Das textuelle Umfeld des "Big Typescripts" (LWBT): Unterschied zwischen den Versionen

Aus Philo Wiki
Wechseln zu:Navigation, Suche
K (add content)
K (Quellenlage, nach C. Grant Luckhardt und A.E. Maximilian: corr.)
 
(Eine dazwischenliegende Version desselben Benutzers wird nicht angezeigt)
Zeile 2: Zeile 2:
 
[[Bild:nedo.jpg|center]]
 
[[Bild:nedo.jpg|center]]
  
==== Quellenlage, nach C. Grant Luckhardt und A.E. Maximilian ====
+
==== Quellenlage, nach C. Grant Luckhardt und Maximilian A.E. Aue ====
  
 
[http://eu.wiley.com/WileyCDA/WileyTitle/productCd-1405106999.html Wily-Blackwell]
 
[http://eu.wiley.com/WileyCDA/WileyTitle/productCd-1405106999.html Wily-Blackwell]
Zeile 27: Zeile 27:
 
1937 in Anspruch nahm."
 
1937 in Anspruch nahm."
  
 +
"In einer chiffrierten Tagebucheintragung vom 23. 10. dieses Jahres (MS. 119, S. 79r) schreibt Wittgenstein:
 +
 +
:Fing an meine alte Maschinschrift anzusehen und den Weizen vom Spreu zu sondern.
 +
 +
:Schreibe jetzt nicht mehr, sondern lese nur den ganzen Tag meine Maschinschrift und mache Zeichen zu jedem Absatz. Es ist viel denken hinter diesen Bemerkungen. Aber brauchbar für ein Buch sind doch nur wenige ohne Umarbeitung, aus verschiedenen Gründen. Ich habe jetzt beinahe ein Viertel des Ganzen durchgesehen. Wenn es also glatt geht, könnte ich in ca. 6 Tagen damit fertig sein. Aber was dann? Nun, versuchen das brauchbare zu sammeln. – Freilich, das ist sehr schwer!
 +
 +
"Wahrscheinlich fand diese Sonderung des Spreus vom Weizen Ende 1937 statt und kam im ersten Teil von Manuskriptband XII (MS 116) zum Ausdruck. In die ersten 135 Seiten
 +
dieses Manuskripts ist viel von den ersten 196 Seiten des „Big Typescripts“ eingegangen. Manuskriptband XII setzt mit der ersten Bemerkung des „Big Typescripts“ ein, und es folgen dann – mehr oder weniger in der Reihenfolge des „Big Typescripts“ – viele weitere,  oft wörtlich übernommene Bemerkungen. Einige wurden freilich geändert und es kam auch neues Material hinzu."
 +
 +
"Manuskriptband XII ist allerdings nur einer von drei Versuchen, in neuen Manuskripten am Material aus dem „Big Typescript“ weiterzuarbeiten. Die anderen beiden Versuche, hier als (1) und (2) gekennzeichnet, setzen gleichfalls mit der ersten Bemerkung des „Big Typescripts“ ein, entwickeln sich dann aber in unterschiedliche Richtungen:
 +
 +
(1) ist der längere dieser Versuche. Er umfaßt den Manuskriptband X (MS 114) ab S. 31 und findet dann im Manuskriptband XI (MS 115) von S. 1 bis einschließlich. S. 117
 +
seine Fortsetzung. Die erste Seite des Manuskriptbands XI ist auf den 14. 12. 1933 datiert. Diese Bände X und XI enthalten viel dem „Big Typescript“ entstammendes,
 +
zum Teil revidiertes Material. Punkto Anordnung unterscheidet sich dieses Material aber beträchtlich von dem im „Big Typescript“: Die übernommenen Bemerkungen
 +
sind vielfach mit neuem Material untermischt. Mit Ausnahme einiger Seiten, die Wittgenstein aus dem TS 211 ausgeschnitten und hier eingeklebt hatte, sind alle
 +
Bemerkungen mit der Hand geschrieben. Nach Fertigstellung dieser Revision versah sie Wittgenstein (auf S. 1) mit der Überschrift „Umarbeitung“. Darunter schrieb er: „Zweite Umarbeitung im großen Format“, ein Hinweis auf den obenerwähnten zweiten Versuch, Material aus dem „Big Typescript“ umzuarbeiten.
 +
 +
(2) Das Große Format (MS 140) ist also der zweite Ansatz zur Umarbeitung von Material, das dem „Big Typescript“ entnommen wurde. Er erfolgte möglicherweise zur gleichen
 +
Zeit wie der erste oder kurz danach. Dieses Manuskript ist kurz – 39 Seiten lang – und befaßt sich vor allem mit den Themen Verstehen und Verwendung von Worten,
 +
Sätzen und Sprache. Wieder sind die Bemerkungen, die dem „Big Typescript“ unter Einhaltung ihrer Abfolge entnommen sind, mit neuem Material untermischt, darunter
 +
auch mit solchem aus TS 212, das nicht ins „Big Typescript“ eingegangen ist. In den beiden Versuchen zur Umarbeitung (1) und (2) geht aus Hinweisen hervor, daß
 +
Wittgenstein Materialien aus dem einen in den jeweils anderen übertragen wollte.
 +
 +
Das „Big Typescript“ ist als Ursprung vieler Bemerkungen, die in späteren Manuskripten einer strengen Auswahl unterzogen wurden, von großem Nutzen. Es ist eine Quelle
 +
vieler Textstellen in den diversen Versionen der Philosophischen Untersuchungen und nimmt thematisch viel von dem vorweg, was in späteren Schriften zum Ausdruck kommt."
  
