Kommentare - MuD09 - Gruppe4 - 02.12.: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Michaela Zmaritz:'''
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Die Betrachtung des Lesens als umfassenden stufenweisen Prozess finde ich sehr erhellend und auch ermutigend. Durch die Erläuterungen ergeben sich für mich zusätzliche Aspekte in der zukünftigen Arbeit mit philosophischen Texten, was für jeden Studienanfänger eine große Herausforderung darstellt. Ich verstand das Ziel der Vorlesung so, dass Fr. Prof. Waibel uns damit eine Form von Rüstwerkzeug für die künftige Arbeit mitgeben wollte. Interessiert hätte mich noch mehr über den Systembegriff, beziehungsweise auch noch einige Worte über die anfangserwähnte 5. Stufe, das ästhetisch emotionale Lesen. Ich bin in jedem Fall motiviert, diese Form des Zugangs zu versuchen. Was mir im Umgang mit Sprache generell wesentlich erscheint, rückbezüglich auf die angeführten Stufen, dass man sich um eine lebendige Auseinandersetzung mit Wort und Schrift in einem Zusammenhang bemühen muss. Diese Zusammenhänge sind thematischer, terminologischer, zeitgeschichtlicher,… Natur. Was immer bleibt, ist der Zusammenhang. Weder erscheint es mir notwendig, „DIE“ Interpretation zu finden, würde sie doch nur einen dogmatischen Anspruch darstellen, der andere Interpretationen im Voraus ausschließt, noch erscheint sie mir möglich. Das eigene selbst bleibt immer eingebunden in diese Tätigkeit. Die resultierende Verwendung der Sprache / Schrift weist meines Erachtens mehr über Inhalt und Interpretation aus. Wissenschaftliches Arbeiten hat eben bestimmte Kriterien, die es zu erfüllen gilt. Diese Kriterien sind in Übereinstimmung im aktuellen Kontext für gültig befunden worden. Würden sich diese im Verlauf der Zeit ändern, müssten zukünftige Generationen dies in der Bearbeitung heutiger Literatur miteinbeziehen. Für mich stellt in diesem Zusammenhang das Zurücknehmen der eigenen Subjektivität die größte Herausforderung dar. Somit ist das Arbeiten an den übergeordneten Fragen wesentlich, weil sie richtungweisend für den möglichst objektiven Zugang zum Text sind. Wahrscheinlich ist der Anspruch an „möglichst objekiv“ auch das erreichbare Maximum.

Version vom 1. Dezember 2009, 17:41 Uhr

Zurück Julia Schindlbauer:Das Hauptthema der Vorlesung war das lesen philosophischer Texte. Für mich ist der Ursprung eines philosophischen Textes immer das Gespräch. Beruhend auf persönlicher Erfahrung bringt ein Gespräch philosophisches Denken vorwärts. Allein vor sich hin denkend gibt es immer einen punkt an dem man „ansteht“, während ein Gesprächspartner die eigenen Gedanken anregt, sogar durch falsche Aussagen oder Anmerkungen in eine ganz andere Richtung. Daher ist mir persönlich Platons dialogische Art zu philosophieren, und auch Philosophie nieder zu schreiben am sympathischsten. Auch für spätere Philosophen ist da Gespräch mit anderen Denkern ausschlaggebend, doch die Form ihre Gedanken niederzuschreiben ist eine Andere. Dialogische Texte sind daher (zumindest für mich) auch am einfachsten nachzuvollziehen, da sie näher an der Entstehung der Gedanken bleibt.


Paula Unterwurzacher: Wie Wolfgang in seinem Kommentar schon erwähnt hat, war die Vorlesung von Prof. Waibel ein interessanter Anschluss an unsere letzte Diskussionsrunde, was mich sehr gefreut hat, da ich diese Thematik besonders am Beginn des Philosophiestudiums für äußerst wichtig halte. Das Lesen, Verstehen und Interpretieren von philosophischen Texten ist natürlich eine gewisse Kunst, die erst einmal erlernt werden muss und das Problem dabei ist, dass jeder Philosoph seine Texte individuell gestaltet, andere Vorkenntnisse voraussetzt, sich anderer Terminologien bedient. Markus hat in seinem Kommentar geschrieben, dass das „Missinterpretieren“ von Texten nicht unbedingt negative Folgen nach sich ziehen muss, sondern, dass dadurch auch neue Türen geöffnet werden können, womit ich übereinstimme, denn besonders die Lektüre von alten Texten, ist mit heutigen modernen Hintergründen äußerst spannend. Trotzdem finde ich es sehr schade, dass man viele Texte einfach nur irrsinnig schwer verstehen kann (in der Diskussionsrunde wurde Sartres „Das Sein und das Nichts“ genannt), sodass nicht einmal eine „Missinterpretation“ möglich ist. In der Vorlesung wurde Baruch Spinoza erwähnt, der mir auch in unserer letzten Diskussionsrunde oft in den Sinn gekommen ist. Seine Methode finde ich in diesem Zusammenhang sehr hilfreich, sie war von der Geometrie des Euklid beeinflusst. Spinozas Texte beginnen mit Definitionen von im Text vorkommenden Begriffen und diese werden dann im Verlauf des Textes nie anders als in der angegebenen Definition verwendet. Danach stellt er Axiome, Grundsätze auf, von denen er ausgeht und aus dieser Kombination leitet er Lehrsätze ab, die die Kernstücke der Ausführungen sind und dann mit Rückgriff auf die Definitionen und Axiome begründet werden. Diese Methode halte ich für eine gute Idee, sie lässt Neuinterpretationen noch immer offen, erleichtert dem Leser das Verstehen aber allemal.

