Diskussion:Platon für Aufsteiger (BD)

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zu "ganz begehrlich":

Ich denke nicht, dass man sinnvollerweise von einer Triebstruktur als "unabdingbarer Voraussetzung für die `Deduktion´ der `höchsten Instanzen´ [...], auf welche Philosophinnen ausgerichtet sind" sprechen kann. Vielmehr handelt es sich, meines Wissens, um eine von mehreren Varianten wie Platon seine Ideenlehre verdeutlicht. Wir finden in anderen Dialogen andere Beispiele.

aus der Perspektive, dass die Idee nicht gegeben, sondern bloß als eine "projektierte Einheit" zu verstehen ist - sie ist nicht gegeben sondern "aufgegeben" - kann man da, glaube ich, schon von einer Triebstruktur sprechen (natürlich nur aus einer "modernen" Lesart heraus, der man, so wie sie hier formuliert ist, auch skeptisch begegnen kann). Wenngleich das Wort "Triebstruktur" heutzutage oftmals auf psychoanalytischen Zusammenhänge reduziert wird. --Richardd 17:52, 3. Apr. 2009 (UTC)

Es geht um den Gedankengang in der angegebenen Passage. Der beginnt beim "philein", also dem Lieben. Knaben "reizen und quälen" den "philopaidon" und sind der Bemühung (epimeleia) wert. Das wird man wohl (trotz des psychoanalytischen Anachronismus) "Triebstruktur" nennen können. Und diese Überlegung führt bruchlos zu den Schaulustigen (philotheamones), unter denen sich auch die Philosophinnen finden (mit Zusatzqualifikationen).

Dass Platon die Ideenlehre an anderen Stellen anders erläutert, hat mit diesem Sachverhalt nichts zu tun. --anna 12:10, 4. Apr. 2009 (UTC)

Es wurde auf den enormen Einfluss auf spätere Philosophie hingewiesen und auf das worauf "PhilosophInnen ausgerichtet sind". Das legt die Interpretation nahe, dass es hier nicht nur um die angegebene Passage geht. Wenn dem aber so sein sollte, sind wir uns wohl einig, dass die Triebstruktur eben nur für diesen bestimmten Gedankengang "unabdingbare Voraussetzung" ist und nicht für Platons Ideenlehre insgesamt und alle spätere Philosophie. --Jokerjockel 14:33, 4. Apr. 2009 (UTC)

Lust auf Knaben, Lust auf Wein, Schaulust - das ist eine Triebstruktur. Dass Platon dann eine Sublimierung der Schaulust vorstellt, ist ohne diese Voraussetzungen nicht denkbar. Und auch das "Bildungsstreben" nicht. --anna 10:55, 5. Apr. 2009 (UTC)

Der Zusammenhang zwischen der "Lust auf Knaben" und er Triebstruktur ist klar, aber könnten diese Beispiele nicht viel eher als rein illustrative Mittel dastehen, illustrativ aber nicht im Sinne der möglichen Anwendbarkeit, sondern um die sonst ungreifbaren Ideen auf nur irgendeine Weise begreifbar zu machen? Meiner Meinung nach scheidet sich hier der Weg zwischen einer transzendentalen Lesart und einer Lesart, die die immer schon vorhandenen Ideen erst erschaut.--Richardd 17:19, 5. Apr. 2009 (UTC)

zu "eins, zwei, viele":

Es geht Platon zunächst um Begriffe und nicht um Sätze; nicht um "grammatische Gepflogenheiten" sondern um ein Verfahren zur Begriffsbestimmung. Ein "Dialektiker" kann bestimmen was zB. ein Apfelbaum ist indem er Fragen stellt: Gehört es zum Belebten oder zum Unbelebten? Wenn zum Belebten, dann zum Selbstständigen oder zum Unselbstständigen? usw. - Erst wenn wir uns einen Begriff ("aka Idee"?) von dem Wort Apfelbaum gemacht haben, können wir über die Wahrheit und Falschheit von Sätzen diskutieren, in denen etwas als an-der-apfelbaumhaftigkeit-teilhabend vorgestellt wird.

