Diskussion:Negationsformen (T)

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Diese "letzte Abendmahl Parodie" mag zwar kontroversiell aufgenommen worden sein, mich würde jedoch viel mehr interessieren, wie ihr zu den kürzlich verbotenen Plakaten der "25 peaces" steht, die Pornografie und Politik in Zusammenhang bringen? Ist es Toleranz, die "arglosen" Bürger unter Rücksichtnahme auf ihre zarten Seelen vor solchen "Machwerken" zu schützen. Oder umgekehrt: ist es tolerant, jedwede Kunstauffassung anzuerkennen? Zeugt es von Toleranz "über den Dingen zu stehen"?

Und: Wie toleriere ich intolerante Kronenzeitung-Leser? (Talkative, 4.1.2006)


Naja, intolerante Kronenzeitung- LeserInnen zu tolerieren, fällt sicher schwer;-)... Zu den Plakaten glaube ich, dass es zu monokausal ist und den Konflikt nicht wirklich trifft, ihn ausschließlich über die Toleranz- Seite aufrollen zu wollen. Natürlich sieht es in einem konservativen Land wie Österreich, was Toleranz gegenüber Kunst betrifft, auch von PolitikerInnenseite nicht gerade optimal aus und bei vielen Wortmeldungen handelte es sich fraglos um intolerante moralisierende Ereiferungen, mich persönlich (die ich mich nicht als intolerant gegenüber künstlerischer Vielfalt erachte), interessiert aber viel mehr die Frage nach der künstlerischen Aussage der Plakate. Es scheint mir nämlich ein falsches Verständnis von Toleranz zu sein, Kunst nie zu kritisieren, weil mensch ach so tolerant ist- ich halte das Unterleibs- Plakat (weiblicher Unetrleib, EU- Unterhose)schlicht für sexistisch, Sexismus gegenüber bin ich aber "intolerant". -Da fällt mir gerade ein vielleicht relevanter Aspekt von (In-)Toleranz auf: Wenn ich eine "intolerante Kronenzeitungsleserin" zur Oma habe oder sonstwie kenne, werde ich zwar ihre Meinung nicht teilen, aber sie trotzdem weiter mögen. Vielleicht bedingt die Art der Auseinandersetzung bei divergierenden, unvereinbaren Meinungen das (in)tolerante Ergebnis, wie miteinander umgegangen wird: Vielleicht kommt es weit leichter zu Intoleranz, wenn die direkte zwischenmenschliche Auseinandersetzung, der direkte Kontakt fehlt, also einander zwei Haltungen und nicht direkt zwei Menschen gegenüberstehen? Diese Frage ist vielleicht im Zusammenhang mit dem Umgang mit Konflikten interessant.- Jedenfalls (und um wieder zu meinem Thema zurückzukehren) scheint es mir zu einseitig zu behaupten, die Kronenzeitung hätte die Nation gespalten zwischen einer starren PRO- und CONTRA- Haltung, ich glaube schlicht, auch von politischer Seite wurden teilweise andere Probleme mit diesen Plakaten verbunden, so dürfte die Regierung (bzw. v.a. die ÖVP) während der RatspräsidentInnenschaft Österreichs ein Interesse daran haben, sich als EU- Musterschülerin zu präsentieren, kritische, gegenüber der EU bzw. wichtigen Personen innerhalb der EU (Chirac etc.)respektlose heimische "Kunstwerke" sind da nur lästig.

Schließlich stellt sich mir die Frage nach dem künstlerischen Wert der Plakate: Du scheinst davon auszugehen, dass hier ernsthaft versucht wurde, einen Zusammenhang zwischen Politik und Pornografie (den ich sehr interessant und diskutierenswert finde!)zu behandeln. Das kann ebenso gut sein, wie es auch nicht sein kann- nicht jede pornografische Darstellung, auch, wenn sie von KünstlerInnen gemacht wurde, ist eine Kritik an Pornografie. Und dass die 25 peaces- KünstlerInnen nicht immer besonders geschmackvoll sind, hat ja die inszenierte, "super-realistische" Bombennacht gezeigt, die jene Menschen, die echte Bombennächte erlebt haben, sicher gefreut haben dürfte...! --Sophie 18:18, 12. Jan 2006 (CET)


Ich finde deine Frage gut und wichtig und hab mir auch selbst dazu einige Gedanken gemacht. Die Überlegung von der Toleranz, die daraus entsteht, wenn ich 'über den Dingen stehe' würde ich auf jeden Fall verneinen. Ich glaube tolerant kann ich nur gegenüber Dingen sein, auf die ich mich (zumindest gedanklich) einlasse. Und dann ist Toleranz eventuell immer abhängig vom eigenen Standpunkt. Bei dem Beispiel oben wäre das wohl: Ich bin dafür jedwede Kunstauffassung anzuerkennen, folglich bin ich dann tolerant, wenn ich bereit dazu bin anzuerkennen, dass andere nicht dieser Meinung sind. Da das aber genauso umgekehrt gilt kommt für mich die Frage auf, ob die Toleranz sich durch ihre Zweiseitigkeit nicht bis zu einem gewissen Grad selbst nichtet?

--Lucia 14:17, 8. Jan 2006 (CET)


"Ich glaube tolerant kann ich nur gegenüber Dingen sein, auf die ich mich (zumindest gedanklich) einlasse.
"Und dann ist Toleranz eventuell immer abhängig vom eigenen Standpunkt."
!!!
Fremde Gründe. Das heisst: argumentierbar und gar nicht, oder schwer nachzuvollziehen. Eine Herausforderung für das eigene Argumentationssystem, aber nicht dessen Aushöhlung. Wer etwas ihm Unverständliches als Grund dafür nimmt, das eigene Verständnis zu negieren, bleibt ohne Gründe zurück. Das ist kein Plädoyer für die Immunisierung gegenüber fremden Gründen.

