Kirchberg Symposium: U. Ramming über Medien

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Ulrike Ramming: Medien zwischen Medien-, Wissenschafts- und Technikphilosophie

Der aktuelle Stand der akademischen Diskussion über Medien lässt sich dadurch charakterisieren, dass die Allgegenwärtigkeit des Medienbegriffs die allgemeine Akzeptanz des Medienthemas im wissenschaftlichen Kontext signalisiert; zugleich ist die Klage über die Beliebigkeit der Verwendung des Begriffs zu hören, wodurch beinahe alles und jedes zum Medium deklariert wird. So konstatiert Lambert Wiesing für die Medienwissenschaften1:

“In der Tat scheint die Situation derart zu sein, daß die Medienwissenschaften zwar von ausgesprochen vielen, aber doch zumeist gleichermaßen weiten, ja teilweise sogar entgrenzten Medienbegriffen bestimmt ist – von Medien, die sich vom alltäglichen Verständnis des Mediums als Kommunikationsmittel bedenklich entfernt haben.”

Dieser Befund korrespondiert mit der Beobachtung, dass die in den Medienwissenschaften eingesetzten Medienbegriffe in extremer Weise theorieabhängig sind. So schreibt Matthias Vogel:

“Auch wenn ich im Kontext dieses eher kursorischen Durchgangs [durch die Medientheorien von Parsons, Luhmann, Habermas und McLuhan, U.R.] habe zeigen können, daß die vorliegenden Medienbegriffe mit schwerwiegenden Mängeln behaftet sind, hoffe ich doch wenigstens Zweifel daran geweckt zu haben, daß wir über ein belastbares Konzept der Medien verfügen. Ursachen dieses Mangels sind im Falle der soziologischen Theorien schwankende oder inkonsistente kriteriologische Bestimmungen des Medienbegriffs, die einer weitreichenden Inanspruchnahme des Medienbegriffs für die Lösung vorgängiger theoretischer Probleme geschuldet sind.”2

Ausdehnung des Gegenstandsbereichs bis zur Beliebigkeit und extreme Theorieabhängigkeit, die eben dazu führt, dass mit der jeweiligen Theoriearchitektur der Gegenstandsbereich neu bestimmt wird – dieser Befund wird durch die jüngst von Nagl und Sandbothe herausgegebene Anthologie zur Medienphilosophie scheinbar bestätigt, die beansprucht, einen repräsentativen Überblick über den aktuellen Forschungsstand für den Bereich der Philosophie zu bieten3. Neben den erwartbaren Kandidaten wie Schrift, Buchdruck, Fotografie, Film, Radio, Fernsehen, Internet, werden auch Kunstgattungen wie Bild, Musik, Tanz oder Theater aufgeführt. Die Philosophie fügt dem Katalog Kants transzendentale Formen der Anschauung, Raum und Zeit, sowie ganz allgemein Wahrnehmung hinzu.

Der Frage, der ich im Folgenden nachgehen möchte, lautet, wie aus der Perspektive des Fachs Philosophie der aktuellen Forschungssituation begegnet werden und inwiefern die Philosophie mit einem eigenen Medienbegriff einen konstitutiven Beitrag zur Diskussion leisten kann. Dieser Anspruch scheint verwegen zu sein, denn angefangen hat die Mediendiskussion ja mit geharnischten Vorwürfen gegen das Fach. Der Vorwurf der Schrift- und Medienvergessenheit ist beinahe schon zur Selbstverständlichkeit geworden.

Allerdings halte ich den Vorschlag, der Situation durch die Annäherung an das aktuelle Alltagsverständnis zu begegnen, für ein nur auf den ersten Blick probates Heilmittel. Denn, wie Stefan Hoffmanns begriffsgeschichtliche Studie zum Medienbegriff zeigt, änderte sich auch die alltägliche Bedeutung des Wortes >Medium< im Lauf der Jahrhunderte kontinuierlich und orientierte sich an zeitgeistigen Strömungen4. Vielmehr schlage ich vor, den Ausdruck >Medium<, im Sinne Konrad Ehlichs, als einen Begriff der “wissenschaftlichen Alltagssprache” zu verstehen. In ihm mischen sich “Elemente der alltäglichen Sprache, Elemente der alltäglichen Wissenschaftssprache und terminologische Elemente.”5 Als ein solcher kennzeichnet er weniger eine Klasse von Objekten bzw. Artefakten; vielmehr bezeichnet er eine Fächer übergreifende Forschungsperspektive, in die sowohl alltagssprachliche Bedeutungselemente wie Festlegungen der einzelnen Fachterminologien eingehen. Die Ubiquität des Medienbegriffs lässt sich als Beleg dafür interpretieren. Nimmt man Ehlichs Vorschlag in dieser Weise an, so wäre damit eine Metaebene bezeichnet, die auf zweierlei drängt: Einmal auf eine fachspezifische terminologische Festlegung; zweitens auf eine transdisziplinäre Verständigung über die jeweils verwendeten Terminologien.

Im Folgenden möchte ich einen Vorschlag für eine terminologische Festlegung im Fach Philosophie vorstellen, für den Folgendes charakteristisch ist: Erstens versteht er unter Medien weniger eine Klasse von Artefakten mit eindeutig bestimmbaren Eigenschaften. Mit anderen Worten: er löst sich von einem ausschließlich gegenständlich orientierten Verständnis von Medien. Zweitens lässt er sich als ein genuin philosophischer Beitrag zur Mediendiskussion verstehen, der ein Verständnis von Medien entwickelt, das in den einschlägigen Texten häufig aufscheint, selten aber extrapoliert wird.

Erstens (RM)

Zweitens (RM)

Drittens (RM)

Viertens (RM)


Anmerkungen

(1) Wiesing, Lambert 2005: Artifizielle Präsenz. Studien zur Philosophie des Bildes. Frankfurt/M. 149.

(2) Vogel, Matthias 2001: Medien der Vernunft. Eine Theorie des Geistes und der Rationalität auf Grundlage einer Theorie der Medien. Frankfurt/M. 136.

(3) Nagl, Ludwig/Sandbothe, Mike (Hg.) (2005): Systematische Medienphilosophie (= Deutsche Zeitschrift für Philosophie, Sonderband 7). Berlin: Akademie.

(4) Hoffmann, Stefan 2002: Geschichte des Medienbegriffs ( = Archiv für Begriffsgeschichte, Sonderheft). Hamburg. 24 ff.

(5) Ehlich, Konrad (1996): "Sprache als System und Sprache als Handlung". In: Sprachphilosophie/ Philosophy of Language/Philosophie de language. Ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung. Berlin/New York. 954, Sp. 1.