben, da jedes Tier Fortpflanzung anstrebt, Mord geschieht nur, wenn man Hunger hat oder sein Leben verteidigen will, was nicht böse, sondern notwendig ist, damit man weiterhin besteht, etc. Erst als der Mensch Eigentum, Ehe usw. erfand, musste er die Moral miterfinden, denn sonst hätte ein System wie die Menschheit es sich stetig aufgebaut hat nie funktionieren können. Und je komplexer das Ganze wurde, desto mehr Tugenden und Sünden tauchten auf. Hielt man lügen und stehlen schon sehr früh für schlecht, so kamen Sünden wie Rassismus oder Sexismus erst viel später auf. Anfangs hielt man sich an die Bibel, bis heute sind noch unzählige (mitunter auch ungeschriebene) Gesetze dazu gekommen, die uns sagen, was gut und was böse ist. Doch da die Natur dem Menschen mit einem komplexeren Gehirn, Sprachwerkzeugen, usw. die Möglichkeit gegeben hat, uns so zu entfalten und entwickeln, hat Spinoza womöglich doch wieder Unrecht, denn so gesehen ist die Entwicklung des Menschens ein natürlicher Vorgang, der so auch notwendig die Entstehung einer Moral mit sich zog. Allerdings muss man dann auch Platon Unrecht geben, der behauptet, dass Normen ohne Menschen existieren können.


Koepp Laurent: Ich stimme Sartre in so weit zu, wenn er behauptet dass der Mensch seine eigene Freiheit ist. Allerdings ist der Mensch nur solange seine eigene Freiheit, wie es die Gesellschaft zulässt. Allein schon durch unsere Sprache und die Vokablen die wir benutzen sind wir eingeschränkt. Man kann nicht einfach ein neues Wort in die Runde schmeissen wenn es niemand versteht oder jemand es je gesehen hat. Auch unser Denken ist so gegliedert. Wir bekommen verschiedene Normen eingetrichtert die wir in jungen Jahren gar nicht fähig sind zu hinterfragen. Die Gesellschaft drückt uns durch die Sozialisierung ganz klar ein Art Leben auf. Wer sich in diese kausale Kette von Erziehung, Schule, Arbeit und so weiter nicht einfügen kann, bleibt auf der Strecke. Unsere Gesellschaft, damit meine ich die abendländische (aber in jeder Gesellschaft ist es gleich) verlangt von jedem Individuum sich anzupassen. Gewisse Freiheiten sind erlaubt, allerdings gibt es ausreichend Gesetze und allgemeine Reglungen, Normen, Sanktionen etc die uns davon abhalten zu tun was wir wollen. Dies ist natürlich nötig um eine Gemeinschaft von 6 Milliarden Menschen zusammen zu halten. Allerdings, durch unser demokratisches System, ist es immer die Mehrheit die bestimmt was man befolgen soll (auch wenn es im nachhinein die gewählten Repräsentanten sind, allerdings wurden auch die von einer Mehrheit gewählt). Dadurch entstehen Randgruppen, Minderheiten, die nicht weiter beachtet werden bis sie zum Problemfall werden. So ist der Mensch nur seine eigene Freiheit wie sie durch die Gesellschaft definiert wird. Ich schliesse mich Spinoza an wenn er behauptet dass man sich keine religiöser oder politischen Richtung verschreiben soll. Das was und woran man glaubt sollte nur durch den Verstand begründet werden. Schliesst man sich z.B einer politisch links oder rechts orientierten Partei an, akzeptiert man gewisse Grundwerte dieser Parteien die man nicht hinterfragt. Auch wenn man zu jeder Zeit jede Norm und Regel hinterfragen sollte. Dadurch gibt es keinen "freien" Menschen. Wir sind durch unser Umfeld begrenzt. Politisch, privat, auf der Arbeit. Überall muss man sich einfügen um die Harmonie zu wahren. Sollte nun jemand einen besseren Lebensstil finden als unser kapitalistisch ausgerichteter, dann wird er es schwer haben ihn durchzusetzen. Denn auch wenn es wünschenswert wäre dass jeder Mensch sich selbst als frei genug bezeichnen könnte, um seine Mitmenschen zu respektieren und niemanden anders zu behandeln als sich selbst, so ist dies nicht der Fall.

