Die Arbeit der Philosophie - Das Phänomen Arbeit im Spiegel einflussreicher Philosophen (Vorlesung, Füllsack, 2007): Unterschied zwischen den Versionen

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Marx formuliert im Kapital eine Ökonomie. Geht man von der Ökologie als Lehre von Input und Outputs aus, von einer Lehre, die erklärt, wie Werte entstehen, dann ist Marxsche Theorie keine Ökonomielehre. Schließlich, so Reiter pointiert, ist es ja auch eine Kritik an der Ökonomie.
 
Marx formuliert im Kapital eine Ökonomie. Geht man von der Ökologie als Lehre von Input und Outputs aus, von einer Lehre, die erklärt, wie Werte entstehen, dann ist Marxsche Theorie keine Ökonomielehre. Schließlich, so Reiter pointiert, ist es ja auch eine Kritik an der Ökonomie.

Version vom 18. Juni 2007, 17:34 Uhr

Organisatorisches (Wann, Wo, Prüfung...) zur Vorlesung


Die herkömmliche Arbeitswelt ist in Auflösung begriffen. Oder, weniger drastisch formuliert, der Begriff Arbeit hat sich spätestens im Zuge der Etablierung der modernen, polykontexturalen Gesellschaft(en) gewandelt. Diese Vorlesung wird sich mit dem Begriff der Arbeit beschäftigen, mit der Geschichte des Nachdenkens; nicht enorm personenbezogen, sondern mehr in Hinblick auf die dahinter liegenden Themen. Ursprünglich aus dem Gemeingermanischen stammend, synonym für "schwere, körperliche Arbeit, Mühsal und Plage", erfährt der Begriff der Arbeit heute folgende Unterteilungen: "Die Vorlesung wird im klassischen Doppelsinn des Titels zum einen jene Auffassungen von Arbeit zum Thema haben, die in der europäischen Geschichte von einflussreichen Denkern vertreten wurden. Und zum anderen, und damit verwoben, wird sie auch die Arbeit der Philosophie selbst thematisieren, ihre Bedeutung und 'Unverzichtbarkeit' etwa für jene sozialen 'Problemlösungsaktivitäten', die - nicht zuletzt auch mit Hilfe der Philosophie - als Arbeit 'zugeschrieben' werden." ("Die Arbeit der Philosophie", Homepage Manfred Füllsack)

Arbeit

Der Duden definiert Arbeit als "Tätigkeit mit einzelnen Verrichtungen, Ausführung eines Auftrags o. Ä.". Der Output der Arbeit wird gegenüber dem Input und den Investitionen, die für die Arbeit benötigt wurden, bilanziert. Von produktiver Arbeit in wirtschaftlicher Hinsicht spricht man, wenn der Output höher als Input ist. Diese kurzen Definitionen ist jedoch nicht ausreichend, um die Problematik des Begriffs Arbeit, um den es in dieser Vorlesung auch geht, deutlich hervorzuheben.

Ziele der Arbeit

Idealtypisch sollte Arbeit immer darauf abzielen, Knappheiten zu beseitigen (Nahrungsmittel, Geld, philosophischen Texten, Überlegungen, etc) ohne neue Knappheiten zu schaffen. Diese Knappheiten sind jedoch stets vom subjektiven Standpunkt abhängig -sie werden nur von bestimmten Beobachtern als relevant wahrgenommen. Wo tatsächlich Arbeitsnotwendigkeit herrscht, wird zudem durch die VOR-Arbeit determiniert. Als weiteres Problem ist die Sichtweise anzuführen, Arbeit sei etwas Stehendes, Festes, Unveränderliches. Obwohl Arbeit Knappheiten beseitigt, setzt sie dennoch auch Prozesse in Gang, die neue Knappheiten schaffen (oder, um den vorhergegangen Gedanken konsequent weiterzudenken: neue Knappheiten als relevant wahrnehmen lassen). Arbeit gerät deshalb in Bewegung, weil sie versucht, feststehend zu sein, in einer bestimmten Form stehen zu bleiben. Um arbeiten zu können, bedarf es immer eines Rahmens, innerhalb dessen Arbeit idealtypischerweise stattfinden kann. Durch Schaffung dieses Rahmens wird die Arbeit aber verändert.