--anna 09:06, 13. Jan 2006 (CET)


Na ja, ich befürchte so einfach wird sich so ein Konflikt nicht lösen lassen. Denn wenn es ein Konflikt ist, hat einer der beiden Parteien (so es ein bipolarer Konflikt ist) ein echtes Problem mit dem Standpunkt des Meinungsgegners und dessen Auswirkung (Plakate).

Das heißt, es gilt zu definieren, wo das Problem liegt. Und das wird wohl in der bildlichen Darstellung des Bezuges Pornografie-Politik liegen. Aber kann sich ein Konflikt überhaupt durch Toleranz lösen lassen? Wie kann ich in einer Metasprache solch einen Konflikt lösen? Durch: okay, du siehst eine Bedrohung der öffentlichen Moral darin und ich nicht? Durch: Dir ist deine heile Welt wichtig, mir die Freiheit der Kunst – lassen wir’s dabei bewenden?

Das wäre dann die Negation des Konfliktes und der abrupte Abbruch einer Suche nach Einigung. Das Prinzip des Wohlwollens kann in einem Streitfall nicht als Toleranz übersetzt werden. Sie wäre fehl am Platz wenn mir (wie schon an anderer Stelle auf den Diskussionsseiten erwähnt) mein Standpunkt wichtig ist. Nichtsdestotrotz ist Wohlwollen natürlich auch beim Konflikt-Bereinigen notwendig – aber das ist, wie ich meine, eine andere Geschichte.

Toleranz ist also dort wichtig, wo noch kein handfester, definierter Konflikt besteht, und wo noch – auch im technischen Wortgebrauch „Spielraum“ besteht.

Die Hasenente bietet solch einen Spielraum. Die Darstellung des Letzten Abendmahl vielleicht auch noch – weil nach unserem „österreichischen“ Verständnis der Spielraum für die Akzeptanz der jeweils anderen Sichtweise größer ist. Aber die Ansichten zu den 25 peaces sind zu kontroversiell – man ist entweder dafür oder dagegen, aus wie man meint, triftigen Gründen. Die Kronenzeitung hat wieder einmal eine Nation gespalten.

Die Lösung könnte ein dritte, am Konflikt nicht unmittelbar beteiligte Partei sein. - Am besten eine anerkannte Autorität. Und die kann dann ihre Toleranzfähigkeit in die eine oder andere Richtung beweisen. Die ideale Ausgangssituation für Entscheidungen in einem wahrlich liberalen Rechtsstaat. :-)

--Talkative 23:14, 10. Jan 2006 (CET)


mir ist nicht klar was mit konflikt genau gemeint ist; vielleicht sowas wie widerstreit oder streit?. also wenn sich bei einem konflikt (im sinne von streit) die beteiligten gegenseitig beschimpfen (siehe und Phil Donahue und Bill O'Reilly), oder sich gegenseitig körperlich verletzen, sollte man vielleicht zuerst versuchen die streithähne auseinander zu halten, denn sonst kann es nur zu einem ende kommen wie "du bist heiser geworden und kannst nicht mehr brüllen, aber ich rede dich noch nieder, also habe ich gewonnen". nicht jedes ende eines konfliktes bedeutet also die lösung des konfliktes. ich gaube schon, dass toleranz das ende eines konfliktes sein kann. die frage ist also: ist das ende eines konfliktes durch toleranz gleichzeitig auch die lösung eines konfliktes? eine beendigung eines streits durch toleranz ist möglich. der streit kann wieder aufflammen (siehe hunde-beispiel: ich kann es mir jederzeit anders überlegen und den hund der hausverwaltung melden) oder langfristig beendet sein. auf jeden fall könnte bei einem eskaltierenden streik folgende vorgehensweise zu einem ende führen: brüllen wir uns erstmal nicht mehr an, hören uns an was der andere sagt, versuchen wir das zu verstehen, verstehen es nicht, leben wir damit. für mich stellt sich die frage wo die toleranz in diesem vorgehen beginnt. sind die streithähne schon (kurzzeitig) tolerant gewesen wenn sie einander ausreden lassen und die gegenseite sich anhören? kann man das als kleine toleranz bezeichnen? ist das eine vorstufe zur toleranz? oder ist das ein notwendiger erster schritt zur toleranz? für mich ist die lösung eines konfliktes eingetreten, wenn alle beteiligten mit der eingetretenen situation leben können. wenn also alle beteiligten jeweils das denken und handeln akzeptieren, ist der konflikt gelöst. (trotzdem kann es natürlich bei der suche nach lösungen für konkrete probleme schwierigkeiten geben. beispielsweise wenn einige leute sagen die plakate müssen verboten werden und andere sagen die müssen nicht unbedingt verboten werden, kommt man nicht zu einer vorgehensweise wie: ich habe versucht deinen standpunkt nachzuvollziehen, kann ihn zwar nicht verstehen, akzeptiere deinen standpunkt aber.) die dritte partei, der richter (lessing)oder der in-auf-anderen-ebenen-denker (nicht bezahlt/ nicht bezahlbar) ist meine meinung nach nicht unbedingt notwendig für eine lösung des konfliktes. man könnte beispielsweise weiterreden und versuchen einen kompromiss als lösung für den konflikt zu finden. Sarah 25. Jan 2006


koennte eine solche "dritte partei" jemand sein der das ganze von einer anderen ebene betrachtet (keine unbedingt objektive - bloss eine andere wie in bezahlt-nichtbezahlt/nichtbezahlt-nichtbezahlbar - wir hatten das auch in der diskussion schon einmal). z.b. der kuenstler legt seine aktion (abendmahl, 25peaces, ...) bewusst so an, dass eine scheinbar ausweglose kontroverse entsteht(provokation). dabei kann ein ziel sein moeglichst viel aufmerksamkeit zu erregen oder "ethisch nobler *g*" und damit nicht objektiv oder unbeteiligt sonder bloss auf einer anderen ebene - dass eine diskussion zu einem thema entsteht - was dann z.b. zu einem hoeheren informationsgrad der beteiligten - dann zu wehniger angst - und somit zu mehr toleranz bzgl. des themas fuehrt... ?

