Kommentare - MuD09 - Gruppe4 - 02.12.

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Zurück Katharina Baur: Nach dem Vortrag von Prof. Waibel beschäftigt mich vor allem der Gedanke, dass Lesen und somit Interpretation eines Textes eine subjektive Sache ist. Ich halte das für äußerst interessant, denn ich frage mich, ob es DIE Interpretation eines Textes überhaupt geben kann. Wenn man diesen Gedanken weiterdenkt stellt sich irgendwann die Frage, inwiefern und wie weit die Autorintention und die Leserintention auseinander klaffen können, was ja auch gefährlich sein kann. Wie uns die Geschichte gelehrt hat kann es katastrophale Konsequenzen haben, wenn Texte (mitunter natürlich auch absichtlich) falsch ausgelegt werden. (ich denke an Darwin, Nietzsche und die Nazis) Umso wichtiger finde ich den Austausch unter Lesenden durch das gesprochene Wort, auch wenn dieses flüchtig ist. (Wobei es heutzutage diese Flüchtigkeit nicht mehr in dem Ausmaß hat, da so ziemlich alles aufgezeichnet werden kann).

Zum Schluss wollte ich noch anmerken, dass die Interpretation zeitgenössischer Texte immer schwieriger werden könnte, da sich die englische Sprache auch als Sprache der Wissenschaft immer mehr durchsetzt. Wie ich einem Artikel im Standard entnommen habe geht das so weit, dass im englischsprachigen Raum Texte, die nicht in Englisch geschrieben wurden, teilweise einfach ignoriert oder abgelehnt werden. Nun ist es aber doch so, dass die meisten Menschen ihre Muttersprache naturgemäß am Besten beherrschen. Es wird also unausweichlich zu Fehlinterpretationen und Missverständnissen kommen. ---

Camilo Del Valle Lattanzio: Meiner Meinung nach war der Vortrag von Prof. Waibel von grösser Bedeutung, da er uns eine andere Sicht von dem Begriff der Philosophie vorgestellt hat, wenn man sie als ein Buchwissenschaft versteht. Diese Auffassung zeigt die Philosophie als eine Wissenschaft, die man mit ihrem eigenen Werkzeug (in diesem Fall die Lektüre) verstehen kann. Es ist nicht eine banale Sicht, sondern vielmehr eine philosophische Sicht, die sehr nützlich sein kann.

Wenn Man die Lektüre als ein Erkennen von philosophischen Systemen versteht, kann man die Form und Zweck der Philosophie auch erkennen, in dem man das systematische Lesen (und in diesem Sinn auch das systematische Schreiben) als Form und die Systeme als Zweck der Philosophie bezeichnet. Diese Form könnte man mit dem Forschen in einer anderen Wissenschaft vergleichen, sowie der Zweck als das wissenschaftliche Bauen von festen philosophieschen „Konstruktionen“ verstehen. Diese „Konstruktionen“ oder Systeme verstehe ich als selbständige Organismen, die in einer Entwicklung (oder Wachstum) sind und die sich immer mehr befestigen und die nach einer Wahrheit streben. Diese Idee kann man sehr gut mit der Definition von „System“ bekommen, die, nach meiner Meinung, eine sehr schöne und klare Verständnis der Struktur der Wissenschaft liefert.



