Die arbeitsorientierte Gesellschaft (JsB)

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Die Reaktion der heutigen Jugend auf die Arbeitsorientierte Gesellschaft

Die Themen in der Jugendforschung haben sich mit dem Strukturwandel in der Arbeitsgesellschaft gewandelt. In den 80er Jahren stand das Freizeitverhalten der Jugendlichen im Vordergrund, wohingegen heutzutage das Hauptaugenmerk auf Jugend im Zusammenhang mit Arbeit, Beruf und Beschäftigung liegt! (vgl. OEHME 2006, S.23)

Rückblick auf die Jugendphase und Eingliederung in die Arbeitsgesellschaft – Entgrenzung der Jugendphase

Der industriegesellschaftliche Jugendbegriff, in dem Jugendliche durch entsprechende Entwicklung und Qualifizierung auf die Arbeitswelt vorbereitet worden sind, um dann mit den neuen Qualifikationen wieder in die Gesellschaft eingegliedert zu werden, wird von dem Begriff des sogenannten „institutionalisierten Lebenslauf“ abgelöst.
Dabei handelt es sich um die unterschiedlichen gesellschaftlichen Erwartungen unserer modernen Industriegesellschaft, die an die verschiedenen Altersstufen herangetragen werden. Diese Erwartungen spiegeln die Funktionsanforderungen für den industriegesellschaftlichen Prozess wieder: Identitätsentwicklung in Kindheit und frühen Jugend, Qualifikation in mittleren und späten Jugendphase, Erwerbstätigkeit im Erwachsenenalter, Entberuflichung im Alter. (vgl. KOHLI 1985;1991; zit. n. OEHME 2006, S. 24)
In dieser Form der Entwicklung bildeten Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen ein Gefüge von vorstrukturierten Bildungswegen, die einen bestimmten Platz in der Gesellschaft zuwiesen, und damit eine strukturelle Integration ermöglichten.
Der heutige Arbeitsmarkt kann nicht mehr alle zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte beschäftigen, dabei entsteht das Problem der strukturellen Integration. (vgl. BÖHNISCH/ARNOLD/SCHRÖER 1999; OEHME 2006, S.24)
Die Jugendphase wird „entgrenzt“, die Ausbildung verlängert und die Erwerbsarbeit rückt als eine „Schlüsselfrage der Identitätsarbeit“ in den Mittelpunkt. (vgl. KEUPP u.a.2002; OEHME 2006, S.25)

„Normalbiografie, Normalarbeitsverhältnis“?!

Martin OSTERLAND gibt in Bezug auf die Arbeitsgesellschaft einen Einblick auf die „Normalbiographie“ und das „Normalarbeitsverhältnis“.
Dabei stellt er fest, dass die Bedeutung dieser Begriffe im Entschwinden zu sein scheint, und dass zu der Zeit, wo diese „Normalität“ von Arbeitsverhältnissen und Lebensverläufen noch davon ausgegangen werden konnte, dies eher unbemerkt blieb. (vgl. OSTERLAND 1990, S.351)
Wenn hier von einer Zeit gesprochen wird, wird von der Nachkriegszeit gesprochen, in der ein verlässlicher Lebenslauf möglich war.
Folgende Punkte, die ein „Normalarbeitsverhältnis“ charakterisieren hat OSTERLAND folgendermaßen zusammengefasst:

  • arbeits- und sozialrechtlich abgesichert
  • im Einklang mit tarifrechtlichen Vereinbarungen stehend
  • kontinuierlich, auf Dauer angelegte Vollzeitbeschäftigung
  • einen hinreichenden Lohn, der es erlaubt die Reproduktion der Familie zu sichern

