Diskussion:Psychoanalyse: Begriffe, Differenzen, Diskussionen (2) (Vorlesung Kadi, SS 2012)
Unabhängig zum Text möchte ich in diesem Forum ein Problem ansprechen, welches mich etwas beschäftigt. Vielleicht kann mir jemand helfen und etwas „Licht ins Dunkel“ bringen. In der letzten Einheit (1.März) wurden die Begriffe der Psychoanalyse (Körper, Bild, Begehren und Genießen) uns näher dargestellt. Körper und Bild als eine dismorphe Figur, welche einen Schatten wirft zeigt eine intersubjektive (in Beziehung zu Objekten tretende) und intrasubjektive (innerhalb eines Subjektes bleibende) Dialektik. Neben diesen Begriffen steckt die Psychoanalyse als Wissenschaft zwischen Theorie und Erfahrung. Sie möchte als Mittelweg zwischen der Geisteswissenschaft und der Naturwissenschaft fungieren. Als Erklärung für diesen Mittelweg können die 4 Kriterien von Ricoeur stehen:
a) Sagbarkeit b) der Andere c) Psychische Realität d) Narrativer Charakter
Zwar liefern diese Kriterien hervorragend eine Überlegung, ab wann eine Bestimmung psychoanalytischer Begriffe gegeben ist, jedoch erkenne ich den Mittelweg nicht wirklich wieder. Wodurch wird die Sicherheit gewährleistet, dass Sagbarkeit, der Andere, psychische Realität und narrativer Charakter wirklich in ein Konzept wissenschaftstheoretischer Formulierung „passt“? Was mir ebenso schwer fällt ist, dass das Erkenntnisobjekt, über welche jede Wissenschaft verfügt, bei der Psychoanalyse sich nicht leicht zu finden lässt, beschreibt sie ja die Psyche selbst, welche Ausgangspunkt vieler fast in Kontradiktion stehender Meinungen ist. Die Psyche nach Freud als Motiv gedacht wird von anderen Disziplinen ebenso verwendet. Wenn ich die Topik der beiden großen Themenfelder der Wissenschaften und zwar Geisteswissenschaft und Naturwissenschaft verwende, so ist es fast selbsterklärend, mit was sich die beiden denn beschäftigen. Die Naturwissenschaft erforscht als Objekt die Natur und unterteilt sie in ihre Disziplinen. Die Geisteswissenschaft ergründet die Gedanken und das Denken als Vorgang und unterteilt sie ebenfalls in Disziplinen. Wäre die Psychoanalyse ein Mittelweg, welchen Gegenstand hätte sie? In einem Buch „Das Vokabular der Psychoanalyse“ von J. Laplanche und B. Pontalis wurde ich fündig, was die Psychoanalyse nach ihrer Identität sein soll:
„Von Freud begründete Disziplin, in der man mit ihm drei Ebenen unterscheiden kann: A) Eine Untersuchungsmethode, die vor allem darin besteht, die unbewußte Bedeutung von Reden, Handlung, imaginären Bildungen (Träume, Phantasien, Wahnvorstellungen) eines Subjekts herauszustellen. (…) Die psychoanalytische Deutung kann sich auch auf menschliche Produktionen erstrecken, für die man nicht über freie Assoziationen verfügt. B) Eine psychotherapeutische Methode, die auf diese Untersuchung gegründet und durch die kontrollierte Deutung des Widerstandes, der Übertragung und des Wunsches gekennzeichnet ist. Hierauf bezieht sich die Verwendung des Ausdrucks „Psychoanalyse“ als Synonym für psychoanalytische Behandlung. Beispiel: „eine Psychoanalyse (oder eine Analyse) aufnehmen.“ C) Eine Gesamtheit psychologischer und psychopathologischer Theorien, durch die Gegebenheiten der psychoanalytischen Untersuchungsmethode und Behandlung systematisiert werden.“ (vgl. LAPLANCHE J., PONTALIS B., Das Vokabular der Psychoanalyse. Suhrkamp Frankfurt am Main 1973, S. 410)
In diesen drei Ebenen werden meiner Meinung nach die Weichen für ein solches Zwischenstadium der Wissenschaften gestellt. Die Frage ist nur, ob und wie die Kriterien von Ricoeur und die drei Ebenen der Psychoanalyse kompatibel sind.