wie du schon anmerkst ist eine anerkannte autorität immer ein schwieriges thema. gott?, salomon?, adel?, fachfrau/mann?, taskforce? sokrates? - ich denke dass die welt nur in sonderfaellen aus these/antithese/synthese besteht. also in unserem fall wissen wir dass die kronenzeitung gerne auf das alte schema entweder-oder (füruns-gegenuns) zurueckgreift aber in wirklichkeit gibt es meist ein spektrum von standpunkten (abenmahl): "ich finde die frauen huebsch, dass damit die alten schriften verunglimpft werden gefaellt mir aber nicht", "frauen sollten auch priester werden koennen", "dass die kuenstler heute nichts mehr zu tun haben als zu provozieren", "schöne mode", "frauen werden in der werbung idealisiert", ... wir teilen sie nur allzugern in guteseite/schlechteseite ein.

mnu 14:21, 9. Jan 2006 (CET)


Ja, da hast du wohl recht, mnu. Nichts ist, wie es zu sein scheint (das sieht man schon daran, dass Philowiki deine Antwort vor mein Statement datiert!! :-) Henne oder Ei?).

henne oder ei --> copy und paste. *g* mnu 18:13, 14. Jan 2006 (CET)

Ad 1) Definieren und sich genau erklären ist überhaupt die beste Voraussetzung zur Konfliktvermeidung. Im Alltag. Im Beruf. In der Familie. Aber Kunst hat ja doch auch (fast) immer den Anspruch zum in sich Nach-Denken, Nach-Fühlen, Abwägen anzuregen. Insofern darf und soll man sich ruhig mit seiner Angst, seiner Ablehnung, seiner Abscheu auseinandersetzen. Man vergisst hierzulande nicht nur im Mozart-(Kugel-)Jahr: Kunst ist nicht dazu da schönzufärben und sentimental einzulullen. Sie repräsentiert gesellschaftliche und persönliche Vorgänge, Phänomene. Sie ist Emotionalität in ihrer ganzen Pluralität und Individualität. Und so soll sie meiner Auffassung nach auch „konsumiert“ und kritisiert werden: tolerant, weil viele Aspekte in sie einfließen.

Ad 2) Toleranz als Spektrum von möglichen Standpunkten scheint mir überhaupt eine Schlüsselweisheit darzustellen. Wir (und die Generationen vor uns) sind in der christlichen Tradition der schwarz/weiß-Erziehung geformt worden. Und so gewonnene Standpunkte verhärten sich sehr leicht, wenn ich nicht die Toleranz aufbringe, zumindestens in Erwägung zu ziehen, ein paar Zentimeter von meiner Meinung abzuweichen und andere Aspekte in meine Entscheidungsfindung miteinzubeziehen. Aber leider gibt es ja immer viel zu viel zu verlieren (Prestige, Macht, Einfluss, ...)

--Talkative 22:05, 11. Jan 2006 (CET)


"paar Zentimeter von meiner Meinung abzuweichen"

Schön wär's. Das Problem bei Diskiussionen, an denen zwei oder mehrere Parteien mit gefestigten Standpunkten teilnehmen, liegt ja gerade darin, dass das nicht möglich zu sein scheint. Es mag für jemanden, der sich durch das Erweitern seines persönlichen Horizonts selbst definiert, ein erstrebenswertes Ziel sein - das Aufgeben oder Aufweichen des eigenen Standpunkts ist es mit Sicherheit für viele nicht (siehe auch: Ratziners Artikel). Bei der aktuellen Diskussion geht es ja schließlich auch nicht darum, gemeinsam zu einem Kompromiss oder, noch unvorstellbarer, zu einer wie auch immer gearteten gemeinsamen Wahrheit zu kommen, sondern darum, "keinen Zentimeter abzuweichen". Vielleicht deshalb, weil ein Abweichen als erster von vielen Schritten in die falsche Richtung gesehen wird (das halte ich persönlich für die wahrscheinlichste Begründung für das Festhalten an gewissen Positionen; Diese Strategie lässt sich auch sehr gut am Verhalten der katholischen Kirche beobachten, ohne auf sie einzudreschen zu wollen. Aber die strikte Ablehnung z.B. von Verhütungsmitteln wie Kondomen spricht hier Bände. Es erscheint schier irrational, die Verwendung von Präservativen als mit dem Glauben unvereinbar zu erklären, betrachtet man die Erlaubnis derselben aber als ersten Schritt bzw. als Aufweichen der eigenen Position, wird diese Haltung verständlicher, wenn auch für viele Nichtgläubige nicht unbedingt akzeptabler). Ich möchte behaupten, dass es schlicht und einfach gewisse Themen gibt, die von den beteiligten Akteuren nicht konsensorientiert diskutiert werden können, sei es aus Gründen der Politik, der Religion oder deshalb, weil Veränderungen in gewissen Bereichen nicht in einem Zeitraum stattfinden, der von einzelnen gehandhabt werden kann. Das bedeutet aber nicht, dass keine Konflikte zwischen Meinungen stattfinden sollen, schließlich sind diese u.a. eine treibende Kraft für Veränderung. Aber der für eine Veränderung der Standpunkte nötige Zeitraum ist zu groß, um zu einem Ergebnis zu kommen, das von den aktuell Beteiligten auch als solchges erkennbar ist. - Ismael 13.Jan 2006 17:45

