Interaktivität (PhÜD): Unterschied zwischen den Versionen

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Die Textgrundlagen für die folgenden Überlegungen finden sich in 2 Publikationen:
  
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[http://sammelpunkt.philo.at:8080/2519/ H. Hrachovec: ''From Maulbertsch to MMORPGs. On Digital Cross-Media Entertainment'']
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[http://sammelpunkt.philo.at:8080/1938/ H. Hrachovec ''Heilige, Übermenschen, Avatare'']
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Ein elementares Beispiel für digitale Interaktivität ist der Umgang mit einer “Maus” zur Steuerung graphischer Benutzeroberflächen. Der Mauszeiger ist im medientheoretischen Verständnis ein Avatar der Person, die mit der Maus operiert. Die Benutzeroberfläche bietet eine in Echtzeit generierte Zeichenwelt, in die mittels des Zeigers live eingegriffen werden kann. Die Besitzerinnen dieser Welt sind in deren Binnenraum durch von ihnen steuerbare Zeichen vertreten.
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Das beschriebene Arrangement ist in erster Annäherung ein Handwerksgebrauch, z.B. nach dem Vorbild ferngesteuerter Greifarme. Die menschliche Hand wird technisch unterstützt. Doch in dieser Beschreibung fehlt die
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Eigenart des “user interface”. Konventionelle Werkzeuge manipulieren handfeste Materialien, hier haben wir es dagegen mit Symbolgestalten zu tun. Der Mauszeiger ist abhängig von Handbewegungen, soweit passt das alte
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Schema. Doch dieser Zeiger bewegt nichts Materielles; wenn er “am Desktop ein Dokument verschiebt”, handelt es sich um die <font color="purple">bildliche Beschreibung symbolischer Transaktionen</font>, die sich das Aussehen von Ordnungsarbeiten auf einem Schreibtisch gegeben haben.
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Ein Versuch, diese neuartigen Zusammenhänge konzeptuell zu fassen, ist die Rede von virtuellen Welten. Im Jargon der Ingenieure ist “virtual memory” eine Auslagerungsdatei auf der Festplatte, welche dieselben Funktionen
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bietet, wie das im (schnelleren) Speicherchip untergebrachte “random access memory”. Ein “virtueller Freitag” ist der Donnerstag einer Woche, in welcher der Freitag arbeitsfrei ist. Virtualität ist danach Funktionsäquivalenz vor dem Hintergrund unterschiedlicher materieller Vorgaben. So läßt sich auch die handwerkliche Extradimension beschreiben, die im Gebrauch der Computermaus zu beobachten ist: Mit Hilfe dieses Geräts greift die Benutzerin in eine virtuelle Welt ein. <font color="purple">Sie arbeitet nicht im Bereich ihrer physischen Umwelt, sondern in einer Dimension, die quasi eine solche Umwelt ist</font>. Genauer gesagt: in einer Dimension, die (unter anderem) für den Zweck der Dokumentenverwaltung jene Funktionalität bietet, die vom gewöhnlichen Bürobetrieb bekannt ist.
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Soweit der Vorspann zur Analyse des Avatars. Funktionale Äquivalenzen zwischen künstlich hergestellten Umwelten finden sich auch in Filmstudios oder gruppendynamischen Szenarien. Entscheidend kommt hinzu, <font color="purple">dass sich die faktische und die virtuelle Welt durch digital gesteuerte Interaktionsmechanismen ineinander verschachteln</font>. Die Absicht, Kopien eines Schriftstücks anzulegen, wird am Desktop nicht abgebildet und nicht "händisch" bewirkt. Sie wird innerhalb der Parallelwelt so umgesetzt, dass sich dieses Ergebnis in die Ausgangssituation zurückübersetzen läßt. Die Vermittlungsrolle übernimmt der Avatar, also z.B. der Mauszeiger am Monitor. Er unterliegt der Steuerung einer Person, insofern kann man sagen, dass er deren Absichten repräsentiert. Aber er erfüllt diese Aufgabe in einer Umgebung, die solchen Absichten nicht direkt zugänglich ist. Die Vorgänge im Computer bleiben für die Benutzerin opak. Zugänglich ist ihr nur die – passend entworfene – Oberfläche, d.h. die Symbolwelt, die plangemäß bestimmte Funktionalitäten beitet, als handle es sich um einen Schreibtisch.
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Der Zweck des Mauszeigers, als Avatar gefasst, liegt letztlich darin, <font color="purple">eine Handlung durch Übersetzung in eine Kunstwelt in der Ausgangswelt zu unterstützen</font>. Die Besonderheit des Avatars in dieser Konstruktion wird noch deutlicher, wenn man mögliche Fehlfunktionen betrachtet. Eine Art Störung kann die Signalübertragung betreffen. So betrachtet sind konventionelle Werkzeuge und Maus in der gleichen Schwierigkeit: die Leitung ist unterbrochen. Zweitens kann die erfolgreiche Verwendung eines Werkzeugs daran scheitern, dass die zu bearbeitende Umgebung falsch eingeschätzt wird. Die Schraube klemmt oder der Mauszeiger bewegt sich zu schnell; auch diese Störungen laufen parallel. Im Computergebrauch ist jedoch, drittens, ein Ausfall möglich, den es in den anderen Beispielen nicht gibt.
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Als digital generiertes Signal innerhalb einer graphischen Oberfläche unterliegt der Mauszeiger den Gesetzlichkeiten der Hardware und Programmtechnik, auf welchen diese virtuelle Welt aufbaut. Er reagiert nicht nur auf Steuerung "von außen", sondern auch auf “interne” Interdependenzen. Und da sich diese Interna als eine funktional eigenständige Welt darstellen, <font color="purple">entsteht ein Eigenleben der Virtualität, an dem der Avatar – abgesehen von der steuernden Person – teilnimmt</font>. Die Reaktionszeit des Zeigers verlangsamt sich, wenn (mit seiner Hilfe) zu viele Prozesse gestartet werden; er “friert ein”, nachdem auf ein Symbol geklickt, sprich ein Programm aufgerufen wurde. Das sind Vorgänge, in denen der Avatar der Kontrolle seitens der Ausgangswelt durch eine Komplikation innerhalb der virtuellen Welt entgleitet. Der Greifarm bekommt vielleicht den Felsbrocken nicht zu fassen. Anders der Mauszeiger, wenn ihm ein Scherzprogramm bei jedem Zugriff das Fenster wegzieht. Seine Welt ist nicht bloß (partiell) widerständig, sie ist so gebaut, dass Avatare im virtuellen Raum mit absichtsvollen Gegenwirkungen konfrontiert sein können.
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Der Punkt ist in vernetzten Spielumgebungen unmittelbar greifbar: der Avatar einer Spielerin trifft auf symbolische Konstrukte und andere Avatare, die fremder Kontrolle unterliegen. Die Doppelwelt besteht nicht nur aus der Repräsentanz einer Akteurin in einer symbolisch (semi-)geschlossenen Umgebung. Diese Umgebung kann auch die interaktiven – und damit konfliktträchtigen – Aspekte der realen Welt modellieren.
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== Spielumgebungen ==
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Cinema is built on moving pictures, i.e. machines which operate in real time. Computer generated environments are implemented at „run time“ which can be synchronized with ordinary human behavior. The bodily movement of a game's participants can, in particular, be regarded as inputs to be directly fed into the very world those participants perceive and act upon.
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Success at soccer depends on a player's ability to anticipate and to preempt his opponents movements. A game of poker demands similar guess-work as to one's partner's intentions. The distinguishing mark of the particular feedback we are considering is that „run time“, in this case, does not mean a real life temporal sequence, but rather refers to the electronic cycles an computer runs through and which may – by additional provisions – be synchronized with an agent's biorhythm.
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Or, as is the case in representational contexts, the rules governing the construction of a symbolic universe may include algorithms that can be triggered by sentient observers of the artificial world. The novelty of this cybernetic loop can be caught in the following anomaly: observation is directly transformed to actions changing the observational setting. It is if snipping your finger turns a table into a fridge. To put it differently: electronic circuits give rise to games that offer the opportunity to hook into the system of ordinary sense perception and explore – as well as exploit – its functions.
  
Avatare sind Instanzen der “Herabkunft” eines Gottes auf die Erde. Die
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The cybernetic feedback we have been exploring is inherently autistic. There is a price to be paid for linking the qualities of objects perceived to the whim of perception: such qualities are usually thought to be accessible to – and underwritten by – shared practices of a group of agents. Arbitrarily changing sense impressions are often taken as illusions. Entrapped in a clever mirrot setup a person lacks corrective outside information and can be short-circuited into a deceptive double bind.
Parallelen und Differenzen zur christlichen Lehre von der Inkarnation sind
 
hier nicht zu erörtern.10 Der Bezugspunkt im vorliegenden Beitrag ist eine
 
Sprachentwicklung, in der dieses hinduistische Motiv zur Bezeichnung einer
 
Konstellation herangezogen wird, die zwischen zwei Welten der digitalen
 
Interaktion entsteht.11 Ein elementares Beispiel ist der Umgang mit einer
 
“Maus” zur Steuerung einer graphischen Benutzeroberfläche.12 Im Vokabular
 
der Metaphysik und Epistemologie finden sich zahlreiche Ausdrücke zur
 
Beschreibung von Repräsentationsverhältnissen. Der Umweg über den
 
“exotischen” Begriff des Avatars bietet den Vorteil, den Sachverhalt
 
terminologisch neutral ansprechen zu können. Der Mauszeiger ist im
 
medientheoretischen Verständnis ein Avatar der Person, die mit der Maus
 
operiert. Die Benutzeroberfläche bietet eine in Echtzeit generierte
 
Zeichenwelt, in die mittels des Zeigers live eingegriffen werden kann. Die
 
Besitzerinnen dieser Welt sind in deren Binnenraum durch von ihnen
 
10
 
“In dem Wort steckt der Stamm 'tri', was Übergang bedeutet, und durch die
 
Vorsilbe 'ava' wird daraus ein Hinabsteigen. Schon in der Wortbedeutung gibt es also
 
eine Hierarchie, die sich vollends zeigt, wenn man die Ursprungserzählung kennt, in
 
der der Avatar auftaucht. Danach ist der Avatar eine menschliche oder tierische
 
Verkörperung des Gottes Vishnu, der so gleichzeitig in der Welt agieren kann,
 
während er diese Aktion vom Himmel aus beobachten und koordinieren kann. Und er
 
tut dies nur unter bestimmten Umständen, wenn Unordnung entstanden, ein System
 
aus dem Gleichgewicht geraten ist und er den ursprünglichen Zustand wiederherstellen will.” [Mertens(2003)], Elektronisches Dokument. 15.6.2009. Zum Verhältnis
 
zwischen Buddhismus und Christentum vgl. [Sheth(2002)], [Eschmann(1972)].
 
11
 
“In der Terminologie zum Cyberspace hat sich der Begriff des Avatars
 
festgesetzt, um den Zugriff des Users auf den Raum zu beschreiben. Unter Avatar
 
versteht man die Repräsentation des Spielers beziehungsweise Nutzers im digitalen
 
Raum, die eine Interaktion mit der Umgebung und anderen Avataren und damit
 
anderen Spielern ermöglicht. Eine gängige Definition lautet: "Avatare sind
 
Stellvertreter, virtuelle Repräsentanten der materiegebundenen Wesen, die sie ins
 
Leben gerufen haben. Dabei geht es nicht um eine 1:1-Repräsentation, vielmehr
 
werden Avatare genutzt, um bestimmte Aspekte des eigenen Selbst auszudrücken."
 
(Siehe Nicola Döring: Sozialpsychologie des Internet). Durch Avatare ist es möglich,
 
mit selbstbestimmten Maskenspielen aus der Rolle zu schlüpfen, die einem die
 
Gesellschaft zuschreibt, und die eigene Persönlichkeit in ihrer ganzen Bandbreite
 
auszuleben.” Mathias Mertens a.a.O.
 