Katharina Baur: Nach dem Vortrag von Prof. Waibel beschäftigt mich vor allem der Gedanke, dass Lesen und somit Interpretation eines Textes eine subjektive Sache ist. Ich halte das für äußerst interessant, denn ich frage mich, ob es DIE Interpretation eines Textes überhaupt geben kann. Wenn man diesen Gedanken weiterdenkt stellt sich irgendwann die Frage, inwiefern und wie weit die Autorintention und die Leserintention auseinander klaffen können, was ja auch gefährlich sein kann. Wie uns die Geschichte gelehrt hat kann es katastrophale Konsequenzen haben, wenn Texte (mitunter natürlich auch absichtlich) falsch ausgelegt werden. (ich denke an Darwin, Nietzsche und die Nazis) Umso wichtiger finde ich den Austausch unter Lesenden durch das gesprochene Wort, auch wenn dieses flüchtig ist. (Wobei es heutzutage diese Flüchtigkeit nicht mehr in dem Ausmaß hat, da so ziemlich alles aufgezeichnet werden kann).

Zum Schluss wollte ich noch anmerken, dass die Interpretation zeitgenössischer Texte immer schwieriger werden könnte, da sich die englische Sprache auch als Sprache der Wissenschaft immer mehr durchsetzt. Wie ich einem Artikel im Standard entnommen habe geht das so weit, dass im englischsprachigen Raum Texte, die nicht in Englisch geschrieben wurden, teilweise einfach ignoriert oder abgelehnt werden. Nun ist es aber doch so, dass die meisten Menschen ihre Muttersprache naturgemäß am Besten beherrschen. Es wird also unausweichlich zu Fehlinterpretationen und Missverständnissen kommen.


Camilo Del Valle Lattanzio: Meiner Meinung nach war der Vortrag von Prof. Waibel von grösser Bedeutung, da er uns eine andere Sicht von dem Begriff der Philosophie vorgestellt hat, wenn man sie als ein Buchwissenschaft versteht. Diese Auffassung zeigt die Philosophie als eine Wissenschaft, die man mit ihrem eigenen Werkzeug (in diesem Fall die Lektüre) verstehen kann. Es ist nicht eine banale Sicht, sondern vielmehr eine philosophische Sicht, die sehr nützlich sein kann.

Wenn Man die Lektüre als ein Erkennen von philosophischen Systemen versteht, kann man die Form und Zweck der Philosophie auch erkennen, in dem man das systematische Lesen (und in diesem Sinn auch das systematische Schreiben) als Form und die Systeme als Zweck der Philosophie bezeichnet. Diese Form könnte man mit dem Forschen in einer anderen Wissenschaft vergleichen, sowie der Zweck als das wissenschaftliche Bauen von festen philosophieschen „Konstruktionen“ verstehen. Diese „Konstruktionen“ oder Systeme verstehe ich als selbständige Organismen, die in einer Entwicklung (oder Wachstum) sind und die sich immer mehr befestigen und die nach einer Wahrheit streben. Diese Idee kann man sehr gut mit der Definition von „System“ bekommen, die, nach meiner Meinung, eine sehr schöne und klare Verständnis der Struktur der Wissenschaft liefert.


Dan Siserman: Die Vorsokratiker haben ihre Gedanken in Lehrgedichte dargestellt. Platon hat die Dialogform gewählt und Aristoteles die Traktatusform. Also es gibt drei vorbildliche Fromen für die ganze Geschichte der Philosophie: Philosophie in künstlerischer Form (wie z.B. Dichtung, Romane, Mythos, Musik, Theater); Philosophie als Dialoge (direkter Kontakt und Gespräche zwischen Denker) und Philosophie als System (in dieser Argumentation würde ich hier auch die aphoristische und essayistische Form zählen). Diese Gliederung können wir auch noch bis heute merken. Z.B., Paul Celan gilt als einer der größte Dichter des 20.Jh, dessen Gedichte als sehr wichtig für Metaphysik und Ontologie erwiesen haben (siehe H. Gadamers oder Heideggers Interpretationen). Was die Traktatusform betrifft, hat Heidegger sich als der größte Systematiker der 20.Jh. erwiesen. Was die philosophische Gespräche betrifft, können wir offensichtlich immer noch sehen was sie für ein große Bedeutung haben, denn jede philosophische Traktat als Ursprung ein philosophisches Gespräch hat. Die Philosophen setzen sich heute immer noch sowohl auseinander als auch gegen die Gesellschaft. So wissen wir daß Husserls Phänomenologie nach einem Gespräch mit Frege entstanden ist. Dazu haben sich Sartre und Camus sehr mittels Gespräch einander beeinflusst. Es könnte auch sogar ein Gespräch mit der Gesellschaft stattfinden wie z.B in Habermars’ Fall. Ich halte also den philosophischen Dialog den Kern jedes philosophischen Systems. Aber Architektonik bleibt immer noch die Kunst der Systeme, denn jeder Vernunfteinsatz bemüht sich (bewußt oder unbewußt) die Welt in einem einheitlichen und einsichtigen Blick zu begreifen. Aber der hauptwichtigste Punkt ist, daß die Darstellungsform von der Art der Gedanken abhängt. Wenn es um Wissenschaftliche oder Ontologische Fragen geht, wäre es dann sicher die Form der Systeme angemessener. Wenn es um soziale oder lebensrelevante Probleme geht, wäre dann die Form der Dialoge bestimmt entsprechender. Wenn es aber um Fragen die über unsere wissenschaftliche Vermögen hinaus gehen, dann wäre sicher die künstlerische Form adäquater.

