Haben sich die (sexuellen) Verhältnisse seit Freud so verändert, dass seine Theorien zum Geschlecht heute als obsolet anzusehen sind?: Unterschied zwischen den Versionen

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Warum Freud selbst allerdings ausserhalb dieses zweiendigen Stockes steht kann man wohl nur durch die "Praxis der Psychoanalyse" erklären. (luef)
 
Warum Freud selbst allerdings ausserhalb dieses zweiendigen Stockes steht kann man wohl nur durch die "Praxis der Psychoanalyse" erklären. (luef)
  
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Mir ist nicht klar, was der Hinweis auf die Hysterie genau meint. Wenn damit angedeutet werden soll, dass die Hysterie eine historische Erkrankung ist, so entspricht das nicht der Realität einer klinischen Wahrnehmung: Körperliche Symptome, denen das biologische Substrat fehlt, tragen bis heute zur Überfüllung von Wartezimmern bei. Auch besonders eindrucksvolle Erscheinungen wie epilepsieartige Zustände (oft bis hin zum "arc de cercle") sind bis heute differentialdiagnostisch bei epileptischen Erkrankungen in Erwägung zu ziehen (werden etwa mit dem Terminus "funktionelle Anfälle" aus dem alten Kontext der Hysterie herausgenommen, unterscheiden sich aber nur hinsichtlich dieser Benennung). Und heute wie zu Freuds Zeiten lassen sich all diese Manifestationen mit verbalen Interventionen behandeln.
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Hysterie bedeutet im psychoanalytischen Kontext allerdings mehr als diese angedeuteten Symptome. Die Hysterie als Neurose steht für ein spezielles Verhältnis zum Anderen, im Rahmen dessen das hysterische Subjekt sich zum Objekt des Anderen zu machen versucht (was im medizinischen Sektor mit körperlichen Symptomen am besten funktioniert). --[[Benutzer:Uk|Uk]] 10:49, 2. Apr. 2010 (UTC)
  
 
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Version vom 2. April 2010, 12:49 Uhr

So, ich eröffne mal hier die Frage neu, ich weiß allerdings nicht, ob sich hier wer her verirrt.

Ich denke doch, dass in einigen Punkten die Gesellschaft Freuds Ansichten überholt hat (man denke an die ganze Problematik der Hysterie), dass aber andererseits die damalige Schicht, in der sich die Psychoanalyse bewegte (das Großbürgertum), Werte und Ansichten hatte, die heute auf weit größere Massen zu beziehen sind, also an Breite eher zugenommen haben. Wie bei diversen religiösen Büchern könnte man also annehmen, dass einige Teile des Freudschen Werks im historischen Kontext zu lesen sind (deutlich bei Totem und Tabu), andere wiederum gültige Wahrheiten darstellen.

Freud selber wollte mMn jedoch keine Realität konstituieren, sondern Vorgefundenes beschreiben und klassifizieren; und bezüglich des Phänomens "Frauengleichberechtigung" hat sich in den letzten 100 Jahren viel getan, aber gleichzeitig auch nicht!

Freud selbst bringt ja eine tolle Fußnote zu dem Thema (Über die weibl. Sex., S. 280, FN 1: "Man kann vohersehen, daß die Feministen ..."), die mir unklar war und tlw. noch ist. Ich habe das mal bei Dostojewski nachgelesen, ihr könnt das hier: http://194.64.252.38/?id=5&xid=455&kapitel=89&cHash=a383eb13fcchap089#gb_found (Projekt Gutenberg) auch tun - es ist eine Stelle am Ende von Die Brüder Karamasow, 12. Buch.

Auf recht elegante Weise weist Freud darauf hin, dass man mit "psychologischen Methoden" die Dinge immer so erscheinen lassen kann, wie es gerade passend ist. (Dostojewski: "Absichtlich, meine Herren Geschworenen, habe ich selber jetzt meine Zuflucht zur Psychologie genommen, um anschaulich zu zeigen, daß man aus ihr jeden Schluß ziehen kann, der einem beliebt. Es kommt nur darauf an, wer sie handhabt. Die Psychologie verführt sogar die solidesten Männer zum Verfassen von Romanen, und zwar, ohne daß sie es wollen. Ich rede von der unangebrachten Psychologie, meine Herren Geschworenen, von einem gewissen Mißbrauch, der mit ihr getrieben wird.") Der "Männlichkeitskomplex" kann also nach Freud nicht den Männern unterschoben werden, wenn doch ganz klar - evident - ist, dass er die Frauen betrifft, die versuchen, die männliche Macht für sich zu gewinnen.

Warum Freud selbst allerdings ausserhalb dieses zweiendigen Stockes steht kann man wohl nur durch die "Praxis der Psychoanalyse" erklären. (luef)


Ich möchte vorerst nur an einem Punkt ansetzen:

Mir ist nicht klar, was der Hinweis auf die Hysterie genau meint. Wenn damit angedeutet werden soll, dass die Hysterie eine historische Erkrankung ist, so entspricht das nicht der Realität einer klinischen Wahrnehmung: Körperliche Symptome, denen das biologische Substrat fehlt, tragen bis heute zur Überfüllung von Wartezimmern bei. Auch besonders eindrucksvolle Erscheinungen wie epilepsieartige Zustände (oft bis hin zum "arc de cercle") sind bis heute differentialdiagnostisch bei epileptischen Erkrankungen in Erwägung zu ziehen (werden etwa mit dem Terminus "funktionelle Anfälle" aus dem alten Kontext der Hysterie herausgenommen, unterscheiden sich aber nur hinsichtlich dieser Benennung). Und heute wie zu Freuds Zeiten lassen sich all diese Manifestationen mit verbalen Interventionen behandeln.

Hysterie bedeutet im psychoanalytischen Kontext allerdings mehr als diese angedeuteten Symptome. Die Hysterie als Neurose steht für ein spezielles Verhältnis zum Anderen, im Rahmen dessen das hysterische Subjekt sich zum Objekt des Anderen zu machen versucht (was im medizinischen Sektor mit körperlichen Symptomen am besten funktioniert). --Uk 10:49, 2. Apr. 2010 (UTC)

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