Frederick Tekook Lieber Simon, ein Vergleich ist ein Vergleich und man braucht ihn ja nicht all zu ernst zu nehmen. Wenn man den Athleten und den Philosophen dahingehend vergleicht, dass sie an sich selbst arbeiten (d.h. sich selbst erziehen bzw. trainieren bzw. ein Musiker muss Bewegungsabläufe üben etc.) müssen, finde ich den Vergleich durchaus angebracht. Denn das Streben nach einem Besseren (tugendhafter zu sein, schneller zu laufen, sauberer/schöner zu spielen...) ist immer mit viel Arbeit verbunden. Wenn Platon das sagt, dann zu einer Zeit, in der die Menschen mit Athleten mehr anfangen konnten also mit Philosophen, insofern ist der Vergleich schon in Ordnung, man muss ja zu bereits vorhandenem Wissen Bezüge herstellen. Tja, geglückte Lebensführung. Da würde ich gerne den Vortrag von Doktor Flatscher noch mal mit einbeziehen. Doktor Flatscher versuchte ja, unsere Augen dafür zu öffnen, dass Menschen nunmal unterschiedliche Wahrnehmungen haben und "Dinge als etwas" wahrnehmen. Könnte es mit Werten nicht ähnlich sein? Ist dann aber eine allgemein gültig "gute" Lebensführung überhaupt möglich? Insofern stimme ich hier sehr vielen Leuten, oder auch Nietzsche und Sartre, zu, dass ein Mensch sich seinen Weg hinaus aus der platonischen Höhle immer noch selbst erkämpfen, sich immer selbst den nächsten Trittstein suchen muss.


Simon Pötschko: Obzwar ich den gegenwärtigen deutschen Philosophen Peter Sloterdijk mehr oder weniger nur vom Namen her kenne und nichts Genaueres über sein Denken Bescheid weiß, wage ich es trotzdem zu behaupten, dass auch er in seinem Werk „Du musst dein Leben ändern“ die Übung des jeweiligen Individuums an sich selbst hervorhebt und ihr eine gewichtige Bedeutung verleiht. Wie wir im Vortrag des Prof. Klaus Puhl gehört haben, stand in der Antike die Übung des Individuums an sich selbst im Zentrum, sodass Platon sogar den Philosophen mit einem Athleten verglich. Ein Vergleich, welcher heute eher seltsam anmuten würde (?). Ein Begriff der mit der Übung des Einzelnen an sich in Verbindung steht und mir, nicht nur im Zusammenhang mit dieser Vorlesung sondern mit der gesamten Philosophie durchaus wichtig erscheint, ist der der Selbstsorge. Die Sorge um einen selbst. Man darf diesen Begriff jetzt aber nicht als einen kollektiven philosophischen Aufruf zum Egoismus sehen und meinen dadurch würde jede Art von barbarischem Verhalten gerechtfertigt. Ich meine der zentrale Punkt ist der, dass sich die Sorge an etwas orientieren muss, dass das Individuum erlangen will bzw. es zu erlangen versucht. In diesem Zusammenhang überzeugt mich die Einstellung aus der Antike mehr, wo es noch galt sein Leben einem höheren Zweck, wie bei Platon ein Leben auf der Suche nach dem Guten oder bei Aristoteles ein Leben nach dem Geiste, zu richten und eine dementsprechende Linie zu verfolgen. Was mir persönlich in der Philosophie Nietzsches, die ebenfalls kurz genannt wurde, besonders gut gefällt, ist die Tatsache, dass der Einzelne nach dem Tod Gottes, der unteranderem den Verfall jeglicher Werte symbolisiert, darauf angewiesen ist seine eigenen Werte neu zu kreieren oder zumindest den Versuch zu wagen. Dies verlangt von einem mehr ab als es klingen mag. Überhaupt glaube ich, hat der Versuch eine wichtige Rolle in diesem Ganzen, das wir Leben nennen, die aber oftmals unterschätzt bzw. nicht eingesehen wird. Wenn Sartre sagt, der Mensch definiert sich durch seine Handlungen, so gilt auch der Versuch einer Handlung, ob er nun gelingen mag oder nicht, durchaus zu selbstdefinierenden Handlungen.


Fabian M. Kos: Stein des Anstoßes: Während Herr Wagi jeden Abend, nachdem er aus seinem schwarzen Firmenwagen entstiegen ist, mit pedanter Miene jene Steine wieder einsammelt, die sein Einfamilienhaus vom Spielplatz trennen, beim freudigen Treiben der Kinder allerdings täglich entrückt werden, sitzt Mareike am Flügel, um die letzten Töne von Chopins Marche funèbre zu interpretieren. Will sie doch den großen Konzertsaal unter Applaus verlassen. Gelegentlich blickt sie aus dem Fenster und erkennt wie sich Franz, mit Koffer und Rucksack bepackt, am Kieselklauber vorbeischlängelt. Letzte Woche, als sie gemeinsam bei ihr Tee tranken, meinte er noch: „Diesmal gen Osten“.