Ich halte es nicht für richtig, bei Toleranz von Zweiseitigkeit zu sprechen. Es ist vielmehr notwendig, sich den Toleranzbegriff, dort wo er verwendet werden soll, langsam auf der Zunge zergehen zu lassen und genau zu überlegen, wo er angewendet werden darf, und wo er zu einer Verfremdung des Problems führt. Bei dem Thema der „EU – Plakate“ geht es nicht darum diese Art von Kunst zu tolerieren, es geht einzig um den Ort ihrer Platzierung. Diese hat aber zweifellos einen politischen Hintergrund, und Politik ist nicht der Ort für Toleranz. In der Politik geht es um Vertretung von Standpunkten. Wendet man beim Thema der „Plakate“, den Toleranzbegriff an, führt dies meines Erachtens zu einer Verfremdung des Problems, denn die Frage, ob es sich dabei um Kunst handelt, und ob diese Art von Kunst zu tolerieren ist, stellt sich überhaupt nicht. – Zur Erinnerung, Polt: „Ich höre immer nur Toleranz, Toleranz…(handelt es sich dabei um ein Modewort?)…, wo bleiben die Standpunkte!“. (Magdalena, 17.01.06)


Ich weiß nicht genau wie es bei den 25 peaces damit steht, aber ich hatte immer eher den Eindruck, als ob diese Aktion eher im Bereich der Aufrtragskunst anzusiedeln ist. Hab gerade den großen Gott Google um Wissen angebetet, und hab die Projekthompage gefunden, 25 peaces, und da steht dazu nichts genaueres, es steht nur, sie wurden "Eingeladen, sich Gedanken zu machen".
Wenn dem so ist, wie ich bisher vermutet habe, dann versteh ich die große Aufregung nicht so wirklich und auch nicht die "Zensur Zensur" Rufe. Wenn es dem, der es in Auftrag geben hat nicht gefällt kommts weg, aus. Man kann ja nur von Zensur reden, wenn sich das auf dem freien Kunstmarkt abspielt. Naja das führt aber glaube ich ein wenig zu weit weg von der Toleranz, denn auch davon kann man in der Auftragskunst nicht wirklich reden, würde ich sagen. Das ganze steht und fällt natürlich damit, ob meine Ausgangsüberlegung, dass es sich um Auftragskunst handelt, richtig ist. Weiß jemand genaueres ?

@magdalena: "In der Politik geht es um Vertretung von Standpunkten." - Für mich schließt das Toleranz nicht unbedingt aus. Man kann doch auch in der Politik sagen "Ja, das ist dein Standpunkt, meiner ist ein anderer, und ich denke wegen [Argumente einfügen] ist meiner Richtig". Das kollidiert für mich nicht mit dem stehen lassen der für einen selber nicht nachzuvollziehenden Gründen. Ich weiß schon, dass die Rhetorik aus der politischen Rede entstanden ist und eine ihrer Grundzüge das Überreden ist (danke Prof. Vetter :) ) aber meine Idee von. Politik ist nicht das gegenseitige Niederbeten mit den eigenen Glaubensbekenntnissen ohne Rücksicht auf Verluste... --Uschebti 17:36, 17. Jan 2006 (CET)

ich würde uschebtis antwort an magdalena unterstreichen und verstärken: ohne standpunkte kann es keine toleranz geben. erst wenn jemand einen anderen standpunkt hat den ich nicht nachvollziehen kann und dieser andere standpunkt dann auch noch meinem standpunkt widerspricht kann ich dazu kommen von toleranz zu reden. wenn ich keinen standpunkt habe können wir gar nicht erst widersprüchliche standpunkte haben. wenn wir standpunkte haben die einanader nicht widersprechen, in welchem punkt sollen wir uns dann noch gegenseitig toleranz zeigen können?

kann man ein paar zentimeter von seiner meinung abweichen? welche folgen hat das für möglich toleranz-vorhaben? wenn wir davon ausgehen, dass sich mein standpunkt aus meinen meinungen zusammensetzt, dann verändere ich meinen standpunkt wenn ich meine meinung verändere. grundsätzlich muss ich meinen standpunkt überhaupt nicht verändern um tolerant sein zu können (es sei denn mein standpunkt beinhaltet, dass ich mir andere meinungen niemals anhöre oder versuche zu verstehen). Bei einem intesiven meinungsaustausch kommt es meiner meinung nach oft zu (wenn auch kleinen) veränderungen (oder erweiterungen) der eigenen meinung. Ismael, ich stimme dir in dem punkt zu, dass es themen gibt, die nicht konsensorientiert diskutiert werden können. Aber ich verstehe nicht ganz warum für eine veränderung von einem standpunkt viel zeit vergehen muss. Natürlich ist es nicht immer leicht neue ansichtsweisen, vielleicht auch neue beweise, aufzunehmen, aber ich habe durchaus schon erlebt, dass menschen aufgrund eines eindeutigen gegenbeipiels ihre meinung geändert haben. Dass es einer institution wie der kirche einerseits schwerfällt neues aufzunehmen und noch viel schwerer fällt zuzugeben, einen neuen standpunkt zu beziehen, will ich nicht bestreiten. Aber das heisst noch lange nicht, dass eine standpunktveränderung lange dauern muss. Sarah 25. Jan 2006

Ich frage mich an dieser Stelle, ob es tatsächlich notwendig ist, daß ich den anderen Standpunkt "nicht nachvollziehen kann". Mir scheint die einzige Bedingung für die Möglichkeit von Toleranz zu sein, daß die zwei Standpunkte einander widersprechen. Es ist in der Diskussion immer wieder darauf hingewiesen worden, daß Nachvollziehbarkeit für Toleranz förderlich ist, ohne hinreichend zu sein, aber mir scheint, daß der Kern der Sache, die du hier angesprochen hast, ganz ohne irgendein Nachvollziehbarkeitskriterium auskommt. -- H.A.L. 22:45, 25. Jan 2006 (CET)

PS: Das Editorfenster legt mir soeben freundlich nahe, diese Seite in kleinere Abschnitte zu unterteilen. Glaubt ihr, daß sich eine sinnvolle Aufteilung in Diskussionsbeiträgen zum Thema "Nachvollziehbarkeit" und solche zum Thema "Möglichkeitsbedingungen" denken ließe?

@ Magdalena, ich glaube, deine Äußerung "Politik ist nicht der Ort für Toleranz" würden manche gern in Stein meißeln.