(vgl. OSTERLAND 1990, S.351)
Trotz alledem ist diese Auflistung auch in Verbindung der Zeit, die damit in Verbindung gesetzt wird, als Fiktion zu sehen, weil es immer schon davon abweichende Arbeitsverhältnisse gegeben hat. (vgl. OSTERLAND 1990, S.351)
„Sowohl der Staat als auch Unternehmen und Gewerkschaften orientieren sich unausgesprochen daran und legen sie bei der Regelung ihrer Beziehungen zugrunde.“ (OSTERLAND 1990, S.351)
Wenn OSTERLAND unter den genannten Punkten auch die Reproduktion impliziert, ist klar ersichtlich, dass das „Normalarbeitsverhältnis“ als Voraussetzung für die „Normalbiographie“ gesehen wird. Dabei wird von den männlichen „Normalarbeitsverhältnis“ gesprochen.
„Frauen arbeiten dagegen noch immer nicht nur seltener, sondern oft in Beschäftigungsverhältnissen, die davon abweichen und häufig von den Schutzregelungen und sozialen und tariflichen Regelungen des Normalarbeitsverhältnisses ausgeschlossen sind.“ (OSTERLAND 1990, S.352)
Kurz skizziert wird die „Normalbiographie“ wie folgt beschrieben:

  • Ablösung vom Elternhaus
  • Eintritt ins Erwerbsleben
  • Gründung einer Familie
  • Ausscheiden aus dem Erwerbsleben mit dem Wechsel in den Ruhestand

(vgl. OSTERLAND 1990, S.352)
Lösen sich nun die „Normalarbeitsverhältnisse“ zunehmend auf, prägt das auch die individuellen Lebensentwürfe entscheidend. (vgl. OSTERLAND 1990, S.353)

Die Phase des „jungen Erwachsenenalters“

Seit den 90ern wir der Begriff des jungen Erwachsenenalters eingeführt, der von dem der Jugendphase unterschieden wird. (vgl. STAUBER/WALTHER 2002; OEHME 2006, S.25)
Das junge Erwachsenenalter ist die Phase zwischen Jugend- und Erwachsenenphase, die aber noch deutlichen Übergangscharakter hat, aber allerdings schon status- und einkommensorientiert ist.
Andreas OEHME spricht von jungen Erwachsenen, wobei er die Ablösung aus dem Elternhaus, die Zugehörigkeit in einer Gleichaltrigengruppe und das Ringen um Anerkennung und Orientierung in der Welt nennt. (vgl. OEHME 2006, S.123)
Diese Sozialisationsphase ist am umfassendsten vom strukturellen Wandel der Arbeitsgesellschaft geprägt.

Suche nach Identität und Entwicklung neuer Eigenschaften

Ein Großteil junger Erwachsener spürt, dass die Arbeitswelt nicht an transparente Übergangs- und Erreichbarkeitsstrukturen gebunden ist. Der Eintritt in diese Lebensphase ist oft der Beginn eines „dauerhaft- transitorischen Zustands“ oder einer „permanenten Zwischenposition“. (CASTEL 2000, S.377, vgl. auch GALUSKE 2002; OEHME 2006, S.26)
Besonders in der Phase des jungen Erwachsenenalters werden die Vorstellung eines selbstorganisierten Arbeitslebens und die Möglichkeit nach neuen Beschäftigungs- und Lernarrangements offen angenommen. (vgl. WAHLER/TULLY/PREISZ 2004; OEHME 2006, S.26)
Gleichzeitig zeigt sich in dieser Lebensphase, ob die Vorstellung einer abgesicherten, selbstständigen Existenz biografisch verwirklicht werden kann.

Bei der Suche nach ihrer Identität sind oft die Jugendlichen ganz auf sich allein gestellt. Diese Identitätsfindung ist ebenfalls zu der Frage der Entwicklung von Geschlechtsidentität geworden: Bin ich ein richtiger Mann, wenn ich keinen Job habe und eine Familie nicht ernähren kann? (vgl. KRAFELD 2000, S.51)
Für die Frauen ist die Frage nicht so drastisch, weil es zum berufsspezifischen Lebenslauf noch immer Alternativen gibt (Hausfrau und Mutter).

