Denkökonomie

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Anstelle der Erklärung durch platonische Prototypen und eine Achse Denken-Sein ist die sprachanalytische Darstellung der paradigmatischen Funktion ausgewählter Lernsituationen vorgestellt worden. Trademarks als institutionalisierte Erkennungszeichen wirken als Blickfang und juridische Vorkehrung. Im einen Fall sind sie gewohnheitsmäßig abgestützte Signale, im anderen Protobegriffe, d.h. Symbole, deren Anwendung dem Urteil unterliegt. Die Steuerung kann gelingen, das Urteil kann zutreffen, Begriffsbewegungen sind aber nicht ein für allemal verbürgt. Sie unterscheiden sich von Markierungen durch das Zusammenwirken zwischen Definition und Ausfransen. Diese Besonderheit erlaubt es ihnen, einen Bogen über die halb-instinktive Verwirklichung von Kompetenzen und den Disput über Sachthemen zu spannen, der einem starken Begriff von Wissen zugrund liegt.

Rudolf Carnap hat für diese Duplizität terminologisch den Unterschied zwischen internen und externen Fragen geprägt1 . Eine wohldefinierte Projektbeschreibung gestattet die geregelte Behandlung von Unklarheiten und offenen Problemen. Diese Beschreibung selbst ist (zweitens) nicht auf dieselbe Weise kontrollierbar. Entscheidungen für einen Rahmen gehorchen anderen Regeln, als solche innerhalb des Rahmens. Diese definieren eine Sache, jene definieren Nebensachen, d.h. Bezugspunkte ausserhalb des gewählten Themas. Anhand dieser Terminologie ist in der ersten Hälfte des 20. Jahrhnderts eine einflußreiche Debatte über Wahrheit und Praktibilität – um nicht zu sagen Wirtschaftlichkeit – geführt worden. Carnap selbst hat an beiden Fragetypen festgehalten, wie es auch den Überlegungen der vorigen Abschnitte entspricht. Dagegen argumentierte W.v.O. Quine in einer berühmten Intervention, dass sich die Linie nicht hinreichend deutlich ziehen läßt. Für die eine Partei ist es ein Verstoß gegen das Markenrecht, für die andere ihr Firmenzeichen. Das heißt, die Philosophie ist auch nicht klüger als im Beispiel das Wirtschaftsrecht. Quines Pragmatismus empfiehlt eine „ontologische Relativität“, in der die Auffassungen über die Welt sich in lokalen Kontexten nach Kriterien der Brauchbarkeit einpendeln. Damit rückt die post-platonische Theorie in die Nähe des liberalisierten Wissensbegriffs, der anfangs angesprochen wurde. Wissen ist nützliches Wissen, falsches Wissen erfüllt diese Bedingung nicht.

Eine überzeugende Replik auf Quine stammt von Donald Davidson. Ich verzichte auf die weitere Darstellung der Kontroverse und verweise abschließend auf einen Aspekt des Verhältnisses der Konfliktpole Wahrheit und Tunlichkeit. Interne Fragen, um Carnaps Bezeichnung aufzunehmen, sind nur zu klären, sofern ein konsolidiertes Umfeld zur Verfügung steht. Ein solches Umfeld aber, so haben wir gesehen, entsteht umgekehrt rund um bereits klar umrissene Verhältnisse. Die Vorgänge sind interdependent. Ein Trademark kann nur gesichert werden, weil es sich neben anderen Trademarks platziert und ihnen gewisse Symbole streitig macht. Ohne diesen zweifachen Bezug wird es als einfacher Trigger für die Wahrnehmung aufgefasst. Ähnlich verhält es sich mit Begriffen. Ihr Zutreffen auf Gegebenheiten, die Grundlage von Wissen, kann aus interner Sichtweise allein nicht zufriedenstellend beschrieben werden, als gäbe es eine universale Welt-Innenseite mit Regeln zur Behandlung jeglicher Probleme. Die Bedingung für Teilantworten ist immer, dass sie innerhalb ihrerseits problematisierbarer Weltausschnitte liegen. Relativ auf Betrachtungsweisen, aber darin eben definitiv. Die Abhängigkeit geht in beide Richtungen. Nicht nur ist Wahrheit auf die Tunlichkeit verwiesen, es würde ohne Halt im paradigmatischen Urteil auch keine Praxis, und damit auch keinen Pragmatismus, geben. Training läßt sich als die strategische Implementierung einer Blaupause beschreiben, Wissen in einem einigermaßen anspruchsvollen Sinn nicht.

In jüngster Zeit ist die ökonomische Fachliteratur auf zwei Besonderheiten aufmerksam geworden, die Wissen von anderen wirtschaftlich relevanten Gütern unterscheiden. Es ist „teilweise ausschließbar“ und „nicht-rivalisierend“. Damit ist angesprochen, dass es nur partiell privatisiert und von beliebig vielen Personen gleichzeitig verwendet werden kann. Die Intuition überrascht nicht: das macht eben den Unterschied zwischen ideellen und materiellen Faktoren aus. Ein Erstdruck kann sich im Privatbesitz befinden, der Inhalt des Romanes nicht. Die vorgelegten Überlegungen gestatten es, diese Selbstverständlichkeit zu vertiefen. Sie machen nämlich deutlicher, warum es sich mit Gedanken so verhält. „Geistige Qualitäten“ resultieren aus dem Verfahren der Begriffsbildung, das exklusiv und diskursiv zugleich sein muss. Mit anderen Worten: es braucht den Zuschnitt auf kontrollierbare Segmente ebenso, wie die Ausweitung, aus deren Warte die determinierte, gekapselte Prüfordnung ihrererseits – geprüft wird. Anders ist sie nicht zu rechtfertigen; sie rechtfertigt sich gegenüber ihrem Anderen. Wir stoßen hier auf die irreduzible soziale Verfasstheit des Wissens. Eine Idee ohne die Möglichkeit zur Rekontextualisierung wird zur „fixen Idee“ und disqualifiziert sich vom Erkenntnisprozess. „Falsches Wissen“ im Sinn von Wissen, das nicht unbestritten zur Situation passt, ist unentbehrlich. Als Wissen hat es andererseits einen Test auf seine Gültigkeit bestanden. In dieser Hinsicht macht es keinen Sinn, seine Wahrheit im selben Atemzug zurückzunehmen.


Wahrheiten, Falschheiten, Nebensächlichkeiten



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Besser Wissen (Vorlesung Hrachovec, 2006/07)</root>