Die Kinder der Moderne im Hinblick auf den Gehalt eines guten Lebens determinieren zu wollen, scheint somit wahrhaftig obsolet und die Glückseligkeit bei Aristoteles, also das Gute für den Menschen, welche sich nur durch die Teilhabe am staatlichen Verband verwirkliche, fragwürdig. Dies ist exemplarisch für weitere Konzepte. Wenn wir etwa mit Platon davon ausgehen, dass die zentrale Aufgabe der Philosophie jene sei, die Frage nach dem Guten zu beantworten, sehen wir uns mit derselben fatalen Unvollständigkeit konfrontiert. Das gesuchte Glück solle sich durch Beständigkeit auszeichnen und allumfassend auftreten, wogegen das Leben, für sich, gerade durch das Auf und Ab, das Hin und Her und überdies noch durch die Endlichkeit gekennzeichnet ist. Es ergibt sich also offensichtlich ein, wohl eher unbefriedigendes, Spannungsverhältnis.

Wenn uns alles im Leben zuflöge, würde ich abschließend meinen, könnten Herr Wagi und Konsorten auch die Vorstellung des Epikur, also das Freisein des Einzelnen von jeglichen Leidenschaften, noch etwas ernster nehmen.


Björn Dade: "In seinem Leben spiegelte sich überall die wolkenlose Klarheit und erhabene Ruhe des vollendeten Weisen. Nüchtern, mit wenigem zufrieden, Herr seiner Leidenschaften, nie übermäßig traurig oder fröhlich, mild und wohlwollend, ein bewundernswerth reiner Karakter, hat er die Lehren seiner Philosophie auch im Leben getreulich befolgt." (Jakob Stern: Die Philosophie Spinoza's, Stuttgart: J. H. W. Dietz 1890, S. 17) In solch Charakterisierung des Spinoza klingt das antike Ideal noch an, die Begrifflichkeit, die Werte, die Einheit von Leben und Werk, und man vermeint eine Kontinuität des Arguments zugunsten des guten Lebens von der Antike schlechthin bis zum Ende des 19. Jhs. zu entdecken. Mit dem Umbruch in die Moderne kann aber der Pathos zwar noch reizvoll erscheinen, die Um- und Übersetzung in das eigene Leben hingegen will fragwürdig, wenn nicht u-topisch erscheinen. Pluralistisch-demokratische Gesellschaften wie die unsrige heute haben nicht mehr ein Gemeinsames, einen Wertekanon oder ein Sittenbild, demgemäß Individuum und Gesellschaft den ihnen je zugewiesenen Anker finden, das gemeinsame Narrativ als Klammer für die individuelle Biographie und den gesellschaftlichen Progrès ist gleichsam aufgelöst in eine Vielzahl alternierender, konkurrierender Lebensmodelle und Sittenbilder, welche in einem beständigen Diskurs stets aufs Neue in Ausgleich gebracht werden müssen, neu verhandelt, bestimmt, hinterfragt. Dem Philosophen ein Leitbild und Ideal bei die Hand zu geben, demgemäß er seinen Lebensweg beschreite, ist angesichts dieser steten gesellschaftlichen Umwälzung, einer gleichsam fortwährenden "schöpferischen Zerstörung" (um Schumpeters Bonmot in einen gesamtgesellschaftlichen Kontext zu plazieren), schwierig genug - wiewohl auch (trügerisch) reizvoll. Wie aber philosophische Praxis in solcher Lebensferne - denn solche ist dem Ideal des guten Lebens eigen - dann einer der philosophischen Disziplin weitestgehend entfremdeten Bevölkerung vermittelt und angetragen werden soll, darauf schweigt der nostalgische Reflex in seinem Sirenenruf nach dem guten Leben. Senecas Ideal der philosophischen Muße scheint auf in obigem Zitat, wie er sie in De brevitate vitae oder Vita beata charakterisiert. Ein Zitat aus De otio erweist dies Ideal aber schon als unverwirklicht in der Antike - wie kann es uns dann als Leitbild dienen, uns einzubringen in die Gesellschaft, in unserem Handeln das gute Leben voranzubringen und zu -tragen? "Wenn ich die Staaten [hier besser: Gesellschaften, BD] einzeln durchgehen will, werde ich keinen finden, der den Weisen oder den der Weise ertragen könnte. Wenn also jener Staat nicht gefunden wird, den wir uns vorstellen, beginnt die Muße für alle notwendig zu sein, weil es nirgends das gibt, was allein der Muße hätte vorgezogen werden können." (Seneca: De otio)


