Diskussion:Freiraum (BD14)
<root> <div class="toc"> Bildung und Datenbanken (Vorlesung Hrachovec, WS 2014)
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Inhaltsverzeichnis
Spiele und Erwerb von Fähigkeiten
Am Ende der 2. Einheit der VO (16.10.14) wurden kurz „Telespiele“ thematisiert. Es wurde darauf hingewiesen, dass mit pädagogischer Wirkung versehene Spiele eine Möglichkeit bieten, sich auf die Anforderungen der uns umgebenden gegenwärtigen Welt einzulassen. Ein spezieller Zugang zu diesem Thema sind sog. „serious games“, also Videospiele, die dabei helfen Fertigkeiten auszubilden, wie sie z. B. ein Programmierer benötigt. Ein Beispiel dafür: https://www.kickstarter.com/projects/primerist/code-hero-a-game-that-teaches-you-to-make-games-he (am Rande sei erwähnt, dass die Entstehungsgeschichte dieses Spiels interessante Einblicke in die Schwierigkeiten gibt, die mit derartigen Initiativen verbunden sind. Diese Schwierigkeiten unterscheiden sich von „herkömmlichen“ Schwierigkeiten, mit denen sich z. B. die Gründer einer Akademie für Software-Entwickler auseinandersetzen müssen. Hier ist die Entstehungsgeschichte beschrieben: http://en.wikipedia.org/wiki/Code_Hero)
- Spiele sind ein guter Einstieg in schrittweise Überlegungen zu Datenbanken und Bildung. Es gibt, wie Euphon schreibt, Spiele, die Fertigkeiten vermitteln. Also z.B. Pacman oder Tetris. Das geschieht in Echtzeit nach einem Reiz-Reaktionsmuster. Der Computer ist dabei ein "Spielzeug", vergleichbar einem Fußball oder einem Flipper. Diese momentanen Interaktionen sind auf demselben Niveau wie SMTP oder Telnet, sie produzieren keine Geschichte.
- Abgesehen von ihren Metadaten und abgesehen davon, dass die Ergebnisse des Kommunikationsvorgangs ihrerseits - unabhängig von den Formalitäten des Austausches - gespeichert werden können.
- Ein nächster Schritt besteht darin, dass Spiele internen Inhalt vorgeben. Es ist der Unterschied zwischen Federball und "Räuber und Gendarm". Im digitalen Bereich bedeutet das, dass zum Faktor Reiz-Reaktion ein narratives Moment dazukommt. Das sind gespeicherte Vorgaben; also eine Form von Datenbank.
- --anna (Diskussion) 11:23, 23. Okt. 2014 (CEST)
"pädagogisch wertvoll?
- Ad: „Federball“ und „Räuber und Gendarm“: Ein Spielzeug ist ein Zeug, weil diejenige, die damit spielt, nichts über das Spielzeug wissen muss. Eine junge Sportlerin kann mit einem Fußball spielen, ohne dass sie eine Kenntnis von dem Ding hat, so wie sie ein Ingenieur, ein Sportartikelfachverkäufer oder ein Mathematiker hätte. Auf den Zuruf: „Bitte gib mir den abgestumpften Ikosaeder“, würden wahrscheinlich die meisten mit Ratlosigkeit reagieren. Aus dieser Perspektive betrachtet hat das Spielzeug wenig „erzieherischen Wert“, weil von keinem „Lernerfolg“ gesprochen werden kann, der sich z. B. als Erkenntnisgewinn durch eine Abstraktionsleistung darstellen lässt.
- Von einem „Lernerfolg“ kann unter anderem dann gesprochen werden, wenn die Verbindung zwischen „Fußball“ und „abgestumpfter Ikosaeder“ hergestellt wird, weil daran eine Aufmerksamkeit für gewisse Elemente der Geometrie erkannt werden kann, die sich darin äußert, dass die Verbindung zwischen einem Gegenstand, der „gewohnheitsmäßig“ nur für Reflexübungen genutzt wird und einem geometrischen Körper hergestellt wird. Das spricht für eine Art des „Erfassens“, das sich in dieser Abstraktionsleistung äußert, bei der Inhalte genutzt werden, anstatt nur in Form von reiner „Information“ (etwa bloß auswendig Gelerntem) und bloß „Trainiertem“ (durch reine Gewohnheit angeeignete Fertigkeit), wo Fussball und Ikosaeder nicht in Bezug zueinander gesetzt werden, vorhanden zu sein. Aufgabe einer Erziehung könnte es sein, das Lernpotential, das in dieser Abstraktionsleistung liegt, zu nutzen. Dafür muss aber dem bloßen „Spielzeug“ zugeschrieben werden, am Erziehungsprozess beteiligt zu sein.
- Um diese Möglichkeiten anzudeuten habe ich oben von "Metadaten" und "Ergebnissen" geschrieben, die abgesehen von den formalen oder mechanischen Abläufen mit im Spiel sind. Der wichtige Punkt ist, dass "Inhalte genutzt werden". Dazu muss man sie festhalten und das heißt, sie im Fluss auszuzeichnen und zu separieren. Das geschieht schon beim Federball, wenn man Punkte zählt. An diesem Beispiel kann man gut sehen, wie einfach Abläufe und Segmentierungen zusammenhängen können. --anna (Diskussion) 09:39, 30. Okt. 2014 (CET)
klare Grenzen?
- Schiller, der meint, dass der Mensch nur ganz dort Mensch ist, wo er spielt, sagt nicht, dass der Mensch meist mit etwas spielt. Gerade im Spiel beschäftigt sich der Mensch meistens mit Spielzeug, wie z. B. einem Fußball, einem Videospiel oder einer Schachfigur. (Inwiefern ein Gedanke, mit dem gespielt wird hier auch als „etwas“ gelten kann wäre eine Frage, die sich hier anschließen könnte.)
- Einen Unterschied zwischen bloßem „Spielzeug“ und solchem, das Lernerfolg ermöglicht, zu machen, erlaubt es, das eine vom anderen rigid zu trennen. Das hat den Vorteil, dass für diesen designierten Bereich klar definierte Bedingungen angegeben werden können. Die Eingrenzung durch die Definition, die auf der Abgrenzung vom bloßen „Spielzeug“ beruht, schafft Klarheit.
- Das Problem der rigiden Grenzziehung ist, dass sich eine Erziehung, die sich um die Nutzung des Lernpotentials in den Abstraktionsleistungen bemüht, durch eine klare Grenzsetzung zwischen bloßem „Spielzeug“ und „Lernmaterial“ selbst behindert. Zumindest, wenn die Abstraktionsleistung, die sich darin äußert, dass „Fußball“ und „abgestumpfter Ikosaeder“ in Relation gebracht werden, genutzt werden soll, muss eine solche Möglichkeit vorgesehen sein. Sie sollte nicht durch Ausschluss eingeschränkt werden, indem „Fußball“ und „abgestumpfter Ikosaeder“ sozusagen verschiedene „Formatendungen“ (.doc, .wav, .all, u. a.) haben.
- Zwei Personen spielen Federball, einfach aus Freude an der Bewegung. An einer Stelle sagt eine: "Zählen wir!". Das ist eine Unterbrechung, an der man das Thema diskutieren kann. Durch das Punktesystem wird ein bis dahin ungeregelter Ablauf skandiert. Jedesmal, wenn der Federball auf den Boden fällt, wird mitgezählt. Das ist keineswegs so harmlos, wie ein ärgerlicher Ausruf im Spielverlauf an dieser Stelle wäre. Zwei Faktoren sind zu erwähnen:
- Es handelt sich nicht um ein beliebiges Ereignis im Spielverlauf, sondern um einen Vorgang, der einfach zu identifizieren und gut von der hauptsächlichen Spielanlage abzuheben ist.
- Ein Klassifikationssystem wird einer körpergebundenen Interaktion übergestülpt.
