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Bei der Betrachtung von Caillois Text darf, trotz der Ausführlichkeit von Caillois Beschreibung der Lebensweise der Gottesanbeterin und der in verschiedenen Kulturen mit ihr in Verbindung zu bringenden Rituale, nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich hierbei lediglich um ein Beispiel für die "objektive Fähigkeit unmittelbarer Einwirkung auf die Affektivität" (Caillois, S.9) handelt. Spannend finde ich daher weniger die eben erwähnte Darlegung der Lebensweise der Gottesanbeterin, als vielmehr die Tatsache, dass der Anblick der Mantis "auf jedes einzelne Individuum wirken kann, ohne daß eine Symbolik vorläge, welche ihre Bedeutung im wesentlichen von ihrem gesellschaftlichen Gebrauch und ihre emotionale Wirkung größtenteils von der Rolle herleiten würde, die sie in der Kollektivität spielt" (Caillois, S.9). Die Gottesanbeterin führt also bei jedem beliebigen menschlichen Betrachter zu einer emotionalen Reaktion. Die scheinbar irrationalen Ängste des Menschen finden ein objektives Gegenstück in der Betrachtung der Mantis. Insofern ließe sich die Gottesanbeterin doch durchaus mit dem lacan´schen Spiegel gleichsetzen, der sobald in Verwendung, zu einem Prozess; bei Lacan zur Ichfindung; im Fall der Mantis möglicherweise zur Erkenntnis der menschlichen Ängste, führt. Wie bei der Ichfindung spielt die Sprache eine wichtige Rolle, denn die Mantis verfügt nach Caillois über eine "lyrische Kraft", die sich in zahlreichen poetischen Ausdrücke für die Gottesanbeterin niederschlägt und so möglicherweise zur Bewältigung der Ängste beitragen kann.--[[Benutzer:SarahG|SarahG]] 20:09, 20. Okt. 2010 (UTC)
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(noch zu Das Spiegelstadium als Bildner der Ich-Funktion)

Version vom 20. Oktober 2010, 22:09 Uhr

Zu Caillois: Bei der Betrachtung von Caillois Text darf, trotz der Ausführlichkeit von Caillois Beschreibung der Lebensweise der Gottesanbeterin und der in verschiedenen Kulturen mit ihr in Verbindung zu bringenden Rituale, nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich hierbei lediglich um ein Beispiel für die "objektive Fähigkeit unmittelbarer Einwirkung auf die Affektivität" (Caillois, S.9) handelt. Spannend finde ich daher weniger die eben erwähnte Darlegung der Lebensweise der Gottesanbeterin, als vielmehr die Tatsache, dass der Anblick der Mantis "auf jedes einzelne Individuum wirken kann, ohne daß eine Symbolik vorläge, welche ihre Bedeutung im wesentlichen von ihrem gesellschaftlichen Gebrauch und ihre emotionale Wirkung größtenteils von der Rolle herleiten würde, die sie in der Kollektivität spielt" (Caillois, S.9). Die Gottesanbeterin führt also bei jedem beliebigen menschlichen Betrachter zu einer emotionalen Reaktion. Die scheinbar irrationalen Ängste des Menschen finden ein objektives Gegenstück in der Betrachtung der Mantis. Insofern ließe sich die Gottesanbeterin doch durchaus mit dem lacan´schen Spiegel gleichsetzen, der sobald in Verwendung, zu einem Prozess; bei Lacan zur Ichfindung; im Fall der Mantis möglicherweise zur Erkenntnis der menschlichen Ängste, führt. Wie bei der Ichfindung spielt die Sprache eine wichtige Rolle, denn die Mantis verfügt nach Caillois über eine "lyrische Kraft", die sich in zahlreichen poetischen Ausdrücke für die Gottesanbeterin niederschlägt und so möglicherweise zur Bewältigung der Ängste beitragen kann.--SarahG 20:09, 20. Okt. 2010 (UTC)

Laura Steiner: (noch zu Das Spiegelstadium als Bildner der Ich-Funktion) Lacan beruft sich im Spiegelstadium rein methodisch gesehen zuallererst auf empirische Daten der Zoologie, um den Unterschied von Mensch und Primat zu deduzieren. Für mich war es interessant zu sehen, wie er den Übergang von den Erfahrungswissenschaften zur idealistischen Sichtweise des Symbolischen, des Imagos, welches kein sichtbares, sondern ein, in der Vorstellung existentes Bild ist, bewältigt. Im sogenannten Aha-Erlebnis greift er die Schnittstelle zwischen der Passivität des "in die Welt geboren worden-seins" und dem Gewahrwerden des Ichs(Je) auf. Die Postulierung, dass bereits in der ontogenetischen Phase des menschlichen Infans-Stadiums der Einstieg in eine symbolische Welt stattfindet, impliziert, dass dies nicht etwa schon von einem vollständigen "Subjekt" zu Stande gebracht wird, sondern von einem, wie Lacan sagt, Wesen, welches noch eingetaucht ist in eine motorische Ohnmacht. Diese Bestimmung der Fähigkeit des noch nicht subjektivierten Wesens symbolische Formen zu besitzen, unterscheidet Lacans Theorie stark von den philosophischen Ansichten Ernst Cassirer, der sich Zeit seines Lebens mit symbolischen Formen auseinandersetzte. Cassirer, der den Menschen als homo symbolicus, also nicht bloß auf Grund seiner Vernunftbegabtheit, sondern gerade durch die Fähigkeit in ein Kontinuum symbolischer Formen einzutreten, bestimmte, ging immer schon von einem vollständigen Ich aus, das Lacan nicht einmal einem älteren Menschen zusprechen würde. "In dem Augenblick, in dem ICH nicht nur von außen her und reflektierend diese Bedeutung(der symbolischen Formen) erfasse, sondern indem sie mich innerlich ergreift, in dem ich in ihr lebe und bin, ist die Gestalt die ich vor mir sehe, wie erfüllt und durchtränkt mit einem neuen Sinne. Sie ist umwittert mit einem magischen Zauberhauch; sie wirkt nicht mehr bloß als ästhetische Form, sondern wie eine Uroffenbarung aus einer anderen Welt." (Ernst Cassirer, Schriften zur Philosphie der symbolischen Formen, hrsg. von Marion Lauschke, Felix Meiner Verlag GmbH, Hamburg 2009, Seite 96, 97). --L.M. Steiner 18:48, 20. Okt. 2010 (UTC)


