Das GATS - das General Agreement on Trade in Services

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Angela Stelzeneder, 0404354, A297

GATS – Das General Agreement on Trade in Services

Das General Agreement on Trade in Services, das Dienstleistungsabkommen, verbunden mit einer immer weitergehenden Liberalisierung beeinflusst unser Leben, die Wirtschaft und Politik. Auch vor dem Bildungssektor macht sie nicht Halt. Deshalb will ich in diesem Bericht folgende Fragestellung klären:

Welchen Einfluss und welche Konsequenzen haben das GATS und die fortschreitende Liberalisierung auf den Bildungssektor?

Mit der Beantwortung dieser Frage will ich aufzeigen, in welchem Ausmaß die neuen Regelungen der GATS und der EU auf unsere Bildungspolitik und somit auf unser unmittelbares Leben als StudentIn oder später als ErzieherIn oder LehrerIn hat. Der Einfluss der Liberalisierung bringt nicht nur Verbesserungen, sondern auch Nachteile, die ich in meiner Arbeit näher behandeln will.


Gliederung (und warum dieser Abschnitt in der Arbeit steht):

1. Ich werde zu Beginn allgemeine Gesetze, Bestimmungen und Prinzipien zum GATS-Abkommen behandeln und die wichtigsten Begriffe des Vertrages erklären, damit die Basis bzw. der Ausgangspunkt der Veränderungen in allen Dienstleistungsbereichen klar ersichtlich wird und man einen Einblick in das komplexe Abkommen bekommt. Dazu werde ich kurz einen Überblick über die Geschichte der Internationalisierung des Bildungsbereichs geben. Da kann man erkennen, dass der Trend zur grenzüberschreitenden Öffnung der Bildung schon viel früher begann.

2. Folgend werde ich auf die Bildungsdienstleistungen im GATS-Abkommen zu sprechen kommen. So soll die Anwendung der Regelungen auf den wichtigen Lebensbereich erschlossen werden. In diesem Zusammenhang erläutere ich die Ergebnisse und Forderungen der letzten GATS-Runde, wo erkennbar wird, welche Liberalisierungen noch ausstehen und vielleicht eingeführt werden.

3. Anschließend werde ich den wirtschaftlichen Aspekt der Vertragsbestimmungen behandeln. Die fortschreitende Vermarktung nimmt auch in Bildungsinstitutionen zu. Dazu sind auch weitere internationale, vor allem europäische, Verträge zu erwähnen (z.B. Bologna-Prozess), die ebenfalls die Liberalisierung in diesem Bereich vorantreiben.

4. Schlussendlich werde ich mich mit den Veränderungen für das österreichische Bildungssystem in den letzten Jahren beschäftigen. Da wird erst klar, wie viel sich durch die Liberalisierung bereits verändert hat, unmittelbar in unserem Schulsystem. Ich schließe hier mit Vorschlägen an, die zur Erhaltung des traditionellen Bildungswesens in Österreich erforderlich wären.

5. In meiner abschließenden Zusammenfassung gebe ich noch einmal einen kurzen Rückblick über die Arbeit und werde mit einem Blick in die ungewisse Zukunft enden.

Ich werde genau so vorgehen, weil ich zuerst einen Überblick über die Veränderungen geben will und dann speziell die Folgen für das Bildungswesen europaweit und daraufhin speziell für Österreich erläutern will. So wird klar, wie stark uns alle das Thema betrifft.