- Euphons Intervention kann man nun so lesen: Es ist zwar möglich, Federball nach Spielregeln zu betreiben und damit das "Spielgerät" eindeutig von seiner sozial verfassten Benutzung zu trennen, aber dabei geht etwas verloren. Es liegt am Federball, dass er eine Strecke fliegen kann und dann zu Boden fällt. Ein Trampolin kann das nicht. Wir bedienen uns "natürlicher" Eigenschaften von Dingen, um daraus Zwecke zu entwickeln. Sie sind ein eigenständiger Beitrag zum Phänomen. --anna (Diskussion) 09:39, 30. Okt. 2014 (CET)
- Zwei Personen spielen Federball, einfach aus Freude an der Bewegung. An einer Stelle sagt eine: "Zählen wir!". Das ist eine Unterbrechung, an der man das Thema diskutieren kann. Durch das Punktesystem wird ein bis dahin ungeregelter Ablauf skandiert. Jedesmal, wenn der Federball auf den Boden fällt, wird mitgezählt. Das ist keineswegs so harmlos, wie ein ärgerlicher Ausruf im Spielverlauf an dieser Stelle wäre. Zwei Faktoren sind zu erwähnen:
spielend lernen
- Der Vorteil einer Perspektive, welche die beschriebene Grenzziehung nicht vornimmt, besteht darin, auch bloßes „Spielzeug“, dem im Unterschied zu der Perspektive, die eine Grenzziehung durchführt, (hier gehört wohl kein h.h.) „Lernpotential“ zugeschrieben wird, in ihre Theorie aufzunehmen.
- Eine solche Perspektive hat allerdings wiederum den Nachteil, dass diese Theorie hoffnungslos überladen wird mit potentiellem „Lernmaterial“, was zu großer Unübersichtlichkeit führt und vielleicht eine Theoriebildung überhaupt verhindert.
- Bezogen auf den Unterschied: Federball/Räuber und Gendarm-Spielen möchte ich in diesem Eintrag ein Bedenken äußern, nämlich dass hier, so wie ich das verstehe, anscheinend „Federball“ ausgeschlossen werden soll (analog zu Tetris und Pac Man). Den Unterschied macht das „narrative Moment“ aus, das den einen inhärent ist und den anderen nicht. Damit ist eine recht klare Trennungslinie formuliert, die dabei hilft, sich auf die Suche nach dem „Lernmaterial“ zu machen, für das Bedingungen formuliert werden können. Eine Aufhebung dieser Grenzen würde es ermöglichen, das „narrative Moment“ im Fußball zu suchen. Die Form erzählt die Geschichte der archimedischen Körper, das Luftventil verweist auf den interessanten Streit zwischen Boyle und Hobbes, der die Naturwissenschaften bis heute prägt, ein kleiner Aufkleber „Made in China“ erzählt die Geschichte der Herstellung und der Hersteller des Balls, usw.
- Ich habe angedeutet, wie man sich einen Übergang zwischen "Herumspielen mit zwei Schlägern und einem Flugobjekt" und einem wettbewerbsartigen Spiel vorstellen kann. (Man kann übrigens auch mit der Einführung der Regeln spielen.) Federball kann auch eine narrative Struktur aufweisen, mit Siegerinnen und Besiegten. Sie ist einzelnen Spielformen nicht "essentiell" "inhärent". Wohl aber gibt es gute Gründe, eigens auf den Unterschied, den ich mit der Gegenüberstellung "Federball/Räuber und Gendarm" illustrieren wollte, aufmerksam zu machen.
- Es geht darum, dass Bildung eine Geschichte voraussetzt und erweitert. Sie enthält ein teleologisches Moment. Das zeigt sich rudimentär im "Spielerfolg". Es muss den Punkt geben, an dem der unbedachte Ablauf segmentiert und das Segment als Bestandteil des Spiels eingeführt wird. Beim Federball ist das die Punktezählung, beim Räuber-und-Gendarm die initiale Rollenverteilung. Das impliziert eine Registrierung und damit letztlich einen Datenbestand. --anna (Diskussion) 09:39, 30. Okt. 2014 (CET)
- Natürlich ist das „narrative Moment“ beim Räuber und Gendarm-Spiel deutlicher zu erkennen. Es wäre jedoch in der kurz angesprochenen Weise einschränkend, wenn dem „Federball“ das „Lernpotential“ nicht und dem „Räuber und Gendarm-Spiel“ als gewissermaßen essentiell zugeschrieben werden würde.
- Wie gesagt möchte ich hier nur ein Bedenken äußern, das dem von Ihnen Gesagten nicht widersprechen soll, sondern eine Diskussion über den von Ihnen angesprochenen Unterschied anregen.
- --Euphon (Diskussion) 11:18, 27. Okt. 2014 (CET)
- Zunächst kann man sagen, daß jedes Spiel Fertigkeiten vermittelt, nämlich die Fertigkeiten, die es braucht, das Spiel erfolgreich zu spielen. Vom Badmintonweltmeister kann ich annehmen, daß er besonders gut Badminton spielen kann. Ob ein Spiel pädagogisch wertvoll ist oder nicht, hängt davon ab, ob dem Spieler die erlernten Fähigkeiten auch in anderen Kontexten nützlich sind.
- Dabei halte ich es aber für unnötig, sich zu sehr auf das Spielzeug zu versteifen. Grob gesagt liegt der Lerneffekt im Spiel, nicht im Zeug des Spiels. Das Beispiel mit dem Fußball scheint davon auszugehen, daß ein Lerneffekt nur dann „gilt”, wenn man etwas über das Spielzeug selbst lernt. Dafür sehe ich keinen Grund. Bei einem Computer ist es natürlich sinnvoll, wenn man spielend etwas über den Computer selbst lernt, denn Computerkenntnisse kann man in unserer GEsellschaft immer brauchen, aber genausogut kann man sich ein pädagogisch wertvolles Geographiequiz am Computer vorstellen, obwohl einem das nichts über Computer beibringt. Ebenso ergibt sich aus der Voraussetzung, daß Computerkenntnisse wertvoll sind, die Idee, daß ein Spiel, das Computerkenntnisse vermittelt, wertvoll sein kann, auch wenn es nicht auf einem Computer implementiert ist. (Ich hatte dabei momentan an dergleichen gedacht, aber da könnte man jetzt streiten, ob das nicht ein Computer ist.) Ähnlich ist es nicht Ziel des Fußballspiels, etwas über Fußbälle zu lernen. Wenn ich auf den Platz laufe, mir den Ball schnappe und anfange, darauf Inkreismittelpunkte einzuzeichnen, werde ich dafür keinen Pokal kriegen. Aber ich sehe keinen Grund, an diesem Faktor den pädagogischen Wert zu messen. Ich wäre also dafür, daß wir das Zeug beim Zeugmeister lassen und uns auf das Spiel selber konzentrieren.
- Anscheinend geht es dir eher um die Unterscheidung zwischen „spielen” und „lernen”. Da ist zunächst festzustellen, daß der Mensch spielt, weil es Spaß macht, daß er also dem Spielen selbst positive Gefühle abgewinnt; daß er dagegen lernt, damit er das Gelernte später gebrauchen kann. Ein Spiel hat also seinen Zweck in sich selbst, ein Lernszenario außerhalb seiner selbst. - Wobei allerdings diese späteren Zeitpunkte spätere Instanzen desselben Spiels sein können. - Nun ist das eine begriffliche Unterscheidung, in der Praxis können beide Faktoren natürlich zusammenfallen. Daran liegt es wohl, daß die Theorie mit potentiellem Lernmaterial überladen wird - der Mensch lernt halt ständig irgendwas. Will man über pädagogischen Wert reden, hilft wohl nur, sich zu fragen, was man bei einem bestimmten Spiel lernt.
- Der Satz: Lernen und Spielen finden in einem Szenario statt, gefällt mir gut. Dass Szenarios vom einen zum anderen wechseln können, darin sind wir uns einig. Auch darin, dass Spiel- und Lernszenario entweder getrennt voneinander, sich (zeitlich oder räumlich) abwechselnd, oder gleichzeitig vorkommen. Den Unterschied macht die Intention aus; damit sind wir, so wie von dir vorgeschlagen, beim Spiel und nicht mehr beim Spielzeug, weil das Zeug Spielzeug genauso wie Lernzeug sein kann, je nachdem, was man damit macht. Zudem sind wir uns darin einig, dass „Lernen“ voraussetzt, das Gelernte in anderem Kontext anzuwenden.