Camilo Del Valle Lattanzio:Der Vortrag von Dr. Puhl am Donnerstag war für grosse Interesse für mich, da ich die Philosophie nicht nur als eine Wissenschaft sehe, sondern auch als eine Art Lebensweg oder Lebenskunst. Ich finde es wirklich interessant, wie er die Auffassung Nietzsches vom Tod des Gottes erklärt hat. Ich hab gemerkt, dass die Philosophie in diesem Fall als eine Religion ist, in dem man sich sein eigenes Schema oder Struktur des Lebens machen muss, da es kein Gott mehr gibt. Ich glaube, dass viele von uns nach dieser Weisheit streben, um unseres Leben nach einem besseren Weg führen zu können, und, wie bei Platon, nach den Ideen und dem Licht zu streben. Ich denke, dass wir als Menschen immer eine Art Schwindel (oder „der Ekel“ bei Sartre) erfähren, wenn man sich ohne Weg in seinem Leben befindet, oder, wenn man der Tod seines Gottes erfährt. Man muss eine neue Struktur finden, mit dem man dieser Ekel löschen kann, um sich sicherer in der Welt zu fühlen. Man muss ein Zweck finden, deswegen denke ich, dass der Philosoph dieser Zweck im Leben selbst findet, in dem er das Erkenntnis und die Weltanschauung als Lebensführung wählt. Der Philosoph will immer von den Ereignisen vom Leben aufmerksam bleiben, um seine Rolle und sein Individuum zu erkennen. Ich finde diese Auffassung und diese Behandlung der Philosophie als sehr optimistisch, und denke, dass wenn man seine Beschäfftigung als etwas tranzsendentales erlebt, kann man sich (wie Platon sagt) zu dem Guten nähern, und deses Gute ist das, was uns diese Sicherheit gibt, wie eine Religion. Wir erreichen die Wahrheit in dem Guten (oder wir denken, dass wir es erreichen haben) und so fühlen wir uns sicher, weil wir an diesem Guten glauben, wie ein Gläubiger an Gott glaubt.


Dan Siserman: Meiner Einsicht nach die Fragen wie „Wie soll man leben? Was soll ich tun? Wie könnte unser Leben aussehen?“ sind nicht die Grundfragen der Philosophie. Sind vielleicht die Grundfragen unseres Lebens, aber nicht die Grundfragen der Philosophie. Denn die Philosophie beschäftigt sich auch mit Fragen die nich mit “das Menschlein, das in uns innewoht“ zu tun hat. Siehe z.B Bücher wie Platons Parmenides Aristotels Metaphysik, Thomas’ Summa Theolgiae, Spinozas Ethik Buch I, Hegels Wissenschaft der Logik, Russells Principia Mathematica oder Wittgensteins Tractatus. Also die größten Bücher der Menschheit haben nichts mit der Menschheit zu tun, und besonders mit ihrem willkürlichen Lebensweise. Diese sind niedrige Probleme, weil der Mensch weder der Ursprung noch das Ziel der Philosophie ist. Dieser Art übertriebene anthropozentrismus wurde von Sartre so ausgedrückt: „Wenn der Mensch nicht definierbar ist, so darum, weil er anfangs überhaupt nichts ist. Er wird erst in der weiteren Folge sein, und er wird so sein, wie er sich geschaffen haben wird. Also gibt es keine menschliche Natur, da es keinen Gott gibt, um sie zu entwerfen. Der Mensch ist lediglich so, wie er sich konzepiert ... Der Mensch ist nichts anders als wozu er sich macht. Es gibt kein anderes Universum als ein menschliches, das Universum der menschlichen Subjektivität. Die Existenz geht der Esenz voraus, so kann man nie durch Bezugnahme auf eine gegebene und feststehende menschliche Natur Erklärungen geben; anders gesagt, es gibt keine Vorausbestimmung mehr, der Mensch ist frei, der Mensch ist Freiheit„ (J.P.Sartre - Ist der Existentialismus ein Humanismus?). Und Merleau-Ponty sagte sogar dass die Natur des Mensches ist es, gar keine Natur zu haben. Aber alle diese Maxime steigen über die Grenzen der Sinnlosigkeit hinaus. Erstens, der Mensch kann sich selbst bestimmen aber kann sich selbst nicht über seine Selbstbestimmungsmöglichkeiten entscheiden. Der Mensch kann nicht bestimmen über das Sein welche seine Freiheit ermöglicht. Denn bevor ich die Freiheit hatte, mir selbst verschiedene Eigenschaften (Atributte) zu erteilen, war es mir ein Sein gegeben das auch die Freiheit inhaltete. Ich bin nicht ein Mensch weil ich frei bin, sondern ich bin frei weil ich bereits ein Mensch bin. An dieser Stelle hat Descartes in der dritten Mediation sicher besser erwidert: „Wäre ich unabhängig von allem anderen und Urheber meines Seins, so würde mir überhaupt nichts fehlen. Ich hätte mir alle Vollkommenheiten verliehen, von denen ich eine Vorstellung habe, und so wäre ich selbst Gott“ (Descartes – Dritte Meditation). Zweitens, der Mensch kann nicht anders als das werden, was ihm möglich ist es zu werden. Ich kann nicht ein Gott, eine Katze oder ein Stein werden. Meine Freiheit besteht darin das zu verwirklichen (aktualisieren) was in meiner Dasein schon als Potenzialität liegt. Die Existenz geht nicht der Essenz voraus, denn die Großartigkeit der Existenz besteht darin, so gut wie möglich die Potentialitäten der Essenz zu verwirklichen. Folgendermaßen hat sich dieser moderner Pseudohumanismus, wonach der Mensch existiert als Entwurf seiner selbst, nicht anders als einer ontologische Anarchismus und Utopismus erwiesen. Der Ursprung und Ziel der Philosophie ist also nicht der Mensch sondern das Sein das den Mensch einfasst und ihm die Essenz vorausbestimmt. Denn der Mensch bedeutet etwas nur insofern er an dieser Ursprung und Ziel teilnimmt. Und das Sein ist nicht anders als das oberste Prinzip aller Seienden und die Summe deren, was existiert oder vorhanden ist.