Platon bringt in Phaidon zum Ausdruck, daß die Form der Dichtung vielleicht angemessener als ein philosophisches Argument ist, wenn es darum geht, sich mit dem Tod auseinanderzusetzen. Wenn jemand, wie Platon in einigen mittleren Dialogen, die ganze Wirklichkeit des Menschen in den Blick nehmen will und beispielsweise fragt, woher wir kommen und wohin wir gehen, dan stößt er mit diesen Fragen an die Grenzen dessen, worüber man etwas Sicheres wissen kann. Es gibt Bereiche der Wirklichkeit, die sich dem Zugriff der Argumente weitgehend entziehen, über die wir uns aber dennoch irgendwie verständigen wollen – und hier hat die Dichtung, das Lied, die Musik oder der Mythos seinen Platz. Eine der Funktionen dieser Darstellungsformen ist es, aufbauend auf den philosophischen Argumenten des Dialoges ein kohärentes Bild unser gesamten Wirklichkeit zu entwerfen, das auch auf die Frage nach dem Weiterleben der Seele nach dem Tode Antworten geben kann. Auch beim Platon, die Frage nach der Dialogform hängt eng mit Verständnis davon, was Philosophie ist, zusammen. Philosophie ist für Platon keine Lehre, sondern eine Praxis – eine Lebensform. Platons zufolge, Philosophie besteht nicht darin, ein geschlossenes philosophisches System zu entwickeln, zu unterrichten oder auswendigzulernen. Vielmehr besteht Philsophie in der fortwährenden Suche nach Wahrheit, Weisheit und Wissen, welche in eine bestimmte Lebensform zum Ausdruck kommt. Was die Philosophie als System betrifft, bin ich der Meinung, wie ich oben auch erwähnt habe, daß sie der Höhepunkt aller Vernunftbestrebungen ist.

Aber es kommt mir unafhörlich eine berühmte Stelle im Phaidros immer wieder im Gedanken, wo Platons Sokrates eine Geschichte von der Einführung der Schrift erzählen läßt. Der für seine vielen Erfindungen bekannte Gott Theuth hat die Schrift erfunden und besucht den ägyptischen König Thamus, um seine Erfindung vorzulegen und die Schrift in Ägypten einführen zu lassen. Der König reagiert skeptisch: Er fragt danach, welchen Vorteil sein Volk von der Schrift wohl haben könnte. Theuth nennt zwei Vorzüge: die Einführung der Schrift würde sowohl das Gedächtnis der Ägypter särken als auch die Ägypter weiser machen, weil die Schrifft ein Mittel dazu sei, Weisheit zu erlangen. Thamus argumentiert dagegen. Erstens werde das Gedächtnis gerade nicht gestärkt, weil es nicht mehr geübt werden müsse – man könne ja alles in einem Buch nachschalgen. Zweitens sei die Schrift kein Mittel, um Weisheit zu erlangen. Lediglich als eine Informationssammlung sei die Schrifft sinvoll, allerdings nur für solche Informationen, die keine lebensrelevante Bedeutung hätten. Auf der Suche nach einem gelungenen Leben und nach Weisheit könnten dem Menschen solche Informationen nicht weiterhelfen, denn ein schriftlich fixierter text sei ganz ungeeignet, um jemand weise zu machen. Darüber hinaus meint Platon, daß schriftliches Wissen kein deutliches und sicheres Wissen bringe, denn an einen schriftlich fixierten Text könne man keine Rückfragen stellen. Er bleibe stumm. Wenn man einen Text befrage, antworte er immer nur dasselbe. Wer einen Text lese und interpretiere, könne nie sicher sein, ob er den Text richtig verstehe, weil er über kein Kriterium verfüge, das ihm erlaube zu testen, ob sein Verständnis des Textes mit dem, was der Autor gemeint hat, übereinstimme. Aber sind die Dialogforme allein die geeignete philosophische Formen? Ich glaube nicht, denn, was wäre unsere heutige Kultur ohne die Schriften der Antike oder des Mittlalters? Meiner Ansicht nach, Philosophie könnte uns eine vollständige Weltanschauung bieten, nur wenn es ein Zusammenwirkung zwischen den Teilen Kunst, Dialoge und System stattfindet.