Verbunden mit der Suche einer neuen Identität entwickeln sich laufende Eigenschaften:

  • Orientierungslosigkeit als Tugend
  • Erschaffung von täglich neuen Formen von Miteinander
  • eine neue Kultur der Arbeit: z.B. den Vorteil an ungewöhnlichen Arbeitszeiten erkennen und den Reiz jederzeit den Job auch hinschmeißen zu können (Mut zeigen)
  • Veränderung mit dem Umgang von Zeit

Es zeigt sich ein subjektzentrierter Lebensziel, indem der Wunsch eine interessante und qualifizierte Arbeit ausüben zu können existiert, aber trotzdem daneben mehr Zeit für sich selbst zu haben. (vgl. KRAFELD 2000, S. 57)
Dabei entwickelt sich eine Wertverschiebung zwischen materiellen und immateriellen Gütern. Die erwerbszentrierte Lebensführung verliert an Bedeutung, und die Suche nach Selbstverwirklichung verlagert sich auf andere Gebiete als die der Arbeit.

Biografische und soziale Auswirkungen der Entgrenzung der Jugendphase auf junge Erwachsene

Diese institutionalisierten Bildungs- und Übergangswege strukturierten im Allgemeinen auch die alltägliche Lebensführung der Individuen. (OEHME 2006, S.72)
Jene Strukturen sind Entgrenzungs- und Segmentierungsprozessen unterworfen, sie verlieren dadurch an Stabilität und Umfang und werden für junge Erwachsene immer schwerer zugänglich. Die sozialintegrative Kraft der Erwerbsarbeit lässt stark nach. (vgl. BÖHNISCH 1994, S. 66ff; OEHME 2006, S.73)
Statt der institutionalisierten Strukturen herrschen nun eher objektive Konstruktionen vor, durch die das Leben junger Erwachsener einen Rahmen erhält bzw. erhalten muss. (vgl. MAROTZKI 2000; OEHME 2006, S.73)
Den Jugendlichen und jungen Erwachsenen stehen zusehens weniger objektive (…) biografische und sozialräumliche Formen wie bestimmte Bildungswege oder Sozialstrukturen zur Verfügung, die sie sich aneignen könnten, um darin ihr subjektives Leben zu verwirklichen. (OEHME 2006, S.73)
Mit einer „objektiven Lebenskonstruktion“ ist eine Form von sozialen Raum und Tätigungsfeld gemeint, in dem junge Erwachsene ihren Alltag bewältigen, der zunehmend subjektiv hergestellt wird, also stärker vom Subjekt selbst konstituiert werden muss.
Junge Erwachsene werden auch zunehmend zu sozialen Akteuren, die sich nicht nur auf gegebene Strukturen beziehen, sondern diese auch verändern, in andere Kontexte einbinden und neue gesellschaftliche Strukturen aufbauen können.
Durch die bereits besprochene Entgrenzung von Bildungs– und Ausbildungsstrukturen verliert das Konzept der Statuspassagen an Relevanz. (vgl. HEINZ 1996; OEHME 2006, S.75)
Erweitert wird es zunehmend durch das Konzept der biografischen Übergänge, bei dem die prinzipielle biografische Offenheit im Mittelpunkt steht und gleichzeitig die subjektive Bewältigung von Übergängen.
Diese subjektive Bewältigung setzt nach wie vor ein prinzipiell aufnahmefähiges institutionelles Übergangsgefüge voraus.
Das Bewältigungshandeln der jungen Erwachsenen verknüpft beispielsweise verschiedene institutionelle sowie sozialräumliche Bezüge und bringt sie in eine biografische Sinnperspektive, die für den Übergang in die Arbeit bedeutsam ist. (OEHME 2006, S.76)

