Jugendarbeitslosigkeit und Ausbildung (JsB)
Inhaltsverzeichnis
Jugendarbeitslosigkeit aus dem Blickfeld des Einflusses der Ausbildung
Situation der Jugendlichen in der Arbeitsgesellschaft
Für die heutigen Jugendlichen bedeutet es, dass eine abgeschlossene Berufsausbildung noch lange nicht vor Arbeitslosigkeit schützt.
Doch die heutige ethische Überhöhung und die geradezu kultische Mystifizierung der Arbeit, so RIBOLITS, macht es doppelt so schwer, sich auf die geänderten gesellschaftlichen Verhältnisse adäquat einzustellen. (vgl. RIBOLITS 1997, S. 51ff, zit. n. KRAFELD 2000, S. 27)
Der fehlende Rückhalt der Ausbildung
Die berufliche Zukunft der Jugendlichen bringt neuartige Herausforderungen, und dabei besteht auch ein Handlungsbedarf in der Erziehung und Bildung (Eltern, Jugendhilfe, Schule und Berufsberatung).
In der Regel wird aber in den entsprechenden Einrichtungen in die Richtung gearbeitet, die auf die alten Herausforderungen ausgerichtet ist. Beim nicht zu Recht Kommen wird es den jungen Menschen als Versagen angelastet. (vgl. LESSING 1990, S. 12, zit. n. KRAFELD 2000, S. 30)
So lautet das Ergebnis der Shell – Jugendstudie 1997 wie folgt: „Wenn die Arbeitsgesellschaft zum Problem wird, dann muß auch die Jugendphase als Phase der biographischen Vorbereitung auf die Gesellschaft zum Problem werden“ (Jugend ´97 1997, S. 13).
Neben den zunehmenden Schwierigkeiten für Absolventen von Haupt- Sonder- und Förderschulen werden auch für jene, die aufgrund von besseren Bildungszugängen bzw.
-leistungen bessere Integrationsperspektiven haben, die Herausforderungen immer größer. Sie geraten in eine erhöhte Konkurrenz unter Mobilitäts- und Mithaltedruck. (vgl. OEHME 2006, S.27)
„Das Problem der Jugendarbeitslosigkeit bezieht sich sowohl auf fehlende Beschäftigungsmöglichkeiten als auch auf fehlende Ausbildungsmöglichkeiten.“ (OEHME 2006, S.28) Diese Aussage ist hauptsächlich auf das Duale Ausbildungssystem bezogen.
Das Duale Ausbildungssystem ist in Deutschland (& auch sehr gut vergleichbar mit Österreich) nach wie vor das Grundmodell für Berufsausbildung, neben Fachhochschulen und Universitäten. (vgl. OEHME 2006, S.28)
Mögliche Phasen der Jugendarbeitslosigkeit
Die Jugendlichen sehen sich einerseits mit der Aufgabe konfrontiert durch Arbeit Teil einer Gesellschaft zu werden und andererseits mit der Bewältigung wenn diese klassische Integration nicht funktioniert.
Aus mehreren Grundmustern werden Argumente zu der Problematik der Vorbereitung zur Bewältigung von zukommenden Arbeitslosenphasen getroffen, die kritisch zu betrachten sind:
- Die Gleichstellung der Vorbereitung auf eine mögliche Phase der Arbeitslosigkeit mit einer Befürwortung eines (besseren) Lebens ohne Arbeit.
- „Wo es tatsächlich um Fähigkeiten zur Krisenbewältigung geht, wird unterstellt, daß damit die Krise selbst geleugnet oder zum Wunschbild umgedeutet werde.“ (KRAFELD 2000, S. 36)
Eine Aufgabe für die Jugendberufshilfe
In diesem Sinne sollte es für eine zukunftsorientierte Jugendberufshilfe die Aufgabe sein, realistisch Beihilfe zu bieten, damit die Jugendlichen auch in unübersichtlichen und schwierigen Situationen lernen selbstbewusste Handlungen zu setzen. Und somit eine Stellung in der Gesellschaft finden, auch im Falle der möglichen Arbeitslosigkeit.
Allgemein wird unter Jugendberufshilfe der Versuch einer Integration von jungen Menschen in der Arbeitswelt verstanden mit dem Schwerpunkt auf Personengruppen mit sozialen Schwierigkeiten oder individuellen Beeinträchtigungen.
Kritisch betrachtet kann festgestellt werden:
- dass ein Mangel an Vertrauen am Erfolg der Maßnahmen, die im Bezug auf den Erfolg der beruflichen Biographie getroffen werden, existiert. Gleichermaßen von den Mitarbeitern sowie von den Jugendlichen.
- dass die Maßnahmen eine akzeptierte Alternativrolle zur Arbeitslosigkeit widerspiegeln, aber nicht davon ausgegangen werden kann, dass dieses Trimmen auf eine arbeitszentrierte Lebensführung, tatsächlich erfolgreiche Chancen auf eine Integration garantiert.
Mit dieser Betrachtung erscheint es gar nicht so überraschend, dass beispielsweise in den USA die Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit als Prävention von Kriminalität verstanden wird. (vgl. KRAFELD 2000, S. 43)
Zusammenfassend lässt sich in der Praxis feststellen, dass die Jugendberufshilfsmaßnahmen nur minimal zum erfolgreichen Berufseinstieg führen. Die Projektteilnahme ist mit dem Ziel verbunden eine Stelle zu finden, und bei Scheitern versuchen die Betroffenen ihre Bemühung damit vor sich selber zu rechtfertigen, dass es schon irgendetwas gebracht haben muss.
Qualifikation als Schwerpunkt
Die jungen Menschen besuchen mehrere Jahre die Institution Schule. Dies wird in Verbindung gesetzt mit einer erfolgreichen Integration in die Erwachsenengesellschaft.
Auffällig werden Disziplinstörungen, Mangel an Lernbereitschaft, Konzentrationsfähigkeit und Belastungsfähigkeit vernommen, doch kann das auch als Reaktion der jungen Menschen gesehen werden, die keine Orientierung in der Schule auf die Erwerbsarbeit finden.
„Schule und Erstausbildungsabschlüsse werden in Zukunft immer stärker nur mehr die 'Startvoraussetzungen' für den Weg ins Erwerbsleben liefern.“ (RIBOLITS 1997, S. 94, zit. n. KRAFELD 2000, S. 37)
Eine Ungewissheit besteht darin, wie weit die Schüler durch etwa bessere Noten eine größere Chance im Konkurrenzkampf um Ausbildungsplätze haben.
In den Kampf um die Verwertbarkeit am Arbeitsmarkt wird der Bildung (die Aufgabe der Pädagogik) immer mehr Bedeutung geschenkt, sozusagen als Allheilmittel.
Betont wird die Bereitschaft zur Qualifikation, Zusatzqualifikation – dem so genannten Weiterbildungsboom.
„Jugendarbeitslosigkeit wird bis heute zu einem erheblichen Teil der mangelnden Bildung und Qualifikation der Jugendlichen zugeschrieben.“ (OEHME 2006, S. 30) Dagegen spricht, dass der Berufsbildungsbericht aus Deutschland angibt, dass Jahr 2003 über 207.000 junge Erwachsene mit einer erfolgreich abgeschlossenen Berufausbildung (inklusive Hochschulabschlüsse) arbeitslos meldeten. (vgl. BMBF 2005, S. 196, zit. n. OEHME 2006, S.30)
Von den 207.000 arbeitslos gemeldeten, sind davon 157.000 mit dem Abschluss der Dualen Ausbildung, das sind 32,4%. (vgl. OHEME 2006, S.30)
Seit den 70er Jahren (wieder bezogen auf Deutschland) ist die sozialpolitische Reaktion auf Ausbildungs- und Arbeitslosigkeit der Jugendlichen, die Ausbildungs- und Beschäftigungshilfe, die wiederum den Schwerpunkt auf das Duale Ausbildungssystem setzt. (vgl. OHEME 2006,S.31)
„Qualifikationen, die einst das Entree in gesicherte Positionen garantierte, erweisen sich partiell als entwertet.“ (OSTERLAND 1990, S.357)
Der Qualifikationsbegriff (der oft ausgetauscht wird durch den Kompetenzbegriff) umfasst einen bestimmten Canon an Wissen und Fähigkeiten, die zur Ausübung eines Berufs notwendig sind. (vgl. OEHME 2006, S. 42)
„Hier rückt also der Gegenstand des Lernens in den Mittelpunkt, der standardisiert, überprüfbar und zertifizierbar war.“ (OEHME 2006, S.42)
„Nur mit dem Bezug auf eine transparente und rational einsichtige Struktur, die die notwendigen gesellschaftlichen Verbindungen zwischen Lernen und Tätigkeit herstellt, kann eine Qualifikation als individuell anzueignender Gegenstand fungieren, der gesellschaftlich anerkannt ist.“ (OEHME 2006, S.42)