@ Uschebti: nach meinem Verständnis ist Rhetorik die Lehre der Glaubwürdigkeit und ein Rhetoriker trachtet danach zu überzeugen. Überreden ist Sache der Sophisten und derer gibt es allerdings mehr als genug. (Der Begriff "Rhetorik" kam über die Jahrzehnte zu Unrecht in Misskredit und ich finde es ist an der Zeit ihn zu resignifizieren).

Toleranz, Toleranz ... ist scheinbar ein Begriff den man theoretisch fassen möchte, aber praktisch nicht anwenden kann. Weil Politik ihre eigenen Regeln hat, weil der Markt die Kunst definiert und weil es immer zwei Positionen gibt, die nicht „aufgeweicht“ werden dürfen.

Wo soll dann bittesehr Toleranz ausgeübt werden?

--Talkative 18:51, 17. Jan 2006 (CET)

Es gibt tatsächlich einen ungeregelten Gebrauch des Toleranzbegriffes, dem man eine kontrollierte Begriffsverwendung entgegenstellen sollte. Das ist die Aufgabe einer Philosophieveranstaltung. Das nachgestellte "Letzte Abendmahl" habe ich gebracht, weil es den Bereich Kunst/Wirtschaft und Politik bertrifft: das gesetzliche Verbot eines Plakates. Die Sache mit 25 peaces ist anders gelagert, weil der Auftraggeber beschlossen hat, keinen Gebrauch vom bestellten Kunstwerk zu machen. Toleranz ist sehr wohl eine Sache der Politik, allerdings in Überschneidung mit den Ansprüchen von Wahrheit und Ethik bzw. Ausdrucksfreiheit. Dass im Fall von 25 peaces die Regierung auch der Auftraggeber ist, verleitet hier zu falschen Schlüssen. Intolerant wäre es, wenn die Plakate von jemandem anderen in Auftrag gegeben und staatlich verboten würden (wie im Fall Girbaud).

--anna 16:21, 24. Jan 2006 (CET)


Du hast einen Teil deines Posts nochmal in mein font tag geschrieben, ich hoff es ist ok wenn ichs zwecks übersichtlichkeit weg tue ;)
jedenfalls: Die Rhetorik ist die Kunst, den schwächeren Logos zum Stärkeren zu machen. Klar kam dann die abgrenzung der Philosophen "Die Sophisten überreden, wir überzeugen", so weit das Platon im Dialog Gorgias ja noch die Rhetorik in all ihren Formen als schlecht dargestellt hat, späer aber diese harte Aussage wieder zurück zog - ich erzähle dir bestimmt nichts neues aber: Rhetorik ist in ihren Gründzügen schon von diesem beiden Polen her definiert: Überredung und Überzeugung.
Ich finde aber nicht, dass das schon eine Misskreditierung darstellt, wenn die Begriffsgeschichte einfach so ist.
Und der bold text - auf was war der genau bezogen ? --Uschebti 19:16, 17. Jan 2006 (CET)


Ich danke dir, für die "font-Korrektur", Uschebti! (so weit bin ich in die Mysterien der virtuellen Diskussion noch nicht eingedrungen. Ein Versäumnis, das ich dringend aufholen sollte, wenn ich mich - rhetorisch klug - positionieren möchte ;-)) Ich fürchte, die hermeneutische Diskussion über Rhetorik müssen wir auf einen anderen Schauplatz verlegen, denn ich kann deine Meinung leider nicht teilen.


Der fettgedruckte Text bezieht sich auf die ganze zuvor geführte Diskussion über die Anwendungsbereiche für Toleranz:

- Politik habe Standpunkte und (v.a.!) Macht u. Interessen zu vertreten – keine Toleranz!

- Gewisse Themen z.B. aus Politik, Religion dürfen Aufweichungen der Standpunkte nicht zulassen – keine Toleranz!

- Kunst wird vom Markt bestimmt (wer beauftragt bestimmt) – keine Toleranz


Toleranz, Toleranz – ich höre immer nur Toleranz. Na hoffentlich! :-D

Wir sollten uns, denke ich, nicht darin versteigen, dass wir aufgrund der gegenwärtigen Gepflogenheiten keine Toleranzakte finden. Das ist schon klar, dass wir Menschen, wenn wir über Kunst oder Politik diskutieren, leichter auf den Tisch hauen können, wenn Konsensorientierung fehlt. Die Frage ist, ob das das Ziel sein sollte.

Wenn sich bei Konflikten die Standpunkte verhärten, bewegt sich nichts; Polarisierung entfremdet die Kontrahenten doch noch weiter. Wenn ich auf der anderen Seite den Wahrheitsanpruch der Meinungsgegner evaluiere trete ich in den Dunstraum der Toleranz – und das kann den Prozess von Veränderungen einleiten.

Geschmack ist subjektiv und Subjekte sind diskursiv erzeugt. Andere Subjekte haben andere geschichtliche und gesellschaftliche Hintergründe. Kunst ist vielleicht die beste Schule für Toleranz, denn nur weil ich etwas nicht verstehe, heißt es nicht, dass es keine Daseinsberechtigung haben kann. Es kann hinterfragt werden, ja. Aber nicht verdammt.

Mir gefällt das Beispiel das Jakob in der Diskussion Recht/Verstehen/Mehrheit/Macht gebracht hat sehr gut: die Hausparteien, die sich ob des Hunde-Grillens im Hof überwerfen. Wir meinen, dass uns Traditionen Rechte verleihen, dass das, was sich in der Vergangenheit bewährt hat, für alle Zukunft Bestand haben müsse. Und es gibt nicht nur eine Tradition, nicht zwei, sondern eine Vielfalt, ja eine Unendlichkeit von Althergebrachtem!

Wenn ich Toleranz anwende, kann das im Rahmen meiner Machtposition sein oder weil es für mich eine ethische Notwendigkeit darstellt Aber ich denke, es bleibt doch immer die subjektive Handlung des einzelnen, die es möglich macht, mit tradierten Normen zu brechen und tolerantere Wege zu beschreiten. Das hat nur bedingt mit psychischer Disposition zu tun. Es ist das Erkennen von gesellschaftlichen und persönlichen Sedimentierungen und die kognitive Entscheidung, Einzementiertes aufzubrechen.