Abgrenzung von Arbeit gegen Freizeit und daraus resultierende Probleme

Aus einer herkömmlichen Perspektive betrachtet ist Arbeit durch die Rahmenbedingungen immer zeitlich reglementiert, zumeist auch örtlich abgegrenzt. Diese klassische Sicht verleitet dazu, eine scharfe Grenze zu ziehen, die in allerdings in der gegenwärtigen Gesellschaft sehr diffus ist. Zusammenhänge zwischen Arbeit und Freizeit scheinen sich zu vermischen, eine klare Trennung ist nicht mehr aufrechtzuerhalten. Dieses Problem ergibt sich als eine Folge der anhaltenden Industrialisierung und der damit verbundenen Rationalisierung und Mechanisierung gerade im Produktionsbereich sowei der zusätzlichen örtlichen Unabhängigkeit geschaffen durch moderne Kommunikationsnetze und Informationsnetze wie z.B. das Internet. Folgendes Beispiel dient zur Verdeutlichung:

Beispiel:
Auf der mexikanischen Seite zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko wurde eine Firma errichtet, in der mexikanische Jugendliche möglichst oft und lange (möglicherweise gegen kleine Bezahlung) auf Computern spielen sollen, sodass die Firma die von ihnen erspielten Accounts für Onlinespiele dann gewinnbringend verkaufen kann, weil viele User das betroffene Spiel gleich mit höheren Levels beginnen möchten. Der Verkauf dieser Gadgets (z.B. bei Ebay) bringt beträchtlichen Gewinn in sogar 3- bis 4-stelligen Eurosummen.
Erklärung:
Es stellt sich nun die Frage warum Käufer bereit sind, derart immense Summen für solche Accounts zu bezahlen. Tatsache ist, dass Käufer dieser Summe nicht für einen Account im herkömmlichen Sinne bezahlen (den sie auch selbst gratis erstellen könnten), sondern für die von Spielern aufgewendete Zeit, die nötig ist, um einen solchen Account zu erspielen. Sie bezahlen nun ihrerseits für die Einsparung der eigenen Zeit durch Fremdarbeit. Für den Käufer ergibt sich dadurch die Möglichkeit, selbst in der Zeit in welcher ein "Spieler" für ihn spielt arbeiten zu gehen und dahingehend Gewinn zu machen, dass er mehr verdient, als ihn der Account schlussendlich kostet. Insofern hat der Käufer einen Gewinn gemacht! Auf der anderen Seite hat der Spieler die Möglichkeit bekommen, seine Freizeitbeschäftigung, das Spielen, bezahlt zu bekommen, um sich so Zeit außerhalb dieser Tätigkeit zu sparen. Er muss im klassischen Sinne weniger "arbeiten" gehen!

Dieses Beispiel zeigt, mehr als nur deutlich, wie sehr jene Grenzen verschwimmen. Die Frage, ob es sich hierbei um Arbeit im klassischen Sinne handelt, bleibt allerdings ungeklärt, zumal kein realer Output erzielt wird. Ziel dieser Arbeit ist Geld im Tausch ohne reales Gegenprodukt zu machen. Ein Spielstand ist nicht viel mehr als ein Datenbankeintrag am jeweiligen Server und kann so bei Klassifizierung als reales Produkt zu Problemen führen. Das Beispiel verdeutlicht aber noch eine Problematik: Die mexikanischen Jugendlichen werden für das Spielen in ihrer Freizeit mit geringen Beträgen entlohnt. Diese Entlohnung steht aber in keinem Verhältnis zu den Gewinnen, die die Betreiber der Firma mit dem Verkauf der Spielstände erzielen; man kann also aus klassischer Sicht von einer Ausbeutung sprechen. Diese Ausbeutung passiert jedoch auf eine versteckte, perfide Art, da die Spieler -- sich dem Wert ihrer Spielstände nicht bewusst -- es als Gewinn ansehen, für ihre Tätigkeit an sich bezahlt zu werden. Sollte jedoch ein Kind den Tauschwert der Spielstände erkennen und eine höhere Entlohnung fordern, stehen weitere als "Reservearmee" für die Firma zur Verfügung, die für den niedrigen Lohn diese "Spielarbeit" übernehmen. Diese Tatsache, die Parallelen zur Industrialisierung aufweist, bereitet den Rahmenbedingungen klassischer Arbeit, mit denen immer noch operiert wird, immense Probleme.