Elke Karpf:Der elementare Beginn des Lesen Lernens vollzieht sich bereits im Kindergarten dadurch, dass man die Kinder daran gewöhnt, alle Montessoriübungen (Löffeln von Bohnen etc.), Handarbeiten, Konstruktionsspiele uvm. von links nach rechts und von oben nach unten auszuführen. Mit dieser Grundlage sind manche Kinder schon mit 4 Jahren in der sogenannten "sensiblen Phase" in der Lage, von selbst lesen zu lernen, sofern ihre natürliche Neugierde und Wißbegierde aufrecht ist. Geduld, Konzentration und Ausdauer sind weitere Fähigkeiten, die gefördert werden können, Fähigkeiten, die die meisten Erwachsenen kaum mit Lesen in Verbindung bringen. Die meisten Menschen lesen, um sich zu entspannen. Es ist bequemer, Texte zu überfliegen und sich oberflächlich zu informieren als sich mit einem Thema auseinanderzusetzen. Deswegen ist die Kronen Zeitung in Österreich auch beliebter als der Standard beispielsweise. Als Philosophiestudenten bringen wir jedoch die Bereitschaft mit, genau, ausdauernd und konzentriert anspruchsvolle Texte zu lesen, dennoch halte ich eine Einführung in die Terminologie der jeweiligen Autoren in den Kursen und Seminaren für wichtig, ebenso wie das Herausarbeiten der wichtigsten Punkte und Textstellen. So kann Lesen vermehrt ein kreativer Prozeß sein, der Denkanstöße liefert und die Perspektive erweitert. Fr. Dr. Waibel hat gemeint: man erfindet Texte, in dem man etwas in ihnen findet. - das wird in den Jahren meines Studiums passieren und darauf freue ich mich.



Markus Werner Ich denke was man retrospektiv (zurückschauend auf die Ursprünge der abendländischen Philosophie) nicht vergessen darf, ist, dass eigentlich der Diskurs in mündlicher Form, also die Rede, als Beginn der Philosophie (vor allem bei Sokrates) zu markieren ist. Erst durch Platon bekam die „geschriebene Philosophie“ die Bedeutung als quasi zeitloses, und dadurch für zukünftige Generationen wertvolles, Zeugnis über die Gedanken und Ideen früherer Zeiten. Obwohl hierbei anzumerken ist, dass der Beginn durch Platon, ein Beginn in dialogischer Form war. Soll heißen, dass die ersten geschriebenen philosophischen Werke in dialogischer Form (also den mündlichen Diskurs imitierend) verfasst wurden. Erst mit Aristoteles begann die Tradition des philosophischen Schreibens wie wir sie heute kennen und auch selber weitertragen. Das argumentativ-logisch erarbeitete Vorgehen auf dem Weg zu bestimmten Thesen und Überlegungen, welches ein logisches Verständnis, sowohl des Autors als auch des Lesers, bedingt ist heutzutage alltäglicher Standard in der Philosophie, wie aber auch in allen anderen, sich als wissenschaftlich fundiert verstehenden, Disziplinen unserer Kultur. Es darf aber dennoch niemals vergessen werden, dass alle jemals schriftlich überlieferten Gedanken (ganz unabhängig von dessen Autoren) der Gefahr ausgesetzt sind, vom Leser falsch verstanden und in weiterer Folge auch falsch wiedergegeben werden zu können. Eben diese Gefahr kann im Falle eines mündlichen Diskurses zumindest vermindert werden, weil nämlich die falsche Wiedergabe der Gedanken Anderer, von diesen, korrigiert werden können! Nun werden wir aber durch die schriftlichen Überlieferungen bereits verstorbener Autoren vor das Problem gestellt, dieses richtige Verständnis ihrer Texte beizubehalten und im Sinne der Autoren weiterzuführen. Wenn jedoch ein Leser das Geschriebene auf eine andere Art und Weise zu verstehen weiß, als von dessen Autor intendiert, ist denn dann diese Form der „falschen“ Interpretation nicht genauso akzeptierbar und vielleicht sogar als Befruchtungsmittel für den weiteren Diskurs von großer Bedeutung? Ich würde sagen im besten Fall könnte sogar neues Gedankengut aus solch einer „falschen“ Interpretation eines Textes hervorgehen. Genau in diesem Sinne habe ich auch das „falsche“ in meinen bisherigen Ausführungen über die Interpretation von Texten unter Anführungsstriche gesetzt. Weil mit dem Gedanken an Interpretation als individuelles Verständnis von Texten Anderer von so etwas wie richtig oder falsch gar nicht mehr die Rede sein kann.