- Wo es bei uns auseinandergeht, lässt sich an dem von dir formulierten Satz zeigen: „Da zunächst feststellen, daß der Mensch spielt, weil es Spaß macht, daß er also dem Spielen selbst positive Gefühle abgewinnt; daß er dagegen lernt, damit er das Gelernte später gebrauchen kann.“ Was ich vorschlagen möchte geht in eine Richtung, die sagt, dass – das wollte ich mit dem oberflächlichen Verweis auf Schiller und dass man meist mit etwas spielt andeuten – auch das Spielen, ebenso wie das Lernen, seinen Zweck nicht in sich selbst hat, weil immer(?) auch „etwas“ mit im Spiel ist. Damit verfolge ich die Idee, dass das „In-anderen-Kontexten-Anwenden“ auch für das Spiel und nicht nur für das Lernen geltend gedacht werden kann. Damit verliere ich, wie gesagt, die klare Trennung zwischen „Spielen“ und „Lernen“, schaffe aber dafür die Möglichkeit, so habe ich es mir zumindest vorgenommen, den Übergang vom einen zum anderen, von „Ich will spielen“ zu „Ich will lernen“, ohne Konzentration auf die Intention herzustellen.
- Das Beispiel Federball hilft vielleicht: einfach spielen und spielen plus zählen. Im einen Fall "denkt man sich nichts", im anderen "geht es um etwas". Und gegen Euphons Absicht möchte ich an dieser Stelle anmerken: Die Materialität im Spielzusammenhang ist im zweiten Fall der Absicht der Spielenden untergeordnet. --anna (Diskussion) 10:31, 30. Okt. 2014 (CET)
- „Intention“ meint hier so etwas wie „Handlungsorientierung“; damit ist gemeint, dass anhand der Regelhaftigkeit, die beim Handeln vorausgesetzt wird, erkannt werden kann, ob gespielt oder gelernt wird. Und diese Regelhaftigkeit kommt nicht nur (intentional) von „innen“, sondern hat mit dem Kontext zu tun.
- Ein Beispiel: Du kannst dich vielleicht noch an die Fernsehwerbung für Waschmittel erinnern, in der ein paar junge Leute Fußball spielen, bis die Lederhaut des Balles an dem den Park umgebenden Zaun, der zur Einbrecherabschreckung mit scharfen Spitzen versehen wurde, zerreißt. Die Regeln des Fußballspiels geben vor, dass es einen Ball geben muss, deswegen ist das Spiel verhindert, wenn es keinen Ball gibt. Zum Glück ist nur bei professionellen Fußballspielen vorgegeben, welche Art von Ball vorhanden sein muss. Diese „Lücke“ im Regelsystem nutzt eine der Spielerinnen aus und bittet die Mitspielenden ihre Socken auszuziehen, die sie so gut es geht zusammenknotet und ineinander steckt, bis eine Ballform entsteht. Froh spielen die jungen Leute weiter. Am Ende steckt die Mama das Knäuel in die Waschmaschine und alle lachen.
- Dazu muss ich doch das Fussballspiel im Film Timbuktu erwähnen. Dschihadisten verbieten in der Stadt das Fussballspielen. Die Jungs tun es trotzdem, als aber die Patrouille kommt, verstecken sie den Ball und bewegen sich bloß, als ob sie Fussball spielten. --anna (Diskussion) 10:31, 30. Okt. 2014 (CET)
- Danke für den Hinweis auf das „als ob“! Ich weiß nicht genau, ob ich den Hinweis richtig deute, oder ob ich hier nur drauf los interpretiere; ich bitte darum gestoppt zu werden, wenn es mit mir durchgeht.
- Eine mögliche Interpretation, der ich allerdings nicht zu folgen neige, ist die, dass Fuball eine geselschaftliche Konvention/Konstruktion ist, die als solche auch ohne Spielgerät „Ball“ funktioniert. Eine (bloße) gesellschaftliche Konstruktion ist rein in der „Welt“ des Symbolischen zuhause und „reale“ Bälle gibt es darin nicht, denn selbst wenn ein realer Ball innerhalb der sozialen Konstruktion auftritt, wird er immer nur als Symbol behandelt, seine „Realität“ wird ihm „zugeschrieben“.
- Ich würde allerdings gern eine andere Interpretation probieren: Dass die Jugendlichen in dem Film so tun als ob sie Fußball spielen, interpretiere ich als: sie spielen Fußball ohne Fußball; aber sie spielen eben, auf eine seltsame Weise, noch immer Fußball. Wenn jede Mitspielende den Regeln eines Fußballspiels folgt, dann ist dabei nur ein Faktor von vielen, ob ein Ball beteiligt ist oder nicht. Die Bewegung, auch ohne Ball, verweist auf das Fußballspiel, die Aufstellung der Beteiligten, der (begrenzte) Ort, an dem das Spiel stattfindet, usw. Dass der Ball nicht dabei ist, muss nicht stören, wenn man Fußball spielen will. Das hört sich etwas schräg an, aber ich versuche, den Gedanken noch ein wenig weiterzuführen: Wenn (ähnlich wie bei der Scharade) die Bewegung: „jemand kickt einen Ball“ gezeigt wird, dann errät ein schlauer Mitspieler (dem das Konzept „Fußballspielen“ geläufig ist), worum es geht. Der Fußball, der in dieser Ostensivrelation „gezeigt“ wird, ist auf eine bestimmte Art „da“. Welche Art ist das?
- Ich möchte behaupten, der Ball ist in ähnlicher Weise vorhanden wie der mattsetzende Zug beim Schachspiel, den eine gute Spielerin schon einige Züge bevor er passiert „sieht“. Die Spielerin geht alle Varianten durch und erkennt, dass sie nichts mehr dagegen unternehemn kann, dass der letzte Zug sich in so und so vielen Schritten ereignen wird. Selbst wenn die Spielerin das Schachbrett verärgert umstößt, hat sich der Zug auf ähnliche Weise schon ereignet, wie das Zuspiel des Nicht-Balles von einem Jugendlichen zum anderen.
- Hierin liegt eine gewisse „Unvermeidbarkeit“, die erkannt werden kann oder nicht. Wird sie erkannt, ist eine Abstraktion geglückt, wenn nicht, dann ist Verwirrung die Folge (sich einfach so in die Fußgängerzone zu stellen und so zu tun, als ob man einem vorbeispazierenden Passanten einen Ball zuspielt, kann zur Folge haben, dass manche es „sehen“ und andere nicht.)
- Dass die Abstraktion geglückt ist, erkennt man an der von dieser Unvermeidbarkeit (ich sehe, dass jemand so tut, als spiele er mir einen Ball zu, deswegen hebe ich ein Bein und „stoppe“ den Ball damit) hervorgerufenen Reaktion. Da diese Bewegung ziemlich spezifisch sein muss, ist sie leicht zu erkennen für denjengien, der die Intention des den Ball Zuspielenden kennt. (diejenige, die bei Scharade den Begriff kennt, der vorgezeigt wird, wird das Vorgezeigte viel leichter erkennen als die Raterin, die den Begriff nicht kennt.) Ein solches „Erkennen“ anhand der spezifischen Handlung kann registriert und auch datenbankmäßig erfasst werden.
- Geht diese Interpretation in die Irre?
- --Euphon (Diskussion) 18:53, 2. Nov. 2014 (CET)
- Dass diese Lösung nicht funktioniert, weil ein solider Sockenball zu schwer wäre, um damit zu spielen, wird in der Werbung nicht gesagt, das ist dafür, was ich sagen will, aber auch nicht so wichtig. (Außer vielleicht in dem Punkt, dass die Produzenten des Clips wohl nie vor einem ähnlichen Problem gestanden haben, sonst würden sie schon vorher den Fehler bemerkt haben – sie haben halt nicht mit einem echten Sockenball zu tun gehabt.) Was ich mit dem Beispiel ausdrücken möchte ist, dass, sobald der Ball beschädigt war, das Szenario sich schlagartig von der Spielsituation zur Lernsituation verändert hat. Diesen Wechsel kann man nun auf die Intention umlegen, die den Unterschied macht. Was ich thematisieren möchte ist, dass der Ball doch hier zu jeder Zeit einen Einfluss gehabt hat: zuerst als Spielzeug, dann als „Lernmaterial“.