Von jenem Umstand lebt ein weiteres Unternehmen, welches das Spiel Second Life entwickelt hat; ein Spiel, welches die gleichzeitige Erschaffung einer virtuellen Welt darstellt. Durch die Einführung der virtuellen Währung Lindendollar, die man aber sowohl in als auch für reale Währungen eintauschen kann, kann nunmehr von einem, nicht zu unterschätzenden, Wirtschaftszweig gesprochen werden. - Die schwedische Botschaft baut eine virtuelle Botschaft, Adidas errichtet eine virtuelle Filiale, in der man seinen Charakter gegen Lindendollar mit Gewand ausstatten kann, dessen Errichtung mehr kostet als die einer realen Adidas-Filiale in München, um nur zwei Beispiele zu nennen. Durch den Bau von Sehenswürdigkeiten auf zuvor gekauften Gebieten werden Attraktoren geschaffen, die den virtuellen Grund und Boden teurer werden lassen und zu Grundstücksspekulationen führen. Mittlerweile gibt es schon reale Unternehmen, die helfen, sich in dieser zweiten, virtuellen Welt optimal zu repräsentieren.

Voraussetzungen für Arbeit

Arbeit kann nur unter bestimmten Voraussetzungen stattfinden. Folgende Produktionsfaktoren sind als Prämisse relevant:

- Grund & Ressourcen
- Arbeitswissen bzw. Wissen
- Arbeitskraft bzw. Leistung

Jene drei Faktoren müssen, damit Arbeit stattfinden kann, festgelegt werden und stellen unter anderem die Rahmenbedingungen der Arbeit dar. Sie sollten so festgelegt werden, dass die aus der Arbeit enstehenden Outputs größer sind als die investierten Inputs (produktive Arbeit). Die so gewonnenen Inputs (Überschüsse, Gewinne, usw.) können dann erneut in den Arbeitsprozess einfließen oder/und auch zur Verbesserung der Rahmenbedingungen eingesetzt werden. (=Rekursivität der Inputs)

Wissen als Produkt & Produktionsfaktor

Im Gegensatz zu anderen Produkten bzw. Gütern besitzt Wissen einige besondere Eigenschaften. Eine davon ist, dass das Wissen bei Weitergabe seinen Wert zwar verändert, aber dennoch nicht als Eigentum an einen anderen weitergegeben wird und auch nicht weitergegeben werden kann. Man verliert Wissen (im Gegensatz zu Gütern) bei Weitergabe nicht (Wert kann natürlich verloren gehen => Patente). Es ist auch nicht möglich die Perspektive, unter der Wissen geschaffen wurde, als solche vollständig weiterzugeben. Dies ergibt sich daraus, dass Wissen durch einen Arbeitsprozess gewonnen wird, welcher wiederum zumindest teilweise durchlaufen werden muss, um das Wissen weiter prozessieren zu können (Problem von Bereichen relativer Eigenständigkeit). Eine weitere besondere Eigenschaft von Wissen, die sich durch die verbesserten Archivierungsmöglichkeiten, sei es in Form von Büchern bis hin zu Datenbanken ergibt, ist die nahzu unbegrenzte Haltbarkeit von Wissen.

Spiel als Kredit und Übung

Das Spiel wurde lange Zeit scharf von der Arbeit abgegrenzt, da es sich bei dem Spiel um eine zwecklose Tätigkeit handelt. Im Griechischen ist Spiel ursprünglich die Praxis der Tätigkeit, die in sich selbst ihren Zweck findet. Charakteristisch für das Spiel sind seine Freiheit von Zwang, die Nicht-Zielgerichtetheit, die Zweckfreiheit sowie das Als-ob, das mehr oder weniger Konsequenzfreiheit garantiert. Zudem findet das Spiel zumeist in der Freizeit statt. Schiller grenzt noch schärfer ab, sieht im Spiel jene Tätigkeit, bei der der Mensch erst wahrhaft frei sein kann, weil er im Spiel zweckfrei handelt, keinen niederen, zielgerichteten Zwecken nachjagt, sondern einzig um der Sache willen damit beschäftigt ist. "Der Mensch soll mit der Schönheit nur spielen, er soll nur mit der Schönheit spielen. […] der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt." Auch moderne Definitionen heben diese Zweckfreiheit heraus.

Tatsächlich ist diese Definition verkürzt, das Spiel ist letztendlich nicht zweckfrei: Kinder lernen im Spiel, testen beim Spielen ihre Fähigkeiten, ihre Grenzen aus. Evolutionär betrachtet ist die Phase des Spiels ein Vorschuss, ein Kredit in die eigene Zukunft, da das in dieser Phase Konsumierte nicht "erarbeitet" wird/werden kann. Aktuell scheinen sich die Bereiche Arbeit und Spiel wieder zu vermischen. So richten beispielsweise moderne Firmen im Arbeitsablauf Spielräume ein (z.B. Volleyball-Court etc.), um bei der tatsächlichen Arbeit dadurch eine höhere Kreativität zu erreichen. Es kommt also zu einer Instrumentalisierung des Spiels zur Leistungsoptimierung. Die zuvor so klare Grenze zwischen Arbeit und Spiel verschwimmt zunehmend.