Bewältigungsmilieus

In diesem Zusammenhang sind Bewältigungsmilieus als „biographisch verfügbarer sozialräumlicher und sozialemotionaler Kontext, in dem sich Bewältigungskompetenzen entwickeln…“ beschrieben. (BÖHNISCH 1994, S. 222; OEHME 2006, S.79).
Es ist also eine lebensweltliche- sozialintegrative Form der Alltagsbewältigung.
Von Bewältigung kann gesprochen werden, wenn traditionell institutionalisierte Bildungswege keine biografischen Perspektiven mehr liefern, Bildungsabschlüsse entwertet werden und somit junge Erwachsene weniger Handlungsorientiertheit und Selbstwert erhalten.
Diese Milieus geben den Menschen die Möglichkeit Dinge zu bewältigen, die ihnen sonst an einem anderen gesellschaftlichen Ort verwehrt werden.
Bewältigungsmilieus nehmen verschiedene Formen an. BÖHNISCH unterscheidet zwischen offenen und regressiven Milieus (Öffnen/Abschotten gegenüber neuen gesellschaftlichen Strukturen).
Bewältigungswege als Alternative zur „Normalbiographie"
Dazu aus der Shell – Studie: (JUGEND ´97 1997, S. 17)

  • den Rückzug in die kleine private Welt und
  • die Anpassung im Sinne des Ergreifens jeder sich bietenden Möglichkeit

Wandel der Bedeutung von Erwerbsarbeit - Idealbild von Erwerbsarbeit vs. Erwerbsarbeit in der heutigen Realität

Das Thema Arbeit hat im Leben der Jugendlichen und jungen Erwachsenen einen hohen Stellenwert, da die Mehrheit sich über die Erwerbsarbeit ein ausreichendes Einkommen, eine gesicherte Berufsperspektive und Raum für privates Leben bzw. Familie zu erzielen wünscht. Bezahlte Arbeit wird traditionell als zentraler Prozess zur sozialen Integration angesehen. Der Strukturwandel in der Arbeitsgesellschaft hat die soziale Gestalt „Jugend“ insgesamt verändert.

Immer weniger gibt es den traditionellen beruflichen Lebenslauf des männlichen Arbeitnehmers, der geradlinig von der Beendigung der Ausbildung bis zur Rente führt. Dieses traditionelle Modell ist zwar heute längst nicht mehr typisch, aber es existiert trotz alle dem weiterhin im ideologischen Sinn. Die Berufstätigkeit hatte historisch gesehen nicht immer so einen hohen Stellenwert wie heute. Es ist die Rede von einer Veränderung der Lebensentwürfe, denn man muss sich verabschieden von den Normalarbeitsverhältnissen (dauerhaft, vollzeitlich, …). (vgl. GALUSKE 1998, S. 8, zit. n. KRAFELD 2000, S. 24) Heute sind folgende Phänome zu beobachten:

  • Entkoppelung von Wachstum und Beschäftigung
  • Wandel der Qualifikationsanforderungen
  • Erosion des Normalarbeitsverhältnisses
  • Segmentierung des Arbeitsmarktes

In industrialisierten Ländern sind die meisten jungen Menschen, besonders die jungen Frauen im Dienstleistungssektor tätig. Davon arbeiten die meisten unter schlechten Arbeitsbedingungen und mit einem Mangel an Absicherungen. Junge Arbeiter protestieren weniger gegen schlechte Konditionen:

  • Job nur temporär während Ausbildung (oft Teilzeitjobs)
  • Unzufriedenheit führt eher zu Jobwechsel
  • „Verletzlichere Gruppe“ von Arbeitern
  • Jobs oft nur für kurze Zeit bzw. andere Jobs nebenbei
    Teilzeitjobs oft einzige Alternative, zu wenige Vollzeitangebote
    Junge Leute bekommen/akzeptieren öfter Arbeitsverträge mit nur kurzer Laufzeit
    Verlängerte Ausbildung – Zurückhaltung, verzögerter Eintritt ins Berufsleben
    Warteschlangen bei Jobs: Jugendliche an letzter Stelle, „als letzter raus, als erster draußen“, wenig Arbeitsschutzmaßnahmen