12
 
Ich beschränke mich, um die logischen Strukturen herauszuarbeiten, auf
 
dieses einfache Beispiel und verzichte darauf, meinen Punkt unter Einbeziehung
 
virtueller Welten wie "Second Life" (http://de.secondlife.com/)
 
plastischer zu illustrieren.
 
  
�steuerbare Zeichen vertreten.
 
Das beschriebene Arrangement ist in erster Annäherung ein Handwerksgebrauch, z.B. nach dem Vorbild ferngesteuerter Greifarme. Die menschliche
 
Hand wird technisch unterstützt. Doch in dieser Beschreibung fehlt die
 
Eigenart des “user interface”. Konventionelle Werkzeuge manipulieren
 
handfeste Materialien, hier haben wir es dagegen mit Symbolgestalten zu tun.
 
Der Mauszeiger ist abhängig von Handbewegungen, soweit passt das alte
 
Schema. Doch dieser Zeiger bewegt nichts Materielles; wenn er “am Desktop
 
ein Dokument verschiebt”, handelt es sich um die bildliche Beschreibung
 
symbolischer Transaktionen, die sich das Aussehen von Ordnungsarbeiten auf
 
einem Schreibtisch gegeben haben. Der Vorgang ist in wichtigen Punkten
 
einem Taschenrechner vergleichbar. Die Benutzerin tippt Zahlen und eine
 
Rechenoperation, die Maschine reagiert nach prädeterminierten Schaltungen,
 
im Endeffekt wird eine passende Symbolkette ausgegeben. Ein solches Gerät
 
ist kein Werkzeug im Sinn eines Hammers oder auch einer Fernbedienung.
 
Ein Versuch, diese neuartigen Zusammenhänge konzeptuell zu fassen, ist die
 
Rede von virtuellen Welten.13 Im Jargon der Ingenieure ist “virtual memory”
 
eine Auslagerungsdatei auf der Festplatte, welche dieselben Funktionen
 
bietet, wie das im (schnelleren) Speicherchip untergebrachte “random access
 
memory”. Ein “virtueller Freitag” ist der Donnerstag einer Woche, in welcher
 
der Freitag arbeitsfrei ist. Virtualität ist danach Funktionsäquivalenz vor dem
 
Hintergrund unterschiedlicher materieller Vorgaben. So läßt sich auch die
 
handwerkliche Extradimension beschreiben, die im Gebrauch der
 
Computermaus zu beobachten ist: Mit Hilfe dieses Geräts greift die
 
Benutzerin in eine virtuelle Welt ein. Sie arbeitet nicht im Bereich ihrer
 
physischen Umwelt, sondern in einer Dimension, die quasi eine solche
 
Umwelt ist. Genauer gesagt: in einer Dimension, die (unter anderem) für den
 
Zweck der Dokumentenverwaltung jene Funktionalität bietet, die vom
 
gewöhnlichen Bürobetrieb bekannt ist.
 
Soweit der Vorspann zur Analyse des Avatars. Funktionale Äquivalenzen
 
zwischen künstlich hergestellten Umwelten finden sich auch in Filmstudios
 
oder gruppendynamischen Szenarien. Entscheidend kommt hinzu, dass sich
 
die faktische und die virtuelle Welt durch digital gesteuerte
 
Interaktionsmechanismen ineinander verschachteln. Die Absicht, Kopien
 
eines Schriftstücks anzulegen, wird am Desktop nicht abgebildet und nicht
 
"händisch" bewirkt. Sie wird innerhalb der Parallelwelt so umgesetzt, dass
 
sich dieses Ergebnis in die Ausgangssituation zurückübersetzen läßt. Die
 
Vermittlungsrolle übernimmt der Avatar, also z.B. der Mauszeiger am
 
Monitor. Er unterliegt der Steuerung einer Person, insofern kann man sagen,
 
dass er deren Absichten repräsentiert. Aber er erfüllt diese Aufgabe in einer
 
Umgebung, die solchen Absichten nicht direkt zugänglich ist. Die Vorgänge
 
13
 
Vgl. zum Folgenden [Hrachovec(2002)]. Verfügbar online unter
 
http://sammelpunkt.philo.at:8080/871/1/virtualitaet.pdf
 
15.6.2009.
 