- Ich habe dieses Beispiel gewählt, weil sich darin der Übergang gut verorten lässt, von dem bei dir die Rede war: Von der Spielsituation, in welcher der Ball bloßes „Zeug“ war, gab es einen Übergang dazu, dass der Ball zum „Problem“ wurde. Dieses Problem eröffnete die Möglichkeit zu lernen, nämlich dass die Ballform alleine noch keinen Fußball ausmacht. Der Ball war zuerst nur ein Spielzeug, dann, durch den Eintritt eines Widerstands, wurde er zum Ansatz für die Entwicklung einer Handlungsorientierung (Lernen), die leider nicht günstig angelegt wurde, weil der Sockenball dabei herausgekommen ist. Damit unterbricht der kaputte/nicht ordnungsgemäß „reparierte“ Ball das Spiel, bis das Problem, das er verursacht hat, gelöst wird. (Oder eben – unrealistisch, so wie es im Werbespot vorkam – die jungen Leute spielen mit dem Sockenball.)
- Man kann nun natürlich sagen, dass hier etwas „über“ den Ball gelernt wurde, so wie du das formuliert hast. So gesehen lassen sich in der Situation „Übergänge“ identifizieren und markieren, die sich anhand der Intention dem Ball gegenüber ergeben; entweder das „Ergebnis“ Ball im Spiel verwenden, oder das „Konzept“ Ball hinterfragen um etwas über es zu lernen.
- Worum es mir geht, hängt mit einer kleinen Nuance in der Formulierung zusammen: „über etwas lernen“ anzunehmen verweist auf den Ball als intentionalen Gegenstand, „an etwas über etwas anderes etwas zu lernen“, so wie es in meinem obigen Eintrag gemeint war, konzentriert sich nicht nur auf die Intention, sondern auf den Ball und andere Inhalte, die mit dem Ball zu tun haben, so wie etwa sein Gewicht, seine Form, seine Herstellungsbedingungen (die nicht nur den Hersteller und die Herstellung betreffen, sondern auch seine Geschichte, die unter anderem das Luftventil in Sicht bringt), usw. Damit möchte ich den von dir angesprochenen „Zweck“ auch dem Spielzeug zuschreiben; Spiel ist kein Selbstzweck, sondern verbunden mit anderen Zwecken (dem kaputten Fußball), die vorher als ein „Ergebnis, das nicht aufgefallen ist“ (der funktionierende Fußball) ebenso schon Zwecke (potentiell) enthalten haben, die den Spielenden bloß nicht aufgefallen sind. Dieses „nicht aufgefallen“ ist, so wollte ich es sagen, „Lernpotential“, das genutzt werden kann.
- Einige Einsprüche:
- "über etwas lernen" war gerade die Pointe der Abstraktion beim "abgestumpften Ikosaeder"
- "an etwas lernen" verlangt, entsprechend der notwendigen Segmentierung, eine Absicht, in meiner Terminologie eine Narration.
- die Segmentierung richtet sich in der Regel nach dem Spielzeug. (Mit einem Federball kann man kaum Fussball spielen.) Aber sie selbst beruht auf Absichten.
- Der Ball kann kaputt gehen und damit das Spiel unterbrechen. Aber der Ball kann keine Regel begründen. Er kann (mehr oder weniger) geeignet sein, nach einer Regel behandelt zu werden. Er kann jemanden sogar auf den Gedanken bringen, eine Regel aufzustellen. (http://www.erhard-sport.de/erhard-Freizeitsport/Spiele/Rueckschlagspiele/BEACH-CATCH-BALL-Spiel.html Beach-Catch-Ball] Man tut dem Ball aber nichts Gutes, wenn man ihn auf dieselbe Ebene stellt, wie die (erdachten) Spielregeln. Das geht nämlich in Richtung Fetischismus: Der Gegenstand zwingt der Person ein Verhalten auf --anna (Diskussion) 10:31, 30. Okt. 2014 (CET)
- Einige Einsprüche:
- --Euphon (Diskussion) 11:22, 29. Okt. 2014 (CET)
- Zum narrativen Moment möchte ich erstens anmerken, daß ich sehr wohl einen Unterschied darin sehe, ob einem Spiel ein narratives Moment inhärent ist oder nicht. Mag sein, daß das Ventil auf den Streit zwischen Boyle und Hobbes verweist - auch ein Apfelbaum verweist auf die Geschichte von Adam und Eva (und ein großer Teil der mittelalterlichen Wissenschaft bestand darin, von jedem Ding zu erklären, warum es auf die Geschichte Jesu verweist), aber nur die Bibel erzählt die Geschichte von Adam und Eva.
- Zweitens ist Räuber und Gendarm ein problematisches Beispiel für narratives Moment, weil die darin enthaltene Geschichte so dünn ist, daß ich mir nicht sicher bin, ob es sie überhaupt gibt. Anscheinend liegt sie im Unterschied zwischen „die Gendarmen wollen die Räuber fangen” und „die eine Gruppe will die andere fangen”, und da brauch ich ja eine Lupe für. Man sollte sich vielleicht eher Videospiele anfangen, die wirklich eine Geschichte erzählen.
- Ansonsten ist mir nicht klar, wo jetzt der Zusammenhang zwischen enthaltenem Narrativ und enthaltenem Lernpotential sein soll. Diese Nachfrage geht wohl direkt zurück an Anna. Ja, Spiele vermitteln Fähigkeiten, ja, einige Spiele enthalten ein Narrativ, aber was hat das eine mit dem anderen zu tun?
- --H.A.L. (Diskussion) 19:46, 27. Okt. 2014 (CET)
- Das Motiv für diese Unterscheidung war die Perspektive "Bildung". Es heißt zwar "bodybuilding", aber das ist die Ausbildung von Muskelfasern durch Training, also "Bildung" im Sinn physischer Verläufe. Nun kann man, im Duktus der obigen Diskussion, natürlich sagen, dass ein solches Training nicht voraussetzungslos ist und dass das Fitnessstudio insofern kein bloßer Maschinenraum ist. Aber es ist auch zu sagen, dass Bildung im humanistischen Sinn erst dort ansetzt, wo ein Narrativ zu finden ist. Meinetwegen ist es ein Narrativ von der Überlegenheit wohltrainierter Körper. Das ist jedoch in die Gerät investiert. --anna (Diskussion) 10:41, 30. Okt. 2014 (CET)
Allgemein könnte man aber auch die vorläufige Behauptung aufstellen, dass jedes Videospiel gewisse Arten des Erwerbs von skills verlangt, die, aufgrund der Mannigfaltigkeit der Arten dieser Spiele, viel unterschiedlicher ausfallen, als von jenen vorausgesetzt wird, die einen sehr eingeschränkten Begriff von „Videospielen“ haben. Analog der Metapher der „Steinzeit“ kann auch auf dem Gebiet der Videospiele davon gesprochen werden, dass sich in den letzten zehn Jahren sehr viel auf diesem Sektor verändert hat.
Zwei Beispiele sollen folgendes verdeutlichen:
- Verschiedene Spiele erfordern verschiedene skills
- Diese skills werden auf verschiedene Weise erlernt
- Hinter unterschiedlichen Spielen stehen unterschiedliche Arten von Institutionen, die den Zugang zu dem Spiel genauso wie das Spielerlebnis unterschiedlich „färben“
Bsp. 1: Textbasierte Adventures gehören mittlerweile zur Steinzeit der Videospiele. Sie verlangen dem Spieler bestimmte Fertigkeiten ab: Es müssen Listen geschrieben und Karten gezeichnet werden, damit der Spielbereich überschaubar bleibt. Es ist notwendig, dass man jede vom Spiel gestellte Motivation (in Form von Rätseln) in Relation zur Spielumgebung verbildlicht, denn im Kopf können die in manchen Fällen bis zu fünfundzwanzig Schritte zur Lösung nicht behalten werden. Die meisten Textadventures sind nur für Einzelspieler gedacht. Trotzdem bildete sich bei guten Adventures wie „Get lamp“ eine Gemeinschaft von Spielern, die sich über ihre gemeinsame Vorliebe identifizierte. Die Zielgruppe dieser Spiele waren hauptsächlich Personen, die eine Affinität zu EDV im Allgemeinen verband, also damals ein fast schon „esoterischer“ Verbund.