Globalisierung von Bildung

Das Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (General Agreement on Trade in Services) hat die Liberalisierung von Dienstleistungen, darunter öffentliche Dienste wie Aus- und Weiterbildung, zum Ziel. 146 Länder unterzeichneten den Vertrag im April 1994 in Marrakesch/Marokko und dieser trat dann im Jänner des folgenden Jahres in Kraft. Zugleich wurde eine Neuverhandlung dieses Abkommens festgelegt, die im Februar 2000 begann und sich erwartungsgemäß über mehrere Jahre erstreckt. Das GATS ist ein Teil des internationalen Welthandelsorganisationsabkommens und wird somit von der WTO überwacht. (vgl. Anthofer, 2005, S. 38)


Geschichte der Internationalisierung von Bildung: (vgl. OECD, 2004)

Schon im Mittelalter konnten die ersten „Wanderungen“ von Studenten verzeichnet werden. Der bekannteste Wanderstudent war Erasmus von Rotterdam, nach diesem heute ein Austauschprogramm für Studenten benannt ist. Es ging in erster Linie immer um das gegenseitige Kennenlernen und den Austausch von Wissen und neuen Erkenntnissen. Ab ungefähr 1950 bemühte man sich vor allem in Europa immer mehr um die Harmonisierung und Angleichung der Bildungssysteme, damit die Beweglichkeit der Studenten einfacher und bequemer wird. So entstanden in den 1980er Jahren viele europäische Kooperations- und Austauschprogramme für Lernende, wie z.B. COMETT, DELTA, ERASMUS, usw. Der Hauptbeweggrund für die Globalisierung um 1990 war die Integration und innereuropäische Mobilität. Doch durch die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte lässt sich feststellen, dass seit einigen Jahren keineswegs mehr der Wissensaustausch und das Kennenlernen anderer Bildungssysteme und Lehrinhalte im Vordergrund steht, sondern immer mehr der ökonomische Aspekt der Bildung in den Mittelpunkt rückt. Internationaler Wettbewerb und Bildung als Ware am Markt sind heute die leitenden Schlagwörter. Als Objekte internationaler Handelsliberalisierungen wurden Dienstleistungen erst in den späten 1970er Jahren entdeckt.

Zusammenfassend kann man sagen, dass der Trend zur grenzüberschreitenden Öffnung des Bildungsbereichs schon im Mittelalter begann und der Austausch von Erkenntnissen immer ein wichtiges Anliegen war. Was sich aber stark veränderte: Die neuen Trends sind Harmonisierung und Ökonomisierung.


Grundlagen des GATS-Abkommens: (vgl. Anthofer, 2005, S.24f.)

Der Geltungsbereich des GATS wird in Artikel I des Vertragstextes festgeschrieben. Das Übereinkommen wird auf „Maßnahmen der Mitglieder, die den Handel mit Dienstleistungen beeinträchtigen“ (GATS I:1) angewendet. Der Ausdruck „Handel mit Dienstleistungen“ wird laut Vertrag als „die Erbringung einer Dienstleistung“ (GATS I:2) in einer der vier festgesetzten Erbringungsarten, den so genannten „modes“, definiert.

Die 4 Erbringungsarten (bezieht sich auf GATS Artikel I):

 Modus 1 – grenzüberschreitende Erbringung: Darunter versteht man die Lieferung einer Dienstleistung aus dem Hoheitsgebiet eines Mitglieds in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitglieds. Damit sind die Dienstleistungs-Exporte gemeint, wo sowohl der Erbringer als auch der Verbraucher im eigenen Land bleiben. Beispiele: E-learning übers Internet oder Beratungsleistungen über moderne Telekommunikationsmedien, Bankgeschäfte, Versenden von Software

 Modus 2 – Nutzung einer Dienstleistung im Ausland: Damit ist die Bereitstellung einer Dienstleistung im Hoheitsgebiet eines Mitglieds an den Dienstleistungsnutzer eines anderen Mitglieds gemeint. Das heißt der Verbraucher kommt in das Land des Anbieters, um die Dienstleistungen in Anspruch nehmen zu können. Beispiel: Studium wird vom Lernenden an einer ausländischen Universität absolviert

 Modus 3 – kommerzielle Präsenz: Die Dienstleistung wird durch einen Dienstleistungserbringer eines Mitglieds mittels kommerzieller Präsenz im Hoheitsgebiet eines anderen Mitglieds erbracht. Der Anbieter begibt sich in das Land des Verbrauchers und gründet dort eine Niederlassung. Beispiel: Zweigstellen amerikanischer Universitäten in Europa

