Gegenständliches Wissen (ThsG)

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Das Verhältnis von Personen zu Objekten bestimmt wesentliche Teile des menschlichen Lebens. Es kommt darauf an, etwas zum Essen oder zur Selbstverteidigung zu haben. Zentral sind auch die entsprechenden sprachlichen Formulierungen. "Sie hat den Schlüssel", "Er hat das Feuerzeug". Nach diesem Muster ist auch davon die Rede, dass jemand eine Idee oder eine Erkenntnis hat.

In solchen Formulierungen erscheint ein kognitiver Inhalt wie eine Sache und Wissen als ihr Besitz. "Sie weiss den Weg" ist parallel zu "Sie hat den Schlüssel" konstruiert. Die Anwendung dieses Subjekt-Objekt-Modells auf die Beschreibung des Wissens ist sprachanalytisch, phänomenologisch und systemtheoretisch in Frage gestellt worden. Es ist widersinnig, die Unschärfen der Sprache über einen logischen Raster zu brechen, aber bei näherem Zusehen erweist sich die gegenständliche Auffassung des Wissens als (1) unergiebig und (2) unerwünscht.

Das Beispiel "Sie weiss den Weg" ist gewählt worden, um diese Wissensform möglichst plausibel erscheinen zu lassen. Es zeigt aber zugleich, dass diese Plausibilität nicht weit reicht. Was heisst es denn, dass sie den Weg weiss? Die Antwort lautet etwa: "Sie weiss, dass die rechte Abzweigung zu nehmen ist" oder "Sie weiss, dass es noch eine Stunde dauert". Die gegenständliche Formulierung fungiert als Abkürzung für die erweiterte, propositionale Ausführung der Behauptung.

Im Allgemeinen ist die Konstruktion des Beispielsatzes aber künstlich und ungrammatisch. "Sie weiss den Baum" kann man ebensowenig sagen, wie "Er weiss das rote Licht". "Er weiss die Abfahrtszeit" kann hingehen. In solchen Fällen handelt es sich um gegenständliche Kürzel für Sachkomplexe. Gerade im einfachen Fall der Sinneswahrnehmung sind solche Wendungen jedoch unangebracht.

Die gegenständliche Auffassung des Wissens ist aus einem zweiten Grund zurückzuweisen. Wenn Wissen als eine Einstellung konstruiert wird, der ein Gegenstand entspricht, ist die Wissensbilanz nicht mehr weit. Denn die betreffenden "Gegenstände" können dann gesammelt und katalogisiert werden. In Enzyklopädien und in Datenbanken ist "das Wissen" einer Disziplin versammelt. Das kann in einer philosophischen Betrachtung nicht hingenommen werden.


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