- Die Pointe des Spiels besteht nicht darin, rasch auf einen Reiz zu reagieren. Es gibt einen "prompt", aber der verlangt keine körperliche Fertigkeit. Er ist die Einladung zur Exploration einer Datenvorgabe, die in die Spielumgebung eingespeichert ist. Konventionell: "Trivial Pursuit". in der "interactive fiction" übernimmt eine Datenbank die Rolle der Aussenwelt. Sie lässt sich viel flexibler und dramatischer gestalten, als schriftlich festgehaltene Spielunterlagen.
- --anna (Diskussion) 11:23, 23. Okt. 2014 (CEST)
Bsp. 2: Internetbasierte Multiplayerspiele bringen die Spieler dazu, bessere Reflexe auszubilden, einen Sinn für Orientierung und Taktik zu entwickeln und vorgegebene Aufträge innerhalb einer Befehlsstruktur zu erfüllen. In diesem Bereich spricht man von „eSports“. Meisterschaften in den eSports werden in Fussballstadien ausgetragen und es winken hohe Preisgelder. Die Teilnehmer sind, anderen Sportlern wie etwa Profifussballern vergleichbar, Stars für ihre Fans und dementsprechend lukrative Werbeträger. Welche Art des Spiels sich für derartige Wettbewerbe durchsetzen hängt sehr stark davon ab, wie gut die Spiele „gebalanced“ sind, d. h. wie fair die Stärken und Schwächen der spielbaren Fraktionen aufeinander abgestimmt sind. Obwohl die Grundlage von Spielen wie etwa „Starcraft“ oft sehr simpel ist – es handelt sich meistens um das Schere/Stein/Papier-Prinzip - können sich im Balancing Möglichkeiten ergeben, die einem Spieler einen Vorteil und einem anderen einen Nachteil bringen. Man spricht dann davon, dass das Spiel „imba“ ist und gewisse Aspekte „generft“ werden müssen. Ist ein Spiel gut „gebalanced“, kann es sich über lange Zeit gegen andere, neuere Spiele durchsetzen und große Bekanntheit auf dem eSports-Sektor erlangen. Einer der einflussreichsten Spielehersteller auf dem eSports-Sektor ist „Blizzard Entertainment“. Euphon (Diskussion) 22:37, 21. Okt. 2014 (CEST)
- ad: eSports in Fußballstadien in Korea: ein lockeres Gespräch - fürs Wochenende geeignet - über die aktuelle Situation (Nov 2014) der eSports-Szene: [1]
- --Euphon (Diskussion) 14:47, 15. Nov. 2014 (CET)
Das Videospiel “Dark Souls” als Beispiel für ein rhizomatisches Narrativ
Es gibt zwar mittlerweile zaghafte Versuche, Videospiele in den akademischen Kanon zu integrieren, wie etwa die Einrichtung des Instituts für Mediendesign der Hochschule Trier, das 2014 eine Professur für Spieleentwicklung an Frau Dr. Linda Breitlauch vergeben hat, allerdings stellen diese Initiativen bisher noch Leuchtturmprojekte dar und die Thematik wird von Philosophinnen, so mein persönlicher Eindruck, oft ignoriert oder abgetan. Dabei sind Videospiele Produkte der Kulturleistung einer Gesellschaft und können als solche erhellende Einsichten in dieselbe gewährleisten. Zudem ist zu erwarten, dass Telespiele in naher Zukunft den Sektor der Unterhaltungsmedien verändern werden, indem sie sich als ähnlich mächtiger Kompane an die Seite von Filmen und Serien stellen werden, wie das Bewegtbild sich an die Seite des Buches gestellt hat. Ich plädiere hiermit für die Beschäftigung der Philosophie mit der Thematik und ich möchte ein Beispiel geben, in welcher Weise Videospiele für die Philosophie interessant sein können. Das Game, das ich vorstellen möchte hat den sinistren Namen “Dark Souls” (DS) und worum es mir in diesem Eintrag geht, ist die Art des ‘’Narrativs’', auf dem der Spielverlauf basiert.
Das Telespiel “Dark Souls” ist 2010 vom Spieleproduzenten ‘’From Soft’’ und dem Publisher ‘’Namco Bandai’’ entwickelt worden, der direkte Nachfolger von “Demon`s Souls”, der Vorläufer von “Dark Souls 2” und “Bloodborn” und zudem, so scheint die Mehrheit der Gamer in Foren und Blogs zu bestätigen, der beste, weil in sich stimmigste Teil der Souls-Reihe. Das Spiel ist so beliebt, dass mittlerweile in Gamerkreisen der Ausdruck “Souls-like games” für alle Spiele verwendet wird, die sich an der Reihe orientieren. Inwiefern hebt sich das Spiel so weit von anderen Titeln ab, dass dafür ein Ausdruck wie “Souls-like games” geprägt werden kann? Ich möchte in diesem Beitrag auf verschiedene Aspekte eingehen, die das Spiel von anderen Spielen abheben, dabei einem dieser Aspekte besondere Aufmerksamkeit schenken, nämlich der Art des zugrundeliegenden Narrativs. Bevor es losgeht soll noch etwas zur Art der Untersuchungsquellen gesagt werden. Ich werde in diesem Beitrag links zu sogenannten “Let`s Plays” einfügen. Bei “Let`s Plays” handelt es sich um Videos, die im Internet kursieren (es gibt einige wenige Seiten, die sich auf diese Let`s Plays spezialisiert haben, wie etwa Twitch; ganz aktuell hat auch Youtube angekündigt, “Let`s Play”-Kanäle zur Verfügung zu stellen, was für die Breitenwirksamkeit dieser Webvideos spricht) und in denen es um nichts anderes geht als darum, selbst als bloßer Spektator vor dem Bildschirm zu sitzen und anderen dabei zuzusehen, wie sie Computerspiele spielen. Vielleicht wird der eine oder andere den Kopf schüttlen aufgrund der Absurdität dieser Tätigkeit so wie ich anfangs, im Endeffekt ist es aber nichts anderes als sich Gladiatoren oder Tennisspieler anzusehen, mit dem Unterschied, dass keine Profispieler, Stadien und teure Übertragungstechniken notwendig sind, sondern jeder, der einen Rechner besitzt, spielen, aufnehmen und das Aufgenommene ins Netz stellen kann. Was ebenfalls noch einführend gesagt werden soll ist, dass ich mir das Spiel, über das ich nun berichten möchte, selbst besorgt habe und das, obwohl ich seit mehr als fünfzehn Jahren keinen ‘’Joystick’’, oder etwas zeitgemäßer: ‘’Controller’’, in der Hand gehabt habe. Ich möchte damit sagen, dass ich zum einen sicher kein Profi bin, wenn es um Computerspiele geht, zum anderen darauf verweisen, dass ich es für wichtig halte, selbst Erfahrungen gemacht zu haben, wenn man über Computerspiele schreibt, weil ein bloßes Betrachten von außen, so wie es bei z. B. Bewegtbildinterpretationen üblich ist, nicht in die innere Dynamik eines Spiels vordringen kann, die ganz erheblich vom Spieler selbst abhängig ist.
Was ist DS? Es handelt sich bei dem Telespiel um ein sogenanntes Japano-Action-Rollenspiel, abgekürzt JARPG. Der japanische Ursprung verweist auf eine bestimmte Tradition von Spielen, die meist im ‘’Manga’’- oder ‘’Anime’’-Look gehalten sind. RPGs nennt man solche Spiele, die auf einer sich durch Jagen und Sammeln (zeitgemäßer: ‘’leveln’' und ‘’looten’') ergebenden Entwicklung basieren. Der Terminus “Action” bescrhreibt, dass es, im Gegensatz zu anderen RPGs, in denen beispielsweise ausschließlich Rätsel gelöst werden, auch Situationen gibt, in denen der Spieler gegen programmierte (Non-Player Characters kurz NPCs) Gegner im player vs. enemy (kurz: PvE) oder gegen menschliche Gegner im player vs. player (PvP) kämpfen muss.