Entwicklung neuer Arbeitsverhältnisse

„Diese Entwicklung geht mir der Ausbreitung neuer Arbeitsverhältnisse einher, die für die Normalbiographie nicht ohne folgen bleibt.“ (OSTERLAND 1990, S.353)
Diese neuen Arbeitsverhältnisse gelten als prekär, untypisch und nicht standardisiert. Sie sind mit dem wenig präzisen Etikett der „Grauzone“ des Arbeitsmarkts versehen worden. (vgl. OSTERLAND 1990, S.353)
Diese „Grauzone“ befindet sich zwischen dem „Normalarbeitsverhältnis“ und der Arbeitslosigkeit. Das Spektrum dieser „untypischen“ Beschäftigungsverhältnisse reicht von

  • befristete Arbeitsverhältnisse
  • unterschiedliche Formen von Teilzeitarbeit, einschließlich flexible Arbeitszeitformen, die für die Beschäftigten kaum noch berechenbar sind
  • die legale und illegale Leiharbeit
  • sozialversicherungsfreie und geringfügige Beschäftigung
  • Beschäftigung von scheinbar selbstständigen Einzelpersonen im Rahmen von Dienst- und Werksverträgen auf Honorarbasis

(vgl. OSTERLAND 1990, S.354)
Dass diese Beschäftigungsformen der „Grauzone“ steigen, kann man daraus schließen, weil die Vollarbeitsverhältnisse weitgehend zurückgehen (=eine Veränderung am Arbeitsmarkt).
In dieser Grauzone ist auch zu erkennen, dass sich sehr viele Jugendliche und Frauen befinden. Für die Frauen wird diese Arbeit zu einer neuen „Normalität“, d.h. ihr Weg aus der Erwerbslosigkeit gewollt oder ungewollt in eine Berufstätigkeit in der Grauzone führt, unter anderem eben auch die, die nach einer Vollbeschäftigung und einer Unterbrechung die Teilzeitbeschäftigung wählen, die nicht vorrangig der Sicherung des individuellen Lebensunterhalts dient. (vgl. OSTERLAND 1990, S.356)
Diese „weibliche Normalität“, die gerade beschrieben wurde, ist aber in den jüngeren Altergruppen bei beiden Geschlechtern zu beobachten. „Für beide ist die gesicherte lebenslange Vollzeitbeschäftigung nicht (mehr) Grundlage der Lebensplanung. Sie teilen die Unsicherheit und Diskontinuität einer Erwerbssituation, welche bei den älteren Jahrgängen vorwiegend nur für die Frauen galt.“ (OSTERLAND 1990, S.356)
Zu beachten sind ebenfalls neue Formen des Zusammenlebens:

  • Wohngemeinschaften
  • Unvollständige Familien
  • Alleinerziehende Mütter und Väter
  • Unverheiratet Paare
  • Kinderlose Familien
  • Usw.

Diese neuen Formen des Zusammenlebens ermöglichen es unter anderem den Frauen eine – wenn möglich eigenständige – Berufstätigkeit nachzugehen, und nehmen andererseits den Männern den Druck als Ernährer für die Reproduktion von Familie/Kindern sorgen zu müssen. (vgl. OSTERLAND 1990, S.358)
Eine Reaktion der Jugendlichen auf die Ungewissheit am Arbeitsmarkt ist, dass enge Beziehungsgeflechte eine Art soziale Sicherheit bieten.
„Die Lockerung der Bindung an eine berufliche Dauerperspektive – und damit einen sozialen Status – führt zwar nicht zur Reduzierung der Ansprüche an die Arbeit, aber läßt den Wunsch nach mehr befriedigenden, selbstbestimmten ‚gesellschaftlich nützlichen’ Tätigkeiten hervortreten.“ (OSTERLAND 1990, S.360)
So kann sich etwa Flexibilität der Lebensführung (veränderte Bedürfnisse, Lebenslagen und Werthaltungen der Individuen) als eine angestrebte Normalität der Jüngeren entwickeln. (vgl. OSTERLAND 1990, S.360)
Genau das ist als ein Überdenken der biographischen Normalitätsvorstellungen der jüngeren Generation zu verstehen.