--Talkative 10:56, 18. Jan 2006 (CET)


"Kunst ist vielleicht die beste Schule für Toleranz, denn nur weil ich etwas nicht verstehe, heißt es nicht, dass es keine Daseinsberechtigung haben kann. Es kann hinterfragt werden, ja. Aber nicht verdammt."

Ohne eine Diskussion über Kunst lostreten zu wollen, möchte ich hier dennoch einmal behaupten, dass "Kunst an sich" noch nie das Problem war. Intoleranz in Bezug auf Kunst war immer dann gegeben, wenn die in der Kunst transportierten Inhalte auf die eine oder andere Art und Weise Anstoß erregten.

- Es wäre doch wunderbar, wenn jeder dazu in der Lage wäre, "gesellschaftliche und persönliche Sedimentierungen" zu erkennen bzw. Einzementiertes aufzubrechen. Allerdings würde das bedeuten (und ähnliches wurde schon weiter oben diskutiert) die eigene Position aufzugeben, zumindest graduell. Ich stimme dir natürlich in dem Punkt, dass es wichtig ist, die eigene Meinung zu hinterfragen, zu. Wenn ich aber im extremsten Fall meine Identität auf unverrückbaren Grundsätzen aufgebaut habe, deren Übertretung durch andere für mich nicht akzeptabel ist...das ist nur ein Gedankenspiel, aber meiner Meinug nach nicht allzu weit weg von der Realität. Wie gesagt, Menschen können sich in Situationen befinden, in denen das Abrücken oder kritische Hinterfragen der eigenen Position wenn schon existenzbedrohend, dann zumindest unmöglich zu sein scheint (aus welchen Gründen auch immer). Die Frage der Toleranz wird erst dann akut, wenn ich eben nicht von meinem Standpunkt anbrücken kann oder will. - Ismael 18. Jan 2006 14:30


Kunst an sich war noch nie das Problem, Intoleranz war immer gegeben, wenn die Inhalte Anstoß erregten

... ist mir tatsächlich zu absolut formuliert, Ismael. Kein Mensch interessiert sich dafür, was Nitsch mit seinen Schüttbildern ausdrücken möchte. Und auch im Fall der gegenständlichen 25-peaces-Werke erregen doch die Darstellungen den öffentlichen Unmut. – Ich vermute, über den Inhalt ließe sich relativ leicht Einigkeit erreichen.

Betreffend deinem Extremfall, dass deine Identität auf unverrückbaren Grundsätzen aufgebaut seien: Nun, in diesem Fall würde ich klar meine Motive darstellen und ehrlich und nachvollziehbar meinen Standpunkt argumentieren – und so dem anderen die Tür zur Toleranz aufstoßen :) Vielleicht bietet bei unverrückbaren Positionen auch nur ein Kuhhandel einen Ausweg (ich kann hier nicht anders, aber ich biete dir dort das an). Wenn ich etwas möchte (und sei’s auch nur meine heilige Ruh’) muss ich eben auch etwas hergeben.

Mir ist schon klar, dass das so nicht funktionieren muss und es gibt oft Situationen in denen ein handfester Interessenskonflikt unvermeidlich ist. Aber viele Geplänkel, Hahnenkämpfe oder andere Aneinander-vorbei-Reden sind eben gelenkt von Strategien oder undurchsichtigen Interessen und nicht von ehrlichem Offenlegen von Beweggründen. Und die Modewörter der Moderne wie Gleichbehandlung, Intergration, künstlerische Freiheit oder Toleranz bleiben aufgesetzte Polit-Phrasen.

--Talkative 23:50, 18. Jan 2006 (CET)



"Die Frage der Toleranz wird erst dann akut, wenn ich eben nicht von meinem Standpunkt abrücken kann oder will."
Dieser Satz spiegelt genau wieder, was ich mir bisher unter Toleranz vorgestellt habe. Deshalb auch meine Verwunderung darüber, dass Politik nicht der Ort für Toleranz ist - meiner Meinung nach ist er genau der Ort.
In der Politik ist es doch am schwersten, einen Standpunkt zu verändern. Wenn man in seinen Ansichten öffentlich schwankt wird einem das im Imagekampf sofort als "Umfaller" angerechnet. Das spielt schon in der Liga der von Ismael angeführten Existenzbedrohung. Dem entsprechend könnte man Toleranz als Begegnung zweier unverrückbarer, kollidierender Standpunkte betrachten, die aber nicht von gegenseitiger Geringschätzung geleitet wird. Das prinzipielle 'relativieren können' der eigenen Ansicht steht für mich hier nicht so im Vordergrund, wie das praktische 'nicht können' aufgrund der Umstände.
Das ist mir bisher ein paar mal aufgefallen, das ich nicht glaube, dass Toleranz in so einem theoretischen Rahmen alleine ausgeschöpft werden kann. Das tolerieren der "fremden und nicht nachvollziebahren Gründe" klingt in der Theorie ja auch sehr gut, aber das tangiert ja noch garnicht, was das für die Lebenspraxis heißt - denke ich mir zumindest.
Ohne die Kunstdebatte weitertreten zu wollen: Ich finde, dass die Inhalte, die anstoß erregen können wesenhaft (zumindest zur Modernen) Kunst gehören.