„Mit dem arbeitsgesellschaftlichen Wandel zerfällt nun zumindest teilweise dieser stabile Rahmen. Die Segmente, in denen diese Vermittlungsstruktur zwischen Qualifikation und Arbeit gilt wird kleiner.“ (OEHME 2006, S.42)
Auf Grund dessen wurde mit dem Kompetenzbegriff reagiert, ohne aber das Verhältnis zwischen Lernen und Arbeit neu zu bestimmen und zu organisieren. (vgl. OEHME 2006, S.42)
Dabei sollte in den Blickwinkel fallen, wie „Selbstorganisation“ um Kompetenzentwicklung eine zentrale Rolle einnimmt; d.h. welche Chancen existieren selbstorganisiert zu handeln. (vgl. OEHME 2006, S.45) Der Blick richtet sich in letzter Zeit vielfach auf Lern- und Bildungsprozesse, die außerhalb der institutionalisierten Einrichtungen verlaufen (bezogen auf die Kompetenzentwicklung). (vgl. OEHME 2006, S.47)
„Dabei ist mehrfach herausgearbeitet worden, dass Kompetenzentwicklungsprozesse an konkrete soziale bzw. regionale und biographische Kontexte angeknüpft und somit nicht ohne weiteres in institutionellen Lernorten „herbeizuführen“ sind.“ (OEHME 2006, S.48)
Die institutionellen Bildungseinrichtungen „sind nach wie vor die traditionellen Vermittlungsinstanzen von standardisierten Wissen, aber neben ihnen entstehen andere Lernorte, in denen auf andere Weise gelernt wird“ (OEHME 2006, S.48).
Entscheidend ist unter biographischem Aspekt, dass die gesellschaftliche Integration der jüngeren Generation nicht mehr nur über die Erwerbsarbeit vollzieht. (vgl. OSTERLAND 1990, S. 358)
Ausbildungsdauer und Übergangsphase
Die Ausbildungsdauer verlängert sich. Gleichzeitig wird es immer schwerer Prognosen zu stellen, wo am Arbeitsmarkt nach der dafür berechneten Ausbildungszeit Bedarf an Personal bestehen könnte.
KRAFELD bezeichnet das Jugendlich-Sein als ein Schüler-Sein. In den 60er Jahren haben 80% der Jugendlichen die Schule mit 14 Jahren beendet, heute ist das Alter auf 19 Jahre gestiegen. (vgl. KRAFELD 2000, S. 40)
Betrachtet hat Herr OEHME wie das Verhältnis von formellen und informellen Lernen bestellt ist und wie den in Bezug zu den Potentialen, die die jungen Erwachsenen aus ihren biographischen Verläufen und sozialen Umfeldern schöpfen. (vgl. OEHME 2006, S. 216)
„Die soziale Gestalt von Jugend wird gegenwärtig stark durch die ungelöste arbeitsgesellschaftliche Integrationsfrage bestimmt. Dabei spielt die Entgrenzung der Bildungs- Übergangsstrukturen, die als eigentliche Kopplungsmechanismen zwischen Jugendphase und Arbeitswelt fungieren eine entscheidende Rolle.“ (OEHME 2006, S.26)
„So wird die Übergangsphase in Ausbildung und Beschäftigung für einen wachsenden Teil der Heranwachsenden in unterschiedlicher Ausprägung immer prekärer und länger oder wird zum Dauerzustand.“ (OEHME 2006, S.26)
Literatur
BMBF: Bundesministerium für Bildung und Forschung. Berufsbildungsbericht 2005. Berlin 2005.
JUGEND ´97.: Zukunftsperspektiven, Gesellschaftliches Engagement, Politische Orientierung. Hrsg.: Jugendwerk der dt. Shell. Opladen 1997.
KRAFELD, F. J.: Die überflüssige Jugend der Arbeitsgesellschaft. Eine Herausforderung an die Pädagogik. Opladen 2000.
LESSING, H.: Die Zukunft ist schon verbraucht. Lebensstilsuche in der Krisenzeit. In: Störfaktor 14. Zeitschrift kritischer Psychologinnen und Psychologen. 4. Jg., H. 2/1990, S. 12-22.
OEHME, A.: Kompetenzentwicklung, Aneignung, Bewältigung. Universität Hildesheim 2006.
OSTERLAND, M.: „Normalbiographie“ und „Normalarbeitsverhältnis“. In: BERGER, P.A. (Hg.): Lebenslagen, Lebensläufe, Lebensstile. Göttingen 1990, S. 351-361.
RIBOLITS, E.: Die Arbeit hoch? Berufspädagogische Streitschrift wider die Totalverzweckung der Menschen im Post-Fordismus. 2. erg. Aufl. Wien 1997.