Björn Dade: Die Lektüre eines Textes ist immer Rekonstruktion und Variation desselben; (1) Rekonstruktion des vom Autor Intendierten und (2) notwendig, da im Dialog mit dem Text unter bewußter oder unbewußter Zuhilfename anderer Texte, eine Variation des Intendierten. Gerade im Prozeß des Nachspürens einer Textintention liegt, unabhängig von der ästhetischen Qualität des Lesens, auch immer ein schöpferisches Moment - und zwar sowohl im Leseprozeß selbst als auch in der Erinnerung an das Gelesene, die ihrerseits nachfolgende Lektüren prägt. Nicolas Trublet blickt auf dieses Verhältnis von Lektüre und Gedächtnis, wenn er schreibt: "Une pensée que nous nous rappellons d'avoir lue, nous en fait quelquefois produire une autre toute différente & toute neuve. Quoique ces pensées n'ayent entr'elles aucun rapport, la première a été néanmois pour nous l'occasion de la seconde; & nous n'aurions jamais trouvé celle-ci, si nous ne nous étions pas ressouvenus de celle-là." (Trublet: Essais sur divers sujets de litterature et de morale, Paris: o.V. 1762, S. 6) Neben diesem das Lesen auf seine inhaltliche Wirkung hin betrachtenden Aspekt, unterstreicht Trublet aber auch den Lektüreprozeß selber als Schulung - und zwar Schulung zu denken: "Le profit qu'on tire de la lecture, ne consiste donc pas seulement à retenir ce qu'on a lu [...] La lecture, celle même des Livres les plus médiocres, étant une occasion de penser, donne de l'exercice à l'esprit." Hierbei tritt das Inhaltliche des Gedankens der Einübung des Denkens gegenüber zurück: "[O]n pourra oublier [les pensées] que la lecture avoit occasionnées, aussi-bien que celles des Livres mêmes; mais on aura toujours perfectionné en soi la faculté de penser, ce qui vaut beaucoup mieux que d'avoir retenu des pensées." (Trublet, op. cit., S. 2) Dieser Aspekt scheint mir für das philosophische Lesen, welches stets in ein Verhältnis sich setzt zum (historischen) Text, bedeutsam; denn es erinnert an das Kant'sche Diktum, der "Lehrling der Philosophie" lerne nicht Gedanken, sondern Denken, nicht Philosophie, sondern Philosophieren. "Der philosophieren lernen will, darf dagegen alle Systeme der Philosophie nur als Geschichte des Gebrauchs der Vernunft ansehen und als Objekte der Übung seines philosophischen Talents." (Kant: Logik - ein Handbuch zu Vorlesungen, Königsberg 1800) Somit vollzieht sich philosophisches Lesen in philosophiegeschichtlicher Lektüre als Einübung und Ausführung im Philosophieren.

Lucas Lang-Muhr: Der Punkt, der mich in der dieswöchigen Ringvorlesung am meisten zum Nachdenken angeregt hat war, dass es eigentlich keine Philosophiegeschichte gibt. Jede „Generation“, ja sogar jeder einzelne Leser, verfügt bei der Textlektüre über einen unterschiedlichen Hintergrund und interpretiert so den Text auf unterschiedliche Weise. Mir ist aufgefallen, dass gerade in der Philosophie reichlich Interpretationsspielraum vorhanden ist. Dies liegt mitunter an der „Undurchschaubarkeit“ mancher Texte (zB Wittgesteins Tractatus logico-philosophicus), aber auch an der Sprache selbst, in der die Bedeutung der Wörter nie vollständig definiert werden kann. So gesehen ist das geschriebene Wort doch nicht „in Stein gemeißelt“, denn Texte können sich im Verlauf der Zeit durch die verschiedenen Interpretationen immer wieder anpassen und zu neuen Denkanstößen führen. Eine in meinen Augen weitere besondere Eigenschaft philosophischer Texte ist ihre Aktualität. Eine 2000 Jahre alte mathematische Abhandlung würde glaube ich nicht so inspirierend sein wie zB. Aristoteles Schriften. Zum Schluss noch eine gewagte Hypothese: technische Texte verlieren ihre Aktualität relativ schnell, da sich die Technik ebenfalls schnell ändert; philosophische Texte verlieren ihren Bezug über einen längeren Zeitraum nicht, da sich der Mensch auch nur langsam verändert.