Meiner Meinung nach, wird in diesem Text oft ein Zusammenhang zwischen der Gottesanbeterin und der Frau hergestellt. Die Gottesanbeterin wird einerseits als etwas Heiliges und Mystisches gesehen, andererseits als etwas Gewalttätiges. Durch den "Vergleich" finde ich, wird die Frau stark auf ihr Körperliches reduziert und nicht wirklich als menschliches und bewusstes Wesen wahrgenommen. In diesem Text wird auch erwähnt, dass bei der Gottesanbeterin ein Zusammenhang zwischen Sexualität und Ernährung besteht. Sie lockt ihre Beute, die sie verschlingen will durch Wollust an. Hier wird meiner Meinung nach das mystische und gefährliche vereint, womit auch die Frau verglichen wird, einerseits als unnahbar und mystisch andererseits als etwas Gefährliches und Hinterhältiges. --Petra Szabo 14:37, 20. Okt. 2010 (UTC)


Stefanie Feilinger: Ich finde den Satz auf Seite 10 sehr aussagekräftig: Dass die Mantis einerseits als heilig, andererseits als etwas Teuflisches angesehen wird. Einerseits vergöttert man sie, weil sie etwas Besonderes und Mythisches ist, andererseits hat man aber auch Angst, was hauptsächlich auf ihre Gewalt im Geschlechtsakt zurückzuführen ist. Mir ist aufgefallen, dass im Text oft ein Zusammenhang zwischen der Gottesanbeterin und der Frau gezogen wird. Von einer Prostituierten , die einen Mann verschlingt, von der Gefährlichen Geliebten, vom Kastrationskomplex und die Angst des Mannes vor einer gezahnten Vagina ist die Rede. Diese Gleichsetzung reduziert meiner Meinung nach die Frau auf das Körperliche und spielt auf die „Gefährlichkeit“ von Frauen an. Daher finde ich diese Gleichsetzung auch frauendiskriminierend. Auf Seite 20 nimmt der Autor dazu auch Stellung, denn er schreibt von der Neigung des Menschen, alles, das äußerlich dem menschlichem Körper ähnelt wie in diesem Fall die Gottesanbeterin, mit ihm (in diesem Fall mit ihr) zu identifizieren. Damit lässt sich auch erklären, warum viele Tiere immer vom Menschen selbst in ihrem Aussehen und in ihren Verhaltensweisen vermenschlicht dargestellt werden.--Stefanie feilinger 07:13, 20. Okt. 2010 (UTC)


--Karoline Orth 15:28, 19. Okt. 2010 (UTC) Caillois Roger, Die Gottesanbeterin

Zur "Nomenklatur" der Gottesanbeterin (sh. seite 13) möchte ich anmerken, dass sie, ganz allgemein, in einer Relation mit dem steht, wie sie sich in ihrer Natur (sei es ihrer sexuellen Natur nach, oder ihres Aussehens nach) verhält. Kann man nun, nach dem Text urteilend, sagen, sie passe sich ihrer Umwelt bspw. farblich an und identifiziere sich gleichsam auch mit ihr? Wie ist es allerdings zu verstehen, dass sie ihr Gegenüber nach/während des sexuellen Aktes derart körperlich benutzt (sei es durch Tötung oder durch Nahrungszufuhr), dass es zu einem Abbruch/Ende des Identifikationsprozesses kommt? Ist jeder Prozess, an dem man sich beteiligt, gleichzeitig ein Identifikationsprozess des selbst im anderen? In welchem Zusammenhang steht das Bild der Mantis mit demjenigen des Individuums in der heutigen Gesellschaft, genauer auch mit dem Bild der Frau?


--Zwakkelmann 18:32, 19. Okt. 2010 (UTC) (F. Kos ad Gottesanbeterin)

Wenn die Mantis im enthaupteten Zustand das Leben mimt und sich als Tote gar noch totstellen kann, so möchte Caillois hier die Verbindung zwischen biologischem Phänomen und menschlicher Vorgangsweisen, Mechanismen knüpfen. Jene Definition, die beabsichtigt, den Menschen als gesondertes Wesen zu denken, soll zu Gunsten einer einheitlich umfassenden Naturvorstellung im Sinne automatischer Prozesshaftigkeiten, welche im Zustand des ausgeschalteten Bewusstseins den Verstand als maschinenähnlichen intakt halten, geopfert werden. Um dem lyrischen Bild treu zu bleiben, bedeute dies de facto eine Fortführung sozialer und biologischer Eigenschaften durch einen kopflosen Körper und seine Triebregungen. Caillois bemüht sich um einen Pantheismus als Imagination eines Aufblühens in der Natur und markiert parallel eine Rückkehr in ursprüngliche Fühllosigkeit, das vorgeburtlich Unbewusste. (Vgl. Vera Venz, Zwischen Traum und Wirklichkeit, München 2000, 15-17.)

Die Unterscheidung zwischen Natur und Kultur wird unscharf, John le Carré 79 Jahre alt: „An sich stellt die Tätigkeit des Täuschens keine übermäßigen Anforderungen an den Menschen. Es ist eine Frage der Erfahrung, des beruflichen Könnens, es ist eine Fähigkeit, die sich die meisten von uns aneignen können. Aber während ein Betrüger, ein Schauspieler oder ein Hasardeur nach seiner Vorstellung zurücktreten kann, hat der Geheimagent keine Möglichkeit, sich diese Erleichterung zu verschaffen. Für ihn ist die Täuschung anderer in erster Linie eine Frage der Selbsterhaltung. Für ihn genügt es nicht, sich nur nach außen abzuschirmen, er muss sich auch vor seinem eigenen Inneren schützen, und zwar gegen die natürlichsten Impulse.“ (John le Carré, Der Spion, der aus der Kälte kam, Wien 1963.) Diesem performativen Textausschnitt folgen, in Verbindung mit vorangegangen Überlegungen, schüchterne, ineinander übergehende Fragen. Bemerke: Der Text(auszug) kann der Thematik in seiner lyrischen Befangenheit mehr oder weniger dienlich sein, nie jedoch eine lückenlose Über-Setzung erwirken. Es scheint, als stehe ein gewisser Automatismus immer an der Schwelle zu seiner Wirksamkeit, gegen welche der Spion anzukämpfen hat. Kann ihm dieses Unterfangen gelingen? Unter welchen Umständen? Gilt es zwischen Individuen zu differenzieren, da sie in ihrer Eigenheit ein unterschiedliches Gerichtet-Sein auf gewisse Handlungsweisen kennen, Aufmerksamkeit und Verantwortung bewegliche Termini sind? Vielleicht finden wir bei Caillois selbst die Chance zur Konturierung eines ursprünglich Gegebenen, Unbewussten unter menschlichem Aspekt, wenn wir uns im Folgenden auf den gewählten Begriff der „Möglichkeiten“ näher einlassen: „(…) gewisse ursprüngliche Gefühlsreaktionen und -konstellationen, die man beim Menschen manchmal nur als Möglichkeiten antrifft, die aber in der übrigen Natur klar erkennbaren und häufig zu beobachtenden Tatsachen entsprechen.“ (S. 20) Abschließende Diversität in spontaner Reihenfolge:

+ Kann das Unbewusste als schlummerndes verborgen bleiben, inwiefern wäre aktive Gegenwehr des Verstandes möglich?