Elke Karpf:Der elementare Beginn des Lesen Lernens vollzieht sich bereits im Kindergarten dadurch, dass man die Kinder daran gewöhnt, alle Montessoriübungen (Löffeln von Bohnen etc.), Handarbeiten, Konstruktionsspiele uvm. von links nach rechts und von oben nach unten auszuführen. Mit dieser Grundlage sind manche Kinder schon mit 4 Jahren in der sogenannten "sensiblen Phase" in der Lage, von selbst lesen zu lernen, sofern ihre natürliche Neugierde und Wißbegierde aufrecht ist. Geduld, Konzentration und Ausdauer sind weitere Fähigkeiten, die gefördert werden können, Fähigkeiten, die die meisten Erwachsenen kaum mit Lesen in Verbindung bringen. Die meisten Menschen lesen, um sich zu entspannen. Es ist bequemer, Texte zu überfliegen und sich oberflächlich zu informieren als sich mit einem Thema auseinanderzusetzen. Deswegen ist die Kronen Zeitung in Österreich auch beliebter als der Standard beispielsweise. Als Philosophiestudenten bringen wir jedoch die Bereitschaft mit, genau, ausdauernd und konzentriert anspruchsvolle Texte zu lesen, dennoch halte ich eine Einführung in die Terminologie der jeweiligen Autoren in den Kursen und Seminaren für wichtig, ebenso wie das Herausarbeiten der wichtigsten Punkte und Textstellen. So kann Lesen vermehrt ein kreativer Prozeß sein, der Denkanstöße liefert und die Perspektive erweitert. Fr. Dr. Waibel hat gemeint: man erfindet Texte, in dem man etwas in ihnen findet. - das wird in den Jahren meines Studiums passieren und darauf freue ich mich.


Markus Werner Ich denke was man retrospektiv (zurückschauend auf die Ursprünge der abendländischen Philosophie) nicht vergessen darf, ist, dass eigentlich der Diskurs in mündlicher Form, also die Rede, als Beginn der Philosophie (vor allem bei Sokrates) zu markieren ist. Erst durch Platon bekam die „geschriebene Philosophie“ die Bedeutung als quasi zeitloses, und dadurch für zukünftige Generationen wertvolles, Zeugnis über die Gedanken und Ideen früherer Zeiten. Obwohl hierbei anzumerken ist, dass der Beginn durch Platon, ein Beginn in dialogischer Form war. Soll heißen, dass die ersten geschriebenen philosophischen Werke in dialogischer Form (also den mündlichen Diskurs imitierend) verfasst wurden. Erst mit Aristoteles begann die Tradition des philosophischen Schreibens wie wir sie heute kennen und auch selber weitertragen. Das argumentativ-logisch erarbeitete Vorgehen auf dem Weg zu bestimmten Thesen und Überlegungen, welches ein logisches Verständnis, sowohl des Autors als auch des Lesers, bedingt ist heutzutage alltäglicher Standard in der Philosophie, wie aber auch in allen anderen, sich als wissenschaftlich fundiert verstehenden, Disziplinen unserer Kultur. Es darf aber dennoch niemals vergessen werden, dass alle jemals schriftlich überlieferten Gedanken (ganz unabhängig von dessen Autoren) der Gefahr ausgesetzt sind, vom Leser falsch verstanden und in weiterer Folge auch falsch wiedergegeben werden zu können. Eben diese Gefahr kann im Falle eines mündlichen Diskurses zumindest vermindert werden, weil nämlich die falsche Wiedergabe der Gedanken Anderer, von diesen, korrigiert werden können! Nun werden wir aber durch die schriftlichen Überlieferungen bereits verstorbener Autoren vor das Problem gestellt, dieses richtige Verständnis ihrer Texte beizubehalten und im Sinne der Autoren weiterzuführen. Wenn jedoch ein Leser das Geschriebene auf eine andere Art und Weise zu verstehen weiß, als von dessen Autor intendiert, ist denn dann diese Form der „falschen“ Interpretation nicht genauso akzeptierbar und vielleicht sogar als Befruchtungsmittel für den weiteren Diskurs von großer Bedeutung? Ich würde sagen im besten Fall könnte sogar neues Gedankengut aus solch einer „falschen“ Interpretation eines Textes hervorgehen. Genau in diesem Sinne habe ich auch das „falsche“ in meinen bisherigen Ausführungen über die Interpretation von Texten unter Anführungsstriche gesetzt. Weil mit dem Gedanken an Interpretation als individuelles Verständnis von Texten Anderer von so etwas wie richtig oder falsch gar nicht mehr die Rede sein kann.