Gründe für Entstehung struktureller Massenarbeitslosigkeit

„Der kaum beschäftigungswirksame Produktivitätsanstieg ist die Folge technologischer und organisatorischer Rationalisierung in der Wirtschaft.“ (OEHME 2006, S.15)
Unter anderem durch Privatisierungen und Gewinnmaximierung verschärft sich die Konkurrenz um die immer knapper werdenden Arbeitsplätze. Nicht außer Acht zu lassen, dass in dieser Entwicklung der Wert der Produktionsfaktoren Wissen und Kapital steigt. (vgl. OEHME 2006, S.15)

Jugendarbeitslosigkeit

Trotz eines wirtschaftlichen Aufschwungs ist die Arbeitslosigkeit (und somit auch die Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen) ein großes Thema unserer Gesellschaft.
Das größte Zukunftsproblem junger Menschen ist die mit der Rolle als Arbeitskraft verbundene gesellschaftliche Anerkennung, sozialen Status und den Erwerb des Erwachsenenstatus. (vgl. KRAFELD 2000, S. 19)
Ein Phänomen der Arbeitslosigkeit ist unter anderem die Erkenntnis des dauerhaften nicht gebraucht Werdens.

„Weder soziale Herkunft noch eigene Qualifikation schützen davor, erst recht nicht eigene Leistungsbereitschaft, Mobilität, Flexibilität, u.ä.“ (KRAFELD 2000, S. 20)

MUTZ spricht heute von einer „postindustriellen Arbeitslosigkeit“, verglichen mit der traditionellen Form der Arbeitslosigkeit, der „industriellen Arbeitslosigkeit“.
Darunter ist zu verstehen: Arbeitslosigkeit ist in der Arbeitsgesellschaft sehr viel häufiger und nicht nur auf Problemgruppen beschränkt, indem sich diskontinuierliche u. immer mehr Formen instabiler Erwerbsverläufe ausbilden. (vgl. MUTZ 1995, S. 2, zit. n. KRAFELD 2000, S. 22)
Einen Beruf auszuüben wird noch immer als eine Charaktereigenschaft des Erwachsen-Seins gesehen.
Wie selbstverständlich stellen wir meist, wenn wir jemanden kennen lernen, als erstes die Frage: „Was machst du?“. Das zeigt uns ganz deutlich wie sehr sich die Menschen mit dem Beruf identifizieren. Unangenehm wird es dann, wenn das gegenüber keine Antwort bringen kann, die wir erwarten.
Mitglied einer Gesellschaft zu sein wird in Verbindung gesetzt mit Erwerbsarbeit. Deswegen wird von Arbeitsgesellschaft gesprochen.

„Erwerbsarbeit ist in vielerlei Hinsicht die zentrale Grundlage für ein Leben in der Gesellschaft, unverglichen wichtiger als alles andere.“ ( KRAFELD 2000, S. 23)