(Am Rande sei erwähnt, dass dadurch ein weiteres Problem auftritt: Die klassische anthropologische Grenze zwischen Mensch und Tier verschwimmt, nahm man bisher an, dass nur Menschen und Menschenaffen Werkzeuge benutzen können, zum Spielen fähig sind. Beobachtungen haben gezeigt, dass z.B. Rabenvögel durchaus auch in der Lage sind, im Spiel ihre Grenzen auszuloten. Es wurden Krähen beobachet, die mittels spielerischer Tätigkeit das Reaktionsvermögen anderer Tiere austesteten -vermutlich um davon im Ernstfall zu profitieren)

Problem der Rahmenbedingungen von Arbeit

Rahmenbedingungen sind nötig, damit Arbeit stattfinden kann. Durch dieses Verschwimmen von Arbeit und Freizeit ergibt sich aber auch eine Verschmelzung der Rahmenbedingungen jener beiden Begriffe. Es werden nun dahingehend ethische und rechtliche Fragen aufgeworfen, inwieweit eine Abgrenzung zwischen Arbeit und Freizeit überhaupt noch stattfinden kann. Geht der oben genannte Spieler nun einer Arbeit oder einem Freizeitvergnügen nach, für welches er von einem Käufer bezahlt wird?

Arbeit bedingt Vorleistung

Selbst grundlegende Berufsarten sind bei ihrer Ausübung auf Vorleistungen angewiesen. Selbst durch die Elementarfassung von Berufen werden neue Arten von Berufen notwendig die erzwingen, das Konzept (bzw. die Rahmenbedingungen) zu verändern. So hat auch schon die Elementarform der Polis (=Stadtstaat) neue Arbeiten bedingt, die ihrerseits wieder neue Problemsichten aufwarfen, die eine Veränderung des Rahmenkonzepts bedingen etc. In Folge dessen entsteht innerhalb kürzester Zeit große Heterogenität. Anzuführen ist hier auch der zunehmend einsetzende Arm/Reich-Konflikt, der durch die, von Vorleistungen neu determinierte, Problemsicht entstand.

Das Mehr-Wollen, das Sich-nicht-zufrieden-geben, ist also der Grund für die Veränderung der Gesellschaften und dadurch zugleich Triebfeder wie auch Auslöser von Spezialisierung und Fortschritt. Um auf das Beispiel der üppigen Polis zurückzukommen: Durch die Wichtigkeit der Kulturarbeiten werden neue Berufsgruppen wie Hauslehrer, Wirte, Tischler, etc. benötigt. Durch diese Spezialisierung kommt es zu einer Bevölkerungszunahme, weshalb nicht mehr alle Bedürfnisse innerhalb der Polis gestillt werden können –- der Handel kommt ins Spiel.

Produktive Arbeit erfordert Grundbesitz

Mit steigender Effektivität und Produktivität verschärfen sich ebenso die Rahmenbedingungen der Arbeit. Die erste Rahmenbedingung die es zu klären gilt wenn Arbeit systematisiert wird, ist die Frage des Grundbesitzes. Besonders sichtbar wird dies bei sogenannten "scarce resources". Dazu folgendes Beispiel:

Beispiel:
Man stelle sich eine Urgesellschaft vor, welcher ein Überfluss an Wild in seiner Umgebung zur Verfügung steht. Durch einen plötzlichen Klimawandel reduziert sich jedoch der Bestand drastisch. Folglich ist jene Urgesellschaft gezwungen Vieh zu halten, um alle ihre Mitgesellschafter hinreichend versorgen zu können. Um nun eine effektive Viehhaltung zu gewährliesten, wird es notwendig, einen Ort festzulegen, auf dem der nötige Nahrungsmittelnachschub für das Vieh geschaffen werden kann.

