Diskussion:Ausbildungsformen der Wissensgesellschaft: Unterschied zwischen den Versionen

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Gerade die Partizipation, statt Anwesenheit, und die Reflexivität des Themas, legen die Idee eines Kreisprozesses nahe. Protokolle können sowohl beschrieben (im Sinne von: etwas über sie aussagen) werden, als auch selbst die Beschreibungen enthalten und damit die Beschreibung und Kommunikation beeinflussen. Doch ist das nur ein Aspekt. Durch das Durchgehen könnte man sich nachher auf einer neuen Stufe des erklärenden Verständnisses wieder finden, doch davor sei gewarnt, die eigene Epistemologie könnte erschüttert werden.<br/>
 
Gerade die Partizipation, statt Anwesenheit, und die Reflexivität des Themas, legen die Idee eines Kreisprozesses nahe. Protokolle können sowohl beschrieben (im Sinne von: etwas über sie aussagen) werden, als auch selbst die Beschreibungen enthalten und damit die Beschreibung und Kommunikation beeinflussen. Doch ist das nur ein Aspekt. Durch das Durchgehen könnte man sich nachher auf einer neuen Stufe des erklärenden Verständnisses wieder finden, doch davor sei gewarnt, die eigene Epistemologie könnte erschüttert werden.<br/>
 
Dass dies gegen die landläufige Orthodoxie von Didaktik verstößt, ist ebenso evident, wie  tief verwurzelt in der abendländischen Erziehung. ''Heinz von Förster'' schreibt in einem anderen Zusammenhang, allerdings  gegen eine ähnliche Orthodoxie gerichtet, folgendes:  
 
Dass dies gegen die landläufige Orthodoxie von Didaktik verstößt, ist ebenso evident, wie  tief verwurzelt in der abendländischen Erziehung. ''Heinz von Förster'' schreibt in einem anderen Zusammenhang, allerdings  gegen eine ähnliche Orthodoxie gerichtet, folgendes:  
:''"Als die Kybernetiker über Partnerschaft in der Zirkularität des Beobachtens und Kommunizierens nachdachten, betraten sie eindeutig verbotenes Land [sic! Anm. d.V.].  Im allgemeinen Fall eines zirkulären geschlossenen Systems impliziert A B, B impliziert C, und (o Schreck!) C impliziert A! Im reflektiven Fall impliziert A B, und (Schock!) B impliziert A! Und nun der Pferdefuß des Teufels in seiner reinsten Form, der Form der AutoreferenZ: A impliziert A (Skandal!)." ''Förster, Heinz von:  ''Ethik und Kybernetik zweiter Ordnung'', in Watzlawick, Paul; Nardone, Giorgio: ''Kurzzeittherapie und Wirklichkeit, Eine Einführung,'' 2003
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:''"Als die Kybernetiker über Partnerschaft in der Zirkularität des Beobachtens und Kommunizierens nachdachten, betraten sie eindeutig verbotenes Land [sic! Anm. d.V.].  Im allgemeinen Fall eines zirkulären geschlossenen Systems impliziert A B, B impliziert C, und (o Schreck!) C impliziert A! Im reflektiven Fall impliziert A B, und (Schock!) B impliziert A! Und nun der Pferdefuß des Teufels in seiner reinsten Form, der Form der Autoreferenz: A impliziert A (Skandal!)." ''Förster, Heinz von:  ''Ethik und Kybernetik zweiter Ordnung'', in Watzlawick, Paul; Nardone, Giorgio: ''Kurzzeittherapie und Wirklichkeit, Eine Einführung,'' 2003
  