Psychosoziale Situation von arbeitslosen Jugendlichen und jungen Erwachsenen

Die Angst vor dem Verlust der Arbeitsstelle ist oft so groß, dass selbst Lohnabbau, längere Arbeitszeiten, usw. fast wortlos hingenommen werden.
Unabhängig von dem Grad der Qualifizierung die vorgewiesen werden kann, wird immer häufiger mehr Flexibilität (z.B. bezüglich der Arbeitsortes) gefordert. Die Arbeitnehmer sehen sich konfrontiert mit einer erhöhten Arbeitsbelastung oder einer sozialen Entwertung.
„Vergessen sind Slogans wie ´Humanisierung der Arbeitswelt´ aus der Mitte der 70er oder das gewerkschaftliche ´Samstag gehört Vati mir´ aus den 50ern – mit denen man damals allerdings nicht solche Wahlerfolge erringen konnte wie mit den aktuellen Lobliedern auf die Arbeit.“ (KRAFELD 2000, S. 28)

Arbeitslose Jugendliche sind mit einer Diskriminierung konfrontiert. Gesprochen wird z.B. von: nicht ausbildungswillig, verhaltensgestört, nicht belastungsfähig, lernschwach.
In Wirklichkeit sind das aber bloß Vorurteile. Denn was ihnen einfach fehlt ist Arbeit. Es existiert ein regelrechter Konkurrenzkampf um jede offene Stelle.
Weiterhin stützt sich die gesamte Arbeits- und Sozialpolitik (bezogen auf die BRD) auf das Konzept einer Vollbeschäftigungsgesellschaft. Selbstverständlich hat dies einen Einfluss auf die Jugend.
KRAFELD äußert sich diesbezüglich sehr deutlich indem er schreibt: „ Nur nützt das denen nichts, die knallhart mit der heutigen Realität konfrontiert sind, und zwar so, wie sie ist, nicht, wie sie sein sollte oder vielleicht sein könnte.“ (KRAFELD 2000, S. 32)
Wenn also die Realität und das Leitbild der Vollbeschäftigung im Widerspruch zueinander stehen, wird es für die Jugendlichen immer schwieriger das eigene Leben erfolgreich zu gestalten. Ausgegangen von dieser Situation ist nochmals der Konflikt zu betonen, in denen die Jugendlichen sich befinden: Dem Wunsch einer „Normalbiographie“ und dem Bewältigen – Müssen einer Diskontinuität.
„Nach der Shell – Studie ´97 sehen 92% der befragten jungen Menschen steigende Arbeitslosenzahlen als großes oder sehr großes Problem für unsere Gesellschaft an.“ (Jugend ´97 1997, S. 14, zit. n. KRAFELD 2000, S. 47)
Das zeigt deutlich wie vorherrschend die Angst ist und wie wenig Optimismus besteht.
Die Zeiten sind augenscheinlich vorbei, dass die Jugend als Hoffnung und Zukunftsträger verstanden wird, die es einmal leicht haben werden.

Psychologische Konsequenzenvon Arbeitslosigkeit: weniger Selbstvertrauen, geringeres Wohlergehen, Isolation, Ausgrenzung von Peers – Leben am Rand der Gesellschaft Langzeitarbeitslosigkeit problematisch (vor allem, wenn ohne Unterstützung!)

Vorraussetzungen für einen positiven Umgang mit Arbeitslosigkeit

Einerseits: „Arbeit für alle“ & Arbeitslosigkeit als gesellschaftliche Sonderstellung dagegen: Gleichwertigkeit verschiedener Formen der Lebensgestaltung.
Dafür ist für die Phasen des Rückzugs aus der Erwerbsarbeit ein (abgesicherte) Grundeinkommen notwendig, wie es beispielsweise es bei den Pensionisten ist. Gleichzeitig ist es wichtig nicht für die Arbeitslosigkeit verachtet werden.
Um sich im Leben ohne Arbeit zu Recht zu finden ist notwendig:

  • eine hinreichende Einkommensquelle
  • stabiles Selbstwertgefühl
  • eine anerkannte soziale Position (innerhalb eines intakten Netzwerks sozialer Beziehungen)

