Diskussion:1. März 2012

Aus Philo Wiki
Version vom 2. Juli 2012, 11:15 Uhr von CoS (Diskussion | Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Wechseln zu:Navigation, Suche

Unabhängig zum Text möchte ich in diesem Forum ein Problem ansprechen, welches mich etwas beschäftigt. Vielleicht kann mir jemand helfen und etwas „Licht ins Dunkel“ bringen. In der letzten Einheit (1.März) wurden die Begriffe der Psychoanalyse (Körper, Bild, Begehren und Genießen) uns näher dargestellt. Körper und Bild als eine dismorphe Figur, welche einen Schatten wirft zeigt eine intersubjektive (in Beziehung zu Objekten tretende) und intrasubjektive (innerhalb eines Subjektes bleibende) Dialektik. Neben diesen Begriffen steckt die Psychoanalyse als Wissenschaft zwischen Theorie und Erfahrung. Sie möchte als Mittelweg zwischen der Geisteswissenschaft und der Naturwissenschaft fungieren. Als Erklärung für diesen Mittelweg können die 4 Kriterien von Ricoeur stehen:

a) Sagbarkeit b) der Andere c) Psychische Realität d) Narrativer Charakter

Zwar liefern diese Kriterien hervorragend eine Überlegung, ab wann eine Bestimmung psychoanalytischer Begriffe gegeben ist, jedoch erkenne ich den Mittelweg nicht wirklich wieder. Wodurch wird die Sicherheit gewährleistet, dass Sagbarkeit, der Andere, psychische Realität und narrativer Charakter wirklich in ein Konzept wissenschaftstheoretischer Formulierung „passt“? Was mir ebenso schwer fällt ist, dass das Erkenntnisobjekt, über welche jede Wissenschaft verfügt, bei der Psychoanalyse sich nicht leicht zu finden lässt, beschreibt sie ja die Psyche selbst, welche Ausgangspunkt vieler fast in Kontradiktion stehender Meinungen ist. Die Psyche nach Freud als Motiv gedacht wird von anderen Disziplinen ebenso verwendet. Wenn ich die Topik der beiden großen Themenfelder der Wissenschaften und zwar Geisteswissenschaft und Naturwissenschaft verwende, so ist es fast selbsterklärend, mit was sich die beiden denn beschäftigen. Die Naturwissenschaft erforscht als Objekt die Natur und unterteilt sie in ihre Disziplinen. Die Geisteswissenschaft ergründet die Gedanken und das Denken als Vorgang und unterteilt sie ebenfalls in Disziplinen. Wäre die Psychoanalyse ein Mittelweg, welchen Gegenstand hätte sie? In einem Buch „Das Vokabular der Psychoanalyse“ von J. Laplanche und B. Pontalis wurde ich fündig, was die Psychoanalyse nach ihrer Identität sein soll:

„Von Freud begründete Disziplin, in der man mit ihm drei Ebenen unterscheiden kann: A) Eine Untersuchungsmethode, die vor allem darin besteht, die unbewußte Bedeutung von Reden, Handlung, imaginären Bildungen (Träume, Phantasien, Wahnvorstellungen) eines Subjekts herauszustellen. (…) Die psychoanalytische Deutung kann sich auch auf menschliche Produktionen erstrecken, für die man nicht über freie Assoziationen verfügt. B) Eine psychotherapeutische Methode, die auf diese Untersuchung gegründet und durch die kontrollierte Deutung des Widerstandes, der Übertragung und des Wunsches gekennzeichnet ist. Hierauf bezieht sich die Verwendung des Ausdrucks „Psychoanalyse“ als Synonym für psychoanalytische Behandlung. Beispiel: „eine Psychoanalyse (oder eine Analyse) aufnehmen.“ C) Eine Gesamtheit psychologischer und psychopathologischer Theorien, durch die Gegebenheiten der psychoanalytischen Untersuchungsmethode und Behandlung systematisiert werden.“ (vgl. LAPLANCHE J., PONTALIS B., Das Vokabular der Psychoanalyse. Suhrkamp Frankfurt am Main 1973, S. 410)

In diesen drei Ebenen werden meiner Meinung nach die Weichen für ein solches Zwischenstadium der Wissenschaften gestellt. Die Frage ist nur, ob und wie die Kriterien von Ricoeur und die drei Ebenen der Psychoanalyse kompatibel sind. --Ajk 11:47, 12. Mär. 2012 (CET)



