JAKOBSOHN, Sarah (Arbeit2)

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Essay II Zu Professor Rhemanns Vorlesung aus der RV Methoden und Disziplinen der Philosophie Vorraussetzungen, um über Anthropotechnik nachzudenken Professor Rhemanns anthropologische Überlegungen zeigten auf, von welcher Bedeutung die Frage nach dem Menschen für das Philosophieren ist. Sie ist quasi eine Voraussetzung für jedes weitere Philosophieren, sie dominiert die Philosophie. Es ist einleuchtend, dass wer philosophieren will, sich erst einmal klar machen muss, wer dann eigentlich philosophiert. Die Stellung des Menschen in der Schöpfung, seine Positionierung gegenüber anderen Lebewesen, seine Charakteristika, das, was ihn gegenüber anderen Lebewesen auszeichnet, seine Eigenheiten, sind entscheidend, um sich selbst einordnen zu können. Die Frage nach dem Menschen gewinnt noch an Bedeutung, wenn man wie Rhemann davon ausgeht, dass das 21. Jahrhundert das Jahrhundert der Anthropotechnik sei. Professor Rhemann beschäftigt sich ausführlich mit der philosophischen Anthropologie, um vor deren Hintergrund über die Anthropotechnik nach zu denken. Es werden zunehmend Versuche unternommen in elementare Grundbegriffe des Menschen einzugreifen, höhere Intelligenzen als den Menschen zu entwickeln, zu klonen und auf vielfältige Weise mit Hirnen und Genen zu experimentieren, mit dem Ziel Menschen zu synthetisieren, die Menschlichkeit des Menschen zu durchschauen und künstlich herstellbar zu machen. Diese neuen Möglichkeiten der Forschung eröffnen auch neue Gefahren und werfen eine Vielzahl von Fragen auf. Im Folgenden soll darüber nachgedacht werden, ob der Mensch überhaupt schon genug von sich selbst weiß, als dass er sich daran wagen dürfte, selbst neues Leben zu erschaffen. Weiß der Mensch überhaupt wer oder was er ist? Was sind seine Charakteristika, wodurch zeichnet er sich aus? Was grenzt ihn gegen seine Umwelt ab? Welche Antworten vermag die Anthropologie zu geben, welche ethischen Überlegungen müssen unternommen werden, um sich mit diesen Themen auseinander zu setzen? Professor Rhemann gibt drei Kriterien für Leben an: erstens Eigenaktivität, zweitens Innen- und Außenperspektive und drittens Informationsverarbeitung. Was den Mensch nun auszeichne sei seine exzentrische Positionalisierung, d.h. er ist in der Lage aus sich selbst heraus zutreten und sich von außen zu betrachten, in sich hineinzuschauen, sich also selbst zu wissen. Diese Fähigkeit fehlt anderen Lebewesen. „Der Mensch ist ein Tier, aber weil er weiß, dass er ein Tier ist, ist er kein Tier.“, sagte Aristoteles. Der Mensch hat Selbstbewusstsein. Er weiß sich selbst und kann sich selbst denken, er besitzt damit eine Fähigkeit, die ihn von den anderen Tieren unterscheidet. Wie genau „weiß“ er sich jedoch selbst? Bis zu welchem Grade der Mensch sein Menschsein bereits erforscht hat und in wie weit wir uns unserer selbst im Alltag dieses bewusst machen, ist wichtig für viele Aspekte des Lebens. Die Frage z.B. wie der Mensch sich anderen Menschen gegenüber zu verhalten hat oder Tieren, bestimmt direkt unser Handeln, unser Eingreifen in die Umwelt und unsere Interaktion mit anderen. Der Mensch-ein Mängelwesen Der Mensch ist ein Mägelwesen, insofern als er im Vergleich zu Tieren ein nur unzureichend mit Instinkten ausgestattetes Wesen ist. Er ist abhängig von seiner Außenwelt- der Mensch wird „zu früh“ geboren. Andere Lebewesen wie etwa Kühe kommen auf die Welt und stehen wenig später auf ihren Beinen, sind bereits lebensfähig. Der Mensch hingegen ist nackt bei Geburt und seiner Umwelt schutzlos ausgeliefert. Ließe man ein Baby allein nach der Geburt würde es jämmerlich zu Grunde gehen. Die ersten Monate seines Lebens kann er nicht laufen, muss dies erst in einem mühsamen Prozess erlernen, wie auch alles andere. Lernen ist für den Menschen entscheidend, er wird erst langsam ans Leben herangeführt, indem er von Erwachsenen gelehrt wird und sie