Gertrude Dvornikovich:Prof. Puhl hat in der VO vom 7.1.2010 über das Thema Selbstkunst und Selbstsorge, Philosophie als Lebenskunst von der Antike bis zur Neuzeit u.a. folgende Fragen aufgeworfen, und zwar die Fragen nach dem guten Leben. Wie soll man leben? Was soll man tun? Wie könnte man leben? Die Frage „Wie soll man leben?“ - Durch die Demokratisierung der Gesellschaft wird jeder als Einzelsubjekt vor Gott gesehen. Die Frage „Was soll man tun?“ - Zur wichtigsten Aufgabe wurden die Pflichten gegenüber der Gesellschaft und Gott. Der Mensch ist nur seine eigene Freiheit wie von der Gesellschaft vorgegeben bzw. bestimmt. Aus diesem Grund sehe ich, dass es keinen wirklich freien Menschen gibt. Wir sind durch unsere Umgebung beschränkt. Privat, in der Arbeitswelt und auch politisch werden wir Menschen mit gewissen Spielregeln konfrontiert und müssen uns daran orientieren, um ein „glückliches Leben“ führen zu können. Auch Nietzsche setzte sich im „Zarathustra“ mit der Frage „Wie könnte man leben?“ auseinander. Nur eine aktive Kraft schafft Neues. Eine reaktive Kraft begrenzt aktive Kräfte wie z.B. die Religion bezüglich ihrer Einschränkung auf Sexualität. Nietzsche kritisiert die Kirche, die die Sexualität funktionalisiert, kanalisiert, verbietet, bestraft, ein schlechtes Gewissen dem Menschen macht und verhindert. Es wird die Entfaltung der aktiven Kraft behindert. Nietzsche kritisiert jeglichen antiken Transzendenzbezug und postuliert den Tod Gottes.


Lucas Lang-Muhr:Zu aller erst bin ich dankbar, dass in dieser Vorlesung wieder die Brücke zwischen der Philosophie und dem Lebensweg jedes einzelnen Menschen geschlagen wurde. Für mich persönlich hatte die Philosophie schon immer den Wert eines stetigen Begleiters unseres Werdeganges. Die Ziele, die in der Antike angestrebt wurden, wie Seelenfrieden, innere Freiheit und ein kosmisches Bewusstsein besitzen eine zeitlose Gültigkeit und werden immer charakteristisch für den Menschen bleiben. Diese Aspekte erfordern die essentielle „Arbeit an einem selbst“ und eine Selbsterkenntnis. Hier zeigt sich, dass der Mensch seine exklusive Fähigkeit der Reflexion nutzen soll, um sich selbst als Teil eines großen Ganzen zu sehen. So eine kosmische Perspektive ist durchaus erstrebenswert, wenn auch nahezu unmöglich zu erreichen. Viele antike Philosophen sahen das Studium der theoretischen Disziplinen und der philosophischen Lehrmeinungen als Arbeit an einem selbst an. Ich würde diese Betrachtungsweise nur als eine Idealform ansehen, welche in der Praxis leider nicht notwendigerweise vorliegt. Hier erinnere ich an eine frühere Vorlesung, in der erwähnt wurde, dass das angeeignete Wissen verarbeitet werden muss, da es sich ansonsten nur um Scheinwissen handelt. Analog dazu ist die Lehre der zb. Ethik oder Philosophie nur dann Arbeit an einem selbst, wenn das gelernte auch verinnerlicht und reflektiert wird.