@talkative: ich will mich jetzt ja nicht rausreden: Ich hab diese Definition Wurzeln der Rhetorik bei Prof Vetter in der Geschichte der Philosophie I gehört und hoffe einfach mal, dass er uns nicht systematisch belogen hat ;D
Ich weiß aber auch auf der anderen Seite nicht, wie alleinstehend diese Sichtweise ist und ob es noch andere dazu gibt. --Uschebti 23:11, 18. Jan 2006 (CET)

... und ich werd mich hier sicher nicht mit Prof. Vetter anlegen! :-)) --Talkative 23:55, 18. Jan 2006 (CET)

Zu meiner Aussage: „ Politik ist nicht der Platz für Toleranz“, stehe ich, möchte aber diese These gerne noch begründen:

• Zu den Negationsformen: Bei der Politik geht es um Negationsformen wie „bezahlt/nicht bezahlt“. • Toleranz, im Bereich der Politik angewendet, stünde Toleranz meiner Meinung nach zu nahe an Machtausübung. „Da ich, (die Politik), ach so mächtig bin, kann ich es mir leisten gegen dich,(du armes Schwein), tolerant zu sein“. In der Politik sollte es um Akzeptanz gehen. Eine Staatspolitik kann liberal sein, indem sie z.B. Minderheiten mit ihren individuellen Lebensweisen akzeptiert. Es sollte aber immer um Akzeptanz gehen und nicht um Toleranz. • Toleranz ist für mich ein „Privatbegriff“, der im Bereich des Mentalen anzusiedeln ist, etwa bei Vertrauen, Verständnis, Liebe….“ (Magdalena, 19.1.06)


Ah verstehe, ich hab etwas anderes gemeint. Ich meinte, dass wenn 2 Politiker aufeinader treffen, die verschiedene Standpunkte haben, auch in öffentlichen Kundgebungen, schon Toleranz im Bezug auf die Standpunkte walten lassen können.
Wenn mans so nimmt, dass 'Politik' dem Volk gegenüber steht, hast du mit der angebrachten Akzeptanz vollkommen recht. Obwohl das Wort 'akzeptieren' auch irgendwie das Moment des duldens in sich hat so a la "Ich akzeptier dich halt, aber wirklich müssen tu ich nicht". Mir schwebt da vielleicht eher die Wertschätzungs-Konzeption von Forst vor... --Uschebti 20:30, 19. Jan 2006 (CET)

Was anderes: "Man muß die Ideen seiner Zeit, ich sage nicht haben, aber verstehen. Ich behaupte, daß man nur erträglich leben kann, wenn man sich dem Element verweigert, das sich als das schwächste erweist. Die Kultur, in der wir uns befinden, ist ein über alle sogenannten Urinstinkte errungener Sieg (ein unablässiger und stets siegreicher Krieg)." Flaubert in einem Brief an seine Geliebte Louise Colet, 1854. Also jetzt bezüglich alles Sub-sozio-politischen: Der schwächste Sieg die Toleranz? Keiner dieser Siege? Die Unbeständigkeit der Siege vorausgesetzt. Die Ideen gehen den Siegen voraus. Wir würden Abstrakta einsetzen für den Sieg dessen, das etwa eine Toleranz nach dem Wertschätzungskonzept erreicht... --wolfgan 21.01.06


@ Talkative: "Betreffend deinem Extremfall, dass deine Identität auf unverrückbaren Grundsätzen aufgebaut seien: Nun, in diesem Fall würde ich klar meine Motive darstellen und ehrlich und nachvollziehbar meinen Standpunkt argumentieren – und so dem anderen die Tür zur Toleranz aufstoßen :) Vielleicht bietet bei unverrückbaren Positionen auch nur ein Kuhhandel einen Ausweg (ich kann hier nicht anders, aber ich biete dir dort das an). Wenn ich etwas möchte (und sei’s auch nur meine heilige Ruh’) muss ich eben auch etwas hergeben."

Ich befürchte, dass man nur allzu leicht dem Irrtum erliegt, dass man sich in jeder Situation einem anderen gegenüber verständlich machen kann. Natürlich ist es möglich, sofern ich eine Sprache spreche, die mein Gegenüber ebenfalls beherrscht, meine Standpunkte darzulegen, aber: Wenn es sich nicht um argumentierbare Meinungsverschiedenheiten sondern um gänzlich unterschiedlich erlebte Realitäten handelt, fängt die Sache an, kompliziert zu werden. Anders gesagt bedeutet das, dass ich - wie in der Vorlesung besprochen - ein gänzlich anderes, dem anderen vielleicht nicht einmal bekanntes Spiel spiele. Weit hergeholt? Ich denke nicht, denn Beispiele dafür gibt es in der Geschichte genug (siehe zum Beispiel die immensen Probleme, die dann auftraten, als Straßen oder Eisenbahnen durch Australien gebaut werden sollten: die dort ansässige Bevölkerung widersetzte sich dem Vorhaben vehement, weil die geplante Eisenbahnstrecke über / durch Objekte in der Natur führen sollte, die den Aborigines nicht nur heilig waren, sondern in direkter Verbindung zu ihrem Schöpfungsmythos standen. Verkürzt gesagt bedeuteten Eingriffe in die Natur in diesem Fall nicht nur ein Ignorieren einer spezifischen Sichtweise, sodnern sogar eine akute Bedrohung für die ganze Welt. Man versuche diese Problematik einem Ingenieur zu erklären, der für den Bau der Eisenbahn verantwortlich ist). Eine solche Situation zu erklären hätte wenig Aussicht auf Erfolg, die Parteien spielen jeweils ein anderes Spiel. Was ich mich frage: Wie ist ein solcher Konflikt lösbar, wenn auch nur theoretisch? Ist es mir möglich, ein anderes Spiel zu spielen um mein Gegenüber zu verstehen? Schließlich handelt es sich hierbei nicht einfach "nur" um intellektuelle Meinungsverschiedenheiten, sondern um deren Grundlage. Ismael - 25. Jan 2006 23.30


