Knowledge Based Economy (Vorlesung, Füllsack, 2008S)

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Version vom 3. Juni 2008, 18:40 Uhr von 0504023 (Diskussion | Beiträge) (Wissen & Nichtwissen als Produktionsfaktor)
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Organisatorisches zur Vorlesung:

180308 VO § 4.2.3 "Knowledge Based Economy - Ethische und epistemologische Implikationen"
2 Stunden, 3 ECTS-Punkte
Mo 14:15-15:45 Hs. 2i NIG
Kommentar & Infos unter: http://homepage.univie.ac.at/manfred.fuellsack/ss08a.htm
Schriftliche Prüfung am Ende des Semester (letzte Vorlesung)


Einleitung

Der Begriff des Wissen hat im Zuge seines Bestehens enorme Veränderungen erfahren. So haben sich zum Beispiel im Laufe der letzten Jahrzehnte die Zugangsmöglichkeiten zu Wissen in Folge fortschreitender Technologisierung und Vernetzung (nicht zuletzt durch das Internet) drastisch verändert. Die Aktualisierung, Bearbeitung und auch Archivierung von Wissen hat sich demgemäß unmittelbar ins Zentrum ökonomischer Interessen gedrängt (Diffusion, Selektion, Organisation und Messung von Wissen) und wirkt auf diese Weise durchaus beschleunigt auf die Gesellschaft zurück. Ziel der Vorlesung ist es, Wissen in seiner aktuellen Besonderheit sowohl aus gesellschaftlicher (Zentrale Begriffe: "Wissensgesellschaft") als auch ökonomischer Sicht (Zentrale Begriffe: "Wissensökonomie und Wissensmanagement") zu thematisieren und dabei gleichzeitig auf die sich ergebenden Dynamiken und Prozesse hinzuweisen.


Wissen & Nichtwissen als Produktionsfaktor

Beispiel anhand einer Urgesellschaft
Datei:Neolithischerevolution.PNG
Neolithische Revolution

Wissen als Produktionsfaktor besitzt im Gegensatz zu anderen Produktionsfaktoren einzigartige Eigenschaften. So gestaltet sich z.b die Weitergabe von Wissen nicht als ein "weggeben" oder "weitergeben" als vielmehr ein duplizieren oder vervielfältigen des Wissens. Jemand der Wissen weitergibt verliert sein Wissen nicht, und ist auch nach seiner Weitergabe des Wissen immer noch im Besitz seines Wissens. (Gegenbeispiel z.B. die Weitergabe eines Pakets) Eine weitere besondere Eigenschaft von Wissen ist, dass es Voraussetzung für jede Tätigkeit und jeden Produktionsprozess ist. (für jede menschliche Handlung) Dennoch ist es vor allem das Nichtwissen ("Risiko"), dass in gegenwärtigen Produktionsprozessen verstärkt berücksichtigt wird und ein Grenzphänomen darstellt das Niklas Luhmann in seinem berühmten Zitat "Man sieht nicht, was man nicht sieht!" zum Ausdruck bringt. Aufgrund fortschreitender Technologisierung und Rationalisierung der Produktionspozesse die mit einer Expansion des Produzenten bzw. Unternehmens einhergehen, steigt die zu verwaltende Menge an Wissen & Nichtwissen. (Mitarbeiterverwaltung, Produktmanagment, Promotion usw.) Es dürfte klar sein, dass es sich hierbei nicht um Phänomen neuester Zeit handelt, sondern dass die Menschen, die Gesellschaft, die Unternehmen usw. relativ früh gezwungen waren das generierte Wissen produktiv zu verwalten. Es kam daher relativ früh zu einer Gliederung in verschiedenste Bereiche relativer Eigenständigkeit, die selbst wiederum das Wissen welches sie selbst generieren bestmöglich zu verwalten versuchen um damit eine gesteigerte Interaktion mit anderen Bereichen sei dies zum Beispiel dem Markt zu erzielen. Am einfachsten lässt sich dieser Umstand anhand einer Urgesellschaft verdeutlichen, welche vorerst nur aus Jägern und Sammlern besteht und durch fortschreitende Verbesserung der Kenntnis von Standorten von umliegenden Jagdgebieten und Sammelstätten und der damit einhergehenden Verbesserung der Nahrungsversorgung gezwungen ist, ihre Gesellschaftlichen Strukturen zu überdenken. Denn eine Nichtberücksichtigung dieser Faktoren könnte ausserst negativ zurückrückwirken. (sei es aufgrund von Überwilderung usw.) Diese Urgesellschaft ist folglich ab jenen Zeitpunkt gezwungen nicht nur gegenwartsbezogen zu aggieren sondern auch zukunftsweisend zu wirschaften um ihren einen Fortbestand gleichbleibend zu garantieren. Als einer der zentralsten Punkte dürfte hierfür, die neolithische Revolution die vor ca. 20000 Jahren im orientalischen Raum ihren Anfang nahm sein. Diese markiert die Sesshaftwerdung von Gesellschaften durch Ackerbau und Viehzucht sowie eine neu eingeführte Vorratshaltung. Mit ähnlichen, anderen und teilweise denselben Dynamiken und Problematiken operiert die Gesellschaft bis heute, sei es im Zuge von Risikomanagment usw. auf wirtschaftlicher Ebene.