Astrid Barcza: Auch mich hat der kurze Exkurs zu Nietzsches aktiven und reaktiven Kräften in der Gesellschaft neugierig gemacht. Sie liegen (mit qualitativen Unterschieden) in Kombination vor – wie uns an einem Beispiel gezeigt wurde - und würden für Nietzsche die ersten beiden Fragen der Antike bzw. Moderne (Wie soll man leben? Was soll man tun?) dadurch grundlegend in Zweifel ziehen, da sie eine Leugnung des Selbst (des Individuums) seien. Wie oder zu welchem Grad das der Fall ist, lässt sich wahrscheinlich diskutieren. Ich hoffe, im zweiten Vortrag noch etwas mehr darüber zu erfahren, da Nietzsche sich mit seiner Metapher über den Tod Gottes auch zur dritten gestellten Frage (Wie könnte man leben?) nachhaltig positioniert hat.

Interessant an der antiken Auffassung fand ich die Ausrichtung an den Kontext des Handelns bzw. die Frage nach der Anpassung des Lebens an Strukturen. Ein Hinweis darauf ist für mich bereits in diesem SOLL impliziert. Die Änderung der Fragestellung in der Moderne stand wiederum mit der Fokussierung auf das Individuum in Zusammenhang, weshalb sich für mich schließen lässt, dass die Beantwortung dieser Fragen, wie die Formulierung selbst, eng mit den vorherrschenden Gegebenheiten (wie z.B. die Statusgesellschaft in der Antike) bzw. gesellschaftlichen Vorstellungen einhergeht. Insofern bin ich auch gespannt zu hören, ob und wie wir uns Aspekte der antiken Konzeption heute noch vorstellen können/dürfen.


Markus Werner: Ganz allgemein kann auch ich, so wie dies schon in den Kommentaren meiner KollegInnen herauszulesen war, mich mit der Idee der Philosophie als „Lebenskunst“ bzw. „Lebensweg“ sehr gut anfreunden. Allerdings muss gesagt werden, dass die Philosophie, als eigenständige Disziplin, diese „Kunst des guten, glücklichen Lebens“ nicht für sich alleine beanspruchen kann. Ein Mensch sollte, unabhängig von jeglicher Disziplin, Ideologie oder Doktrin zum „glücklichen und guten Leben“ bestrebt sein. Was natürlich nicht heißt, dass die Philosophie nicht als Anregung zu solch einem „Lebensziel“ sehr dienlich sein kann und sollte. Ich würde sogar so weit gehen, auch wenn nicht alle diese Meinung teilen werden, zu sagen, dass es als das primäre Ziel eines jeden Menschen und demnach auch des Philosophen gelten sollte, einen solchen Zustand des „glücklichen und guten Lebens“ anzustreben. Das einzige Problem, und deshalb wurde bei meiner bisherigen Ausführung auch mit so vielen Anführungsstrichen gearbeitet, ist die Definition solch schwammiger Begriffe wie eben z.B. „glücklich“ oder „gut“. Es gibt mit Gewissheit kaum solch schwer zu beschreibende Begriffe, wie z.B. die eben genannten. Und was ist nun tatsächlich so problematisch an der Definitionsfindung für solche Begriffe? Es kann einfach keine allgemein gültige Begriffserklärung gefunden werden, weil es sich hierbei um individuell unterschiedlich verstandene Eigenschaften, nach denen es sich im Leben zu streben lohnt, handelt. Deshalb halte ich auch den Versuch der Definitionsfindung, z.B. von „Glück“, für unvergleichlich unsinnig und hat, folgerichtig, meiner Meinung nach, auch nichts in der Philosophie, geschweige denn irgendeiner anderen wissenschaftlichen Disziplin, verloren. Aber von dieser ist auch gar nicht die Rede, die Rede ist von dem Erreichen des Zustandes eines Lebens dem diese Eigenschaften (glücklich und gut) zugeschrieben werden können. Und zum Erreichen eines Solchen… und dies kann nicht oft genug gesagt werden… sollte gerade die Philosophie anleitenden Charakter an den Tag legen.


Christian Oberegger :Ich glaube nicht, dass man eine so allgemeingültige “Formel“ für ein gelungenes Leben überhaupt aufstellen kann. Es spielen so viele verschiedene Faktoren eine Rolle, dass es wohl kaum möglich sei diese alle unter einen Hut zu bringen. Sehr wichtig im Bezug auf ein solch gelungenes Leben finde ich immer die Zeit in der man sich befindet. Denn gerade in dieser Zeit, in der wir uns befinden wird das Individuum sehr groß geschrieben, da man auf den ersten Blick sehr viel selbstständiger Leben kann als es früher war. Jedoch hat der Mensch gerade in der heutigen Zeit seine Gesellschaft am nötigsten.


