Fragen über Fragen (PJS)
Vier Fragetypen
Sokrates stellt eine Menge Fragen. Um seine Tätigkeit zu verstehen, muss man sich Klarheit darüber verschaffen, welchem Zweck sie dienen. In einer ersten Annäherung lassen sich vier unterschiedliche Ziele nennen, die mit Fragen verfolgt werden können:
- Auskunft
- Die Frage richtet sich aus einer nicht informierten Position an eine Instanz, von der Information erwartet wird.
- Kontrolle
- Eine Information ist vorausgesetzt. Die Frage ist an eine Instanz adressiert, von der die Konformität mit dieser Information erwartet wird.
- Vertiefung
- Eine Information ist vorausgesetzt und wird als ergänzungswürdig befunden.
- Kritik
- Einer bestehenden Information wird eine Kontra-Information entgegengesetzt.
Wenn man das hier verwendete Wort "Information" durch das im philosophischen Kontext gebräuchlichere "Wissen" ersetzt, ergibt sich auch für diesen Begriff (und seine Funktionsweise im Dialog) ein differenziertes Spektrum.
- Ein Horizont des Wissens wird vorausgesetzt, in ihm wird eine Kenntnis nachgefragt.
- Wissen wird nicht in Anspruch genommen, sondern in einer Prüfsituation eingesetzt.
- Ein bestimmtes Wissen wird gleichzeitig angenommen und als unzureichend qualifiziert. Es ist aubaufähig.
- Wissen trifft in konstruktiver oder polemischer Absicht auf Wissen. Es kann sich kontrovers entwickeln.
Es ist zu fragen, welche der Optionen (in welcher Mischung) bei Sokrates im Spiel sind. So läßt sich z.B. sein bekannter Spruch "Ich weiß, dass ich nichts weiß" analysieren.
Philosophisches Fragen
Fragen und Wissen sind in unterschiedliche pragmatische Szenarien eingebettet. Die Gesprächspartnerinnen nehmen darin unterschiedliche Rollen ein. Die Wirksamkeit Sokrates' ergibt sich daraus, dass er die Frage- und Wissensformen in einer charakteristischen Weise kombiniert.