  
�im Computer bleiben für die Benutzerin opak. Zugänglich ist ihr nur die –
 
passend entworfene – Oberfläche, d.h. die Symbolwelt, die plangemäß
 
bestimmte Funktionalitäten beitet, als handle es sich um einen Schreibtisch.
 
Der Zweck des Mauszeigers, als Avatar gefasst, liegt letztlich darin, eine
 
Handlung durch Übersetzung in eine Kunstwelt in der Ausgangswelt zu
 
unterstützen. Die Besonderheit des Avatars in dieser Konstruktion wird noch
 
deutlicher, wenn man mögliche Fehlfunktionen betrachtet. Eine Art Störung
 
kann die Signalübertragung betreffen. So betrachtet sind konventionelle
 
Werkzeuge und Maus in der gleichen Schwierigkeit: die Leitung ist
 
unterbrochen. Zweitens kann die erfolgreiche Verwendung eines Werkzeugs
 
daran scheitern, dass die zu bearbeitende Umgebung falsch eingeschätzt wird.
 
Die Schraube klemmt oder der Mauszeiger bewegt sich zu schnell; auch diese
 
Störungen laufen parallel. Im Computergebrauch ist jedoch, drittens, ein
 
Ausfall möglich, den es in den anderen Beispielen nicht gibt. Als digital
 
generiertes Signal innerhalb einer graphischen Oberfläche unterliegt der
 
Mauszeiger den Gesetzlichkeiten der Hardware und Programmtechnik, auf
 
welchen diese virtuelle Welt aufbaut. Er reagiert nicht nur auf Steuerung "von
 
außen", sondern auch auf “interne” Interdependenzen. Und da sich diese
 
Interna als eine funktional eigenständige Welt darstellen, entsteht ein
 
Eigenleben der Virtualität, an dem der Avatar – abgesehen von der steuernden
 
Person – teilnimmt.
 
Die Reaktionszeit des Zeigers verlangsamt sich, wenn (mit seiner Hilfe) zu
 
viele Prozesse gestartet werden; er “friert ein”, nachdem auf ein Symbol
 
geklickt, sprich ein Programm aufgerufen wurde. Das sind Vorgänge, in
 
denen der Avatar der Kontrolle seitens der Ausgangswelt durch eine
 
Komplikation innerhalb der virtuellen Welt entgleitet. Der Greifarm bekommt
 
vielleicht den Felsbrocken nicht zu fassen. Anders der Mauszeiger, wenn ihm
 
ein Scherzprogramm bei jedem Zugriff das Fenster wegzieht. Seine Welt ist
 
nicht bloß (partiell) widerständig, sie ist so gebaut, dass Avatare im virtuellen
 
Raum mit absichtsvollen Gegenwirkungen konfrontiert sein können. Der
 
Punkt ist in vernetzten Spielumgebungen unmittelbar greifbar: der Avatar
 
einer Spielerin trifft auf symbolische Konstrukte und andere Avatare, die
 
fremder Kontrolle unterliegen. Die Doppelwelt besteht nicht nur aus der
 
Repräsentanz einer Akteurin in einer symbolisch (semi-)geschlossenen
 
Umgebung. Diese Umgebung kann auch die interaktiven – und damit
 
konfliktträchtigen – Aspekte der realen Welt modellieren.
 
  
 
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[[Category:Drohnen. SS 2016]]
 
[[Category:Drohnen. SS 2016]]

Aktuelle Version vom 21. April 2016, 11:12 Uhr

Die Textgrundlagen für die folgenden Überlegungen finden sich in 2 Publikationen:

H. Hrachovec: From Maulbertsch to MMORPGs. On Digital Cross-Media Entertainment

H. Hrachovec Heilige, Übermenschen, Avatare

Himmelsräume


Dr-i1.jpg Dr-i2.jpg

Dr-i3.jpg

Mäuse


Av1.jpg Computer-and-child.jpg

Already-a-computer-junky.jpg


Ein elementares Beispiel für digitale Interaktivität ist der Umgang mit einer “Maus” zur Steuerung graphischer Benutzeroberflächen. Der Mauszeiger ist im medientheoretischen Verständnis ein Avatar der Person, die mit der Maus operiert. Die Benutzeroberfläche bietet eine in Echtzeit generierte Zeichenwelt, in die mittels des Zeigers live eingegriffen werden kann. Die Besitzerinnen dieser Welt sind in deren Binnenraum durch von ihnen steuerbare Zeichen vertreten.

Das beschriebene Arrangement ist in erster Annäherung ein Handwerksgebrauch, z.B. nach dem Vorbild ferngesteuerter Greifarme. Die menschliche Hand wird technisch unterstützt. Doch in dieser Beschreibung fehlt die Eigenart des “user interface”. Konventionelle Werkzeuge manipulieren handfeste Materialien, hier haben wir es dagegen mit Symbolgestalten zu tun. Der Mauszeiger ist abhängig von Handbewegungen, soweit passt das alte Schema. Doch dieser Zeiger bewegt nichts Materielles; wenn er “am Desktop ein Dokument verschiebt”, handelt es sich um die bildliche Beschreibung symbolischer Transaktionen, die sich das Aussehen von Ordnungsarbeiten auf einem Schreibtisch gegeben haben.

Ein Versuch, diese neuartigen Zusammenhänge konzeptuell zu fassen, ist die Rede von virtuellen Welten. Im Jargon der Ingenieure ist “virtual memory” eine Auslagerungsdatei auf der Festplatte, welche dieselben Funktionen bietet, wie das im (schnelleren) Speicherchip untergebrachte “random access memory”. Ein “virtueller Freitag” ist der Donnerstag einer Woche, in welcher der Freitag arbeitsfrei ist. Virtualität ist danach Funktionsäquivalenz vor dem Hintergrund unterschiedlicher materieller Vorgaben. So läßt sich auch die handwerkliche Extradimension beschreiben, die im Gebrauch der Computermaus zu beobachten ist: Mit Hilfe dieses Geräts greift die Benutzerin in eine virtuelle Welt ein. Sie arbeitet nicht im Bereich ihrer physischen Umwelt, sondern in einer Dimension, die quasi eine solche Umwelt ist. Genauer gesagt: in einer Dimension, die (unter anderem) für den Zweck der Dokumentenverwaltung jene Funktionalität bietet, die vom gewöhnlichen Bürobetrieb bekannt ist.

Soweit der Vorspann zur Analyse des Avatars. Funktionale Äquivalenzen zwischen künstlich hergestellten Umwelten finden sich auch in Filmstudios oder gruppendynamischen Szenarien. Entscheidend kommt hinzu, dass sich die faktische und die virtuelle Welt durch digital gesteuerte Interaktionsmechanismen ineinander verschachteln. Die Absicht, Kopien eines Schriftstücks anzulegen, wird am Desktop nicht abgebildet und nicht "händisch" bewirkt. Sie wird innerhalb der Parallelwelt so umgesetzt, dass sich dieses Ergebnis in die Ausgangssituation zurückübersetzen läßt. Die Vermittlungsrolle übernimmt der Avatar, also z.B. der Mauszeiger am Monitor. Er unterliegt der Steuerung einer Person, insofern kann man sagen, dass er deren Absichten repräsentiert. Aber er erfüllt diese Aufgabe in einer Umgebung, die solchen Absichten nicht direkt zugänglich ist. Die Vorgänge im Computer bleiben für die Benutzerin opak. Zugänglich ist ihr nur die – passend entworfene – Oberfläche, d.h. die Symbolwelt, die plangemäß bestimmte Funktionalitäten beitet, als handle es sich um einen Schreibtisch.

Der Zweck des Mauszeigers, als Avatar gefasst, liegt letztlich darin, eine Handlung durch Übersetzung in eine Kunstwelt in der Ausgangswelt zu unterstützen. Die Besonderheit des Avatars in dieser Konstruktion wird noch deutlicher, wenn man mögliche Fehlfunktionen betrachtet. Eine Art Störung kann die Signalübertragung betreffen. So betrachtet sind konventionelle Werkzeuge und Maus in der gleichen Schwierigkeit: die Leitung ist unterbrochen. Zweitens kann die erfolgreiche Verwendung eines Werkzeugs daran scheitern, dass die zu bearbeitende Umgebung falsch eingeschätzt wird. Die Schraube klemmt oder der Mauszeiger bewegt sich zu schnell; auch diese Störungen laufen parallel. Im Computergebrauch ist jedoch, drittens, ein Ausfall möglich, den es in den anderen Beispielen nicht gibt.

Als digital generiertes Signal innerhalb einer graphischen Oberfläche unterliegt der Mauszeiger den Gesetzlichkeiten der Hardware und Programmtechnik, auf welchen diese virtuelle Welt aufbaut. Er reagiert nicht nur auf Steuerung "von außen", sondern auch auf “interne” Interdependenzen. Und da sich diese Interna als eine funktional eigenständige Welt darstellen, entsteht ein Eigenleben der Virtualität, an dem der Avatar – abgesehen von der steuernden Person – teilnimmt. Die Reaktionszeit des Zeigers verlangsamt sich, wenn (mit seiner Hilfe) zu viele Prozesse gestartet werden; er “friert ein”, nachdem auf ein Symbol geklickt, sprich ein Programm aufgerufen wurde. Das sind Vorgänge, in denen der Avatar der Kontrolle seitens der Ausgangswelt durch eine Komplikation innerhalb der virtuellen Welt entgleitet. Der Greifarm bekommt vielleicht den Felsbrocken nicht zu fassen. Anders der Mauszeiger, wenn ihm ein Scherzprogramm bei jedem Zugriff das Fenster wegzieht. Seine Welt ist nicht bloß (partiell) widerständig, sie ist so gebaut, dass Avatare im virtuellen Raum mit absichtsvollen Gegenwirkungen konfrontiert sein können.

Der Punkt ist in vernetzten Spielumgebungen unmittelbar greifbar: der Avatar einer Spielerin trifft auf symbolische Konstrukte und andere Avatare, die fremder Kontrolle unterliegen. Die Doppelwelt besteht nicht nur aus der Repräsentanz einer Akteurin in einer symbolisch (semi-)geschlossenen Umgebung. Diese Umgebung kann auch die interaktiven – und damit konfliktträchtigen – Aspekte der realen Welt modellieren.

Spielumgebungen


Feedback.jpg

Cinema is built on moving pictures, i.e. machines which operate in real time. Computer generated environments are implemented at „run time“ which can be synchronized with ordinary human behavior. The bodily movement of a game's participants can, in particular, be regarded as inputs to be directly fed into the very world those participants perceive and act upon.

Success at soccer depends on a player's ability to anticipate and to preempt his opponents movements. A game of poker demands similar guess-work as to one's partner's intentions. The distinguishing mark of the particular feedback we are considering is that „run time“, in this case, does not mean a real life temporal sequence, but rather refers to the electronic cycles an computer runs through and which may – by additional provisions – be synchronized with an agent's biorhythm.

Or, as is the case in representational contexts, the rules governing the construction of a symbolic universe may include algorithms that can be triggered by sentient observers of the artificial world. The novelty of this cybernetic loop can be caught in the following anomaly: observation is directly transformed to actions changing the observational setting. It is if snipping your finger turns a table into a fridge. To put it differently: electronic circuits give rise to games that offer the opportunity to hook into the system of ordinary sense perception and explore – as well as exploit – its functions.

The cybernetic feedback we have been exploring is inherently autistic. There is a price to be paid for linking the qualities of objects perceived to the whim of perception: such qualities are usually thought to be accessible to – and underwritten by – shared practices of a group of agents. Arbitrarily changing sense impressions are often taken as illusions. Entrapped in a clever mirrot setup a person lacks corrective outside information and can be short-circuited into a deceptive double bind.