Björn Dade: Die Lektüre eines Textes ist immer Rekonstruktion und Variation desselben; (1) Rekonstruktion des vom Autor Intendierten und (2) notwendig, da im Dialog mit dem Text unter bewußter oder unbewußter Zuhilfename anderer Texte, eine Variation des Intendierten. Gerade im Prozeß des Nachspürens einer Textintention liegt, unabhängig von der ästhetischen Qualität des Lesens, auch immer ein schöpferisches Moment - und zwar sowohl im Leseprozeß selbst als auch in der Erinnerung an das Gelesene, die ihrerseits nachfolgende Lektüren prägt. Nicolas Trublet blickt auf dieses Verhältnis von Lektüre und Gedächtnis, wenn er schreibt: "Une pensée que nous nous rappellons d'avoir lue, nous en fait quelquefois produire une autre toute différente & toute neuve. Quoique ces pensées n'ayent entr'elles aucun rapport, la première a été néanmois pour nous l'occasion de la seconde; & nous n'aurions jamais trouvé celle-ci, si nous ne nous étions pas ressouvenus de celle-là." (Trublet: Essais sur divers sujets de litterature et de morale, Paris: o.V. 1762, S. 6) Neben diesem das Lesen auf seine inhaltliche Wirkung hin betrachtenden Aspekt, unterstreicht Trublet aber auch den Lektüreprozeß selber als Schulung - und zwar Schulung zu denken: "Le profit qu'on tire de la lecture, ne consiste donc pas seulement à retenir ce qu'on a lu [...] La lecture, celle même des Livres les plus médiocres, étant une occasion de penser, donne de l'exercice à l'esprit." Hierbei tritt das Inhaltliche des Gedankens der Einübung des Denkens gegenüber zurück: "[O]n pourra oublier [les pensées] que la lecture avoit occasionnées, aussi-bien que celles des Livres mêmes; mais on aura toujours perfectionné en soi la faculté de penser, ce qui vaut beaucoup mieux que d'avoir retenu des pensées." (Trublet, op. cit., S. 2) Dieser Aspekt scheint mir für das philosophische Lesen, welches stets in ein Verhältnis sich setzt zum (historischen) Text, bedeutsam; denn es erinnert an das Kant'sche Diktum, der "Lehrling der Philosophie" lerne nicht Gedanken, sondern Denken, nicht Philosophie, sondern Philosophieren. "Der philosophieren lernen will, darf dagegen alle Systeme der Philosophie nur als Geschichte des Gebrauchs der Vernunft ansehen und als Objekte der Übung seines philosophischen Talents." (Kant: Logik - ein Handbuch zu Vorlesungen, Königsberg 1800) Somit vollzieht sich philosophisches Lesen in philosophiegeschichtlicher Lektüre als Einübung und Ausführung im Philosophieren.


Lucas Lang-Muhr: Der Punkt, der mich in der dieswöchigen Ringvorlesung am meisten zum Nachdenken angeregt hat war, dass es eigentlich keine Philosophiegeschichte gibt. Jede „Generation“, ja sogar jeder einzelne Leser, verfügt bei der Textlektüre über einen unterschiedlichen Hintergrund und interpretiert so den Text auf unterschiedliche Weise. Mir ist aufgefallen, dass gerade in der Philosophie reichlich Interpretationsspielraum vorhanden ist. Dies liegt mitunter an der „Undurchschaubarkeit“ mancher Texte (zB Wittgesteins Tractatus logico-philosophicus), aber auch an der Sprache selbst, in der die Bedeutung der Wörter nie vollständig definiert werden kann. So gesehen ist das geschriebene Wort doch nicht „in Stein gemeißelt“, denn Texte können sich im Verlauf der Zeit durch die verschiedenen Interpretationen immer wieder anpassen und zu neuen Denkanstößen führen. Eine in meinen Augen weitere besondere Eigenschaft philosophischer Texte ist ihre Aktualität. Eine 2000 Jahre alte mathematische Abhandlung würde glaube ich nicht so inspirierend sein wie zB. Aristoteles Schriften. Zum Schluss noch eine gewagte Hypothese: technische Texte verlieren ihre Aktualität relativ schnell, da sich die Technik ebenfalls schnell ändert; philosophische Texte verlieren ihren Bezug über einen längeren Zeitraum nicht, da sich der Mensch auch nur langsam verändert.


Wolfgang Krenn: Wie ich finde, hat Frau Prof. Waibel, ohne es zu wissen, an unsere letzte Diskussionsrunde angeknüpft sowie an eine Äußerung von Frau Prof. Nemeth, der in einer vorherigen Diskussionsrunde gefallen war. Zunächst zur Äußerung, die ich wahrscheinlich nicht exakt wiedergeben kann; „Zum Philosophiestudium gehört das Erarbeiten von Texten.“ Ich kann mich noch daran erinnern, dass dem Erarbeiten die Eigenschaften „mühsam“ und „schwierig“ angeheftet wurden, aber vielleicht handelt es sich dabei schon um einen Auslegungsversuch von mir.

Wie erarbeiten wir uns die Texte, natürlich, indem wir lesen. Hier setzt Frau Prof. Waibel ein und sie hat uns sogleich einen Einblick in die zukünftigen Tätigkeiten unseres Studiums präsentiert. Begriffe wie Autoren-, Leseintention, Terminologie, systematisches Verstehen haben dem Philosophiestudium eine ansehnliche Kontur verliehen.