Habe da inzwischen auch nochmal drüber nachgedacht. Der Text von Ulrich Kobbé (Link auf voriger Seite) ist ziemlich interessant. Wenn ich das richtig verstanden habe, wird eben die Wissenschaftlichkeit wie sie praktiziert (?) wird, in Frage gestellt. Oder genauer, das der Diskurs der Analyse ("Diskurs des Psychoanalytikers") und der der Wissenschaft ("Diskurs der Wissenschaft") unterschiedliche sind. Also eine Art "Wissen haben" (oder darauf 'thronen') und andererseits ein nicht Wissen, wobei ein Analysant einem Analytiker Wissen unterstellt, der aber eigentlich keines hat. An der Uni unterstellen Studierende den Lehrenden Wissen und die meisten meinen, es zu haben und im Diskurs, also wie Wissenschaft 'gehandhabt' wird, scheint es gesichertes Wissen zu sein. Und dieses 'Ich weiß und so und so ist es nun halt' lässt auf eine Art 'haben wollen' schließen, ein 'besitzen von' und das ist irgendwie störend in einem dynamischen Prozess...Wie auch immer, das Essay von Kobbé ist lesenswert.

Skeptisch bin ich halt immer bei so etwas wie Systematisieren. Wenn man Strukturen herausgearbeitet hat, dann nicht dazu, um sich daran festzuhalten, oder gar festzukrallen und so zu tun, als wisse man, wie welches Subjekt unter welchen Umständen 'tickt'. Das wäre eher Psychologie finde ich. Feste Methoden, wenn->dann, Kategorisierungen etc pp. und ich hatte irgendwie gehofft, in der Psychoanalyse widersteht man diesem vermeintlichen 'Wissens-Thron', was halt meiner Meinung nach unreflektiert ist und somit zu nichts Sinnvollem führt. Subjekte - Menschen sind eben keine statischen Wesen, sondern dynamisch und so sollten auch Strukturen, an denen man sich orientiert in der Praxis, dynamisch bleiben?!

Andererseits ist die Krankenkassenthematik schon auch relevant. In Anbetracht dessen, dass eine Analyse oft wohl sinnvoller ist, als eine Verhaltenstherapie beispielsweise, die etwas verschieben will, etwas 'trainieren' will, ohne zu fragen warum usw... aber: Welcher durchschnittlich oder unterdurchschnittlich verdienende Mensch kann sich eine Analyse leisten? Dann kommt es zu psychoanalytisch orientierten Psychotherapien, die vielleicht alle 2 Wochen stattfinden oder gar 1-2 mal die Woche, was aber wiederum nicht hochfrequent ist.... usw usf... .--CoS 15:11, 12. Mär. 2012 (CET)

Jetzt wird mir einiges klarer, dankeschön. --Ajk 08:08, 13. Mär. 2012 (CET)

Ich weiß nicht ob ich das Ausgeführte vielleicht missverstehe, aber ich würde gerne etwas hinzufügen. Also ich denke nicht, dass der Analysand davon ausgeht, dass der Analytiker im Besitz eines Wissens ist, er hat dem Klienten allerdings etwas voraus, nämlich die Fähigkeit zur Reflexion. Im psychoanalytischen Dialog, einem spiralförmig sich bewegenden, hermeneutischen Verstehens- und Mitteilungsprozess kann auch der Forscher nicht unberührt bleiben, sondern auch seine lebenspraktischen Vorannahmen werden thematisiert. Die Position des Analytikers bleibt in der Wiederbelebung der konflikthaften Vergangenheit des Patienten nicht unberührt, denn auch er reagiert notwendigerweise auf die Reproduktionsversuche dieser konflikthaften Erfahrungen (Stichwort Gegenübertragung). Im Unterschied zum Patienten geht er allerdings methodisch vor und ist weitgehend der Reflexion fähig. Ich glaube also nicht, dass es hier um Wissen im eigentlichen Sinne geht, das der Analysand dem Analytiker unterstellt, sondern dass dieser darauf hofft im methodisch geleiteten Vorgehen und mit der Fähigkeit des Analytikers zu reflektieren, die konflikthaften Szenen der Vergangenheit wiederbeleben und so vielleicht aufarbeiten zu können. --Tk 19:35, 13. Mär. 2012 (CET)


Weils ja oft um 'wissenschaftliche Beweisbarkeit' ging: Studie der Universität Bielefeld belegt neuronale Veränderungen