Hegel Instanzen: Unterschied zwischen den Versionen

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"die das Bewußtsein macht" (PhdG 38), kann die Fixeinstellung
 
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Version vom 19. September 2005, 16:53 Uhr

Hegel, quer durch die Instanzen. Ein Erfahrungsbericht

Vermittlung

Oper im Fernsehen. Die Übertragung beruht auf einer klaren Rollenverteilung. Einerseits ist eine Vorführung definiert, andererseits ein Distributionssystem, das den Inhalt "unter die Leute bringt". Es liegt nahe, das Verhältnis des "Lernstoffes" zu seiner Verbreitung in Lehrbüchern und eLearning-Plattformen ähnlich aufzufassen. Die Vermittlung des Wissens bedient sich diverser Instrumente. Fernsehen und Plattformen erweitern den konventionellen Kreis der Adressatinnen (m/w) beträchtlich.

"Vermittlung" ist ein zentraler Begriff in Hegels Philosophie. Mit ihm verbindet sich eine starke These über die Beschaffenheit des Vermittelten. Die Umstände der Ausarbeitung einer Position sind Teil ihres Inhaltes selbst. Im Fernsehen verändert die Oper ihren Charakter; sie schwebt nicht als Partitur über den Aufführungsmodalitäten. Hegels Philosophie läßt sich als markante Station der europäischenGeistesgeschichte betrachten, als Bildungsgut, das auch mit neuen Mitteln überliefert werden kann. Der folgende Bericht setzt den Akzent anders. Es geht um ein Projekt, in dem Hegel als Teil des klassischen Philosophiecurriculums den Bedingungen und Nebenwirkungen des aktuellen Trends zum eLearning ausgesetzt wurde. Drastisch gesprochen: der Zugang zum Denken war vom Instrumentarium digitaler Gruppenkommunikation mitgeprägt.

Die Werke Hegels nicht als ungefragte Weisheit zu übernehmen heißt in diesem Szenario, einen eigenen Weg zu ihren Themen zu finden und zwar mit Blick auf pädagogische Hilfsmittel, die erst seit Kurzem existieren und sich in rascher Folge entwickeln. Die Unterbestimmtheit gilt doppelt: die Bedeutung der Hegelschen Philosophie steht zur Disposition, während die technischen Mittel sich im Teststadium befinden. Einer der prominentesten deutschen Hegel-Forscher, Herbert Schnädelbach, fragt "Warum Hegel?" und konstatiert, dass man seine Philosophie nicht mehr vertreten kann.

Ich habe nichts gegen Hegel-Veranstaltungen, wenn dabei deutlich wird, dass es sich bei dieser Philosophie um einen schönen, aber ausgeträumten intellektuellen Traum handelt, und dass wir nicht im Stande sind, in der Perspektive des Absoluten zu philosophieren. Die Gefahren des Historismus, Relativismus oder Nihilismus mögen uns schrecken, aber deswegen haben Hegel und der Hegelianismus noch lange nicht recht. (Information Philosophie 4, Oktober 1999, S. 76)

Ein anderer Fachmann vergleicht die Beschäftigung mit Hegel den Reminiszenzen einer langen, einsamen Winternacht: welchen Einfluss hatte eine Frau, von der man seit 10 Jahren geschieden ist, auf das eigene Leben. (Horstmann, European Journal of Philosophy 7:2, 275) Unter diesen Voraussetzungen mag es vermessen erscheinen, ein eLearning Projekt zu Hegel durchzuführen. Die vorliegenden Ergebnisse sind fragmentarisch. Dennoch erweisen sich die damit ausgeklösten Lernprozesse als instruktiv.

Lernplattform

Im Studienjahr 2002/03 wurde eLearning an der Universität Wien erst von einer Hand voll "Pionieren" praktiziert. Mailing Listen und generische Werkzeuge zur Gruppenkommunikation (z.B. BSCW-Server) kamen zum Einsatz, integrierte "Lernplattformen" waren aus der Literatur bekannt. Die Absicht, des vom Autor angebotenen Projektseminars lag darin, die Funktionalität und Verwendbarkeit einer solchen Plattform im Philosophieunterricht zu testen. Dazu wurde auf einem Server des Institutes "ILIAS" in der Version 2 installiert. Die Software bot u.a. Module zur multimedialen Autorschaft (auch für Gruppen), für Forumsdiskussionen und zur off-line Nutzung. Sie wirde nicht als technischer Rahmen vorausgesetzt, sondern parallel zu traditionellen Seminardiskussionen über Hegels Vorwort und Einleitung zur "Phänomenologie des Geistes" vorgestellt und problematisiert. Das Ergebnis fiel zwiespältig aus. Zur Dokumentation und Verwaltung von Ressourcen eignete sich die Plattform gut. Auch die strukturierte, kommentierte Präsentation der Quelltexte war einfch zu realisieren. Als wenig zufriedenstellend wurde dagegen die Organisation der Texterstellung wahrgenommen. Während im Präsenz-Unterricht dynamische Diskussionsverläufe wiederholte Änderungen im projektierten Ablauf auslösten, zerlegte die Plattform Beiträge in Textvorgaben und tabellarisch gegliederte Kommentare. Dahinter steht die Auffassung, ein Kerninhalt sei vorgegeben und mit Bemerkungen gleichsam zu garnieren. In einem Seminar, in welchem es um die "Wissenschaft der Erfahrung" geht, "die das Bewußtsein macht" (PhdG 38), kann die Fixeinstellung Lernstoff/Kommentar nicht einfach hingenommen werden.

Die Möglichkeit zur Gruppenarbeit ist in ILIAS, wie gesagt, vorgesehen. Es zeigte sich allerdings, dass sie sich atark am Modell von Seminarunterlagen orientiert. Dieses Genre kennt zwei Stadien: "in Arbeit" und "präsentabel". Es fehlt genau der Zustand, der eine mittelfristig angelegte Kooperation unterstützt, nämlich die vorläufige Abgeschlossenheit eines Entwurfes. Um diesen Textmodus digital realisieren zu können, müssen die Beteiligten Einblick in den Redaktionsverlauf des Textes haben. Ein Protokoll seiner Genese sollte transparent machen, in welche Richtung er sich entwickelt, was fehlt und was bereits zufriedenstllend behandelt ist. Gefragt ist mehr als eine Versionsverwaltung, welche die Änderungen linear aneinander reiht. Das Protokoll sollte auch ein Anhaltspunkt für Revisionen bereits vorliegender Beiträge sein. Versuchsweise wurde eine ILIAS-"Lerneinheit" als eine derartige Mitschrift angelegt. Sie sollte alle Änderungen (und deren Motivationen) in den diversen Inhaltsblocks dokumentieren. Diese Idee erwies sich als wenig attraktiv. Die zusätzlich Arbeit war nicht als Mehrwert in der Entwicklung der philosophischen Beiträge zu erkennen. Generell stellte sich heraus, dass die Plattform die Funktion eines digitalen Magazins plus einer Präsentations-Software gut erfüllen konnte, angesichts der spezifisch philosophischern Ansprüche (Hegels Vermittlungsthese) allerdings einen zu starren Rahmen bot. Damit ist nicht geleugnet, dass sie für viele Zwecke hilfreich sein kann; dem Bildungsideal des gewählten Philosophen ("das Wahre nicht als Substanz, sondern ebensosehr als Subjekt aufzufassen und auszudrücken" PhdG 23) war sie schlecht gewachsen.

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