Von hier aus möchte ich nun auf den anderen Punkt übergehen, den ich anfangs erwähnt habe. Letzte Diskussionsrunde haben wir mitunter darüber gesprochen, wie weit sich die Philosophie heutzutage von der, wie ich es jetzt kurzum nenne, Allgemeinheit entfernt habe. Ich erinnere mich daran, dass, ich glaube von Simon, erwähnt wurde, Philosophen, die im universitären Alltag verwurzelt sind, publizieren Texte nicht mehr für die breite Masse, sondern nur mehr für Kollegen. Ihre Publikationen wurden als Briefe an Kollegen gewertet. Nun kann der mögliche Grund für dieses Phänomen, dass sich meines Erachtens nicht nur auf Philosophie bezieht, eben im Erarbeiten von Texten liegt. Bitte mich nicht misszuverstehen, ich bin nicht der Auffassung, dass das Einlesen und systematische Verstehen von Texten etwas Schlimmes bewirkt. Nur verführt es uns dazu, dass wir uns eben diesen, ich nenne es einmal, Sprachgebrauch aneignen, erweitern und ein Gemisch dessen selbst anwenden, was ich auch durchaus verständlich finde. Ich glaube ganz gewiss daran, dass sich jede/r von uns zumindest einmal während seines Studiums oder danach bei einer Situation ertappen wird, wo sie/er sich tief in der Materie verloren hat, mit einen Kollegen darüber plaudert und sich dann denkt, dass hätte von meinen nicht Philosophiestudentenfreunden niemand verstanden.

Wenn es anschließend jemand wirklich wichtig ist, sein erarbeitetes Wissen allgemein verständlich zu machen, muss er sich, wie auch schon erwähnt wurde, wieder von den antrainierten Begriffen lösen und eben dieses Wissen an eine gebräuchliche Sprache angliedern. Das mag zwar absurd klingen, aber ich nenne nur einmal ein klassisches Beispiel: das Erklären der Abseitsregeln. Selbst bei diesem Beispiel fällt es schwer sich nicht im Fußballjargon zu verlieren. Man denke nur einmal an die Begriffe: Pass, Flanke, Verteidigung, Torwart. Um wieder zur letzten Diskussionsrunde zurückzukommen; Hierzu hat Björn Peter Bieri, ein Philosoph, der Romane schreibt, erwähnt, der unter dem Pseudonym Pascal Mercier als Romancier tätig ist.

Ich finde beide Aspekte sind der Allgemeinheit dienlich. Die erstere Variante ist der breiten Massen nicht direkt zugänglich. Sie bedarf eine Studiums oder Texte dieser Variante werden vielleicht von einem anderen Philosophen aufgegriffen und allseits verständlich gemacht. Zweitere besteht ja darin verständlich zu sein.


Simon Nothdurfter: Frau Prof. Waibel hat unter anderem darüber gesprochen, dass es sehr wichtig sei, oftmals sogar Voraussetzung, um eine Philosophie verstehen zu können, sich zuerst über die verwendete Sprache Klarheit zu verschaffen bzw. bestimmte Begriffe zu verstehen. Dieser erste Schritt, das Verstehen(lernen) von Begriffen, ist auch deshalb wichtig, weil es sonst passieren kann, einen Text vermeintlicher weise total misszuverstehen.


Sarah Gaderer: Ich möchte, bezüglich des Vortrags von Prof. Waibel, zuerst auf die Problematik Definition vs. Worterläuterung eingehen. Nach Kant soll es ja garkeine Definitionen in der Philosophie geben und dieser Meinung bzw. Festtellung möchte ich etwas anderes entgegenstellen: Auch Kant benützt in seinen Werken gewisse Definitionen oder Worterläuterungen, doch ich verstehe nicht ganz wo hier, für ihn der Unterschied liegt. Gäbe es keine Defintionen so wären alle Dinge nur abstrakte Begriffe für uns und niemand könnte über sie nachdenken oder diskutieren. Meiner Meinung ist es für die Philosophie sehr wohl schwierig empirische Dinge zu definieren, doch es gibt sehrwohl schon andere Fachbereiche wo man diese definieren kann (Mensch denke an das Beispiel Gold aus der Ringvorlesung. In der Chemie wurde bereits eine klare und anerkannte Definition gefunden.). So denke ich, dass es für die Philosophie schwierig ist Definitionen zu finden und diese von Worterläuterungen zu unterscheiden, doch ich glaube auch, dass dies zum Aufgabenbereich der Philosophie gehört. Philosophie ist eine Wissenschaft. Sie hat (wie bereits oben erwähnt wurde) ein Werkzeug/Werkzeuge und somit sollte sie sich auch, wie andere Wissenschaften zumindest Definitionen annähern.