Man beginnt, wie in Rollenspielen üblich, mit einer Spielfigur, die einer bestimmten Klasse zugeordnet ist. Im Laufe des Spiels können bestimmte Werte der Spielfigur erhöht werden, um weitere Fertigkeiten zu erlangen oder bestimmte Gegenstände benutzen zu können. Die Basiswerte (wie Vitalität (‘’Vitality’’), Ausdauer (‘’Endurance’’), Stärke (‘’Strength’’), Beweglichkeit (‘’Dexterity’’), Intelligenz (‘’Intelligence’’) und Wille (‘’Faith’’)) können erhöht werden, indem “Seelen” verdient werden, die auch zum Kauf von bestimmten Gegenständen (‘’Items’’) verwendet werden können. Bei diesen ‘’Items’’ kann es sich um Waffen, Zauberutensilien, aber auch um Schlüssel zu Abkürzungen und Upgrade-Materialien für Waffen, Rüstungen und Zauberutensilien handeln.
Es gibt einige Unterschiede zu anderen JARPGs, die DS innerhalb des Genres hervorstechen lassen, so wie etwa eine Art “Währung”, die für alle Modifikationen des Characters und der Items nötig ist, die man allerdings jedesmal, wenn man im Spiel stirbt, wieder verliert, was Spieler, die andere (oder keine) Videospiele gewohnt sind, sehr schnell an ihre Frustrationsgrenzen bringt, oder die Multiplayer-Perspektive, die durch das ‘’Summon’’- und ‘’Invading’’-System andere Spielmöglichkeiten bietet als andere Online-games, aber in diesem Eintrag soll nur ein Aspekt hervorgehoben werden. Wer sich für andere Aspekte des Telespiels interessiert sei an diese Seite verwiesen:
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Der Unterschied, auf den ich mich konzentrieren möchte besteht darin, dass man, ungleich wie in anderen Spielen, sich in die Welt geworfen fühlt. Das möchte ich nun näher ausführen: Man erhält bei Spielbeginn keine Informationen darüber, was man im Spiel zu tun hat. Das ist an sich nichts Ungewöhnliches, denn die meisten gerenderten Prolog-Sequenzen in Videospielen sind meist nichtssagend und wirken generisch. Im Unterschied zu anderen Spielen folgt auf die nichtssagende Einführung aber keine Einfühung in das Spiel, respektive in das Narrativ, das zugrundeliegt. Man wird ins Spiel geworfen und hat keine Ahnung was man machen soll und das bleibt so. Bis zum Ende hin ist nie ganz klar, ob man das Richtige gemacht hat, ob man dem Spiel entsprochen hat oder nicht, wer die “Guten” sind und die “Bösen”, ob man selbst zu den “Guten” oder zu den “Bösen” gehört usw Der interessante und das Spiel von den meisten anderen Computerspielen abhebende Punkt ist, dass man keinen Anhaltspunkt hat, wo man zuerst hingehen, was man zuerst erledigen soll, wie das Aufsteigen (‘’leveln’’) des Characters funktioniert, u. ä. Das Spiel ergibt erst Sinn, wenn man es spielt - das Narrativ wird vom Spieler im Spielverlauf erzeugt. Dabei ist die Geschichte, die den Spielablauf bestimmt aber nicht beliebig, denn das Narrativ verfestigt sich nach und nach durch die Gegenstände, die man findet und deren Beschreibungen. Was in anderen Rollenspielen entweder gar nicht vorhanden, oder meist nur Beiwerk und Ornament einer Geschichte ist, wird bei DS zum grundlegenden Moment der Erzählung, der Spieler zum Investigateur, der sich in der Welt bewegen muss, um Dinge zu finden, deren Beschreibungen zu lesen und sich so die Story zusammenzubasteln und gleichzeitig herauszufinden, was er im Spiel als nächstes machen muss. Da sich der Spieler von Anfang an frei in der Welt von DS bewegen kann, es keine “unsichtbaren Wände” oder Ähnliches gibt, das ihn davon abhält, in Spielbereiche vorzudringen, für die er eigentlich noch zu schwach ist und da es Bereiche gibt, die versteckt sind und es selten Hinweise auf diese versteckten Bereiche gibt - es ist möglich ganze Levelabschnitte in einem Spieldurchlauf (‘’Playthrough’’) nicht zu finden - ist die zusammengebastelte Geschichte jedesmal anders und eher rhizomatisch als dendritisch oder linear angelegt; die Geschichte erzählt sich über die Welt, nicht über einen Erzähler oder Einblendungen von Hilfestellungen im Spiel.
Welches Spieleerlebnis ergibt sich durch diese spezielle Herangehensweise? Zuerst ist es frustrierend, nicht zu wissen, was man zu tun hat und wo sich der richtige Weg befindet. Zudem sorgt man sich die meiste Zeit, Geheimgänge zu verpassen und prüft über kurz oder lang ‘’jede’’ Wand in der Spielwelt, ob sich dahinter ein Geheimnis verbirgt. Da die Gegner von Anfang an respekabel sind - man ungleich wie in anderen Spielen zu jeder Zeit im Spiel selbst vermeintlichen “Anfangsgegnern” unterliegen kann -, bewegt man sich sehr langsam durch die Spielabschnitte. Zu allem Überfluss ist es jederzeit möglich (mit Ausnahme von wenigen Bereichen) von anderen menschlichen Spielern “invadet” zu werden. Das bedeutet, dass, gesetzt man ist mit dem DS-Netzwerk verbunden, andere Spieler in die Welt eindringen und den Spieler ausrauben können. Da das Echtzeit-Kampfsystem einige Beschäftigung erfordert und man anfangs nicht weiß, wo man welche Gegenstände finden kann um sich zu schützen, fühlt man sich wie mitten in einem dunklen Urwald, in dem man ständig bedroht wird. Dass der Spieler nicht wie in anderen Spielen an der Hand genommen wird, dass nichts erklärt wird und dass gleichzeitig nur selten Ruhepausen möglich sind, dazu das Kampfsystem nicht leicht zu beherrschen ist, macht das Spiel zu einem, so der einstimmige Duktus in Foren und Blogs, der schwersten Spiele der letzten zwanzig Jahre. Gleichzeitig aber auch zu einem der beliebesten, wenn man sich den Buzz rund um die Erscheinung des zweiten und bald des dritten Teils ansieht. Das liegt zum größten Teil an der Offenheit, die das Spiel bietet und besnders an der Offenheit der Geschichte. Genauer betrachtet führt diese Offenheit zu zwei Aspekten, die das Spiel anscheinend so interessant machen:
Man will die Geschichte verstehen, zuerst, weil man wissen will, wo und wie man im Spiel weitermachen soll, später, weil man, indem man sich die Informationen von den ‘’Item’’-Beschreibungen geholt hat, Fetzen eines regelrechten Epos erahnt, dem man auf den Grund gehen will. Gegen wen kämpft man da eigentlich, warum und wie ist es eigentlich zu alledem gekommen? Diese Fragen beantwortet das Spiel, allerdings gibt es keine verifizierte und abgeschlossene Story, die diese Antworten gibt, sondern nur ‘’Items’’, Lokalitäten und Charaktere (die ihre eigenen Interessen verfolgen und somit oft mit anderen Aspekten und Aussagen in Widerspruch geraten). Zwei Versuche, die “Lore”, was soviel bedeutet wie eine gewisse heuristische Deutung der genannten Apskte, darzustellen finden sich hier:
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Die Darstellungen der beiden Let`s Player divergieren voneinander, weil es eben keine festgeschriebene Storyline gibt, was die Beschäftigung mit der DS-Lore mit einer archäologischen Untersuchung vergleichbar macht, in der bestimmten Artefakten bestimmte Bedeutungen zuerkannt werden und der Verbund der gefundenen Artefakte verschiedene Gesamtperspektiven nahelegt, von denen jede trachtet, sich durchzusetzen und zur episteme, zum Wissen um etwas, zu werden. Die Darstellungen erinnern aber auch an eine Studentin, die sich aus verschiedenen Quellen, die allesamt nur Fragmenten im Verbund des Ganzen der Wissenschaft, mit der sie sich beschäftigt, darstellen, einen Blick fürs Ganze aneignet, ohne sicher sein zu können, ob dieses Ganze nun das “Wahre” ist.