+ Caillois‘ Schilderung erweckt, in menschlichen Kategorien gedacht, eher den Anschein eines negativ besetzten Unbewussten, welches gelegentlich in Form der Automationswalze durchbricht. Handelt es sich hierbei um einen gerechtfertigten Eindruck oder schlichte Belanglosigkeit?

+ Was bietet uns weiterführend das Unbewusste bei Schelling, der Grund?


--René Hügel 09:29, 20. Okt. 2010 (UTC) (Roger Callois, Die Gottesanbeterin)

Wie im Text von Roger Callois unmissverständlich zum Ausdruck kommt, muss man den Kannibalismus der Gottesanbeterin vielseitig betrachten und er übt zweifelsohne eine Anziehungskraft auf uns Menschen aus. André Breton erzählte Roger Callois, dass er das Verhalten der Gottesanbeterin als eine ideale sexuelle Beziehung bezeichnen würde. Die Herabsetzung des Mannes verbunden mit der gleichzeitigen Erhebung der Frau ist mit einer Natürlichkeit verbunden, welche die Frau in diesem jenen Moment ausnutze, um ihren Mann zu verschlingen oder zumindest zu töten. (vgl. Callois, Die Gottesanbeterin: S.15) Zur Frage “In welchem Zusammenhang steht das Bild der Mantis mit demjenigen des Individuums in der heutigen Gesellschaft, genauer auch mit dem Bild der Frau?“ von Karoline Orth: Wie sich im vorigen Absatz ergibt, verdeutlicht bzw. bestätigt meiner Meinung nach die von Breton getätigte Aussage eine Identifikation des Menschen mit der Mantis. Im Falle der Gottesanbeterin, welche dem Männchen nicht nur gleichgestellt ist sondern es in allen Belangen dominiert, könnte sich das identifizierende Verlangen der heutigen Frau nach Gleichberechtigung und in gewissem Maße auch nach einer Form von Dominanz widerspiegeln. Eine angesprochene Gleichsetzung der Gottesanbeterin mit der Frau sehe ich nicht, wie weiter oben diskutiert, als frauenfeindlich an.

Weiters stellt sich mir hier die Frage, inwieweit die Perversionen beim Menschen, also in diesem Fall eine Neigung zu Sadismus/Masochismus, auch in Bezug auf die Gottesanbeterin und ihre "Vorlieben" relevant sind. Kann man diese Überlegungen in irgendeiner Weise mit der (unfreiwilligen?) Hingabe der "männlichen Gottesanbeterin" vergleichen? Gibt es auch im Tierreich abweichende Individuen, welche spezielle Formen oder Anomalien in dieser Hinsicht aufweisen?

Wie auf den ersten Seiten des Textes beschrieben wird, wird bzw. wurde die Gottesanbeterin immer schon als heilig und zugleich teuflisch betrachtet. Diese ambivalente Haltung der Menschen gegenüber der Gottesanbeterin ist gewiss auf die lyrische Macht zurückzuführen, sie löst jedoch auch einen Gefühlskonflikt aus und stößt beim Menschen zweifelsohne auf Missverständnis seitens der kannibalistischen Handlungen. Derweil sind es die eigenwilligen Paarungsriten, das Verschmelzen mit der Natur und das Verzerren bzw. Einverleiben des Geschlechtspartners während und/oder nach der Paarung, welche den Sprung von der Biologie zur Psychologie/Psychoanalyse ermöglichen. Dadurch, dass diese Disziplinen das Vorhandensein des Ödipus-, Kastrationskomplexes,... aufgezeigt haben, finden sich Parallelen in der Natur und im speziellen im Tierreich., Laut Callois sollte man auch die vergleichende Biologie bei der Erforschung des menschlichen Bewusstseins heranziehen. „Denn aus diesem Gesichtswinkel wird man offenbar der Perspektive dieser Komplexe eher gerecht: so würde – um die in dieser Monographie dargelegten Tatsachen auszuwerten – die Angst, von der Frau verschlungen zu werden, nicht mehr als Abwandlung der Kastrationsangst erscheinen, sondern ganz im Gegenteil die Kastrationsangst als ein Sonderfall jener anderen Angst, die höchst wahrscheinlich das ursprünglich Gegebene ist, weil sie als Restbestand einer Verhaltensweise aufgefasst werden kann, die bei vielen anderen Lebewesen nachweisbar ist.“ (Calloir, Die Gottesanbeterin: S. 20) Nach Callois’ Meinung würde also die Psychoanalyse mit ihren Erforschungen der menschlichen Seele der Biologie nachhinken, da sie das ursprünglich Gegebene, welches sich in der Tierwelt findet, vernachlässigt und ausser Acht läßt. Würde das einfach nur bedeuten, dass die Psychologie und die Psychoanalyse sich in (erster Linie) auf die vergleichende Biologie stützen sollten und die Erforschung der menschlichen Seele nicht als gesondert vom „Rest der Welt“ betreiben soll? Kann das tatsächliche Vorgehen der Gottesanbeterin nicht einfach als eine Form angesehen werden, welche dem Menschen nur im Unbewußten, also beispielsweise die Kastrationsangst als Wahnsvorstellungen von einer gezahnten Vagina verschlungen zu werden, zugänglich ist? Oder heißt es, dass die explizite Ausführung bei der Mantis sozusagen eine gewisse Urform darstellt?

um in der Biologie zu bleiben: Wäre es zu simpel, wenn man sagen würde, dass die Anpassung von Form, Farbe, Verhalten, etc. der Gottesanbeterin an die Natur bzw. ihre Umgebung schlichtweg einen Tarn- und Täuschmechanismus darstellt, welcher ihr beim Beutefang zur Verfügung steht und sie vor ihren Feinden schützt?