 
----
 
----
  
 
[[Kategorie: L. Wittgenstein: Big Typescript]]
 
[[Kategorie: L. Wittgenstein: Big Typescript]]

Aktuelle Version vom 9. März 2012, 10:46 Uhr

Nedo.jpg

Quellenlage, nach C. Grant Luckhardt und Maximilian A.E. Aue

Wily-Blackwell

Docin China

Scriptd

Das sogenannte „Big Typescript“ liegt in drei Versionen vor.

  1. ein unkorrigierter Durchschlag des Typoskripts, wahrscheinlich aus dem Sommer 1933
  2. #1, von Wittgenstein mit vielen handschriftlichen Zusätzen und Änderungen versehen (bis 1937)
  3. identisch mit #2

"... daß die Arbeit daran 1929, mit Wittgensteins Rückkehr zur Philosophie, einsetzt. Zwischen diesem Eckdatum und 1933 wuchs das Corpus dieser Bemerkungen – verteilt auf weitere 9 „Bände“ und 4 Taschennotizbücher – auf ca. 3292 Seiten an. Aus diesen 14 Manuskripten wurden zunächst durch Auswahl, Korrektur und Zusätze vier Typoskripte."

208, 209, 210,211

"Diese Typoskripte wurden dann durch Zerschneiden und Neuordnen, durch Umformulierungen und Zusätze zu einem neuen Typoskript, dem TS 212. Die Bemerkungen darin sind Kapiteln mit schlagzeilenartigen Kapitelüberschriften zugeordnet, und diese Kapitel sind ihrerseits wieder zu größeren, gleichfalls mit Überschriften versehenen Abschnitten zusammengefaßt. Das „Big Typescript“ entstand dann, als Wittgenstein das TS 212 1933 unter Einbeziehung weiterer Änderungen und Zusätze und unter Hinzufügung eines Inhaltsverzeichnisses von einem Typisten kopieren ließ."

"Bald, vielleicht unmittelbar nach Fertigstellung des „Big Typescripts“, begann Wittgenstein mit der Revision. Manche der zwischen doppelten Schrägstrichen plazierten alternativen Worte und Satzteile strich er aus, andere blieben unberührt; er strich auch getippte und handgeschriebene Worte, Wortgruppen, Sätze, Absätze und Bemerkungen aus, setzte handschriftlich neue Alternativen ein, korrigierte Tippfehler, trennte, bzw. verband Buchstaben, Absätze und Bemerkungen, zeigte mit Hilfe von Pfeilen und anderen Verweiszeichen an, wohin er einzelne Bemerkungen verlegt haben wollte, entwarf sowohl auf den Vorder- als auch auf den Rückseiten der getippten Blätter neue Bemerkungen, notierte sich Fragen und setzte Randbemerkungen und Randzeichen (Schrägstriche, Haken, Fragezeichen und – als Zeichen für „schlecht“ – langgestreckte „s“–Zeichen) ein. Es hat den Anschein, daß die Arbeit an diesen Zusätzen den größeren Teil des Jahres 1937 in Anspruch nahm."