Erzählt man jemandem, der das Spiel DS nicht kennt, von dieser seltsamen Art der Fortbewegung durch das Narrativ, dann würde er wohl den Kopf schütteln und sich nicht vorstellen können, dass das Spaß macht, oder überhaupt eine sinnvolle Herangehensweise an ein Narrativ für ein Spiel, ein Buch, einen Film, usw. darstellen kann. Recherchiert man im Netz, dann wird einem auffallen, dass im Moment für kaum ein anderes Spiel so viele Foreneinträge und Blogposts existieren; es scheint faszinierender zu sein, nicht an der Hand durch eine Welt geführt zu werden, als es sich viele, darunter auch viele Spieleentwickler, vorstellen können. Der Hauptverantwortliche für das Spiel, Hidetaka Myazaki, hat, den meisten gängigen “Formeln” für Videospiele entgegen, Mut zur Geworfenheit bewiesen und damit ein Narrativ entwickelt, wie es in der Form nur in Computerspielen vorkommen kann und das mit sogar vom Hersteller selbst unerwartetem Erfolg. (Als im Sommer auf der Gamescom in Köln, einer der größten Videospielmessen der Welt, der dritte Teil von DS vorgestellt wurde, kalkulierte der Hersteller, From Soft, mit einem wesentlich geringerem Andrang, als er sich tatsächlich ereignete, was sich in stundenlangen Wartezeiten und Ärger von Seiten der Nachbarstände auf der Messe äußerte.) Es scheint, und DS ist hierfür eines der wenigen Beispiele, als könne ein Computerspiel ruhig schwer und frustrierend sein, solange nur die Welt wirklich offen bleibt, um darin auf Entdeckungsreise zu gehen. Der Aufwand an Gedächtnisleistung, den Spieler betreiben, um das Spiel spielen zu können, ist bemerkenswert, denn man muss nicht nur alles selbst entdecken, sondern sich auch die Position von Gegner und Gegenständen merken, Wege und Aufgaben im Hinterkopf behalten und das gerechnet auf ca. fünfzig bis hundert Stunden Spielzeit, die der Spieler zumindest beim ersten Playthrough auf jeden Fall aufwenden muss - Das ist in etwa vergleichbar mit der Gedächtnisleistung eines Schallplattenunterhalters, der nicht nur jede einzelne Platte seiner Sammlung, die oft bis zu zehntausend Stück zählt, kennen muss, sondern auch noch jede Kombinationsmöglichkeit der Platten untereinander, die Zeitpunkte, an denen man mit der oder der anderen Platte einen Übergang machen sollte, usw. Myazaki beweist mit DS, dass Vereinfachungen der Spielmechanik von Telespielen, die “Casualizations” genannt werden nicht eher gewollt werden als sehr schwere und frustrierende Spiele, wenn nur die Faszination für die persönliche Entdeckungsreise des Spielers geweckt wird, den Offenheit der Welt nicht abschreckt, sondern anspornt.
Hat man die Mühe auf sich genommen, sich in das Spiel einzuarbeiten, dann kann man, sofern man die richtigen Abkürzungen kennt, weiß wo wichtige Gegenstände lokalisiert sind, welche Ausrüstung man braucht usw., das Spiel in etwas mehr als einer Stunde durchspielen. hier das Video zu einem dieser sogenannten “Speedruns”:
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Es ist also möglich, das Spiel auf wenige relevante Aspekte zu reduzieren, allerdings erfordert es vorher mehrerer hundert Spielstunden, um es irgendwann in nur einer Stunde durchspielen zu können. Es gibt also Abkürzungen, so wie der Taschenrechner eine Abkürzung des Kopfrechnenden ist, allerdings muss man vorher Rechnen gelernt haben, damit man den Taschenrechner bedienen kann. Die ‘’Shortcuts’’ sind also Resultat, nicht Voraussetzung.
2. Zum anderen bietet die Offenheit, wie sie das Narrativ in DS verkörpert, die Möglichkeit zur kreativen Entfaltung, wie sie in wenigen anderen Spielen gegeben ist. Besonders der Online-Modus, in dem man mit anderen menschlichen Spielern interagieren kann, ist hierfür ein ausschlaggebender Faktor. Es ist nicht nur möglich, wie bereits erwähnt, über bestimmte ‘’Items’’ in die Spielwelt anderer Spieler einzudringen, sondern zudem, mit anderen Spielern in Kooperation zu treten. So sehr die Anspannung in einem steigt, wenn man von einem anderen Spieler invadet wird, so erfährt man im selben Maße große Erleichterung, wenn man ein ‘’Summon sign’’ (ein Weg andere menschliche Spieler, manchmal auch nichtmenschliche NPCs, in seine Spielwelt zu rufen, um bestimmte Abschnitte gemeinsam anzugehen) sieht. Die Interaktionsmöglichkeiten beschränken sich dabei auf wenige Gesten. die man an verschiedenen Stellen des Spiels lernen kann, und Nachrichten, die man mit Hilfe eines bestimmten ‘’Items’’ zur Kommunikation hinterlassen kann. Die Ausdrucksmöglichkeiten sind rudimentär, da Gesten ebenso wie Textbausteine der Nachrichten vorgegeben sind und nicht mehr zulassen, als stichwortartige Hinweise, z. B.: Auf-etwas-Zeigen als Geste, oder “Try: Jumping” als Nachricht. Und doch scheinen gerade die wenigen Ausdrucksmöglichkeiten, die es gibt, viele Spieler dazu anzuregen, eigene Ausdrucksweisen zu entwickeln. Nachdem ich das Spiel kenne, kann ich mir vorstellen, wie überrascht und perplex ein ‘’Invader’’ sein muss, wenn er beispielsweise eine solche Szene sieht:
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Zur Erläuterung: Der ‘’Host’’, also der Spieler der die Spielwelt zur Verfügung stellt (Charakter mit Turban und dem wagenradähnlichen Gegenstand auf dem Rücken), holt sich einen Kooperationspartner (anderer Spieler mit Turban; in diesem Fall ein “White phantom”). Die beiden verwenden eine Geste, die eigentlich eine Begrüßungsverbeugung darstellen soll. Nachdem sie beide den Turban (ein Gegenstand, den man in einem optionalen versteckten Level bekommt) tragen und in einem kleinen Tümpel stehen, sieht es so aus, als würden sie trinken. Es ist überaus lustig (hoffentlich nicht nur für einen DS-Spieler), wie die ‘’Invader’’ (schwarze und blaue Phantome) reagieren und spricht für das Maß an Verblüffung, das sich im Spielfluss ergeben kann und die Kreativität, die trotz der wenigen Ausdrucksmöglichkeiten gegeben ist.
Hier ein ebenso kreatives Vorgehen, diesmal allerdings weniger friedlich:
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Es handelt sich hier um eine perfekt ausgeklügelte ‘’Humanity’’-Melkmaschine (“Humanities” sind recht wertvolle Gegenstände, die man im Spiel erhält): Der ‘’Host’’ und seine beiden Kooperationspartner wissen genau wo der ‘’Invader’’ die Spielwelt betritt und warten dort auf ihn. Erscheint der ‘’Invader’’ verlangsamt der ‘’Host’’ mit Hilfe eines Zauberspruchs die Bewegungsmöglichkeit des Eindringlings und bleibt dabei geschützt durch sein schweres Schild. Die Gehilfen (‘Weiße Phantome) helfen dabei, den Eindringling bewegungsunfähig zu halten und einer von ihnen benutzt die “Dark Hand”, ein ‘’Item’’ um einem Gegenspieler ‘’Humanities’’ zu stehlen (weißes Glühen in der rechten Hand von einem der beiden ‘Weißen Phantome). Der Eindringling kann sich nicht wehren und wird “ausgeraubt” (die Bezeichnung für eine solche, meist unfaire, Spielweise heißt: ‘’ganken’'). Das Spiel selbst gibt solche Taktiken nicht vor, lässt sie aber zu; es handelt sich dabei um eine äußerst kreative, aber deswegen nicht minder gemeine und unfaire Idee der drei ‘’Ganker’’.