Seite 21/5,. Absatz: "Die Hottentotten veranstalteten zu einer bestimmten Zeit des Jahres äußerst laszive Tänze, und die in dieser Zeit gezeugten Kinder werden unmittelbar nach der Geburt getötet." Dieser grausame und mir unverständliche Ritus eines primitiven Volkes - hier als sexueller definiert - zeigt, dass in der menschlichen Natur eine Fehlschaltung vorliegen muss. Menschenopfer waren jedoch keineswegs nur bei primitiven Völkern üblich, sondern lange Zeit auch gängige Praxis bei Hochulturen. Bereits in der Bronzezeit kannte man Opferkulte (Beschwichtigungsopfer, um die Götter gnädig zu stimmen). Die Azteken waren besonders grausam und töteten jedes Jahr 1000-e Menschen ihrem Gott Quetztalcuatl. Welche Gründe auch immer dafür vorgebracht wurden oder werden - (Mantiskult, Götterglauben, etc.) - ich finde so ein Verhalten abwegig. Es widerspricht doch unserer heutigen Vorstellung von Ethik und Moral und, um mit Kant zu sprechen, ist dem Menschen doch immer schon a priori das Gefühl für Gut und Böse angeboren? --Joechtl 13:03, 20. Okt. 2010 (UTC)


--Daniel Attia 20:07, 20. Okt. 2010 (UTC): Callois: Eingangs möchte ich kurz auf das Thema der Reduktion der Frauen eingehen. Tatsächlich werden in diesem Text Frauen in gewissen hinsichten auf bestimmte Aspekte reduziert. Und trotzdem sehe ich kein Problem darin. Bloß weil bestimmte Aspekte unter bestimmten psychoanalytischen Schwerpunkten (Kastrationskomplex,...) betrachtet werden wird die Frau noch keineswegs in einem moralisch negativen Sinne reduziert. Es werden einfach bestimmte Hinsichten betrachtet, jedoch wird nirgendwo gesagt (und so habe ich es auch nicht verstanden), die Frau sei nur so und so, bzw. herabgewertet. Der Autor möchte bestimmte Themen behandeln, da wäre es fehl am Platz die Frau in ihrer Ganzheit mit einzubeziehen.

Die für mich interessanteste Frage die sich bezüglich des Seminars inwieweit die Psychoanalyse von der vergleichenden Biologie lernen kann? Inwieweit lässt sich vom Tierreich letzten Endes auf psychische Phänomene des Menschen schließen? Ich halte die These, zwischen der "sexuellen Wollust" und der "Wollust der Nahrungsaufnahme" für sehr interessant, die ja auch dann bspweise bei der Frau irgendwo laut Callois zu bestehen scheint. So sei es angeblich ein bekanntes Phänomen, dass die Frau nach dem Sex das Verlangen spüre, den Mann zu beißen... Mich würde eben interessieren welcher/ob ein Zusammenhang da prinzipiell in der Psychoanalyse gesehen wird.

Interessant war aufjedenfall auch, wie versucht wurde zu zeigen, dass der Mensch in Tiere die gewisse Ähnlichkeiten mit dem MEnschen aufweisen (so der Daumen der Feldermaus) in diese viele Symbole und Bilder hineinlegt; wie eben bei der Mantis.


Weiters möchte ich noch bezüglich des Kommentars des Kollegen Joechtl sagen: Wie sie selbst sagen, es widerspricht unserer heutigen Vorstellung von Ethik und Moral, jedoch wandelt sich eben diese praktisch im Laufe der Zeit und innerhalb eines Kulturkreises. Dass Sie das genauso wie ich befremdlich finden wundert hoffentlich niemanden, dass es in einigen Kulturen aber dennoch keineswegs als böse oder schlecht galt, ja in manchen Kulturen auch (soweit dass die Funde eben vermuten lassen) freiwillige Selbstopferung herrschte und nicht als bloßer "Zwang", Mord o.ä. betrachtet werden kann und dass hier Ihr/unser Wertemaßstab über deren aufgesetzt wird sollte trotz aller berechtigten Kritikpunkte beachtet werden. Zudem finde ich auch die Wortwahl "primitiv" problematisch, da hier wiederum eine sehr Wertung fehlt die womöglich auch leicht missverstanden werden kann.



14.10.2010 Lacan, Jacques (1949): Das Spiegelstadium als Bildner der Ichfunktion, wie sie uns in der psychoanalytischen Erfahrung erscheint, in: ders.: Schriften I, Olten: Walter Verlag 1978, 61-70.

Thomas Karner: Das Spiegelstadium als Initialzündung der "Menschwerdung" im wahrsten Sinne des Wortes! Dieser Text erinnerte mich stark an die Tathandlung bei Fichte. Die Selbstsetzung des ICH, das Heraustreten aus der Unmittelbarkeit der Tierheit. Die Fähigkeit des Menschen sich zu exzentrieren und in Gegensatz zu sich selbst zu treten. Die Entgegensetzung des eigenen Seins durch das Bild im Spiegel. Diese Entgegensetzung, durch die Selbst - Bewusstsein überhaupt erst ermöglicht wird, ist für mich wirklich eine der Kernfragen des Menschseins überhaupt! Die Frage: Wer bin ich überhaupt? Diese Frage kann hier zum ersten mal gestellt werden. In welcher Beziehung stehen Körper und Geist? Wo ist die Verknüpfung? Diese Entgegensetzung des eigenen Ich, die auch diese Entfremdung impliziert, ist wie ich finde, ein zentraler Punkt der Frage, was der Mensch überhaupt sei. Der Text war wirklich nicht einfach zu lesen, aber dies hier Geschriebene sind einige, wenn auch nicht alle, meiner unmittelbaren Gedanken zum Gelesenen.


Daniel Attia:

Lacan sützt sich auf die Beobachtung Baldwins, und nimmt die Beobachtung, dass das Kind sich zwischen dem 6. und 18. Monat im Spiegel erstmals selber erkennt, zum Anlass folgender Theorie: es findet erstmals eine Identifikation statt; das Bild, die GEstalt die das Kind erstmals von sich selbst erlangt sorgt für eine folgenreiche Veränderung im Bewusstsein. Das Kind erfährt, dass es ebenso wie seine Mitmenschen, einen Körper besitzt, es erfährt den Blick der Anderen auf sich selbst wodurch es zu einer erstmaligen Spaltung zwischen dem Je (Ich) und Moi (Ich). Dabei könnte man vielleciht (in Ahnlehnung an Mead), das Je als das intuitive, spontane Ich bezeichnen, während das Moi dem Ideal-Ich (wie Freud das genau verstanden hat, könnte man diskutieren) gleicht. Dieses Moi ist auf einer"Fiktiven Linie situiert" und nicht einholbar, es ist das Ich von Außen betrachtet. Indem sich das Kind als Teil der Umwelt, als ihr zugehörig erfährt, kann erstmals eine Beziehung zwischen Organismus und Realität, Innenwelt und Umwelt für das Kind hergestellt werden. DIe ursprüngliche Zwietracht (die Lacan in Zeichen von Unbehagen und motorischer Inkoordination in den ersten Monaten festmachen will) springt auf. Das Spiegelstadium ist sowohl geschtlichtlicher Natur, als sie auch eine ontologische Struktur des Menschen ist.