„Gerade Arbeitslosigkeit, die Erwerbsverläufe unterbricht, wird oft auch vorübergehend als produktive, kreative und gegebenenfalls notwendige Phase der individuellen Entwicklung interpretiert.“ (KRAFELD 2000, S. 48)
Soziale und finanzielle Unterstützung – soziale Ausgrenzung reduzieren
Eigene Interpretation der Situation von Jugendlichen entscheidend
Kurzeitarbeitslosigkeit, ständiges Wechseln von Jobs kann auch ein Lebensstil, eine Lebensphase sein
Arbeitslosigkeit darf nicht ohne Ausweg gesehen werden – mit Unterstützung besser möglich

Literatur

BÖHNISCH, L.: Gespaltene Normalität. Lebensbewältigung und Sozialpädagogik an den Grenzen der Wohlfahrtsgesellschaft. Weinheim und München 1994.
BÖHNISCH, L.,/ARNOLD, H./SCHRÖER, W.: Sozialpolitik. Eine Sozialwissenschaftliche Einführung. Weinheim und München 1999.
CASTEL, R.: Die Metamorphosen der sozialen Frage. Eine Chronik der Lohnarbeit. Konstanz 2000.
FEND, H.: Identitätsentwicklung in der Adoleszenz. Bd 2. Bern 1991.
GALUSKE, M.: Jugend ohne Arbeit. Das Dilemma der Jugendberufshilfe. In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, Heft 4/98, S.535 - 560.
GALUSKE, M.: Flexible Sozialpädagogik. Elemente einer Theorie Sozialer Arbeit in der modernen Arbeitsgesellschaft. Weinheim und München 2002.
GALUSKE, M.: Abkehr von der „Heiligen Kuh“! Jugendberufshilfe nach dem Ende der Vollbeschäftigungsillusion. In. Jugend Beruf Gesellschaft, 49. Jg., H. 1/1998a, S. 6 – 14.
HEINZ, W.: Status Passages as Micro-Macro Linkages in Life Course Research. In: WEYMANN, A.; HEINZ, W. (eds.): Society and Biography. Weinheim 1996, S.51 - 65.
HURRELMANN, K.: Lebensphase Jugend. Weinheim 1995. Jugendwerk der deutschen Shell (Hrsg.): Jugend ´97. Zukunftsperspektiven, Gesellschaftliches Engagement, Politische Orientierungen. Opladen 1997.
KOHLI, M.: Die Institutionalisierung des Lebenslaufes. Historische Befunde und theoretische Argumente, In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 37 1985, S. 1 - 29.
KRAFELD, F. J.: Die überflüssige Jugend der Arbeitsgesellschaft. Eine Herausforderung an die Pädagogik. Opladen 2000.
MAROTZKI, W.: Qualitative Biographieforschung. In: FLICK, U./KARDORFF, E.v./STEINKE, I. (Hrsg.): Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Reinbeck bei Hamburg 2000, S.175 - 186.
MUTZ, G.: Der souveräne Arbeitsgestalter in der zivilen Arbeitsgesellschaft. Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift „Das Parlament“ mit der Beilage „Aus Politik und Zeitgeschichte“. Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 20.5.2002.
OSTERLAND, M.: „Normalbiographie“ und „Normalarbeitsverhältnis“. In: BERGER, P.A. (Hg.): Lebenslagen, Lebensläufe, Lebensstile. Göttingen 1990, S. 351 - 361.
OEHME, A.: „Kompetenzentwicklung, Aneignung, Bewältigung. Universität Hildesheim 2006.
STAUBER, B./WALTHER, A.: Junge Erwachsene. In: SCHRÖER, W./STRUCK, N./WOLFF, M. (Hrsg.): Handbuch Kinder- und Jugendhilfe. Weinheim und München 2002, S.113 - 143.
WAHLER, P./TULLY, C. J./PREISZ, C.: Jugendliche in neuen Lebenswelten. Selbstorganisierte Bildung jenseits institutioneller Qualifizierung. Wiesbaden 2004.

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