"In einer chiffrierten Tagebucheintragung vom 23. 10. dieses Jahres (MS. 119, S. 79r) schreibt Wittgenstein:

Fing an meine alte Maschinschrift anzusehen und den Weizen vom Spreu zu sondern.
Schreibe jetzt nicht mehr, sondern lese nur den ganzen Tag meine Maschinschrift und mache Zeichen zu jedem Absatz. Es ist viel denken hinter diesen Bemerkungen. Aber brauchbar für ein Buch sind doch nur wenige ohne Umarbeitung, aus verschiedenen Gründen. Ich habe jetzt beinahe ein Viertel des Ganzen durchgesehen. Wenn es also glatt geht, könnte ich in ca. 6 Tagen damit fertig sein. Aber was dann? Nun, versuchen das brauchbare zu sammeln. – Freilich, das ist sehr schwer!

"Wahrscheinlich fand diese Sonderung des Spreus vom Weizen Ende 1937 statt und kam im ersten Teil von Manuskriptband XII (MS 116) zum Ausdruck. In die ersten 135 Seiten dieses Manuskripts ist viel von den ersten 196 Seiten des „Big Typescripts“ eingegangen. Manuskriptband XII setzt mit der ersten Bemerkung des „Big Typescripts“ ein, und es folgen dann – mehr oder weniger in der Reihenfolge des „Big Typescripts“ – viele weitere, oft wörtlich übernommene Bemerkungen. Einige wurden freilich geändert und es kam auch neues Material hinzu."

"Manuskriptband XII ist allerdings nur einer von drei Versuchen, in neuen Manuskripten am Material aus dem „Big Typescript“ weiterzuarbeiten. Die anderen beiden Versuche, hier als (1) und (2) gekennzeichnet, setzen gleichfalls mit der ersten Bemerkung des „Big Typescripts“ ein, entwickeln sich dann aber in unterschiedliche Richtungen:

(1) ist der längere dieser Versuche. Er umfaßt den Manuskriptband X (MS 114) ab S. 31 und findet dann im Manuskriptband XI (MS 115) von S. 1 bis einschließlich. S. 117 seine Fortsetzung. Die erste Seite des Manuskriptbands XI ist auf den 14. 12. 1933 datiert. Diese Bände X und XI enthalten viel dem „Big Typescript“ entstammendes, zum Teil revidiertes Material. Punkto Anordnung unterscheidet sich dieses Material aber beträchtlich von dem im „Big Typescript“: Die übernommenen Bemerkungen sind vielfach mit neuem Material untermischt. Mit Ausnahme einiger Seiten, die Wittgenstein aus dem TS 211 ausgeschnitten und hier eingeklebt hatte, sind alle Bemerkungen mit der Hand geschrieben. Nach Fertigstellung dieser Revision versah sie Wittgenstein (auf S. 1) mit der Überschrift „Umarbeitung“. Darunter schrieb er: „Zweite Umarbeitung im großen Format“, ein Hinweis auf den obenerwähnten zweiten Versuch, Material aus dem „Big Typescript“ umzuarbeiten.

(2) Das Große Format (MS 140) ist also der zweite Ansatz zur Umarbeitung von Material, das dem „Big Typescript“ entnommen wurde. Er erfolgte möglicherweise zur gleichen Zeit wie der erste oder kurz danach. Dieses Manuskript ist kurz – 39 Seiten lang – und befaßt sich vor allem mit den Themen Verstehen und Verwendung von Worten, Sätzen und Sprache. Wieder sind die Bemerkungen, die dem „Big Typescript“ unter Einhaltung ihrer Abfolge entnommen sind, mit neuem Material untermischt, darunter auch mit solchem aus TS 212, das nicht ins „Big Typescript“ eingegangen ist. In den beiden Versuchen zur Umarbeitung (1) und (2) geht aus Hinweisen hervor, daß Wittgenstein Materialien aus dem einen in den jeweils anderen übertragen wollte.

Das „Big Typescript“ ist als Ursprung vieler Bemerkungen, die in späteren Manuskripten einer strengen Auswahl unterzogen wurden, von großem Nutzen. Es ist eine Quelle vieler Textstellen in den diversen Versionen der Philosophischen Untersuchungen und nimmt thematisch viel von dem vorweg, was in späteren Schriften zum Ausdruck kommt."