Der Text scheint sehr stark an den Thesen Freuds anzuknüpfen, die man ihrerseits wieder kennen müsste, um den Text genauer zu verstehen. So scheint mir der ASpekt der Entfremdung in Lacans Text einerseits nicht klar, andererseits auch nicht genau genug erläutert. Zudem ist mir nicht klar inwiefern die "spezifische Vorzeitigkeit der menschlichen Geburt" - dass also der Mensch "unfertig" zur Welt kommt und im Gegensatz zu den Tieren relativ lang für die Entwicklung des Nervensystems etc. braucht - mit der "ursprünglichen Zwietracht" einhergeht.

Begriffe wie Fata Morgana und Imagines sollten auch noch geklärt werden. Auch der Zusammenhang von Spiegel-Ich zum Sozialen Ich, bzw. der Begriff des sozialen Ich selbst, bereiten mir Unverständnis.

- Inwieweit ist es notwendig sich selbst im Spiegel zu sehen, um die Spaltung des Je und Moi, den Blick von Außen, zu gewinnen? - Lacan stütz sich scheinbar auf Annahmen, die er kaum zu Beweisen versucht: Das Aha-Erlebnis des Kindes, das an einer gewissen Freude festzumachen sein soll bzw. die Interpretation des Erlebnisses, die Annahme einer ursprünglichen Zwietracht die unruhig darauf wartet hervorzutreten.

Dazu: Bei der klassischen Vorstellung des "aha-Erlebnisses", also ein 'echter' Spiegel, sammt der Eltern/Bezugspersonen: Das Kind sieht sich und dann- oder davor- 'jubeln' die Bezugspersonen dem Kind zu, bestätigen es "ja,das bist du,schau tada". Welche Wirkung hat das, diese Bestätigung, oder fallweise Provokation des "aha-Erlebnisses"?? --C.o.S. 21:01, 15. Okt. 2010 (UTC)


Nebenfragen - ist mit der Mehtode der symbolischen Reduktion, eine Reduktion phänomenologischer Art gemeint? - der intraorganischer Spiegel - so etwas wie Spiegelneuronen??


Fabian M. Kos

Schatullenartig möchte ich einige Hinsichten im Anschluss an Jacques Lacans Text kompakt aufmachen. „Der Bruch des Kreises von der Innenwelt zur Umwelt“ (S. 67) kann uns als Übergangspunkt für eine Klarstellung und weiterführende Thematisierung der unerschöpflichen Quadratur der Ich-Prüfungen dienen, insofern das Bestreben des Kindes (beziehungsweise später verstärkt des Erwachsenen) in der dauerhaften Darstellung einer im Spiegel kurzzeitig erfahrenen (scheinbaren) Ganzheit liegt. Den resultierenden Folgen und einer Nüchternheit des Bildes, die sich nach zunächst jubilatorischen Gesten einstellen wird, kommt in diesem Punkt somit besondere Brisanz zu. Insbesondere unter der Berücksichtigung, dass eben dieses Bild „eher bestimmend als bestimmt“ (S. 64) ist und sich somit gestaltend auf das Subjekt auswirkt. Cartesischer Dualismus sieht wahrlich anders aus. Hintan gilt es für den Laien wie mich einen adäquaten Umgang mit dem Spiegelbegriff zu erfragen, insbesondere unter dem trivial gedachten Aspekt, ein Kind käme nie mit Spiegeln in Berührung.


"Das Spiegelstadium als Bildnis der Ichfunktion"

Seite 63/Absatz 2: Dazu möchte ich anmerken, dass nicht nur der Menschenjunge sondern auch ein intelligenter Affe erkennen kann, dass er es ist, den er im Spiegel sieht. Forscher haben Versuche mit Affen gemacht, indem sie ihnen einen Punkt auf die Stirne malten, sie vor einen Spiegel setzten und beobachteten. Dabei fiel ihnen auf, dass sich das jeweilige Tier immer wieder an die Stirne griff und die bemalte Stelle anfasste. Für mich ein Hinweis, dass sich der Affe als Individuum im Spiegel erkannte.

@es gibt denselben Versuch auch mit Kindern (»Rouge«-Test). Dabei wird den Kindern ein geruchloser roter Punkt auf die Stirn gerieben, wobei Kinder erst im Alter von circa zweieinhalb Jahren darauf reagieren. Es ist damit jedoch keine Aussage getroffen, ob sich das Kind (oder der Affe) als Individuum erkennt. Die Beobachtung stellt nur fest, dass eine Beziehung zwischen der gespiegelten Darstellung und dem Wesen vor dem Spiegel vorhanden ist, die identitätslogisch gedacht werden kann. Inwiefern hier der Begriff ›Individuum‹ mitschwingt, ist für mich nicht geklärt. --9876543210 21:24, 14. Okt. 2010 (UTC)
@Wiedererkennen im Spiegel: Es wäre diesbezüglich interessant zu fragen, von woher Lacan diese empirischen Daten bezieht? Hat er hier »Feldstudien« durchgeführt oder zitiert er hier implizit bestimmte Wissenschaftsströmungen seiner Zeit. Wenn ja, welche? --9876543210 21:24, 14. Okt. 2010 (UTC)

Seite 66//Absatz 2: Wie ist das zu verstehen, wenn von der menschlichen Erkenntnis als einer "paranoisch" strukturierten gesprochen wird? Ist damit die Spannung zwischen Spiegel-Ich und sozialem Ich gemeint?

Im Online-Reader habe ich zum Thema Spiegelstadium (auf Seite 34) folgendes gelesen: "Störungen des Denkens äußern sich ausschließlich als Störungen der geschriebenen Sprache". Manche Menschen sind mathematisch, andere musisch begabt, einige Sprachengenies, etc. Kann das als Störung angesehen werden, wenn jemand mathematische Probleme blitzartig lösen kann, jedoch grosse Schwierigkeiten mit der Grammatik hat? --Joechtl 12:53, 13. Okt. 2010 (UTC)