imitiert. Ohne Lernprozesse zu durchlaufen kann der Mensch nicht existieren, denn erst diese lassen ihn zu einem Menschen werden, der lebensfähig und denkend ist und somit erfüllt, was ein Mensch nach der aristotelischen Definition ist: ein psychosoziales Wesen ausgestattet mit Verstand! Der Mensch ist ein Denkendes Wesen, im Gegensatz zum Tier kann er sich selbst und seine Umwelt reflektieren. Dadurch ist er in der Lage aktiv in seine Umwelt einzugreifen, sie zu bearbeiten, zu kultivieren, sie sich ihm Untertan zu machen. Der Mensch muss sich selbst steuern, die Natur lässt ihn ein Stück weit im Stich, als sie ihn nicht mit genügend Instinkten ausgestattet hat, damit er sich in der bestehenden Welt zurecht finden könnte. Er ist darauf angewiesen in seine Umwelt einzugreifen. Aus dieser Angewiesenheit resultiert aber auch eine Möglichkeit, die ihn zu mehr befähigt, als Tiere. Er hat die Macht, die Schöpfung zu beherrschen. Dieser Macht muss er sich bewusst machen, um auch die Verantwortung, die sie mit sich bringt zu verstehen. Ein ewiges Streben nach Fortschritt Es beginnt schon bei seinem Bedürfnis nach Kleidung und Wohnung, um sich vor Witterung zu schützen. Dann folgt der Mensch scheinbar einem sich Trieb immer weiter zu spezialisieren. Er ist nie an einem Zustand der Saturation angelangt, sondern ewig auf dem Weg nach weiterer Komprimierung der Umwelt. Er erfindet ständig Neues und erforscht die Welt, in der er lebt, um sie besser zu verstehen und gekonnter in sie eingreifen zu können. Der Mensch ist in der Lage sich selbst auszulöschen, kein anderes Lebewesen auf diesem Planeten hat diese Fähigkeit. Ebenso wie es in der Macht des Menschen liegt zu erschaffen, liegt es in seiner Macht zu vernichten. Auch hierin begründet sich seine Sonderstellung in der Schöpfung. Vereinzelung nur in der Gruppe Individualität ist nur in Gemeinschaft möglich, also dann wenn der einzelne die Möglichkeit hat sich gegen andere abzugrenzen und zu vergleichen. Da der Mensch nie allein sein kann, weil er eben nur in Gemeinschaft zu überleben vermag und sich somit schon bei der Geburt unter Menschen befindet, ist es ihm also negativ formuliert nicht möglich kein Individuum zu sein. Er kann die Gemeinschaft zwar verlassen, sobald er groß genug dazu ist, aber zu diesem Zeitpunkt wird sich schon sein Bewusstsein dahin ausgebildet haben, dass er sich selbst als einer unter vielen versteht. Der Mensch denkt für sich selbst, er denkt nicht in der Gruppe. Zwar kann er für eine Gruppe von Menschen denken, aber nicht als eine Gruppe. Er ist also ein vereinzeltes Wesen, das sich seiner Singularität und Endlichkeit bewusst ist. Ein handelndes Wesen Der Mensch ist handlungsfähig, das heißt, er ist in der Lage Entscheidungen zu treffen und auf Grund dieser Entscheidungen zu handeln. Woraus sich auch eine Verantwortung für sein Handeln gibt, denn es beruht ja nicht wie beim Tier allein auf Instinkten und Reflexen, sondern auf seiner Denkleistung. Niemand würde einem Tier vorwerfen böse gehandelt zu haben, wenn nun aber ein Mensch etwas „böses“ bzw. andere Schädigendes tut, können wir ihm sehr wohl sein Handeln vorwerfen, denn es kann erwartet werden, dass er sich seiner Handlung und auch der damit verbundenen Konsequenzen bewusst war. Aus dieser Verantwortlichkeit für das eigene Handeln und die vorausgesetzte Gemeinschaft der Menschen ergibt sich die Frage nach den Bedingungen und Voraussetzungen des Sollens; nach Sozialen Regeln. Woraus entsteht Ethik? Wie organisiert sich der Mensch in Gemeinschaft? Kognitive Entwicklung des Menschen Ist man sich nun der Bedeutung von Lernprozessen für den Menschen bewusst, scheint es unmöglich einen höher entwickelten Menschen künstlich zu erschaffen, der diese Prozesse nicht auch zu durchlaufen haben müsste. Ansonsten könnte man ihn wohl schwerlich als Mensch bezeichnen. Falls es eine Voraussetzung von intelligentem Leben sein sollte, sich über prozesshaftes Lernen seine