Es geht Platon um jene, die nach der Wahrheit schaulustig sind (aletheias philotheamonas). Und als erste Erläuterung finden sich antagonistische Begriffspaare: schön/häßlich, gerecht/ungerecht. Was erklärt das hinsichtlich der Wahrheit? Wie sollen wir erläutern, dass angesichts der Aufforderung, den philosophischen Wahrheitsbezug zu explizieren, solche Gegensatzpaare genannt werden? Mein Vorschlag: diese Art von Antagonismen ist von Sätzen abgeschaut. Das habe ich in der Vorlesung mit dem Beispiel der astronomisch verursachten Lichtverhältnisse verdeutlicht. In deren Rahmen gibt es keine Gegensätze. Wie der Name sagt, entsteht dieser Dualismus durch Sätze.

Der Hinweis auf den Apfelbaum bezieht sich auf eine (ontologische ?) Taxonomie, die am Ende des 5. Buches keine Rolle spielt. Wie macht man sich einen Begriff? Indem man auf die Idee schaut? Das halte ich allerdings für problematisch. In meiner Sichtweise lernt man Begriffe durch Übung im Umgang mit Sätzen, in denen Begriffsausdrücke vorkommen. --anna 12:10, 4. Apr. 2009 (UTC)

Der Begriff ist dem Satz logisch vorgeordnet. Es interessiert uns hier nicht der Prozess des Spracherwerbes. Genauso wie den des Apfelbaumes, kann ich den Begriff der Gerechtigkeit oder Wahrheit schritt für schritt bestimmen um so der Idee näherzukommen. - Ich glaube einfach nicht, dass sich die Dihairese mit dem Wahrheitswert von Sätzen beschäftigt. Wenn ich recht verstanden habe, bemüht sich die Vorlesung nicht darum, dass was Platon meinte zu verwerfen um ihm dann etwas besseres/eigenes in den Mund zu legen - Platon vorzuschicken um seinen eigenen Ideen Eingang zu verschaffen? --Jokerjockel 14:33, 4. Apr. 2009 (UTC)

Ich teile die Voraussetzung nicht. Wer bestimmt, dass der Begriff dem Satz vorgeordnet ist? In der vorliegenden Platon-Stelle wird, wie ich schon sagte, der Zugang zur Wahrheit durch ein duales System für Prädikate erklärt und das liegt nicht in den Prädikaten, sondern in der Satzverwendung: etwas ist schön oder es ist nicht schön etc.

Und bitte: ich habe nicht vom Spracherwerb geschrieben, sondern von Begriffsbildung. --anna 10:55, 5. Apr. 2009 (UTC)

allgemein:

Ich halte die hier vorgestellte Platoninterpretation für äusserst zweifelhaft und es stellt sich die Frage wieso man von Aspekten der Ideenlehre als "vollkommen lächerlich" spricht, wenn man gleichzeitig versucht eine Verbindungslinie zu Wittgenstein herzustellen, welche offenbar als eine Hauptintention der Vorlesung angelegt ist. Es bleibt gespannt abzuwarten wie dies weiter ausgearbeitet wird, aber ich bitte um Diskussion der Prämissen (dies oben nur als 2 Beispiele), sonst fällt das Folgen schwer.

die Aussage "vollkommen lächerlich" in Bezug auf die Ideenlehre stand, meinem Verständnis nach, unter dem Vorzeichen eines sprachanalytischen Zugangs, was auch so gesagt wurde. Dieser Zug wurde vorgenommen um eine potentielle Reaktion auf die platonische Wesensschau darzustellen und den grundlegenden Ebenenunterschied derselben zu illustrieren. --Richardd 21:49, 3. Apr. 2009 (UTC)

Ich hätte in der Vorlesung eigens betonen sollen, dass ich keine konventionelle Platon-Interpretation vorhabe, sondern bestimmte gedankliche Konfigurationen herausnehme, die ich am Text belegen kann, aber auf ungewöhnliche Weise gebrauche.

Tatsächlich ist dieser Punkt umstritten: Platon spricht von Menschen, die vieles Schönes betrachten (polla kala theomenous), das Schöne selbst aber nicht sehen (to kalon me orontas). Wie kommt man auf die Behauptung, jemand könnte das Schöne selbst sehen? Ich habe in den Erläuterungen eine "platon-freundliche" Lesart angesprochen. Es scheint mir aber auch wichtig, sich hier nicht durch platonische Sprachstrategien ungebührlich beeindrucken zu lassen. Hier sind ein paar Beispiele:

  • Mehrere kleine Herden zusammen sind selbst eine Herde. Mehrere eMails zusammengenommen können selbst eine EMail sein.
  • Dagegen sind mehrere Häuser zusammen nicht selbst ein Haus. Mehrere Schiffe zusammen kein Schiff.