Dazu: Spontan fällt mir die Frage ein, was denn als Störung klassifziert sein könnte. Sind Störungen nicht immer auch eine 'Abweichung der Norm'? Und was sind schlussendlich Normen... . Im Online Reader ist es, denke ich, so gemeint: Die Störung liegt im Bezug zur Sprache, nicht in der grammatikalischen Fähigkeit oder derlei "formellen" Bedingungen?!--C.o.S. 20:55, 15. Okt. 2010 (UTC)
@Sprache: Ich möchte hier auch gerne einsetzen: Wir haben es – strukturell betrachtet – hier mit einer äußerst interessanten Figur zu tun: Es gibt ein Wesen, welches sich im Wiedererkennen ein ganzheitliches Bild von sich macht. Dieses Bild schiebt sich nun nachträglich über seine Vorgängigkeit. Das ist ein Vorgang, den wir an uns ständig beobachten können: In dem Moment, wo uns eine bestimmte Einsicht zugänglich wird, wird es unmöglich zu einer Betrachtung zurückzukehren, die dieser Einsicht vorauslag. Das Ich (moi) [Spiegel-Ich, imaginäre Ich] operiert in diesem Sinne: In dem Moment, wo sich die Gestalt (schlagartig) gegenwärtigt, ist das Vorangegangene nicht mehr zugänglich und es unterläuft (als Phantom) dieses nur vorgestellte Bild. Es gibt also eine ursprüngliche Differenz, die dem Ich (moi)-Bild zu Grunde liegt. Über diese Figur stülpt sich nun eine zweite Figur: Dieses Ich (moi) ist immer schon in eine sprachliche Ordnung (ich vereinfache den Begriff der symbolischen Ordnung bewusst) eingebettet. Noch bevor das Kind zur Welt kommt, haben sich die Eltern schon einen Namen für das Kind überlegt (ist bereits ein bestimmter Platz in der symbolischen Ordnung für das Kind vorbereitet). Das Ich (moi) tritt nachträglich [das wäre nun gleichzeitig eine erste Frage (a)!] in eine symbolische Gesamtstruktur ein. Indem es in dieser symbolischen Struktur seinen Platz einnimmt, wird das Ich (moi) von der symbolischen Ordnung überschrieben [das Ich (je) stülpt sich also über das Ich (moi)]. Das Spiegel-Ich geht über zum sozialen Ich. Damit verbunden ist nun eine zweite Differenz, nämlich jene zwischen der Sprache und dem was der Sprache vorausliegt. Die Sprache ist uns nicht von Geburt an geläufig, sondern wir lernen die Sprache als Fremdsprache. Erst mit Hilfe der Sprache können wir unser Begehren artikulieren, was nun weitere Differenzfiguren hervorbringt. Was mich hier am meisten interessiert: (a) Wie funktioniert das im Detail? Warum kann man hier von einem narzißtischen Verhältnis sprechen? Warum paranoisch? Diese Begriffe können in Lexikas nachgeschlagen werden und sind – als Begriffe – zugänglich. Hierzu gehört auch der Begriff des Komplexes (aus dem Lacan im Aufsatz über die Familie den Imago-Begriff ableitet) Aber wie OPERIEREN diese Begriffe innerhalb dieser zwei Figuren im Detail? Hierzu gehört auch: Lacan verwendet Form, Gestalt, Bild, Imago – kann man diese Begriff differenzieren, stehen sie nebeneinander? Wie? (b) Lacan schreibt von einem dialektischen Verhältnis, er differenziert sogar in zeitliche Dialektik, gesellschaftliche Dialektik; Das ist auf einer abstrakten begrifflichen Ebene verständlich: Auch hier hakt es bei mir am Detail: Was genau bedeutet ›Dialektik‹? Lacan übernimmt den Begriff meines Wissens von Kojève, der Hegel mit marxistischem Einschlag liest. Hierin läge aber bereits eine fundamentale Differenz: Hegel: These-Antithese-Synthese (Aufstiegsmodell); Marx: Ellipse These+Gegenthese bringen erst eine bestimmte Form hervor, die an sich weitere Formen bedingt (aber soweit ich das bisher gelesen habe weniger im Sinne eines Aufstiegs zu sondern als einer analytischen Beschreibung von) (c) Hat man diese Operationsmodi auf der Ebene des Spiegelstadiums verstanden, stellt sich natürlich die Frage, wie funktioniert der Übetritt vom Spiegel-Ich zum sozialen Ich im Detail? Warum ist die Sprache wie ein Unbewußtes organisiert? Was bedeutet hier Sprache im Detail? Das Strukturmoment ist auch hier verständlich (Differenz zwischen der Sprache und dem der Sprache vorgängigem), allerdings verstehe ich nicht, wie sich dieses Strukturmoment erzeugt. --9876543210 08:31, 17. Okt. 2010 (UTC)

Christine Brandner

Zu den Begriffen Fata Morgana und Imagines:

Fata Morgana ist die vielleicht etwas unglücklich gewählte Wiedergabe des Begriffs mirage, den Lacan an dieser Stelle verwendet. Mit seinem Erscheinungsbild, zusammengesetzt aus miroir und image passt er Lacan ausgezeichnet ins Gefüge des ganzen Aufsatzes.

Imagines: An dieser Stelle verwendet Lacan den Begriff imagos möglicherweise ein nicht so ganz simpler Plural von imago.


René Hügel

ad. "Seite 63/Absatz 2: Dazu möchte ich anmerken, dass nicht nur der Menschenjunge sondern auch ein intelligenter Affe erkennen kann, dass er es ist, den er im Spiegel sieht. Forscher haben Versuche mit Affen gemacht, indem sie ihnen einen Punkt auf die Stirne malten, sie vor einen Spiegel setzten und beobachteten. Dabei fiel ihnen auf, dass sich das jeweilige Tier immer wieder an die Stirne griff und die bemalte Stelle anfasste. Für mich ein Hinweis, dass sich der Affe als Individuum im Spiegel erkannte." von Fabian M. Kos (Bemerke: Dieser Beitrag stammt nicht von mir; F. K.)

Meines Erachtens besteht der große Unterschied des Erkennens des eigenen Bildes zwischen dem Menschen- und dem Schimpansenjungen in der Mimik des Aha-Erlebnisses. Diesem folgen eine Reihe von Gesten, welche das Kind sein eigenes Bild als solches als Teil einer Umwelt erkennen lässt. Wie Lacan schreibt, löst der Intelligenz-Akt, welcher sich in einer Wahrnehmung der Situation ausdrückt, "beim Kind sofort eine Reihe von Gesten aus, mit deren Hilfe es spielerisch die Beziehung der vom Bild aufgenommenen Bewegungen zur gespiegelten Umgebung und das Verhältnis dieses ganzen virtuellen Komplexes zur Realität untersucht, die es verdoppelt, bestehe sie nun im eigenen Körper oder in den Personen oder sogar in Objekten, die sich neben ihm befinden." (Das Spiegelstadium als Bildner der Ichfunktion, 1978: 63) Für mich stellt sich das Anfassen des Punktes auf der Stirn des Affen als ein bloßes "Erkennen" dar und kann nicht, wie beim Menschenjungen, als intelligenter Akt bezeichnet werden. Der Affe erkennt "nur" sich selbst und womöglich ist es für ihn unmöglich sich in einem Kontext, also als Teil seiner Umgebung, im Spiegel zu erkennen. Mich würde weiters auch interessieren was man unter einem intelligenten Affen verstehen kann und was einen solchen von einem "normalen" bzw. unintelligenten Affen unterscheidet. Ist es folglich einigen intelligenten Exemplaren eigen, dass sie sich im Spiegel erkennen?


