Diskussion:Lyotard über Duchamps (ZuK)

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zuerst die einfach nachzuvollziehende darstellung des "traditionell verstandenen jetzt". jetzt ist immer im modus des noch-nicht und schon-nicht-mehr, und dazu auch noch das, das immer ist. weil das jetzt ein sehr schlüpfriges, gleichsam aalglattes wesen hat, (und für die freunde der dialektik: es ist nicht sein einziges charakteristikum, das gegenteil gehört auch zu ihm), den wünschen der menschen nach dauer: "augenblick verweile doch!, du bist so schön!" nichts abgewinnen will, müssen wir die nicht zu fassenden jetzte zu einer linearen erzählung organisieren. zumindest sind die jetzte in unserer vorstellung in narrative strukturen eingebunden: erinnere ich mich, dann werde ich eine geschichte erzählen, oder es in form einer erzählung tun. erwarte ich etwas, dann als endpunkt einer erzählung. was ist, wenn ich sage: am wochenende habe ich gäste zum essen geladen, ich erwarte mir einen lockeren und witzigen abend. und dann eine woche später sage ich, bezugnehmend auf dieses essen: es war sehr schön, die gäste haben sich wohlgefühlt, sie haben das essen genossen, es war ein sehr entspannter und angenehmer abend. aber wie war das abendessen, während es stattgefunden hat, das ereignis abendessen in seinen momenten?

gibt es eine dimension des augenblicks, die weder in der erwartung noch in der erinnerung wiedergegeben werden kann? wenn ich Lyotard richtig deute, dann nimmt er eine solche an. "eine EPIPHANIE des ANDEREN, begegnung und berührung mit ihm, das ist: von dem ereignis." und gleichzeitig will er die unmöglichkeit dieser epiphanie erklären, weil "das jetzt von vornherein nicht gegeben" ist. was soll ich mir unter diesen dunklen ansagen vorstellen? die these also lautet: wär uns das jetzt gegeben, dann wäre eine epiphanie des anderen möglich. was heißt: das jetzt ist uns gegeben, nicht gegeben? wahrscheinlich das, daß ein augenblick vergänglich ist. angenommen wir könnten in ihm verweilen, was würde dann anders sein, anders werden, welche möglichkeit(en) würde sich aufschließen? und warum? vorerst aber noch: was ist unter dem ANDEREN in der epiphanie des anderen zu verstehen? ich vermute, daß er damit etwas meint, das uns fremd, das wir nicht zu deuten, nicht einzuordnen vermögen, irritierend, seltsam, ungewöhnlich. auf die vergangenheit wie auf die zukunft hin kann ich mich souverän gebärden. aus dem einfachen grund, weil ich mit meinem denken, mit meinen interpretationsmustern, mit meinen bedeutungszuschreibungen operiere; dh ich habe kein störendes, sich eventuell meiner interpretation entziehendes, element eines außen. im jetzt aber, im unmittelbaren erleben, kann das störende andere, das interpretationsresistente element aufblitzen. es kann mir immer und überall passieren, daß meine interpretatorischen ordnungsleistungen aufgrund von bestimmten ereignissen versagen, meine souveränität infrage gestellt wird. von einer leichten irritation bis zu einer schweren erschütterung meiner deutungsmuster kann das spektrum reichen, mit den verschiedenen möglichkeiten dann mit diesem anderen umzugehen.

--Mneubauer 01:03, 11. Mai 2005 (CEST)


Das trifft die Sache gut: Was wäre am Jetzt so besonders, wenn wir es festhalten könnten? Antwort: Was immer es wäre, wir würden es verlieren. Es würde sich in eine Zeiterstreckung verwandeln. Was wiederum heisst: der Wunsch ist selbst schon Teil des Problems. Dass wir uns etwas unmögliches wünschen ist ein Beitrag zur Charakterisierung des Jetzt, wie sie hier versucht wird.

Das Interesse am Ereignis ist der romantisch/existenzialistische Aspekt, der in diesem Zusammenhang immer hereinkommt. Verständlich ist natürlich, dass es Spontaneität, Unkonventionelles etc. gibt und geben soll. Schwierig finde ich die philosophischen Ansätze, die das Un-Planbare als (selbstverständlich nicht-prinzipiellen) Fokus der ganzen Philosophie "systematisieren". Typische Beispiele: Heideggers "Seyn" und Derridas "differance". --anna 16:19, 12. Mai 2005 (CEST)