David Bogner: Auch auf die Gefahr hin, meinen Standpunkt immer und immer wieder zu betonen (ich schaue in deine Richtung, mein die Gesellschaft für alles verantwortlich machender Freund): ich halte wenig von der scheinbaren Grundfrage in der Philosophie, nämlich der nach dem guten Leben. Das spiegelt aber auch nur meine Interessen wider, die viel eher bei banaleren Dingen liegen, wie dem aktuellen Spiegel Titelthema Google, der Konzern, der mehr über sie weiß als sie selbst. Trotzdem schadet es nicht, auch in anderen Bereichen zu lernen, und deshalb war die Vorlesung auch einigermaßen interessant, bis wir ganz zum Schluss kurz davor waren, auch noch über den Stuhlgang Marc Aurels bis ins Detail Bescheid zu wissen.

Von wem stammt die Erkenntnis, dass schon die Beobachtung den Gegenstand der Beobachtung verändert? Gilt auch für die Introspektion, finde ich.


Mathias Pöschko: Philosophie war für mich eigentlich schon immer maßgeblich Lebenskunst. Insofern kann ich mit dieser Art von Philo recht viel anfangen, und dementsprechend gut hat mir auch der klare, einfach gestaltete Vortrag von Klaus Puhl gefallen. Ein bisschen seltsam fand ich es, dass wir auf die Fragen nach dem Guten Leben eigentlich keine Antworten erhielten. Wir haben nicht darüber nachgedacht, was es nun wirklich heißt, gut zu leben. Das ist nun wirklich etwas seltsam. Hat Klaus Puhl darauf denn gar keine Antwort?

Der Spruch "Du musst dein Leben ändern!" als Titel eines Werks von Peter Sloterdijk ist ja in vorigen Kommentaren schon gefallen. Das passt hier wirklich gut dazu. Und es ist ein Zufall, dass ich gerade vor ein paar Tagen einen Zeitungsartikel über das Beten las, in dem auch davon gesprochen wurde. Darin aber kam die Lebensänderung nicht allzu gut weg; sie wurde da auch "Ego- Veredelung" und "Selbst- Optimierung" genannt. Und damit hatten die Autoren schon Recht. Zum einen, weil das etwas sehr Selbstsüchtiges hat, und zum anderen, weil' s einfach höllisch anstrengend ist, weil' s die Leute überfordert. Beim Beten hingegen läge nicht alles ausschließlich an dir- sondern auch an Gott(!).

Ein dermaßen wachsames Leben, wie Marc Aurel es führen wollte, halte ich eigentlich nicht für gesund. Sich andauernd selbst zu beobachen, jede einzelne Muskelfaser, jede Gefühlsregung, jede Tat, jeden Gedanken.. natürlich, in gewissem Maße betrieben kann das schon zu echter Erkenntnis führen, aber die Schattenseite wäre, dass man untätig wird und nur mehr schaut.

Und es ist auch die Frage, ob die Erkenntnis, zu der man so gelangt, nicht eine künstliche, unnatürliche ist, da man ja selbst erst bewusst- nämlich durch Übung- hervorruft, was man sich an sich ansieht. Zum Beispiel, wenn ich, wie von Plutarch empfohlen, gerade auf meinen Sessel setze, um zuhören zu lernen, und ebendas dann beobachte, ist das nicht ein bisschen sinnlos?

Dass Selbstsorge mit Selbsterkenntnis zusammenhängt, habe ich doch verstanden. Denn: Wer kann für sein Selbst sorgen, wenn er nicht weiß was es ist? Wenn er nicht weiß, was es braucht, wie es funktioniert, was es will, auch, inwieweit es tückisch ist? Oder: Wie will ich mich verändern, wenn ich nicht weiß, wer ich gerade jetzt bin (was mir eben nicht gefällt)? Beides ist unmöglich.