Wolfgang Krenn: Wie ich finde, hat Frau Prof. Waibel, ohne es zu wissen, an unsere letzte Diskussionsrunde angeknüpft sowie an eine Äußerung von Frau Prof. Nemeth, der in einer vorherigen Diskussionsrunde gefallen war. Zunächst zur Äußerung, die ich wahrscheinlich nicht exakt wiedergeben kann; „Zum Philosophiestudium gehört das Erarbeiten von Texten.“ Ich kann mich noch daran erinnern, dass dem Erarbeiten die Eigenschaften „mühsam“ und „schwierig“ angeheftet wurden, aber vielleicht handelt es sich dabei schon um einen Auslegungsversuch von mir.

Wie erarbeiten wir uns die Texte, natürlich, indem wir lesen. Hier setzt Frau Prof. Waibel ein und sie hat uns sogleich einen Einblick in die zukünftigen Tätigkeiten unseres Studiums präsentiert. Begriffe wie Autoren-, Leseintention, Terminologie, systematisches Verstehen haben dem Philosophiestudium eine ansehnliche Kontur verliehen.

Von hier aus möchte ich nun auf den anderen Punkt übergehen, den ich anfangs erwähnt habe. Letzte Diskussionsrunde haben wir mitunter darüber gesprochen, wie weit sich die Philosophie heutzutage von der, wie ich es jetzt kurzum nenne, Allgemeinheit entfernt habe. Ich erinnere mich daran, dass, ich glaube Simon, erwähnt wurde, Philosophen, die im universitären Alltag verwurzelt sind, publizieren Texte nicht mehr für die breite Masse, sondern nur mehr für Kollegen. Ihre Publikationen wurden als Briefe an Kollegen gewertet. Nun kann der mögliche Grund für dieses Phänomen, dass sich meines Erachtens nicht nur auf Philosophie bezieht, eben im Erarbeiten von Texte liegt. Bitte mich nicht misszuverstehen, ich bin nicht der Auffassung, dass das Einlesen und systematische Verstehen von Texten etwas Schlimmes bewirkt. Nur verführt es uns dazu, dass wir uns eben diesen, ich nenne es einmal, Sprachgebrauch aneignen, erweitern und ein Gemisch dessen selbst anwenden, was ich auch durchaus verständlich finde. Ich glaube ganz gewiss daran, dass sich jede/r von uns zumindest einmal während seines Studiums oder danach bei einer Situation ertappen wird, wo sie/er sich tief in der Materie verloren hat, mit einen Kollegen darüber plaudert und sich dann denkt, dass hätte von meinen nicht Philosophiestudentenfreunden niemand verstanden.

Wenn es anschließend jemand wirklich wichtig ist, sein erarbeitetes Wissen allgemein verständlich zu machen, muss er sich, wie auch schon erwähnt wurde, wieder von den antrainierten Begriffen lösen und eben dieses Wissen an die gebräuchliche Sprache angliedern. Hierzu hat Björn Peter Bieri erwähnt, der unter dem Pseudonym Pascal Mercier als Romancier tätig ist.

Ich finde beide Aspekte sind der Allgemeinheit dienlich. Die erstere Variante ist der breiten Massen nicht direkt zugänglich. Sie bedarf eine Studiums oder Texte dieser Variante werden vielleicht von einem anderen Philosophen aufgegriffen und allseits verständlich gemacht. Zweitere besteht ja darin verständlich zu sein.

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