Fabian M. Kos: Unterschiedliche Autoren verwenden Begrifflichkeiten auf differente Art und Weise. Als Leser bemühe ich mich, die Terminologien, dem Kontext angemessen, zu dekodifizieren. Eine Annäherung können uns dabei multiple Faktoren bieten: etwa die Historie, die uns Einblicke gibt und den Vorgang der Entstehung nahebringt. Eine Definition sei nämlich nicht willkürlich, sondern geht ihr ein Prozess, etwa ein längeres Nachdenken voraus. Ebenjene Dimension beinhaltet doch ein erwähntes, hilfestellendes Wörterbuch nicht, aus welchem sie wie Vokabeln zu lernen seien. Der eigentliche, entscheidende Aspekt scheint anhand dessen zumindest nicht essentiell greifbar.


Christian Oberegger:Prof. Dr. Waibel stellt in ihrer Vorlesung fest, dass Philosophie eine Buchwissenschaft ist, die gelesen werden muss. Waibel erwähnt, dass im deutschen Idealismus die Idee aufkam, einen Text nicht nur von den Buchstaben her, sondern seinem Geist nach zu erfassen. So sind die Umstände der Entstehung, Übersetzung, Lebensumstände des Autors etc. bei der Lektüre zu berücksichtigen um das Werk im Sinne des Autors verstehen zu können. Ich finde,dass dies das exakte Interpretieren eines Textes erschwärt, oder überhaupt nicht zulässt. Autor Arno Schmidt schrieb einmal sinngemäß, er stelle sich dem Leser gerne sehr genau vor, damit der wisse, durch was für eine Brille der Autor geschaut habe und so das Subjektive des Textes leichter erkennen und gewissermaßen vom Text abziehen könne, so dass der reine Text übrig bliebe. Letztendlich muss man sich aber immer die Frage stellen: Was will ein Text? Was ist die Absicht des Autors. Da es nun diese eine Interpretion nicht zu geben scheint, finde ich es unumgänglich Diskussionen zu führen, welche vielleicht eher zu einem gemeinsamen Nenner führen.


Sabrina Haider: Für mich ist die subjektive Interpretation diverser Texte oder ähnlichen von großer Bedeutung. Wenn ich einen Text vorgelegt bekomme, und meine Interpretation gefragt ist, gehe ich in erster Linie von meinem ersten Eindruck, meinem bisherigen Wissen und meiner Lebenserfahrung aus. Ganz zentral ist auch die Meinung oder Auffassung bzw. Interpretation anderer, jener die sich intensiv mit dieser Thematik befassen. Also fließt auch dieser Aspekt in unsere Beurteilung ein. Die Frage, die sich mir dabei stellt ist, ob selbst die "Profis" dieses Wissen anhand subjektiver Vorgehensweise erlangen? Oder wie gelangt man eigentlich zu einem Punkt, an dem man behaupten kann, dass der Verfasser eines bestimmten Textes, ausgerechnet "dieses und jenes" gemeint hat?


'Gertrude Dvornikovich:Fr. Prof. Waibel hat in der Vorlesung über das Lesen gesprochen. Für sie ist Philosophie eine Buchwissenschaft, die Auseinandersetzung von Texten ist eine Pflichtkür, fundamental. Sie gibt den Studierenden Hinweise was sie beim Lesen philosophischer Texte für wichtig hält. Ihrer Meinung nach macht es einen Unterschied, ob man Texte laut oder leise liest. Das laute Lesen von Texten eröffnet ihrer Meinung nach neue Dimensionen. Es sei von Vorteil sich auf die ursprünglichen Texte zu konzentrieren. Auch sei es wichtig Querverbindungen und Hintergründe beim Lesen mitzudenken. Äußerst interessant fand ich ihre Bemerkung, dass sie das Lesen von philosophischen Texten als dialogischen Prozess, nämlich als "Finden" und "Erfinden" betrachtet. Die Texte von Philosophen müssen immer im Kontext gesehen werden. In welcher gesellschaftlichen Zeit entstand das Werk? Gab es Abhängigskeit oder Zensur? Wie waren die Lebensumstände des Autors? Fr. Prof. Waibel rät auch die Terminologie des jeweiligen Autors wie Vokabeln zu lernen. Prof. Waibel ging auf den Unterschied von Sprechen und Lesen ein. Sie führte aus, dass beim gesprochenen Wort Flüchtigkeit und beim Geschriebenen Wiederholbarkeit herrscht. Für sie ist das geschriebene Wort von größerer Bedeutung als das gesprochene. Meiner Meinung nach ist das nicht immer der Fall. Wenn ich z.B. als Vorgesetzter ein Lob ausspreche, hat es wesentlich mehr Aussagekraft als würde ich dies schriftlich mitteilen.