Ein weiteres nennenswertes Beispiel ist nach Manfred Füllsack auch die historiche Entwicklung der Scholastik, insbesondere ihre Auslagerung von "Problemstellungen" in Bildungssysteme wie Schulen. Dieser Aspekt findet sich auch unter anderem im zur Vorlesung begleitenden Buch "Zuviel Wissen".

Relation von Wissen & Wahrheit

Mit der gewagten These: "Wenn alle dieselbe Wahrnehmung hätten, gäbe es die Wahrheitsfrage nicht." versucht Manfred Füllsack auf den Umstand aufmerksam zu machen, dass sich die Frage nach Wahrheit überhaupt erst stellt, alsbald über denselben Inhalt sei es aufgrund unterschiedlicher Perspektive unterschiedliche Meinungen bilden lassen. Inwieweit sich Wahrheit demzufolge durch Wissen beschreiben lässt ist fragich, und gilt es in diesem Zusammenhang zu überlegen, ob Wissen nicht grundlegend auf einer Art Konsens beruhen könnte, der schlichtweg durch verschiedenste Mechanismen von Bereichen Relativer Eigenständigkeit durchgesetzt wird und demgemäß von Wahrheit abweichen könnte. Wird Wissen als ein eigenständiges System verstanden und Wahrheit als ein eigenständiges System verstanden, bricht ein Problem auf, das folgendermaßen umschrieben werden könnte.

Struktur oder Chaos

Die Struktur der Wahrheit könnte entgegen der Struktur von Wissen unbestimmbar (chaotisch) sein. Wissen als strukturelles Konstrukt verstanden liese sich zwar auf Wahrheit anwenden, würde aber dieser aufgrund ihrer unstrukturiertheit nicht entsprechen. Der wissenschaftlich Zweig der sich mit solchen chaotischen Systemen beschäftigt wird als Chaosforschung bezeichnet und die Systeme die er behandelt werden als chaotische (nicht lineare) Systeme bezeichnet und werden in der sogenannten Chaostheorie thematisiert. Ziel ist es, das Phänomen einer nicht vorhersagbarkeit von Systemen betrachtet auf einer Zeitachse festzustellen, was vor allem durch Beobachtung von sich verselbstständigenden Dynamiken und Prozessen bewerkstelligt wird. Desweiteren versucht die Chaostheorie selbst einen nicht vorhersagbaren Algorithmus bzw. ein nicht vorhersagbares Gesetz zu entwickeln um ihre These eines deterministischen Chaos zu wissenschaftlich zu begründen. Ein Beispiel wäre z.B. "Der Schmetterlingseffekt" der besagt, dass die Flügelbewegung eines Schmetterlings unvorhersagbare Katastrophen auslösen könnte.


Datei:Dreikoerperproblem.jpg
Dreikörperproblem

Ebenfalls lässt sich aber auch das von Henri Poincaré entdeckte - n-Körperproblem (Dreikörperproblem) anführen. Dieses thematisiert das Problem von drei bzw. n in Beziehung zueinander stehenden sich bewegenden Körpern. Während das Zweikörperproblem durch die Keplerschen Gesetze streng lösbar ist, erwies sich das Dreikörperproblem lange Zeit als absolut unlösbar und kann bis heute nur durch aufwendiste Berechnungen (Simulationen) in bestimmten Fällen näherungsweise gelöst werden.

Perspektive

Eine wesentliche Rolle im Zusammenhang mit Wissen & Nichtwissen spielt auch die Perspektive. Zum Einen führt eine unterschiedliche Betrachtung von verschiedenen Perspektiven zu unterschiedlichen Wissenständen, und zum Anderen verändert sich Wissen selbst unter der Betrachtung einer Anderen Perspektive. Dieser Umstand ergibt sich vor allem daraus, dass jede Perspektive mit der ein Phänomen betrachtet wird, andere Perspektiven weitestgehend ausschließt. (sog. Ausblendungen) Die Betrachtung unter einer Perspektive generiert damit folglich nicht nur Wissens, sondern eben auch Nichtwissens. Die Problematik die sich folglich ergibt, ist der Aspekt des Doppelcharakters den Wissen & Nichtwissen an dieser Stelle aufweisen. Der Versuch durch gegenseitige Verknüpfung, die sich ohnehin aus der Bedingtheit der einzelnen Bereiche ergibt (siehe: Bereiche relativer Eigenständigkeit) zu lösen, kommt an dieser Stelle vorerst vor dem Problem der Polykontexturalität zu stehen. (Deswegen die These: "Problemlösungen generieren stets neue Probleme")

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