Eigentumsordnung

Die, durch die Neolithische Revolution bedingte, Sesshaftwerdung des Menschen hatte gleichsam eine grundlegende Änderung der Eigentumsverhältnisse zur Folge. Bestimmte Gebiete waren fortan einer größeren Konkurrenz innerhalb der Jäger- und Sammlergesellschaften ausgesetzt, wodurch eine neue Strukturierung bzw. Abgrenzung des Wirkungskreises derselben notwendig wurde. Künftig war nur mehr Zugang zu einem weitaus begrenzteren Gebiet gegeben - z.B. dem innerhalb eines Tagesmarsches erreichbaren. Reichhaltige Viehbestände, welche als Nahrungsquelle herangezogen worden waren, waren demnnach einer stärkeren Bejagung ausgesetzt, wurden beständig dezimiert. So wurde eine Eigentumsverordnung notwendig, ein Kovolut an Regeln, um dieser Verknappung der Ressourcen zu begegenen. Beispielgebend dafür ist die geplante Aufzucht von Viehbeständen. Gemäß dieses Zusammenhangs wird die Eigentumsverordnung zur Arbeitsvoraussetzung. Langfristig betrachtet stellt daher die Arbeit den Umgang mit Knappheit dar.

Eigentumszurechnung ist fundamental mit Knappheitswahrnehmung verbunden. Sinngemäß ist Eigentum ein unnormativer Umgang mit knappen Ressourcen, um diese langfristig zu sichern. Solange die Knappheit von Ressourcen nicht existent war bzw. nicht wahrgenommen wurde, gab es keine Notwendigkeit für eine Eigentumsordnung: Es war für alle ausreichend vorhanden. In einer Situation, in der nicht mehr für alle hinreichend vorhanden ist, ist es jedoch notwendig, knappe Ressourcen als Eigentum zuzurechnen. Es geht darum, mit knappen Ressourcen zurande zu kommen. Zwar ist Arbeit auch immer die Bearbeitung bzw. der Versuch der Behebung von Knappheit, um aber überhaupt arbeiten zu können, muss jedoch ein Modus gefunden werden, um im Hier-und-Jetzt mit Knappheiten umzugehen. (An dieser Stelle ist es sinnvoll, eine zeitliche Differenzierung zu treffen: Das Zurandekommen mit Knappheit in der Gegenwart bedingt eine Eigentumszuweisung, jenes in der Zukunft Arbeit.) Eigentumszurechnung ist also eine Arbeitsvoraussetzung. Der Mensch könnte sich gar nicht daranmachen, Knappheiten in der Zukunft, "in the long run", zu beseitigen, wenn er nicht in der Gegenwart eine Eigentumszuweisung hätte. Diese muss aber im Diesseits nicht gerecht sein, sie muss lediglich einen Weg finden, mit den Knappheiten so umzugehen, dass die Kräfte produktiv und ohne gleich in Konflikt zu treten im Sinne der Arbeit eingesetzt werden können.

Eine derartige Eigentumsordnung schafft allerdings auch eine Reihe von Gerechtigkeitsproblematiken.

Gerechtigkeitsproblematik & Gleichheitsproblematik

Eigentum ist also nötig, wo Ressourcen knapp werden. Mit der Zurechnung von Ressourcen zu einzelnen Personen wird die Weiterarbeit (mit dem Ziel, die Knappheiten zu beseitigen) ermöglicht. Es entsteht aber, da nicht gesagt ist, dass das Eigentum gleich verteilt sein muss, eine neue Problematik: Die Gerechtigkeitsproblematik & Gleichheitsproblematik. Eine Eigentumsordnung mit einer uns sehr vertrauten Ethik stellt die Bibel bzw. das in ihr dargestellte Weltbild dar. Es vermittelt einen Moralkodex, eine Ethik, die einer Landwirtschaft treibenden Gesellschaft zugrunde liegt, die diese benötigt, um in relevantem Sinne überhaupt arbeiten zu können. Sie stellt gewissermaßen den normativen Rahmen -- eine grundlegende Ermöglichungsbedingung für Arbeit -– bereit. Aber auch in der christlichen Debatte ging bzw. geht es zunächst nicht um eine gerechte Verteilung des Eigentums. Der Zustand des Arm- und Reich-Seins soll nicht verändert werden, vielmehr geht es der christlichen Religion darum, diese bestehende Eigentumsordnung und die damit ermöglichte Arbeit aufrecht zu erhalten. Als Ausgleich für die irdischen Leiden gelangen die Armen auf direktem Wege in den Himmel, die Reichen müssen Almosen bringen und sich um die Armen kümmern. Irdisches Glück wird himmlischem Endzweck entgegengesetzt. Dies funktioniert natürlich nur solange es eine funktionierende kirchliche Ordnung gibt. Mit dem Rückgang des Einflusses der Religionen kamen auch wieder zunehmend Gerechtigkeitstheorien in den Blickpunkt des Diskurses.