Hier noch ein drittes Beispiel, das, im Gegensatz zu den anderen beiden, die Spielmechanik vollkommen aushebelt:
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Der ‘’Host’’ (bunter Character) wird von von einem andeern Spieler invadet. Der ‘’Host’’ nutzt einen sogenannten “Glitch”, also einen absichtlich ausgenutzten Fehler in der Spielmechanik, dazu, um solange “Prism stones” (‘’Items’’, die an dunklen Stellen als Orientierungshilfe dienen) abzulegen, bis die Grafikkarte des Rechners des ‘’Invaders’’ überlastet ist. Es geht hier weniger um eine Kampfsituation als viel eher um ein gemeinschaftlich erstelltes Kunstwerk.
Ähnlich wie in diesem Clip:
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Die Szene beginnt wie ein herkömmlicher PvP-Kampf, bis einer der beiden Invader (Schwarze Phantome) die Gestenfunktion zweckentfremdet und eine Bewegung generiert, die wie ein Tanz aussieht. Der zweite ‘’Invader’’ benutzt ein Schild gegen ‘’Dark magic’’ (goldene Sphäre um den Spieler), um eine Diskokugel zu imitieren. Danach legen die Spieler ihre Waffen ab und veranstalten einen handfesten (aber harmlosen) Faustkampf. Ich habe eine solche Szene (sogar an der gleichen Stelle im Spiel) selbst erlebt und ich muss sagen, dass es richtige Glücksgefühle verursachen kann, solchen Schabernack mit anderen Spielern zu treiben. Es ist schwer das Gefühl genau zu beschreibene, aber es ist ein schönes Gefühl und es wird auf jeden Fall durch die Schwierigkeit vergrößert, sich nicht ordentlich verständigen zu können - obwohl ich mich nicht mehr daran erinnern kann, würde ich behaupten, es ist ähnlich wie das Gefühl, das man als Kleinkind hat, wenn man sich nicht verständigen kann und auf andere Kleinkinder trifft (nur ohne Faustkampf). In der unbarmherzigen Spielwelt von DS, der ständigen Anspannung und dem Herausforderungsgefühl ist ein solcher Moment ebenso merkwürdig wie unerwartet wie befreihend.
Fazit: Die Offenheit des Narrativs verbunden mit den kreativen Ausdrucksmöglichkeiten, die oftmals weit über die vom Spiel vorgegebenen Mechanismen hinausgehen, lassen eine Erfahrung entstehen, die keine vorgegebene ‘’Storyline’’ bieten kann. Wenn also auch die meisten Telespiele auf dem Prinzip des ‘’Looten’' und ‘’Levelns’' basieren, so bedeutet das nicht, dass deswegen immer dieselbe Art des Ablaufs und der Grundmechanik des Narrativs angenommen werden muss. DS ist ein Beispiel für eine sehr ungewöhnlich Art des Geschichtenerzählens und -erlebens, die, so möchte ich behaupten, über die Möglichkeiten von Geschriebenem und Bewegtbild hinaus geht. Es braucht dafür eine Vorgabe, eine Art “Regelmatrizze”, aber diese Regeln können, so wie in dem Spiel DS, zerstückelt und als Fragmente und Andeutungen in der Spielwelt verteilt werden, so dass sie die Spielerin auf ihre eigene Art zusammensetzt. Der Unterschied, auf den ich in diesem Beitrag hinweisen will, besteht also darin, dass man entweder Regeln befolgen kann (an der Hand durchs Spiel geführt werden) oder ein Gespür für die Welt entwickeln kann (selbst den Weg ins Spiel einschreiben). Für Zweiteres gibt es bisher wenig Beispiele (nicht nur in der Welt der Telespiele), aber gerade Ausnahmen wie DS zeigen, welches Potential in Videospielen als Möglichkeitsraum für Narrative steckt. Spinnt man diesen Gedanken weiter und münzt die eben vorgestellte Differenzierung auf ‘’Serious Games’’ und ‘’Learning Gamification’’ um, ergeben sich Perspektiven einer gewissen Offenheit, die nicht anders zu haben ist, als durch das rhizomatische eher als das dendritische Anlegen von Narrativen.
Wie seht ihr das?
Euphon (Diskussion) 12:50, 12. Sep. 2015 (CEST)
Der Faktor Mitgestaltung im Freiraum
Etwas wesentliches ist bei der Vorstellung des Freiraum nicht ganz herausgekommen, und das ist der Fokus auf das Mitgestalten im Gegensatz zum reinen Spielen. - Wie ich schon umseitig angemerkt habe, sind MUDs wesentlich aus Textadventures entstanden. Bei Adventures, wie bei Computerspielen heute, gab es eine klare Aufteilung - eine Entwicklerin gestaltet eine Textwelt und stellt diese einem User zur Verfügung, der sie erkundet. Als die Idee des Adventures mit der des Online-Treffpunkts fusioniert wurde, gab es eine Neuerung: Die neuen Welten wurden so konzipiert, daß mehrere Personen verschiedene Bereiche innerhalb der selben Welt gestalten und auch wechselseitig erkunden konnten. Entwickeln und Rezipieren waren nun Facetten der selben Tätigkeit. Das führte dazu, daß die Welten ihre Einheitlichkeit und Übersichtlichkeit verloren; statt je einer einzelnen durchkomponierten Welt hat man nun einen Cluster von Ideen und Projekten verschiedenster Leute, die irgendwie miteinander verbunden werden müssen. Darin liegt wohl ein Teil der Unübersichtlichkeit des Freiraum.
Dennoch gibt es bei klassischen MUDs/MOOs die Trennung zwischen Erkunden und Gestalten - wer sich bei LambdaMOO, dem berühmtesten MOO, anmeldet, bekommt (soweit ich das verstanden hab) zunächst die Möglichkeit, das eigene Profil zu gestalten und mit anderen Leuten zu interagieren, kann aber selbst nichts erschaffen, dieses Recht bekommt erst verliehen, wer sich erfolgreich in der Gesellschaft eingeführt hat. Eine Besonderheit des Freiraum war, daß alle Neuangemeldeten von vornherein mit der Möglichkeit eingestiegen sind, selber Objekte zu erzeugen. Die Idee des Projektes war, sich philosophisch durch das Gestalten einer Welt auszudrücken, und ich glaube, es ist wesentlich für das Verständnis des Projekts, daß es nicht galt, den Freiraum zu "spielen", sondern ihn zu schreiben. Auch das kann dazu beitragen, daß man in die Anlage hineinspaziert und nicht weiß, worum es geht. (Ansonsten spielt auch hier mit, daß der Freiraum ein sozialer Treffpunkt war und kein Spiel mit einem Spielziel.)
Die Möglichkeit, selbst zu gestalten, ist übrigens ein wesentlicher Teil des Appeals derartiger technisch einfach gestrickter Plattformen im Vergleich zu den elaborierteren dreidimensionalen Environments von heute. In einem MOO reicht es, schreiben zu können, es braucht viel weniger Aufwand und Programmierkenntnisse, um eine Geschichte zu erzählen. Das reine Erleben ist natürlich in einem FPS spannender, aber das GEstalten kann in einer Textwelt dafür dankbarer sein. - Textadventures waren als Spiele ein Hit, als es noch keine graphischen Betriebssysteme für Privatanwender gab, in dieser Form sind sie mittlerweile untergegangen. Als Medium für Hobbyautoren bzw. -programmiererinnen haben sie sich jedoch eine durchaus lebhafte Community erhalten.
--H.A.L. (Diskussion) 01:23, 27. Okt. 2014 (CET)
ad: "Visualisierung" und "reine Texteingabe": Könnte man nicht von einer "Amputation", in McLuhans Sinne, sprechen, wenn von der Entwicklung vom textbasierten Adventure hin zum "Grafik-Adventure" gesprochen wird? "Amputiert" wird durch die Visualisierung die Fähigkeit, selbst Karten anzulegen, wie es bei Text-Adventures üblich und gefordert war. Eine solche Amputation ist eine Verkürzung, eine geraffte Zusammenfassung von etwas, das sonst mühsam angeeignet werden muss. Bei einer solchen Verkürzung geht anscheinend "Lernpotential" verloren. Könnte dieses "Lernpotential" nicht irgendwie wieder "entpackt", "entkomprimiert" werden?
--Euphon (Diskussion) 11:18, 27. Okt. 2014 (CET)
Zwei Webumgebungen gegenübergestellt: Freiraum und Facebook: