I. Begriff Armut(JsB)

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Begriff Armut(JsB)

Der Begriff Armut(JsB)

Die grundlegendste Differenz, die sich hinsichtlich des Begriffes Armut zeigt, besteht zwischen dem Begriff der „absoluten“ und der „relativen“ Armut (Merten 2002, 360).

Absolute Armut(JsB)

Von absoluter Armut wird gesprochen, wenn die Versorgung eines Menschen mit einer lebensnotwendigen Grundausstattung, die die physische Existenz sichert, nicht auf Dauer oder nicht in ausreichendem Maße gesichert ist (Klocke, Hurrelmann 2001, 11). D.h., dass absolute Armut durchaus lebensbedrohliche Folgen haben kann, wie z.B. einen lebensbedrohlichen Mangel (Chassé, Zander, Rasch 2005, 17).
Zu den unumgänglich lebensnotwendigen und existenzsichernden Grundlagen zählen: Essen, Kleidung und Wohnen (Klocke, Hurrelmann 2001, 11).

Relative Armut(JsB)

Als relative Armut wird hingegen das Absinken der Versorgung eines Menschen unter ein durchschnittliches Maß innerhalb einer bestimmten Gesellschaft bezeichnet und nennt sich daher auch „soziokulturelles Existenzminimum“, es wird also immer in Relation zu einem gegebenen Standard der Gesellschaft betrachtet (Merten 2002, 360).

Da Armut jeweils in Relation zum durchschnittlichen Lebensstandard eines Landes betrachtet wird, bezeichnet der Begriff „relative Armut“ Personen oder Familien, die „über so geringe materielle, kulturelle und soziale Mittel verfügen, dass sie von der Lebensweise ausgeschlossen sind, die in dem jeweiligen Land als unterste Grenze des Akzeptablen annehmbar ist“ (Klocke, Hurrelmann 2001, 12).

In unseren zivilisierten Gesellschaften, in denen Armut ein relatives Phänomen ist, ist die Armutslage nicht existenzbedrohlich, also keine Frage des physischen Überlebens.
Es geht hier eher um die Möglichkeit, ein menschenwürdiges Lebens führen zu können. (Zimmermann 2001, 57).

Bestimmung von Armut(JsB)

Definition von Armut(JsB)

Die Messung von Armut wirft viele Probleme auf, da es keine absolut verbindliche Definition von Armut gibt, die für alle Armutslagen angewandt werden kann. Jede Armutsdefinition ist politisch-normativer Natur, da sie immer abhängig vom jeweiligen Lebensstandards eines Landes ist (Zimmermann 2001, 56).

Die Probleme, die bei einer Armutsdefinition auftreten, sind unter anderem, dass einerseits eine Einkommensarmutsgrenze (ab wann gilt man als arm) und andererseits eine Grenze für gehobenen Wohlstand (ab wann gilt man als wohlhabend) bestimmt werden. Klar ist hierbei, dass dies nicht ohne Werturteile möglich ist, wodurch Definitionen von Armut nie einen absolut objektiven Charakter haben können. Eine Einkommensarmutgrenze muss am mittleren Lebensstandard der jeweiligen Gesellschaft orientiert sein und darf nicht auf das absolute Minimum des physischen Überlebens reduziert werden (Becker, Hauser 2002, 27).

Die Bestimmung einer Armutsdefinition ist besonders bei Kindern und Jugendlichen problematisch. Gerade hier macht eine rein monetäre Definition des Armutsphänomens wenig Sinn, da Armut als Unterversorgung in verschiedenen Dimensionen ihrer tatsächlichen alltäglichen Situation bzw. Lebenslage erfahren wird (Otto, Bolay 1997, 9f.).
„Hiernach sind Personen dann nicht arm, wenn keine Unterversorgungserscheinungen vorliegen, d.h. keine Unterernährung, keine unzureichende Kleidung, keine unzumutbaren Wohnverhältnisse, ein ausreichender Schutz gegen Krankheitskosten sowie ausreichende Kommunikations- und Beteiligungsmöglichkeiten an den üblichen gesellschaftlichen Aktivitäten. Liegt in einer oder mehreren Dimensionen Unterversorgung vor, die anhand von anerkannten Mindeststandards festgestellt werden muss, so wird Armut konstatiert“ (Otto, Bolay 1997, 9f.).
Hier lässt sich die Schwierigkeit erkennen, dass rein monetäre Sozialleistungen aufgrund der Multidimensionalität von Armut nicht ausreichend sein können. Somit kann sich der Umgang mit Armut, insbesondere aber auch Kinder- und Jugendarmut nicht nur auf die ökonomische Interventionsform beschränken, da diese verschieden Dimensionen des kindlichen Alltags betreffen (Otto, Bolay 1997, 9f.).

Armut im sozialen Kontext(JsB)

Da Armut ein komplexes Phänomen ist, welches lebensweltlich, kontextabhängig und stets interpretationsbedürftig ist, ist es schwer zu definieren.
Armutsdefinitionen werden z.B. durch den Vergleich mit durchschnittlichen Lebensniveaus gemacht. Wird dieses Lebensniveau nicht erreicht (z.B. zu 50% des durchschnittlichen Einkommens), dann wird von Armut gesprochen. Allerdings sind solche Grenzen, welche ein durchschnittliches Lebensniveau markieren sollten, schwer auszumachen.
So ist als Beispiel der Mittelwert des Einkommens eine Grenze für eine gewöhnliche Lebensführung. Oder anders ausgedrückt soll ein Lebensniveau dann durchschnittlich sein, wenn er sich z.B. über dem Doppelten der Armut befindet. Unklar ist jedoch, wie dies auszumachen ist, wo sich dieses Doppelte der Armut befindet.
Man sieht also ganz klar das Definitionsproblem, welches seitens der Armutsforschung mit einer kontinuierlichen, latenten Definition umgangen wird, die Schwellenwerte für den Übergang in den Armutszustand markiert. Als theoretische Perspektive ist Armut die gemessene Einkommensarmut und somit eine ökonomische Kategorie. Zugleich ist sie jedoch auch eine erlebte Wirklichkeit, die sich besonders im Alltag der Betroffenen zeigt, und somit auch als soziologisches Konzept aufzufassen.
Wird nun in der Armutsforschung Armut in Bezug auf Einkommensarmut gesehen, so kommt es zur Reduzierung eines komplexen Folgenbündels auf eine Ursache durch monokausale Interpretationen.
Folgen solcher Methoden sind, dass Armut nur durch monetäre Sozialleistungen bekämpft wird, während die sozialen Ursachen vernachlässigt werden. Diese eindimensionalen Hilfsinterventionen bedingen eine eindimensionale Sichtweise und Interpretation des Armutsphänomens, weshalb der soziale Kontext der Armut (z.B. Exklusion) vernachlässigt wird (Beisenherz 2002, 294-299).

Armut und Exklusion(JsB)

Da Armut in unseren Gesellschaften ein relatives Armutsphänomen ist, das keine Frage des physischen Überlebens ist, erfolgt die Definition über den Vergleich mit dem jeweiligen soziokulturellen Mindeststandard.
Allerdings geht mit dieser neuen Armut ein Exklusionsrisiko einher, welches die selbstständige soziale Existenz einer Person innerhalb einer Gesellschaft, und somit ihre gesellschaftliche Stellung, bedroht. Der Begriff der Armut wurde somit um eine soziokulturelle und soziale Komponente erweitert, was die Definition dieser relativen Armut durch ihre Multidimensionalität erschwert (Beisenherz 2002, 302-305).

Ansätze zur Messung von Armut(JsB)

Trotz der zahlreichen Untersuchungen hinsichtlich Armut, ist es kaum möglich einen differenzierten Einblick über die Formen und Mechanismen der Armutsentwicklung und der betroffenen Gruppen zu machen, da konkrete Informationen fehlen.
Gründe hierfür sind die Komplexität des Armutsphänomens und unzureichende Messverfahren (Beisenherz 2002, 293f.).

Kinder- und Jugendarmut gewinnt in der Öffentlichkeit zunehmend an Bedeutung. Zwar gibt es zu dieser Thematik viele Untersuchungen, welche Kinder und Jugendliche jedoch häufig nicht als eigenständige Gruppe berücksichtigen. Somit werden Lebenslagen meist nur aus Erwachsenenperspektive dargelegt (Otto, Bolay 1997, 9-12).
Um jedoch Kinder- und Jugendarmut nachvollziehen zu können, muss man sich zunächst allgemein mit der Problematik der Armut beschäftigen.
Hinsichtlich der Messung bzw. Bestimmung von relativer Armut kann zwischen zwei grundlegenden theoretischen Zugriffen unterschieden werden: Dem eindimensionalen Ressourcenansatz und dem mehrdimensionalen Lebenslagenansatz (Merten 2002, 360f.).
Beide skizzieren unterschiedliche Interpretationen des relativen Armutsphänomens.

Eindimensionales Ressourcenkonzept(JsB)

Bei einem eindimensionalen Ressourcenkonzept beschränkt man sich auf die Dimension der Verfügbarkeit ökonomischer Mittel, also finanzieller Ressourcen.
Armut wird als Mangel an Ressourcen, die zum Erreichen des sozikulturellen Existenzminimums nötig sind, definiert. Dieses Konzept orientiert sich ausschließlich am verfügbaren Einkommen (Merten 2002, 362f.).
Der größte Teil der Armutsstudien stützen sich auf dieses Konzept und somit auch nur auf eine einzige Ressource, die des Einkommens (Zimmermann 2001, 57).

Armut wird als eine Unterausstattung an monetären (Einkommen) bzw. nichtmonetären Ressourcen (Ergebnisse hauswirtschaftlicher Produktion) definiert (Zimmermann 2001, 57). Da es sich nur auf das verfügbare Einkommen bezieht, kommt es bei diesem einkommensorientierten Konzept zu dem Problem, dass man denken könnte, monetäre Sozialleistung wären eine hinreichende Bedingung zur Vermeidung von Armut.
Da aber Armut als eine Unterversorgung in mehreren Bereichen definiert werden kann, ist dies nicht ausreichend.

Mehrdimensionaler Lebenslagenansatz(JsB)

Die Bestimmung von relativer Armut durch einen „mehrdimensionalen Lebenslagenansatz“ ermöglicht eine differenziertere Sichtweise der Komplexität des Armutsphänomens (Zimmermann 2001, 57).
Bei diesem Ansatz wird der Blick auf die Gesamtsituation der Versorgung eines Menschen in den unterschiedlichen Lebensbereichen bzw. Dimensionen gelenkt, d.h. es werden neben dem Einkommen, also materiellen Aspekten, auch kulturelle und psychosoziale Merkmale miteinbezogen. Unter diese Dimensionen fallen verschiedenste Bereiche, die sich auf den Armutsalltag der Betroffen auswirken:

  1. Wohnung: Wohnfläche, Räume, Ausstattung
  2. Wohnumwelt: Infrastruktur, Verkehrsanbindung, Lärmbelästigung
  3. Einkommen/Vermögen: Nettohaushaltseinkommen, Pro-Kopf-Einkommen, Sparguthaben, Vermögenswerte
  4. Erwerbstätigkeit
  5. Freizeit: Verbrachte Urlaubstage, Freizeitaktivitäten =>für arme Jugendliche ergeben sich für die Freizeit und ihre Ausgestaltung drastische Probleme, da diese nicht über genügend finanzielle Mittel verfügen. Ihre Freizeit müssen die Jugendlichen oft selbst finanzieren (Merten 2002, 361).Da sich die Jugendlichen vieles nicht leisten können, kann es zu Ausgrenzungen in der Gruppe der Gleichaltrigen kommen (Otto, Bolay 1997, 17).
  6. Gesundheit: Gesundheitsbeeinträchtigungen, Krankheiten, Arztbesuche, Krankenhausaufenthalte
  7. Bildung: Schulabschlüsse
  8. Zufriedenheit (Merten 2002, 361)

Im Zentrum stehen hierbei „Handlungsspielräume“, die sich unter anderem aus der materiellen (z.B. der finanziellen) und immateriellen (z.B. soziale Kompetenzen) Ressourcenausstattung ergeben. Handlungsspielräume sind Möglichkeiten, um verschieden Bedürfnisse in Bezug auf verschiedene Lebensbereiche zu befriedigen.
Im mehrdimensionalen Lebenslagenansatz wird Armut also als Unterversorgungserscheinung in verschiedenen Dimensionen betrachtet, wodurch die Komplexität des Armutsphänomens deutlich wird (Zimmermann 2001, 57f.).

Der Begriff der Lebenslage kann als multidimensional betrachtet werden. Eine Lebenslage ist ein „Spielraum, den einem Menschen (einer Gruppe von Menschen) die äußeren Umstände nachhaltig für Befriedigung der Interessen bieten, die den Sinn des Lebens bestimmen“ (Zimmermann 2001, 58). Die Grenzen dieser Handlungsspielräume werden festgelegt durch die Ressourcenausstattung, also die Ressourcen, die einem Menschen zur Verfügung stehen. Diese Ressourcenausstattung steht in Zusammenhang mit der Versorgungslage, den kollektiven Rahmenbedingungen und letztendlich auch mit der individuelle Nutzungs- und Handlungskompetenz. (Zimmermann 2001, 58).

Allerdings gibt es Probleme bei der Messbarkeit von Armut im multidimensionalen Lebenslagenansatz, da für alle die Armutslage betreffenden Dimensionen der Lebenslage Messverfahren entwickelt werden müssten und für diese relevanten Dimensionen Grenzen festgelegt werden müssten, welche bestimmen, ab wann von Armut oder Unterversorgung gesprochen werden kann.
Allerdings bleibt dann immer noch die Frage offen, ob Unterversorgungen in einer Dimension durch andere Lagebereiche kompensiert oder relativiert werden (Merten 2002, 362).
Das Konzept der Lebenslagen kann nach Aussagen der Armutsforschung Armut in ihrer Komplexität zwar am ehesten erfassen, allerdings gibt es bei der forschungspraktischen Anwendung Schwierigkeiten (Chassé, Zander, Rasch 2005, 18).

Äquivalenzeinkommen(JsB)

Da Armut haushaltsorientiert und nicht individuell betrachtet wird, wurde das sogenannte Äquivalenzeinkommen eingeführt. Durch dieses können verschiedene Haushaltgrößen miteinander verglichen werden. Man kann also beim eindimensionalen Ressourcenkonzept verschiedene Haushalte in ihren Einkommensverhältnissen vergleichen (Merten 2002, 362f.).
Nach dem Durchschnitts- Äquivalenzeinkommen zählen diejenigen als arm, denen nur die Hälfte des durchschnittlichen Äquivalenzeinkommens zur Verfügung steht (Klocke, Hurrelmann 2001, 12f.).

Innerhalb dieses eindimensionalen Zugangs lassen sich zwei grundlegende Konzepte unterscheiden, einerseits das Konzept der relativen Einkommensarmut und das Konzept der Sozialhilfebedürftigkeit. Während sich das erste auf das Verhältnis zu dem verfügbaren Durchschnittseinkommen aller Haushalte bezieht, charakterisiert das zweite diejenigen Gruppen, welche laufende Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen, also von Sozialhilfe abhängig sind (Merten 2002, 363).

Dynamische Armutsforschung(JsB)

Weitere Probleme der bisher genannten Armutsforschung sind:
Die Problematik, welche sich mehrdimensionaler Lebenslagensatz und eindimensionales Ressourcenkonzept teilen, ist, dass Daten anhand von Querschnittsdaten erhoben werden. Sie beziehen sich auf einen bestimmten Zeitpunkt und können somit nicht „Wege in die, Wege durch die und Wege aus der Armut“ aufzeigen (Merten 2002, 370f.).
Aus diesem Grund wurde die dynamische Armutsforschung in Deutschland entwickelt (längsschnittorientierte Untersuchungen z.B. an Sozialhilfeempfängern), welche auf die Forschungslücken aufmerksam macht.
Die Ergebnisse der Untersuchungen zeigen Armut als „verzeitlicht“, „individualisiert“, und „in erheblichem Maße sozial entgrenzt“ (Chassé, Zander, Rasch, 1997, 19f.).
Die dynamische Armutsforschung zeigt also, dass viele Sozialhilfeempfänger den Bezug nur für relativ kurze Zeit in Anspruch nehmen, was die Armutsproblematik jedoch nicht mindern oder verharmlosen soll (Otto, Bolay 1997, 25f.).
Die dynamische Armutsforschung konnte die Komplexität und Dynamik von Armut aufzeigen, was allein mit Querschnittsdaten nicht machbar gewesen wäre (Merten 2002, 371).

Umgang mit Messdaten(JsB)

Da die Kontextabhängigkeit und Multidimensionalität von Armut in den verschiedenen Armutsbegriffen nicht hinreichend beachtet wird, kommt es in der Armutsmessung, hierbei vor allem im ökonomisch statistischen Sinne, zu einer willkürlichen Festlegung von Schwellenwerten für den Eintritt in den Armutszustand.
Wenn man also durch Einkommensarmut auf wachsende oder abnehmende Armut Rückschlüsse ziehen will, muss man Definitionen, Messverfahren und die zugrunde legenden Daten ständig reflektieren und hinterfragen. Nur so kann man die tatsächliche Lebensrealität von Armut und ihre Auswirkung auf den Alltag der von Armut betroffenen Personen, erahnen (Beisenherz 2002, 299-301).
Die relative Armutsdefinition muss also auch mit einer Methodenkritik einhergehen (Beisenherz 2002, 303).
„Wenn mit Armutszahlen operiert wird, ohne daß [sic] Auskunft gegeben wird, was sich hinter der so gemessenen Armut eigentlich an Alltagswirklichkeiten der Armen verbirgt, dann kann es nicht um die Aufklärung von Armut, von Verarmungsprozessen, von Lebenslagen in Armut und von Wegen aus der Armut gehen“ (Beisenherz 2002, 301).

Räumliche Relativität(JsB)

Schon innerhalb eines Landes wie z.B. Deutschland ergeben sich je nach den subjektiv festgelegten Standards der Armutsmessung unterschiedliche Bilder der relativen Armut. Vergleicht man die Armutsquote in Ost- und Westdeutschland so ergeben sich völlig unterschiedliche Bilder. Armut wird also auch von regionalen Differenzen beeinflusst, wodurch man von räumlicher Relativität von Armut sprechen kann.
Schon auf regionaler Ebene können sich diese Differenzen zeigen. Ursachen hierfür sind unterschiedliche Preise der Lebenshaltungskosten aufgrund des Wohnungsmarktes oder alltäglicher Verbrauchsgüter wie z. B. Lebensmittel oder Kleidung.
Besonders in ärmeren Stadtteilen zeigen sich diese ungünstigeren Lebensbedingungen in Bezug auf Preise.
Der räumliche Kontext spielt bei der Frage des Armutsrisikos oft eine erhebliche Rolle. Dadurch ergibt sich auch, dass das Exklusionsrisiko auch abhängig von sozialräumlichen Varianzen ist. In armen Stadtteilen ist das Exklusionsrisiko als Ursache der Einkommensarmut deutlich erhöht. Besonders bei Kindern hat dies weit reichende Folgen, denn diese werden durch ihre direkte Umgebung deutlich beeinflusst.
Solche stigmatisierten Stadtteile oder auch soziale Brennpunkte können die Armutslage fördern und gleichzeitig erschweren, die Armut zu überwinden.
Die räumliche Bedeutung für Armut zeigt sich auch in der räumliche Trennung zwischen unteren und oberen Einkommensschichten. Offen bleibt letztendlich die Frage, wie diese sozialräumlichen Opportunitäten mit dem Armuts- und Exklusionsrisiko in Zusammenhang stehen (Beisenherz 2002, 305-310).

Sachliche Relativität(JsB)

Obwohl in unseren Gesellschaften das Geldeinkommen ein zentraler Indikator für Armut ist, ist es dennoch sinnvoll unter anderem neben den räumlichen auch sachliche Kontextbedingungen miteinzubeziehen.
Die sachliche Relativität von Armut beschäftigt sich mit verschiedenen Dimensionen einer notwendigen Ressourcenausstattung, wie schon beim mehrdimensionalen Lebenslagenansatz erläutert, in denen eine Unterversorgung als Armut charakterisiert werden kann.
Neben dem Einkommen sollen also auch die Wohnsituation, Gesundheitsversorgung und die Bildungsmöglichkeiten betrachtet werden.
Zwar werden in Untersuchungen die einzelnen Dimensionen berücksichtigt, aber nicht die Kontextualität und die wechselseitige Beeinflussung dieser einzelnen Dimensionen.
So muss kein eigenes Zimmer für ein Kind nicht unbedingt ein Armutsindikator sein, da nicht geklärt wird, inwieweit dies durch andere Lebenslagen (z.B. öffentliche Plätze, Schulräume oder sonstige Wohnungsgröße) kompensiert werden kann.
Ungeklärt bleibt auch die Frage, inwieweit und wie stark sich Unterversorgungen in den verschiedenen Dimensionen beeinflussen.
Armutslagen sind immer in kontextuelle Zusammenhänge eingebettet, denn ob und wie die einzelnen Unterversorgungen zu Armut oder Exklusion führen hängt immer vom Gesamtkontext, also der konkreten Lebenslage, ab (Beisenherz 2002, 310-317).

Zeitliche Relativität(JsB)

Neben der räumlichen und der sachlichen Relativität, steht Armut auch in einem historischen Kontext.
„Die Armutsmessung über die allgemeine Einkommensverteilungskurve registriert einen spezifischen Aspekt der sozialen Ungleichheit. Inwieweit dieser Aspekt auch etwas über Armut ausdrückt, wäre eher eine Frage als eine Antwort auf die Frage nach der Armut. Insbesondere können Veränderungen der sozialen Ungleichheit Veränderungen bei der Armutsquote signalisieren, die ohne Bezug auf die Armutsbevölkerung sind“ (Beisenherz 2002, 317f.).
Konkret heißt das, dass es durch unterschiedliche Einkommensentwicklungen oder Einkommensumschichtungen der einzelnen Bevölkerungsgruppen (z.B. Verarmung der Mittelschichten) zu einer Veränderung der Armutsquote in der Gesamtbevölkerung kommen kann.
Wichtig ist die historische Kontextualität, da sie direkt Lebensverhältnisse (materielle Ausstattung, Konsum) beeinflusst. Beispielsweise führt der Übergang zu einer Dienstleistungsgesellschaft zu einer stärkeren Abhängigkeit von monetarisierten Dienstleistungen, was sich auch direkt auf die Armutslagen auswirkt (Beisenherz 2002, 317-320).

Literaturverzeichnis

  • Becker, I, Hauser, R. (2002): Zur Entwicklung von Armut und Wohlstand in der Bundesrepublik Deutschland- Eine Bestandsaufnahme. In: *Butterwegge, C., Klundt, M.: Kinderarmut und Generationengerechtigkeit; Familien und Sozialpolitik im demographischen Wandel. Leske + Budrich: Opladen.
  • Beisenherz, H. (2002): Kinderarmut in der Wohlfahrtsgesellschaft. Leske + Budrich: Opladen; DJI Reihe, Band 2; Die Inklusion der Kinder.
  • Chassé, K.A., Zander, M., Rasch, K.(2005): Meine Familie ist arm; Wie Kinder in Grundschulalter Armut erleben und bewältigen; 2.Auflage; VS Verlag für Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage GmbH: Wiesbaden.
  • Klocke, A., Hurrelmann, K.(2001): Kinder und Jugendliche in Armut; Umfang, Auswirkungen und Konsequenzen; Westdeutscher Verlag GmbH: Wiesbaden.
  • Merten, R.(2002): Armut. In: Schröer, W., Struck, N., Wolff, M: Handbuch Kinder- und Jugenhilfe; Juventa Verlag: Weinheim und München.
  • Otto, U. (Hrsg.), Bolay, E. (1997): Aufwachsen in Armut; Erfahrungswelten und soziale Lagen von Kindern armer Familien; Leske + Budrich: Opladen.
  • Zimmermann, G. (2001): Formen von Armut und Unterversorgung im Kindes- und Jugendalter. In: Klocke, A., Hurrelmann, K.: Kinder und Jugendliche in Armut; Umfang, Auswirkungen und Konsequenzen; 2., vollständig überarbeitete Auflage; Westdeutscher Verlag GmbH: Wiesbaden.

Siehe auch

Jugend und Armut<br\> II. Armutssituation im deutschsprachigen Raum(JsB)