Dabei wirft die Frage nach dem Naturrecht ein fundamentales Problem auf. Sind die Naturrechte so beschaffen das sie dem stärksten das Recht zur Bestimmung und Unterdrückung anderer Individuen einräumen (=> Recht des Stärkeren) und wenn ja wie weit muss dieses der Gemeinnützigkeit dienen? Oder befindet sich vor diesem Recht so etwas wie ein angeborenes Recht auf persönliche Freiheit, das Recht zu Leben und das Recht auf körperliche Unversehrtheit? (=> in Folge die Menschenrechte) Denn die daraus resultierende hypothetische Annahme einer Vertragstheorie bzw. eines Gesellschaftsvertrages zeigt sehr deutlich das dadurch die Rahmenbedingungen grundlegend anders gestaltet werden und sich demnach sehr verschieden weiterentwickeln. (=> verschiedene Gesellschaftssysteme und Wirtschaftssysteme)

Veränderungen innerhalb der Arbeit

Jede produktive Arbeit bedarf, um effektiv ausgeführt werden zu können, einer Planung bzw. Vorgabe. Zusammengefasst kann auch hier vom Begriff der Rahmenbedingungen der Arbeit gesprochen werden. Diese Rahmenbedingungen setzen den Verlauf bzw. Ablauf der Arbeit eindeutig fest. Um nun innerhalb dieser Arbeit, weiter die Produktivität und Effizienz erhöhen zu können bedarf es einer bestimmten Weiterentwicklung des Arbeitsprozesses. Dies kann zum Beispiel durch eine Weiterentwicklung von Maschinen und Werkzeugen geschehen. Diese weiterentwickelten Maschinen und Werkzeuge wirken aber wiederum zurück auf die Rahmenbedingungen der Arbeit. Folgendes Beispiel soll dies verdeutlichen:

Beispiel:
Man stelle sich einen Arbeiter vor, der täglich den Arbeitsverlauf des Bauens eines Kastens mit Hammer und Nägel ausführt und so 5 Kästen pro Tag produzieren kann. Um sich die Arbeit zu erleichtern, entwickelt jener Arbeiter eine Nagelpistole und kann infolgedessen nicht nur mit weniger Anstrengung, sondern auch mit wesentlich mehr Effektivität (10 Kästen mehr pro Tag) produzieren. Allerdings benötigt jener nun nebst der Nägel auch noch Strom für seine Nagelpistole.

Folglich verursachen Werkzeuge sogenannte "path dependences" (Arbeitsrichtungen, Pfadabhängigkeiten). Eine Veränderung dieser Werkzeuge führt ebenso zu einer Veränderung der Arbeitsrichtung oder zumindest deren Rahmenbedingungen. Im Kleinen verändern sich wie im obigen Beispiel nur die zu besorgenden Materialien. Vergleicht man allerdings die landwirschaftlichen Bedingungen vor über 50 Jahren mit den heutigen, so wird sichtbar, wie sehr sich landwirtschaftliche Arbeit und ihre Rahmenbedingungen durch Summierung solcher Veränderungen gewandelt hat. In der Theorie bedeutet dies, dass Pfadabhängigkeiten die Arbeitsprozesse in eine bestimmte Richtung lenken; sie bedingen Wahrscheinlichkeiten für spätere Arbeitsformen. Dadurch werden zukünftige Arbeitsprozesse (oder z.B. die Ausbildung von Arbeitskräften) allerdings auch an diesen Pfaden ausgerichtet, was den Effekt der Pfadabhängigkeiten weiter verstärkt: Es wird in Zukunft noch schwieriger, diese Arbeitsrichtung durch eine grundlegend andere zu ersetzen. Ein bekanntes Beispiel für eine Pfadabhängigkeit ist das QWERTY-Phänomen.

Arbeit als soziale Differenzierung

Arbeit leitet aber auch soziale Differenzierung in die Wege, gerade weil sie von uns Menschen recht effektiv verrichtet werden kann; so eine These der Vorlesung. Wenn wir nicht so effektiv arbeiten könnten, hätten wir nicht jene Probleme, die die Spezifizierung der Arbeit mit sich bringt. Arbeit stellt immer Mühe, Energieverausgabung, Last dar (lavorare von ursprünglich "schwanken unter einer Last"), andererseits bringt sie auch bleibende Werte und Werke (von ergon) hervor.

Ziel der Arbeit ist es, bleibende Werte zu erzeugen, die nicht sofort konsumiert werden müssen, um unsere Arbeit am Laufen zu halten (Konsumverzicht). Nur ein Teil der produzierten Produkte wird konsumiert, der andere Teil steht zur Verfügung, um darauf aufbauend neue Arbeiten zu bewältigen. Dies impliziert, dass wir unsere Welt, so wie sie von uns wahrgenommen wird, durch Arbeit konstruieren. Durch neue, weiterführende, Arbeitsschritte wird die Welt verändert und somit definiert, was in dieser neuen Welt als neue Arbeit ansteht. Da Arbeiten wegen unterschiedlichen Bedingungen (sozial, ökonomisch etc.) nicht alle im gleichen Ausmaß effektiv sind, entwickeln sich soziale Unterschiede.

Wesentlich erscheint auch die Auswirkung der Arbeit auf die Evolution als solche. Eine sukzessive Einschränkung des Möglichkeitsraums der Evolution durch die Arbeitserrungenschaften steht fest.

Arbeit bei Marx

(Gastvortrag Karl Reiter)

Marx formuliert im Kapital eine Ökonomie. Geht man von der Ökologie als Lehre von Input und Outputs aus, von einer Lehre, die erklärt, wie Werte entstehen, dann ist Marxsche Theorie keine Ökonomielehre. Schließlich, so Reiter pointiert, ist es ja auch eine Kritik an der Ökonomie. Die erste kritische Pointe bei Marx ist die Dingeigenschaft, die scheinbare Eigenschaft, dass Waren Wert haben, die Verhältnisse von Dingen und Personen. Daraus entwickelt Marx ein Spannungsverhältnis zwischen allgemeinen möglichen Verhältnissen an der spezifischen kapitalistischen Form. Die Werttheorie hat daher den Anspruch, die Verhältnisse horizontal an der kapitalistischen Form darzustellen, auf den reinen Begriff des Wertbegriff reduziert.

Die Grundstruktur des Wertbegriffes ist auf der Oberfläche der Zirkulation der kapitalistischen Produktionsweise zu finden, den Doppelcharakter der Arbeit und des Werts: Jede Ware hat einen Gebrauchswert (Nützlichkeit eines Dings, sind mannigfaltig und haben eigentlich nichts gemein), der für jede Gesellschaft gilt, sowie der Tausch(-Wert), der nur in kapitalistischen Gesellschaften zu finden ist. Diesen rezitiert man normalerweise auf die Quantität, es existieren aber auch noch Dimensionen der Qualität sowie der Form. Die Qualität des Werts wird durch die abstrakte Arbeit definiert. Ob sich die Arbeit abstrahiert, hängt von einer Gesellschaft ab. Der Tausch bestimmt sich durch die Angehäuftheit der abstrakten Arbeit. Quantität ergibt sich aus der gesellschaftlich durchschnittlichen Arbeitszeit, die für die Erzeugung benötigt wird. Die Entwicklung der Produktivkraft senkt die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit. Bei Marx gibt es doppelte Bestimmung der durchschnittlichen Arbeitszeit: Durch die technische Seite und durch die gesellschaftliche zahlungsfähige Nachfrage (diese doppelte Bestimmung wird als Wertgesetz bezeichnet). Eine Ware kann an sich selbst nicht zeigen, was sie ist, sie kann es erst im Tausch, in der Relation zur anderen Ware zeigen. Dies schlägt sich in folgender Formel nieder:

x Ware a = y Ware b

Die erste Verdopplung der Form der Ware in Geld

Wie entsteht der Wert der Ware? Wenn wir produzieren, verwenden wir Rohstoffe, Hilfsstoffe, Maschinerie, etc. Darin steckt auch die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit.

Ein Beispiel:
20 c (Rohstoff) + 8 Stunden = 28 Stunden
Diese 28 Stunden können natürlich wieder rückgetauscht werden, z.B. werden 8 Stunden werden konsumiert, die restlichen 20 Stunden können wieder in Rohstoffe investiert werden.

Wie kann aber nun unter der Voraussetzung, dass es äquivalenten Tausch gibt, Kapital Mehrwert produzieren? Die menschliche Arbeitskraft geht in die Summe der Waren und Dienstleistungen auf, um eine Arbeitskraft zu reproduzieren. Nehmen wir wieder das oben genannte Beispiel:

20 (Rohstoffe) + 4 variable (Arbeitskraft) + 4 Mehrwert = 28 Stunden
Die Arbeitskraft arbeitet 8 Stunden, dadurch wird der Mehrwert erzielt, weil Schuhe für 28 Stunden produziert werden, aber nur 24 Stunden investiert werden, dh. 4 Stunden Mehrwert werden erzielt.