Fähigkeiten anzueignen, dann stellt sich die Frage, ob der Mensch überhaupt in der Lage ist eine höhere Intelligenz als ihn selbst zu erschaffen, da dieses Wesen ja doch von ihm lernen müsste, um sich lebensfähig zu entwickeln. Reflexives Denken kann nicht angeboren sein, auch Lernprozesse können nicht übersprungen werden, diese müssen durchlaufen werden, sind prozesshaft. Auch wenn ein Wesen mit überdurchschnittlicher Geistesbegabung geboren wird, ist es zunächst darauf angewiesen einfache lebenswichtig Prozesse wie Essen, Gehen, Denken zu erlernen. Dann erst kann es seine Anlagen entfalten. Die ethischen Aspekt bei der Erschaffung künstlichen Lebens, stellen sich als überaus problematisch dar in Anbetracht der Tatsache, dass der Mensch sich bis jetzt noch immer nicht ganz klar darüber ist, was er selbst überhaupt ist. Es gibt viele verschiedene Auffassungen davon, ist letztlich nicht eindeutig festzustellen. Welche Funktion der Mensch hat, wie er leben soll- das sind Fragen, die nicht beantwortet, jedoch zwingend notwendig sind, um darüber zu entscheiden, ob der Mensch in einer Art in die Natur eingreifen darf, die anderes Leben instrumentalisiert und neu erschafft, was er selbst nicht begreifen kann. Die Macht des Menschen auf die Natur einzuwirken, sie zu kultivieren, bringt auch eine gewisse Verantwortlichkeit mit sich, die wiederum in der Ethik begründet liegt, dass jeder Mensch das Recht auf Leben und Freiheit hat. Wenn alles erlaubt wäre, wäre auch alles egal, da jeder alles tun dürfte, egal was für Auswirkungen es auch auf die anderen Menschen habe. Dann gäbe es keine Regeln und Werte, denn alles wäre allein durch den Willen des einzelnen legitimiert. Ein moralisches Wesen Was aber auch ein Charakteristikum des Menschen ist, ist sein Moralempfinden, sein Gewissen. Der Mensch unterwirft sich selbst Regeln, um sich das Leben zu erklären, um nicht im Chaos unterzugehen. Worin dieses Moralempfinden besteht, worin es sich begründet, lässt sich hier nicht beantworten, aber das es so etwas gibt ist unumstritten. Kant sucht in seiner praktischen Philosophie nach Maximen für das eigene Handeln, um ein moralisches und dadurch menschenwürdiges Leben führen zu können. Diese Würde des Menschen stellt einen weiteren wichtigen Gesichtspunkt dar, unter welchem zu erwägen wäre, ob im Erschaffen künstlichen Lebens nicht in die Würde dieses neuen Lebens eingegriffen würde. Ob solches vom Menschen geschaffene Leben überhaupt den Anspruch auf eine unantastbare Würde hat, oder ob in diesem Prozess das Lebewesen zu einem Stück Materie herabgewürdigt wird und zu einem Gebrauchsgegenstand verkommt.

Dieses Essay soll nicht beantworten, was der Mensch nun wirklich ist, zu viele Aspekte wären dabei zu berücksichtigen, die zu behandelnden Positionen zu verschieden und die Frage wohl letztlich doch nicht befriedigend zu beantworten. Anstelle dessen soll viel mehr aufgezeigt werden, was in der Anthropotechnik alles zu berücksichtigen wäre, damit sie „guten Gewissens“ ans Werk schreiten dürfte. Die wichtigste Frage in diesem Zusammenhang scheint die Frage nach der Verantwortlichkeit des Menschen zu sein- dem Leben gegenüber. Inwiefern darf man Lebewesen zu Forschungszwecke instrumentalisieren und inwiefern ist es dem Fortschritt überhaupt förderlich dies zu tun. Bis wohin ist Fortschritt an sich noch nützlich und sinnvoll? Ohne ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, welche Möglichkeiten der Menschheit bereits zur Verfügung stehen und welchen dieser Möglichkeiten er sich nicht nur bedienen kann sondern auch sollte, ist es nicht möglich verantwortungsvoll zu entscheiden, wie weit die Anthropotechnik in ihren Forschungen gehen sollte. Um Leben zu erschaffen, müsste sich die Menschheit zunächst einmal ihrer selbst und der Umwelt völlig bewusst werden, um auch richtig einschätzen zu können, welche Folgen dies mit sich brächte. 


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