Eine weitere Frage bezieht sich auf die Funktion des Spiegelstadiums und im Speziellen auf die Vorzeitigkeit der menschlichen Geburt ähnlich der Formulierung vom Kollegen Attia im ersten Beitrag. Ist das Unbehagen und die motorische Inkoordination in den ersten Monaten des Neugeborenen, welche sich als Zwietracht äußert, rein auf die Unvollendetheit im anatomischen Sinn zu erklären?


Interessant wäre auch zu wissen, welches Schicksal einem Kind blühen würde, welches in einer "spiegelfreien" Umgebung aufwächst. Was würde das für die Ich-Bildung bedeuten?


Ich glaube nicht, dass es tatsächlich einen Spiegel im Sinne des Gegenstandes selbst braucht. Ich verstehe den Spiegel eher als Metapher für den Akt (besser Prozess) der Selbsterkennung durch etwas anderes. Ob es jetzt tatsächlich mein eigenes Spiegelbild sein muss, wage ich zu bezweifeln. Ich vermute es gibt eine Phase in der Ontogenese des Menschen in der es einen Bruch von Innen und Außenwelt gibt. Der Kollege Rhemann nennt oft als Kennzeichen eines Lebewesens die Innen-Außen Differenz. Als Kleinkind ist diese noch nicht ausgeprägt und das Kind unterscheidet nicht zwischen sich und dem Rest der Welt, die beiden Dimensionen fallen bei dem Kind zusammen. Das Spiegelstadium ist für mich eher als Prozess zu verstehen, in dem das Kind lernt seine Umwelt von seinem Selbst zu unterscheiden, um dieses Neugewonnene wieder in sich zurück zu binden. Festzustellen dass man Einer unter Vielen ist, die so sind wie man selbst, ist meiner Meinung nach ein ausschlaggebendes Erlebnis. Die Allmacht zu verlieren, derer man sich im Besitz geglaubt ebenso (siehe Piagets Stufenmodell, das natürlich wissenschaftlich gesehen nicht mehr Hand und Fuß hat). Dies alles führt zu einer Art Identitätsverlust und Identitätsgewinn gleichermaßen. Psychische Folgen sind da wohl vorprogrammiert. (Im Allgemeinen ist dies auch der Fall wenn für Erwachsene ein Weltbild zusammenbricht) --Thomastobias 15:43, 17. Okt. 2010 (UTC)


Philip Waldner:

Die jubilatorische Aufnahme seines Spiegelbildes […] wird von nun an […] in einer exemplarischen Situation die symbolische Matrix darstellen, an der das Ich (je) in einer ursprünglichen Form sich niederschlägt, bevor es sich objektiviert in der Dialektik der Identifikation mit dem andern und bevor ihm die Sprache im Allgemeinen die Funktion eines Subjektes wiedergibt. (S.64)

Mich interessiert hier vor allem die zweite Hälfte des Satzes, die etwas enorm Wichtiges fast wie beiläufig thematisieren könnte. „Bevor es sich objektiviert“ soll wohl heißen, bevor sich das ursprüngliche Ich (je) im Spiegelbild als ein anderer selbst erblickt und sich dabei narzisstisch identifiziert bzw. aufspaltet. Was hat die Bemerkung zu bedeuten, dass die Sprache dem Ich „die Funktion eines Subjektes wiedergibt“? Heißt das, dass die Sprache eine Art Ausweg darstellt, mit der Abwesenheit des imaginär Identifizierten zurechtzukommen? Lacan hebt ja die Unmöglichkeit einer Annäherung bzw. ihren „asymptotischen“ Charakter hervor und erteilt damit dem einheitsstiftenden "cogito"-Gedanken eine Absage. Kann die Sprache als eine harmonische Repräsentation, als eine Überbrückung der traumatischen Kluft zwischen dem Subjekt und dem anderen gesehen werden?

@Objektiviert:: Ich bin hier auch hängen geblieben. Was bedeutet ›objektiviert‹? Lacan liest Hegel durch Kojève (behauptet die Sekundärliteratur): Ich habe mich leider nie mit Kojève beschäftigt und weiß nur, dass er Hegel mit marxistischem Einschlag liest. Also habe ich folgendes versucht: Objektiviert bedeutet in Bezug auf die Ware (vereinfacht!) nichts anderes, als das sich die menschliche Arbeitskraft in ihr vergegenständlicht. Auf Lacan umgelegt: das was dem Bild vorgängig ist (das disparate Sein) »vergegenständlicht« (im Sinne von festigt, fixiert) sich im vorgestellten Bild (Ich [moi]). In Bezug auf deine Frage: Was passiert wenn man diesen Begriff eher in Bezug auf die Sprache denkt?: Was den Text für mich so schwer macht sind die zwei Verschiebungen: einerseits zum Ich (moi), andererseits das Ich (je) wie es sich über das Ich (moi) schiebt; Mich würde das auch sehr interessieren: Wie kann man ›Objektiviert‹ hier verstehen? Der Begriff ›Objekt‹ taucht bei Lacan immer wieder auf (Beispielsweise: ›objekt a‹); er verwendet diesen Begriff immer wieder -> Was gibt es hier für einen Zusammenhang zwischen Objekt - objektivieren? --9876543210 09:02, 17. Okt. 2010 (UTC)



Daniel Attia:

Zum Vergleich mit den Affen: Lacan war sich sehr wohl bewusst dass auch bspweise Schimpansen sich erkennen, jedoch verlieren diese wieder rasch das Interesse, da es für sie scheinbar keinen weiteren Belang hat. Im Gegensatz eben zum Menschen, in dem etwas aufbricht.



