Karl G. Zinn: Wie umweltverträglich sind unsere Bedürfnisse?

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Karl G. Zinn: Wie umweltverträglich sind unsere Bedürfnisse?(1)


Laut der freien Enzyklopädie Wikpedia(2) ist der deutsche Ökonom Karl Georg Zinn, der den Neoliberalismus als eine Gefahr für die Entwicklung der deutschen Gesellschaft betrachtet, bekannt für seine keynesianische Position und seine marxistischen Ansätze.

Sein Aufsatz „Wie umweltverträglich sind unsere Bedürfnisse? - Zu den anthropologischen Grundlagen von Wirtschaftswachstum und Umweltzerstörung“, erschien in Ökonomie contra Ökologie, einem von Sigurd Martin Daecke herausgegebenen Band, der diverse wirtschaftsethische Beiträge zu Fragen des Verhältnisses von Umwelt und Ökonomie enthält.

Bereits in den ersten Zeilen unterstreicht Zinn die Kluft zwischen ökonomischen und ökologischen Interessen, die selbst durch umweltschonende Technik nicht zu beheben ist. Der Autor betrachtet nicht etwa die „Bevölkerungsexplosion“, die in diesem Kontext des Öfteren als Ursache der gegenwärtigen Umweltprobleme angegeben wird, als maßgebend, sondern viel mehr das kontinuierliche Wirtschaftswachstum. So ist „das Umweltproblem [...] zugleich das (Anm.: Wirtschafts-)Wachstumsproblem bzw. vice versa.“(3) Dies wirkt sich folgendermaßen aus: Wird ökologischen Problemen Priorität verliehen, bedeutet dies einen Verzicht auf Wirtschaftswachstum und somit ein Verzicht auf Wohlstandssteigerung; wird hingegen letzteres gefördert, bedeutet dies wiederum die sukzessive Zerstörung der Umwelt.

Diese Diskrepanz zwischen den Bedingungen für ein kontinuierliches Wirtschaftswachstum und den notwendigen Umwelterhaltungsmaßnahmen ist es, die ihn die Kernfrage stellen lässt, wie umweltverträglich unsere Bedürfnisse sind und wie diese wiederum in Zusammenhang mit wirtschaftlichem Wachstum stehen.

Die Antwort: Grundsätzlich lassen sich unsere natürlichen Bedürfnisse mit den Anforderungen an einen nachhaltigen Umweltschutz vereinbaren. Umweltschädigend werden sie, sobald technische Errungenschaften das ökologische Gleichgewicht negativ beeinflussen. Laut Zinn verlangt nachhaltiger Umweltschutz nach einer „Emanzipation der Vernunft“, welche unsere Bedürfnisse zu Gunsten der Natur bestimmt und eingrenzt. Er bezweifelt nicht, dass das Geltungsstreben des Menschen zu seinen Grundbedürfnissen zählt und somit auch nicht „abgesättigt“ werden kann. Im Gegensatz zu anderen existentiellen Bedürfnissen, ist es jedoch stärker abhängig von den jeweiligen sozial angelernten Verhaltensmustern. Zur Veranschaulichung führt er das Beispiel des Hungergefühls an, das sich ausschließlich durch die Nahrungsaufnahme befriedigen lässt. Im Gegensatz dazu hängt die Befriedigung des Geltungsstrebens eines Kindes viel mehr von seiner Erziehung und seiner kulturellen Herkunft ab und kann somit ,antrainiert‘ werden. Die Belohnung mittels Anerkennung, Zuneigung oder Lob wird in Hinblick auf sein zukünftige Wertesystem oder seine Verhaltensweisen andere Auswirkungen haben, als die Belohnung mittels materiellen Dingen, wie Geld oder Spielzeug. In unserer Gesellschaft findet die Befriedigung des Geltungs- und Rangstrebens in erster Linie über die ökonomische Ebene statt. Den Wirtschaftswissenschaften stellt er die Aufgabe, ein stabiles ökonomisches System zu entwickeln, das unabhängig vom wirtschaftlichen Wachstum Wohlstand ermöglicht. Nur so ist nachhaltiger Umweltschutz realistisch umsetzbar. Seinen Aufsatz schließt Zinn mit folgenden Worten:

„Der Gegensatz von Umwelterhaltung und fortschreitendem Wirtschaftswachstum ist nicht aufhebbar [...] Daher wird es notwendig sein, die Wirtschaftssysteme der reichen Länder, also jener Länder, auf die gegenwärtig 80 Prozent des Weltsozialprodukts entfallen, derart zu verändern, daß sie sozialökonomische Stabilität und Lebensqualität auch ohne Wachstum erhalten können.“(4)


Tina Pairits, 31. Oktober 2008


Fußnoten

(1) Karl G. Zinn: „Wie umweltverträglich sind unsere Bedürfnisse?“, in: Sigurd M. Daecke (Hg.), Ökonomie contra Ökologie, Stuttgart: Metzler 1995, S. 31-62.

(2) http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Georg_Zinn [Zugriff: 17.10.08].

(3) Karl G. Zinn: „Wie umweltverträglich sind unsere Bedürfnisse?“, in: Sigurd M. Daecke (Hg.), Ökonomie contra Ökologie, Stuttgart: Metzler 1995, S. 32.

(4) Ebd., S. 61.