Daniel Schinewitz: Beim Lesen eines Textes besteht immer die Gefahr bestimme Termini, in einer, dem Verständnis des Autors nicht entsprechenden, Art und Weise zu verstehen und damit zu verfälschen. Es bräuchte exakte Definitionen um Missverständnissen vorzubeugen. Doch genau hier sehe ich ein Problem. Wir müssen ein Wort mit Worten erklären. Karl Popper, der übrigens davon ausgeht, dass Begriffsdefinitionen allerhöchstens ad hoc (dem Fall nach) gegeben werden müssen und dem Verständnis ansonsten keinen Abbruch tut, schreibt: “Ideen, das heißt Bezeichnungen oder Ausdrücke oder Begriffe können durch Worte formuliert werden die sinnvoll sein können; und ihr Sinn kann durch Definitionen zurückgeführt werden auf den Sinn von undefinierten Grundbegriffen. Wenn wir versuchen auf diesem Weg ihren Sinn eindeutig festzulegen (statt bloß auf ein anderes zurückzuführen), so führt das zu einem unendlichen Regreß.” (in “Ausgangspunkte” Seite 25, Piper, München)


Ipek Dalgic: Frau Prof. Waibel versuchte den Unterschied zwischen dem historischen und systematischen Lesen darzustellen. Der Gedanke, dass die Philosophie ein Synchrongeführtes Gespräch sei und es eine Geschichte der Philosophie in dem Sinne nicht gibt, hat mir besonders gut gefallen. Denn jede Zeit erfinde ihre Geschichte der Philosophie. Wir treten an die Texte der Tradition mit Fragen heran, die uns eigene Perspektiven eröffnen können. Ein text ist nicht nur eine Ansammlung von Begriffen- über die Struktur des Textes werden wichtige Inhalte vermittelt. Das Lesen von Texten stellt daher ein Finden und ein Erfinden dar. Wir finden in einem Text einen überlieferten Inhalt, der uns unsere jeweilige Perspektive erschließen kann. Da Philosophen gerne das scheinbar selbstverständliche in Frage stellt ist zu beachten, dass wenn bestimmte Begriffe wie beispielsweise Raum oder Zeit innerhalb der Philosophie definiert ist, diese nicht als eine allgemeine gültige Definition gelten kann. Jeder hat seine eigene Definition. Weiters hat mir der Gedanke Kants, dass es in der Philosophie keine Definitionen, sondern nur Worterläuterungen gibt gefallen. Da es in der Philosophie verschiedene Auffassungen von beispielsweise der Substanz gibt, kann es in der Philosophie keine allgemeingültigen Definitionen geben. Das systematische Denken strukturiert aus Zusammenhängen und denkt aus Prinzipien. Laut Kant versteht sich die Wissenschaftlichkeit indem eine systematische Einheit geschaffen wird. Er ist der Ansicht, dass unserer Vernunft selbst ein System sei. Infolgedessen versuchen wir den Bau der Natur wie unseren eigenen systematischen Zusammenbau des Geistes zu verstehen. Daher ist die Vernunft der Teil, der Wissenschaft möglich macht. Christian Wolf ist der Auffassung, dass jede Wissenschaft versucht durch bestimmte Methoden intrinsische Zusammenhänge die in der Welt vermutet werden sichtbar zu machen.


Michaela Zmaritz: Die Betrachtung des Lesens als umfassenden stufenweisen Prozess finde ich sehr erhellend und auch ermutigend. Durch die Erläuterungen ergeben sich für mich zusätzliche Aspekte in der zukünftigen Arbeit mit philosophischen Texten, was für jeden Studienanfänger eine große Herausforderung darstellt. Ich verstand das Ziel der Vorlesung so, dass Fr. Prof. Waibel uns damit eine Form von Rüstwerkzeug für die künftige Arbeit mitgeben wollte. Interessiert hätte mich noch mehr über den Systembegriff, beziehungsweise auch noch einige Worte über die anfangserwähnte 5. Stufe, das ästhetisch emotionale Lesen. Ich bin in jedem Fall motiviert, diese Form des Zugangs zu versuchen. Was mir im Umgang mit Sprache generell wesentlich erscheint, rückbezüglich auf die angeführten Stufen, dass man sich um eine lebendige Auseinandersetzung mit Wort und Schrift in einem Zusammenhang bemühen muss. Diese Zusammenhänge sind thematischer, terminologischer, zeitgeschichtlicher,… Natur. Was immer bleibt, ist der Zusammenhang. Weder erscheint es mir notwendig, „DIE“ Interpretation zu finden, würde sie doch nur einen dogmatischen Anspruch darstellen, der andere Interpretationen im Voraus ausschließt, noch erscheint sie mir möglich. Das eigene selbst bleibt immer eingebunden in diese Tätigkeit. Die resultierende Verwendung der Sprache / Schrift weist meines Erachtens mehr über Inhalt und Interpretation aus. Wissenschaftliches Arbeiten hat eben bestimmte Kriterien, die es zu erfüllen gilt. Diese Kriterien sind in Übereinstimmung im aktuellen Kontext für gültig befunden worden. Würden sich diese im Verlauf der Zeit ändern, müssten zukünftige Generationen dies in der Bearbeitung heutiger Literatur miteinbeziehen. Für mich stellt in diesem Zusammenhang das Zurücknehmen der eigenen Subjektivität die größte Herausforderung dar. Somit ist das Arbeiten an den übergeordneten Fragen wesentlich, weil sie richtungweisend für den möglichst objektiven Zugang zum Text sind. Wahrscheinlich ist der Anspruch an „möglichst objekiv“ auch das erreichbare Maximum.