Thomas Karner: Lieber Lucas! Du sprichst mir aus der Seele! Auch ich bin der Ansicht - akademische Philosophie, schön und gut - dass wahre Philosophie nicht in unbedint in den schon so häufig erwähnten Elfenbeintürmen stattfindet. Nein, vielmehr bin ich der Ansicht, dass Philosophie und das tägliche Leben eines jenden einzlenen Menschen, so banal das auch klingen mag, untrennbar miteinander verbunden sind. Sie verdankt ihre Existenz dem Menschen, der, ob nun bewusst oder unbewusst, täglich nach Antworten im Sinne der kantschen Fragen: Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? sucht. Fragen, die schließlich in der Frage, was eigentlich der Mensch sei, münden. Der Mensch, welcher sich selbst, durch die Fähigkeit sich seiner Existenz bewusst zu sein, von der übrigen Natur entrückt, erfährt. Hineingeworfen, in eine Welt, in die der Mensch aber irgendwie doch nicht hienein zu passen scheint, ist er auf der Suche nach seinem Platz.

Was mir noch gut gefallen hat, ist die Idee, dass es nicht nur der Geist ist, der Übung und Training, sondern auch der Körper will in seiner Leistung und Gesundheit gefördert werden. Auch wenn Platon oder Sokrates den Körper nur als lästiges Anhängsel betrachteten, denke ich doch, dass ein gesunder Körper der bessere Ort für einen gesunden Geist ist.

Thomas Karner:Philosophie in der Antike und auch in der Folge war immer schon direkt oder indirekt, bewusst oder unbewusst, meist mittelbar über die Ehtik; politisch- also das Leben des einzelnen und der Gemeinschaft beschreibend und damit beeinflussend. Da man das richtige Leben und Verhalten des Einzelnen nicht von einer Regelung oder zum Beschreibung der Gemeinschaft trennen kann muss die Philosophie wenn sie von ihren Erkenntnissen Konsequenzen auf das Verhalten der einzelnen zieht somit auch mittelbar politisch wirken. Was mir im Vortrag ganz besonders aufgefallen war, und darauf möchte ich nun einen genaueren Blick werfen, waren der Umbruch von der Antike zum Christentum der ja auch den Gedanken des Individualismus mit sich brachte. Während in der Antike das Glück des einzelnen untrennbar mit dem der Gemeinschaft verquickt war (für Aristoteles etwas ist die Polis c.s.q.n. Für ein gelungen-geglücktes Leben), ist heute des Individuum Zentrum des moralischen und juridischen Universums. Heute ist ein gekonnt-geglücktes Leben daher, nach der gängigen Meinung auch vielmehr eine „Verwirklichung“ aller individuellen Begehren, die, potentiell unbegrenzt und unendlich, nur zerknirscht und widerwillig ihre Grenze in der Schädigung anderer finden. Dieser Bruch, der in den nicht-Europäischen Kulturen nicht stattfand ist sicherlich auch zentral für die Frage wie und ob man an sich selbst arbeiten soll. Soll ich mich in eine Gemeinschaft einfügen, mich an einer höheren Ordnung ausrichten (egal welche genau das ist) oder will ich viel eher mein Ich „verwirklichen“. Freiheit von oder zu- das ist die Frage. Auch Nietzsche war wohl kein Nihilist sondern wollte, m.A. mit dem Übermensch als selbstherrlichen Setzer der Normen den alten Gott ablösen (zum habe ich diesen Aspekt so bei ihm verstanden). Letztlich endet man IMMER in einer politischen Ordnung, mit Polizei, Normen, Tabus, Kindererziehung und zähmenden, einschränkenden Elementen für das Individuum (unter verschiedenen Prämissen). Nur mit dem Unterschied, dass die Antike diese Gemeinschaft als göttlich, kosmisch und nur Abweichungen davon als schlecht empfand- während wir unsere heutige Gesellschaft, diese als Kontrakt einzelner Menschen-Atome, die letztlich für diese nur weniger lästig als ein bellum omnia contra omnes ist.


Andreatta Benjamin Was ich zudem noch interessant fand, war, dass in der Antike Menschen, die nichts philosophisches geschrieben oder entdeckt haben, trotzdem als Philosophen galten, wenn sie ihr Leben nach einer bestimmten Philosophie lebten. Auch heute noch verwendet man das Wort Philosophie in manchen Kontexten wie Firmenphilosophie, welche nun ja keine philosophische Disziplin ist, welche sich auf Firmen spezialisiert. Und wenn man ein bisschen googelt, findet man Verwendungen wie „Wie funktioniert aber Abnehmen im Schlaf und welche Philosophie steckt dahinter?“ Hier stehen wir eigentlich wieder am Anfang des Semesters zusammen mit der Frage: Was ist Philosophie? Die Antwort die wir am in den ersten Vorlesung hörten waren immer ungefähr die gleichen: „Meine Auffassung von Philosophie ist....“ Die Frage, ob nun Philosophie Lebenskunst und Selbstsorge ist oder nicht, lässt sich allgemein denke ich nicht beantworten und ich denke, dass sich auch niemand so leicht überreden lässt.



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