  
An diese fast humoristische Darstellung errinnerte mich die Argumentationen der letzten Seminarsitzung. Noch einprägsamer formuliert es Georg Christoph Lichtenfels fast 200 Jahre vorher. In seiner Kritik am "Chinesentum" läßt er den ehrenwerten Mandarin Wang-o-Tang folgendes zusammenfassen: (Diese Ausführungen entstammen der Homepage von Professor Franz Martin Wimmer [http://homepage.univie.ac.at/franz.martin.wimmer/skriptphg1chinabild.html Bilder von China in Europa (Franz Martin Wimmer)]):
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An diese fast humoristische Darstellung errinnerten mich die Argumentationen der letzten Seminarsitzung. Noch einprägsamer formuliert es Georg Christoph Lichtenfels fast 200 Jahre vorher. In seiner Kritik am "Chinesentum" läßt er den ehrenwerten Mandarin Wang-o-Tang folgendes zusammenfassen: (Diese Ausführungen entstammen der Homepage von Professor Franz Martin Wimmer [http://homepage.univie.ac.at/franz.martin.wimmer/skriptphg1chinabild.html Bilder von China in Europa (Franz Martin Wimmer)]):
 
:''"...Jetzt philosophiert man, wie man lackiert nach Rezepten. Oder so wie wir Musikanten haben und keine Musiker mehr, so haben wir auch nur bloß Philosophanten und Physikanten, und keine Philosophen und keine Physiker mehr." Lichtenfels, Georg Christoph: Von den Kriegs- und Fast-Schulen der Schinesen, neben einigen andern Neuigkeiten von daher (1796). In: Hsia, Adrian (Hg.): ''Deutsche Denker über China.'' Frankfurt/M.: Insel 1985, S. 103-116, S. 112f
 
:''"...Jetzt philosophiert man, wie man lackiert nach Rezepten. Oder so wie wir Musikanten haben und keine Musiker mehr, so haben wir auch nur bloß Philosophanten und Physikanten, und keine Philosophen und keine Physiker mehr." Lichtenfels, Georg Christoph: Von den Kriegs- und Fast-Schulen der Schinesen, neben einigen andern Neuigkeiten von daher (1796). In: Hsia, Adrian (Hg.): ''Deutsche Denker über China.'' Frankfurt/M.: Insel 1985, S. 103-116, S. 112f
  

Version vom 4. November 2005, 12:05 Uhr

In Ergänzung der Gedanken zur letzten Seminarsitzung. Was kann und soll das Ziel eines Seminars sein?

Zum Können:

Von der Anlage verstehe ich unter einem Seminar eine Erarbeitungs- und Diskussionslehrveranstaltung, in deren Verlauf verschiedene Themen, kanalisiert von der LV-Leiterin(m/w), besprochen, vorgetragen und diskutiert werden. Um an einer Diskussion teilzunehmen benötige ich also Kenntnisse, Meinungen und vielleicht sogar Anschauungen über das behandelte Thema. Es setzt also ein Können voraus. Will frau über Kant sprechen, setzt dies eine gewisse Involviertheit in das Werk Kants voraus - zum besseren Verständnis wird auch historisches Wissen beitragen. Wenn dieses Wissen nicht vorhanden ist, befindet man sich in einem Seminar definitiv in einer "Hol-Schuld", das heißt man wird genötigt, sich das Wissen und die Fach-Termini anzueignen. Bei manglender Neugierde kann man sich eventuell besser in einer VO/UE wiederfinden. Da die Curricula Seminare verpflichtend vorschreiben, sollte man jedoch diese nicht mit rein körperlicher Präsenz und "Seminararbeitchen" erledigen, sondern dem Seminar durchaus einen besonderen Stellenwert der (Aus-)Bildung zumessen. Daher

Zum Sollen:

Für mich stellen sich gute Seminare als Kreisprozesse dar. Wenn gleich die gängige universitäre Praxis dem nicht oft entspricht, möchte ich diese Idee dennoch kurz - als Utopie - bedenken. Als Kontrast zum Kreisprozess könnte man sich eine LV denken, die teleologisch geführt wird, wobei teleologisch aus der Perspektive des Hörers zu sehen. Gerne werden dazu, eine Entlehnung aus der angloamerikanischen Tradition, Lernziele festgelegt:
"Ziel dieses Seminars ist..." oder " Am Ende dieser Lehrveranstaltung werden sie...können!" Diese Sätze klingen vertraut und wiegen uns in der Sicherheit, dass wir in der Hand eines Profis sind, wo wir, unsere Aufmerksamkeit und Mitarbeit vorausgesetzt, sicher sein können, nach Ablauf der vorgeschrieben "Präsenzzeit" in der sicherlich kompetenten "Aura" der Vortragenden(m/w), unsere eigene Kompetenz zu verbessern. Vertraut ist uns auch, dass unsere nunmehr erworbene Kompetenz, durch Bescheinigung in Form einer Zahl auf einem Papier, auch für die Nachwelt überliefert ist.
So wichtig und notwendig diese Vorgehensweise für unser, speziell österreichisches, Zusammenleben und darüber hinaus für Einführungsveranstaltungen ist, so irritierend würde sie für ein Seminar "Ausbildungsformen der Wissensgesellschaft" wirken.
Gerade die Partizipation, statt Anwesenheit, und die Reflexivität des Themas, legen die Idee eines Kreisprozesses nahe. Protokolle können sowohl beschrieben (im Sinne von: etwas über sie aussagen) werden, als auch selbst die Beschreibungen enthalten und damit die Beschreibung und Kommunikation beeinflussen. Doch ist das nur ein Aspekt. Durch das Durchgehen könnte man sich nachher auf einer neuen Stufe des erklärenden Verständnisses wieder finden, doch davor sei gewarnt, die eigene Epistemologie könnte erschüttert werden.
Dass dies gegen die landläufige Orthodoxie von Didaktik verstößt, ist ebenso evident, wie tief verwurzelt in der abendländischen Erziehung. Heinz von Förster schreibt in einem anderen Zusammenhang, allerdings gegen eine ähnliche Orthodoxie gerichtet, folgendes:

"Als die Kybernetiker über Partnerschaft in der Zirkularität des Beobachtens und Kommunizierens nachdachten, betraten sie eindeutig verbotenes Land [sic! Anm. d.V.]. Im allgemeinen Fall eines zirkulären geschlossenen Systems impliziert A B, B impliziert C, und (o Schreck!) C impliziert A! Im reflektiven Fall impliziert A B, und (Schock!) B impliziert A! Und nun der Pferdefuß des Teufels in seiner reinsten Form, der Form der Autoreferenz: A impliziert A (Skandal!)." Förster, Heinz von: Ethik und Kybernetik zweiter Ordnung, in Watzlawick, Paul; Nardone, Giorgio: Kurzzeittherapie und Wirklichkeit, Eine Einführung, 2003


An diese fast humoristische Darstellung errinnerten mich die Argumentationen der letzten Seminarsitzung. Noch einprägsamer formuliert es Georg Christoph Lichtenfels fast 200 Jahre vorher. In seiner Kritik am "Chinesentum" läßt er den ehrenwerten Mandarin Wang-o-Tang folgendes zusammenfassen: (Diese Ausführungen entstammen der Homepage von Professor Franz Martin Wimmer Bilder von China in Europa (Franz Martin Wimmer)):

"...Jetzt philosophiert man, wie man lackiert nach Rezepten. Oder so wie wir Musikanten haben und keine Musiker mehr, so haben wir auch nur bloß Philosophanten und Physikanten, und keine Philosophen und keine Physiker mehr." Lichtenfels, Georg Christoph: Von den Kriegs- und Fast-Schulen der Schinesen, neben einigen andern Neuigkeiten von daher (1796). In: Hsia, Adrian (Hg.): Deutsche Denker über China. Frankfurt/M.: Insel 1985, S. 103-116, S. 112f

Es bleibt auf Kreisprozesse zu hoffen, damit weiterhin Pädagogen und Philosophen und nicht Pädanten und Philosophanten unsere Universität verlassen.

--Koe 12:51, 2. Nov 2005 (CET)