Ob ein Terminus, der zur Charakterisierung einer Menge dient, auch auf das Resultat dieser Mengen-Zusammenfassung angewandt werden kann ("Diese Herden sind selbst eine Herde.") hängt daran, worüber man spricht. Das wiederholt sich im Bereich kognitiver Phänomene.

  • Der Gedanken eines Gedankens ist selbst ein Gedanke.
  • Und was ist nun mit der Frage, ob vom Begriff der Schönheit gesagt werden kann, er sei schön?

Das scheint mir tatsächlich, wie soll ich sagen, abwegig. Zur Klärung kann vielleicht der Fall des Pariser Urmeters beitragen. Ist das in Paris aufbewahrte Urmeter einen Meter lang?

  • Ja, insofern es ein Stock mit bestimmten Eigenschaften ist.
  • Nein, insofern es eine bestimmte Rolle in unseren Messungen spielt.

Diese beiden Hinsichten verschwimmen in Platons Formulierung. --anna 12:10, 4. Apr. 2009 (UTC)

Ich finde es nicht so abwegig, der Meinung zu sein es gäbe Menschen die keinen oder einen unvollkommenen Begriff von Schönheit haben, aber trozdem in Galerien herumschlurfen und Bilder bewerten. Natürlich kann ich nicht behaupten, Platons Ideenlehre zu 100 Prozent verstanden zu haben, noch würde ich sie zu 100 Prozent unterschreiben. Aber welches Interesse sollte ihn leiten bloß sprachliche Tricks anzuwenden? Dass die Idee des Schönen selbst schön sein muss, mag vielleicht sprachlogisch nicht korrekt sein, aber was soll die Idee des Schönen denn sonst sein? Man sollte hier wohl nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Es würde zum Beispiel keinen Sinn machen, die Idee materialistisch zu denken weil man doch am Text belegen kann, dass Platon vom "schauen" der Idee spricht. --Jokerjockel 14:33, 4. Apr. 2009 (UTC)

Das sind mehrere Punkte:

  • Die Kunstbanausen unterscheiden sich von Kunstexpertinnen. Dieses Thema habe ich mit dem Beispiel des TV-Zappings illustriert.
  • Ich sprach von sprachlichen Strategien, nicht "Tricks". Platon verwendet auf den ersten Blick ungebräuchliche Wendungen und es ist unsere Aufgabe, zu fragen, was er damit sagen will, und ob man zustimmen kann.
  • Ein Fall, in dem ich Platons Vorgaben nicht folge, ist die Formulierung, der Begriff des Schönen wäre selber schön. Der Einwand ist keine Wortklauberei, sondern bezieht sich auf eine äußerst wirksame Sprachfigur, die einen Kurzschluss zwischen Sinnlichkeit und Regelvorgabe herstellt (siehe das Urmeter).
  • "was soll die Idee des Schönen denn sonst sein?" Die Frage ist unpassend. Diese Idee ist nicht von der Art, dass man fragen könnte, ob sie schön oder nicht schön sei. Das macht soviel Sinn, wie sich darüber Gedanken zu machen, welche Farbe eine Primzahl hat.
  • Das "Schauen" der Idee ist so eine Sache. Platon spricht im Text davon, aber daraus folgt nicht, dass man das verstehen kann. In welchem Sinn kann man eine Idee "schauen" aber nicht riechen?

Zur Übung schlage ich diese Redewendung vor: "Sie hatte den Erfolg vor Augen". Offensichtlich steckt darin die Voraussetzung, dass "der Erfolg" gesehen werden kann. Und das ist auch eine ganz harmlose Auffassung, solange man nicht zusätzliche Bedingungen an diese Wendung knüpft. Wenn ich also sage: Diese Anstellung bekommen nur erfolgsorientierte Personen, also solche, die den Erfolg vor Augen haben, dann muss ich angeben, mit welchen Kriterien ich hier operiere. Und dazu taugt die semantische Aufladung des Ausdrucks "sehens" kaum.