Bei deinem Gleisbeispiel in Australien ist mir spontan Irland eingefallen, wo sie die Straßen versetzen, um Hügel der Feen und Kobolde nicht zu gefährden. So unverständlich scheinen die Spiele also doch auch nicht immer zu sein.
Beim Eisenbahnbesipiel ist die bestimmende Größe wohl eher das Ziel, dass der Bauherr sich auferlegt hat undvon dem viel abhängt. Ob in Irland eine Straße nun zwei Kurven mehr hat ist relativ unerheblich, im Gegensatz dazu.
Ob in so einer Situation wie von dir beschrieben, Toleranz möglich ist ? Ich glaube schon. Wenn der Eisenbahner drüber nachdenkt wird er wohl die Fremden Gründe sogar nachvollziehen können und - tolerant (oder respektvoll) - die Gleise um das Heiligtum herumlegen. Ich denke, hier ist das Heraustreten aus dem eigenen Bezugssystem wichtig, dass ich in meiner Benutzerdiskusion angesprochen habe, sonst artet das ganze leicht in eine ideologische Schlammschlacht aus. --Uschebti 23:48, 25. Jan 2006 (CET)


In meinen Augen ist Australien ein hervorragendes Beispiel für Gründe, die ich nicht teilen kann, die mir aber in sich stimmig vorkommen, wenn man sie mir erklärt. Einem Ingenieur die Problematik zu erklären, dürfte nicht so schwer sein (wir verstehen sie ja auch ohne größere Probleme).
Wie etwa der archetypische britische Eisenbahningenieur auf so eine Zumutung reagieren würde, steht allerdings auf einem anderen Blatt. H.A.L. 23:05, 25. Jan 2006


Das kleine wörtchen „nicht“ ist uns wieder mal in die quere gekommen. „ich verstehe das nicht“ kann übersetzt werden mit

(a) „ich habe keine ahnung was du gerade für eigenartiges zeug von dir gibst“

(b) „ich kann zwar deiner argumentation folgen, stimme aber einer (oder mehreren) deiner prämissen nicht zu“.

a und b befinden sich (wie nicht bezahlt/nicht bezahlbar) auf verschiedenen ebenen. bei a fällt eine weitere sinnvolle dikussion scheinbar schwer, weil gar nicht verstanden wird wovon gerade die rede sein soll (siehe bier-donau-beispiel).

zu b: auf island werden strassen um steine herumgebaut in denen kobolde leben. Ein strassenbau-ingenieur aus england könnte dann dort sagen: „ich glaube zwar nicht an kobolde, aber es ist schon in ordnung wenn wir die strasse so bauen, dass wir den stein nicht verrücken müssen.“ Der strassenbau-ingenieur zeigt sich also tolerant (in sachen glaube an kobolde) und geht, was den ursprünglichen bauplan der strasse betrifft, einen kompromiss ein. Er geht keinen kompromiss in seinem nicht-kobold-glauben ein. Er berücksichtigt beim strassenbau den stein; das heisst aber nicht, dass er seinen standpunkt in sachen „ich glaube nicht an kobolde“ in irgendeiner form verändert hätte. Es scheint als hätten die argumente der leute, die an kobolde glauben, eine „tiefere begründung“, weshalb ihnen nachgegeben wird. Der ingenieur will seine strasse aus praktischen gründen möglichst gerade bauen, der kobold-stein darf unter keinen umständen weggenommen werden. Schwieriger wird es, wenn es nicht für eine der beiden parteien so leicht ist, einen kompromiss einzugehen, sondern wenn beispielsweise beide aufeinander zukommen müssen. Im hundebeispiel von jakob dürfte es schwieriger werden einen kompromiss zu finden, weil es scheint als hätten sowohl die, die an heilige kühe glauben, als auch die, die ihrem hunde-grill-brauch nachgehen möchten, gleich „tiefe beweggründe“. Ich glaube in der politik ist es ähnlich. Unterschiedliche politiker haben unterschiedliche standpunkte (die sich in einigen punkten widersprechen können). Wenn nun aber verschiedene politiker gemeinsam beispielsweise über eine gesetzesnovelle diskutieren wollen, sollten sie versuchen die argumentationsgänge der anderen nachzuvollziehen um dann auf kompromisse kommen zu können. Mir scheint toleranz ist eine voraussetzung dafür, dass man überhaupt einen brauchbaren (also für beide seiten akzeptierbaren) vorschlag für einen möglichen kompromiss machen kann. Politiker müssen zu kompromissen bereit sein, denn ansonsten stehen sich feste standpunkte einander gegenüber und nichts passiert mehr (feste, einander gegenüberstehende standpunkte würden natürlich auch nicht einander gegenüberstehen, wenn die standpunkte geändert würden. Der eigene standpunkt könnte sich z.b. so verändern, dass kein kompromiss mehr nötig ist, weil es keinen konflikt mehr gibt). Sarah 26. Jan 2006

Weiter oben wurde schon eher nebenbei angemerkt, dass das Einnehmen eines Standpunktes nicht automatisch intolerant sein müsse bzw. zu intoleranter Gesprächshaltung/ intolerantem Verhalten führen müsse, wenn der Standpunkt nicht eine Position beinhalte, die das Sich- Einlassen auf "fremdes" Denken schon im Vorhinein ausschließe. Das scheint mir eben der Punkt zu sein, warum Toleranz ein derart weitgehend unerreichtes bzw. unpraktiziertes Ziel darstellt: Viele Menschen vertreten aus verschiedensten, in Erziehung, Funktionsweisen der Psyche und anderen Ursachen begründeten Gründen (gutes Deutsch ;-) ) eben solche Positionen, die das Verständnis für andere Positionen ausschließen. Da hilft es auch nix, diesen Menschen die eigene, ihnen bis dato unverständliche Position stückchenweise so zu erklären/ verständlich zu machen, dass sie womöglich sogar bei den einzelnen Schritten/ Teilen der Position selbst zustimmen- wenn ein Standpunkt nicht verstanden werden will, wird das Gespräch durch ein jähes "Ich bin trotzdem dagegen" beendet. Wir sollten nicht vergessen, dass sture Standpunkte gegen Angst und Unsicherheit (zwei in unserer Gesellschaft sehr bedeutende Phänomene, wie ich glaube!) "helfen"! Was meint ihr?--Sophie 16:39, 26. Jan 2006 (CET)