Dadurch ergibt sich folgende Formel des Warenwerts:

c + v + m = Warenwert

Der Begriff der Ausbeutung entsteht, indem man den Arbeitskraftwert senkt, was wiederum den Mehrwert zum Steigen bringt.

Der Begriff des Proletariats entwickelt sich aus der Zirkulation w – G – w (Ware – Geld – Ware, gleichzusetzen mit Gebrauchswert – Tauschwert – Gebrauchswert). Die Kapitalzirkulation hingegen fügt diesem Zirkel noch ein weiteres Glied Geld hinzu, das den Mehrwert bereits enthält, Geld steht sowohl am Anfang als auch am Ende des Verhältnisses.

Der Begriff Proletariat ist also ein Relationsbegriff, er stellt eine soziale Beziehung zwischen zwei Polen dar: Das Kapital als reiner Tauschwert, dem die Arbeitskraft gegenübergestellt ist. Der reine Gebrauchswert wird somit als reine Verwertung der Potentialität der Arbeitskraft genommen. Bei einem Tausch kann man daher nicht erkennen, ob eine reine Zirkulation oder eine kapitalistische Zirkulation im Spiel ist.

Ein pfiffiger Kapitalist kann nun durch eine Erfindung eine Arbeitskraft entlassen, er macht somit einen weiteren Extrawert, wie die folgende Rechnung zeigt:

10 c + 8 v + 8 m = 26 (8 v = 2 x 4 v)
10 c + 4 v + 12 m = 26 (es wird aufgrund der Erfindung nur mehr 1 Arbeiter benötigt: 1 x 4 v)

Profitausgleich

Profit errechnet sich also durch Mehrwert dividiert durch Rohstoff und Arbeitskraft, Mehrwert wird am Kapital als auch der Arbeitskraft gemessen.

p = m / (c + v)

Zwei weitere Beispiele sollen den folgenden Begriff des Profitausgleichs verdeutlichen. Bei diesem Beispiel liegt das primäre Blickfeld auf der Profitrate, die durch den Profitausgleich in der Folge angeglichen werden. Vorweg sei gesagt, dass das zweite Beispiel realistischer erscheint, da sich der Wert v ungefähr mit dem Wert m deckt.

80 c + 20 v + 20 m = 20% p
20 c + 80 v + 80 m = 80% p

Theoretisch haben die beiden Unternehmer der oben genannten Beispiele unterschiedlich hohe Profitraten. Empirisch zeigt sich, dass die Profitraten jedoch ausgeglichen werden, beide oben genannten Beispiele machen ungefähr 50% Profit. Jene Mechanismen, die zu Profit und Mehrwert führen, sind völlig ausgelöscht und zeigen sich in der Realität anders.

Begriff der produktiven Arbeit

Das Attribut produktiv im Begriff der produktiven Arbeit wird positiv konnotiert, in der Definition ist produktive Arbeit jene Arbeit, die Kapital (ein gesellschaftliches Verhältnis) produziert. Deshalb gehört sie laut Marx abgeschafft, denn das eigentliche Resultat der Arbeit im Kapitalismus ist die Reproduktion des gesellschaftlichen Verhältnisses.

Bei der Formel c + v + m = w sind zwei Zeitverhältnisse bei v und m im Spiel. V ist die notwendige Arbeit, da wir uns produzieren und reproduzieren müssen. Die Mehrarbeit ist die aufgezwungene Arbeit, die das Kapital als Profit lukriert, ins Kapital investiert und sich weiter vermehrt. Die Hoffnung von Marx beruht auf der Spannung zwischen v und m, die so groß werden sollte, dass der Kapitalismus sich selbst erledigt.

Unterschied flüssiges und fixes Kapital

Eine weitere Unterscheidung betrifft das flüssige bzw. fixe Kapital. Fixes Kapital ist z.B. in Gütern, Maschinerie usw. angelegt. Dieses fxe Kapital gibt seinen Wert nur sukzessive ab, zwingt aufgrund der Auslastung zu einer Mindeststückanzahl, diese ergibt eine Produktions- und Mindestlogik. Diese Schere wurde im Fordismus evident: Entweder lastet man die Produktionsanlage aus, hat eine Mindeststückanzahl, die man nicht verkaufen kann, oder man verringert das fixe Kapital. Im Post-Fordismus versuchen Firmen, ihre Produktion auszulagern (Nike hat keine eigene Schuhfabrik, in Kambodscha vergeben sogar beauftragte Firmen die Aufträge erneut), um weniger fixes Kapital gebunden zu haben.