@Spiegelstadium: MENSCH-TIER: Nachdem die Tiervergleiche bereits mehrfach angesprochen wurden: Mich würde interessieren, warum für Lacan überhaupt die Notwendigkeit besteht, diese Vergleiche anzustellen. Geht es hier um eine Absicherung der vorgestellten Thesen oder wurden diese Vergleiche zum Zeitpunkt des verfassten Textes wissenschaftlich heftig diskutiert? Waren diese Thesen wissenschaftlich vielleicht allgemein akzeptiert und verweist er deshalb auf sie? Geht es hier um die Verortung des Begriffs ›Mensch‹ und einer Differenzierung vom Tier? Hier taucht ein ganzer Fragenkomplex auf, die biologische Differenz der unterschiedlichen Spezies noch gar nicht berücksichtigt. --9876543210 20:36, 14. Okt. 2010 (UTC)


Saskia Hnojsky: Ich habe diesen Text auf Hintergrund eines Textes von Freud gelesen („Zur Einführung des Narzissmus“ 1914) – dabei kamen bei mir folgende Fragen auf: Lacan beschreibt in seinem Text zunächst den Prozess einer Differenzierung von einem schwach strukturierten Innen und einem gestaltgebenden Außen. Dieser Prozess bildet eine der Bedingungen für die Möglichkeit einer Identifikation. Die Metapsychologie Freuds sieht als weitere Bedingung für die Möglichkeit von Identifikationen überhaupt eine stabile Libidobesetzung an. Das Spiegelstadium wird als Geburt des Narzissmus betrachtet, doch frage ich mich wie es sich metapsychologisch beschreiben ließe. In den ersten 6 Lebensmonaten, der Phase des Spiegelstadiums vorgängig, regiert ein Zustand der Unkoordiniertheit, die Besetzungen orientieren sich an Partialobjekten, Selbsterhaltungs- und Sexualtriebe sind miteinander vermengt. Dann, im Spiegelstadium identifiziert sich das Kind mit einer Gestalt, die nicht unmittelbar mit seinem Körper zusammenfällt. Es projiziert diese Gestalt zurück auf seinen Körper und entwickelt erste Ansätze eines Körperbildes. Diesen hochkomplexen Vorgang einzig auf menschliche Intelligenz zurückzuführen, greift meiner Ansicht nach zu kurz. Indem sich das Kind mit seinem Spiegelbild identifiziert, zeigt es dass es fähig ist, seine Libido auf etwas zu richten, das in seinem Erleben nicht unmittelbar mit seinem Körper zusammenfällt. Im Gegensatz dazu waren die ersten (Partial-) Objekte des Kindes entweder Teil des eigenen Körpers (Autoerotismus) oder wurden vom Kind seinem Körper zugehörig erlebt (Brust der Mutter). Im Narzissmus erscheint die Libido in einem autonomen Verhältnis zu den Selbsterhaltungstrieben. Diese Trennung der Libido von der Selbsterhaltung unterscheidet den Menschen vom Tier. --Saskia 13:51, 17. Okt. 2010 (UTC)

Für eine vertiefende Auseinandersetzung von Interesse: Lacan, J.: Freuds technische Schriften. Seminar I (Abschnitt X: Die zwei Narzissmen, Abschnitt XI: Ich-Ideal und Ideal-Ich)--Saskia 14:03, 17. Okt. 2010 (UTC) Zurück zur Hauptseite

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Liebe KollegInnen,

Ich möchte mich hiermit der bereits angelaufenen Diskussion über Jacques Lacans Text „Das Spiegelstadium als Bildner der Ichfunktion“ mit dem folgenden Beitrag anschließen:

Ad Mensch-Tier-Vergleich: Nicht zuletzt aufgrund der hartnäckigen verbalen Barriere zwischen Mensch und Tier wird Ersterer (voraussichtlich) niemals im Stande sein, animalisches Verhalten vollends aufzuklären. Ob also das Erkennen des eigenen Abbildes durch das Affenjunge die Entstehung von Bewusstsein impliziert, sei dahingestellt. Dass das Gegenteil, nämlich die Annahme eines quasi tiefergreifenderen Erkennens, jedoch auch nicht mit absoluter Sicherheit vom menschlichen Säugling behauptet werden kann, räumt Lacan sehr wohl ein, wenn er in ebendiesem Kontext schreibt:

Solche Aktivität behält für uns bis zum Alter von achtzehn Monaten den Sinn, den wir ihr geben. Sie verrät nicht nur einen libidinösen Dynamismus, der bis dahin problematisch geblieben ist, sondern auch eine ontologische Struktur der menschlichen Welt, die in unsere Reflexionen über paranoische Erkenntnis eingeht.“ (Lacan 1978, 63f)

Auch formuliert er weiter unten merklich vorsichtig, indem er anmerkt:

„Die jubilatorische Aufnahme seines Spiegelbildes durch ein Wesen, das noch eingetaucht ist in motorische Ohnmacht und Abhängigkeit von Pflege, (…) wird von nun an – wie uns scheint – in einer exemplarischen Situation die symbolische Matrix darstellen, an der das Ich (je) in einer ursprünglichen Form sich niederschlägt, (…)“(Lacan 1978, 64)

Ich persönlich habe demnach nicht so sehr den Eindruck, dass Lacan in der Mensch-Tier-Thematik allzu kategorisch argumentieren würde.

Fragen sind auch meinerseits aufgetaucht, wobei die folgenden beiden mich besonders beschäftigen:

1. Der Begriff der „paranoischen Erkenntnis“:

Siehe dazu Zitat weiter oben (von S. 63f) sowie:

„Wir haben in der gesellschaftlichen Dialektik, welche die menschliche Erkenntnis als eine paranoische strukturiert, den Grund gezeigt, (…)“(Lacan 1978, 66)

Ist dieses Konzept so zu denken, dass es stets Bilder sind, die uns Menschen in Wahrnehmung und Denken gleichsam verfolgen, sich verdichten und schließlich Erkenntnis initiieren, indem sie Zusammenhänge deutlich werden lassen und explizieren, oder bin ich da komplett auf dem Holzweg?

2. Der Begriff des „Subjekts“ bei Lacan:

„Die jubilatorische Aufnahme seines Spiegelbildes (…) wird von nun an – (…) in einer exemplarischen Situation die symbolische Matrix darstellen, an der das Ich (je) in einer ursprünglichen Form sich niederschlägt, bevor es sich objektiviert in der Dialektik der Identifikation mit dem andern und bevor ihm die Sprache im Allgemeinen die Funktion eines Subjektes wiedergibt.“ (Lacan 1978, 66)

Mir scheint es, als sei hier das Vermögen der Sprache konstitutiver Bestandteil des Subjekts an sich. Widersteht also jedes präverbale Entwicklungsstadium in der menschlichen Ontogenese dem Subjektbegriff oder ist der Komplex „Sprache“ hier weiter zu denken?--Carina Miesgang 16:24, 18. Okt. 2010 (UTC)


"Embryos unterscheiden schon in der 14. Schwangerschaftswoche zwischen sich selbst, dem Mutterleib und ihren Geschwistern" http://derstandard.at/1287099426688/Fruehe-Sozialkontakte-Zwillinge-streicheln-einander-bereits-im-Mutterleib