 Modus 4 – Präsenz natürlicher Personen: Dieser Modus umfasst Dienstleistungen, die durch einen Dienstleistungserbringer eines Mitglieds mittels Präsenz natürlicher Personen eines Mitglieds im Hoheitsgebiet eines anderen Mitglieds bereitgestellt werden. Damit ist gemeint, dass eine Dienstleistung von einer natürlichen Person angeboten wird, die sich vorübergehend in einem anderen Mitgliedsland aufhält. Beispiel: ausländisches Lehrpersonal unterrichtet in inländischer Bildungseinrichtung

Der „Handel mit Dienstleistungen“ umfasst nicht nur den klassischen grenzüberschreitenden Handel sondern auch ausländische Direktinvestitionen und zeitlich beschränkte Arbeitsmigration.


Grenzüberschreitende Angebote – Zahlen der Nutzung: (vgl. Scherrer, 2004)

Mode 1: Grenzüberschreitende Erbringung: Im Jahr 2000 nahmen 6% aller im Ausland Studierenden an „distance-learning“-Programmen teil. Fernuniversitäten arbeiten heute noch meist mit einer Präsenzphase, doch es gibt bereits jetzt Fernuniversitäten, die ihre Kurse alleine über das Internet anbieten (z.B. Phoenix University).

Mode 2: Nutzung im Ausland: Diese GATS-Erbringungsart des Konsums im Ausland ist die vorherrschende Form des internationalen Dienstleistungsverkehrs im Bildungsbereich. Aufgrund der hohen Zahl ausländischer Studierender sind die USA der führende Exporteur von Bildungsangeboten. Der Bildungssektor erreichte den fünften Rang unter den US-Dienstleistungsexporten. Den USA folgen, gemessen an den Einnahmen durch Bildungsexporte, Großbritannien, Australien und Kanada. ((Die zahlenmäßig größten europäischen Bildungsimporteure sind Griechenland, Italien und Spanien. Es ist schwierig die Balance zwischen Importe und Exporte zu halten. Die größten Probleme hat Großbritannien damit, da viel mehr Studenten in ihr Land kommen als britische Lernende ins Ausland gehen.))

Mode 3: Kommerzielle Präsenz: Immer häufiger lassen sich große führende Universitäten mit Zweigniederlassungen im Ausland nieder. Im Jahr 2000 boten 35 australische Unis 750 Offshore-Programme für Studenten in Singapur, Hongkong, Malaysia und China an. Auch 75% aller britischen Universitäten unterhielten 1996/97 Studienprogramme im Ausland.

Mode 4: Präsenz natürlicher Personen: ist datenmäßig leider kaum erfasst.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Öffnung der Grenzen und somit der erleichterte Zugang zu ausländischen Bildungsdienstleistungen in allen Bereichen, egal ob Austauschprogramme, Angebote ausländischer Lehrende oder Zweigstellen, willkommen geheißen und stark genutzt wird. Bezogen auf die Fragestellung kann ich erkennen, dass der Austausch und die Wissensverbreitung durch das GATS stark zugenommen hat und erleichtert wurde.


Das Dienstleistungsabkommen besteht im Wesentlichen aus vier Elementen: den Rahmenabkommen, den Länderlisten mit den konkreten Liberalisierungszugeständnissen, den sektorspezifischen Anhängen und den Ministerbeschlüssen und Protokollen. Das Rahmenabkommen beinhaltet unter anderem folgend angeführte Aufgaben:


Die bedeutendsten allgemeinen Verpflichtungen, die für alle WTO-Mitglieder und alle Dienstleistungssektoren gelten: (vgl. Anthofer, 2005, S.39-43)

 Meistbegünstigung

Diese Übereinkunft besagt, dass alle Liberalisierungszugeständnisse, die ein Land einem anderen Land einräumt, automatisch auch auf alle anderen Mitgliedsländer übertragen werden müssen. Jede Vertragspartei unterliegt somit den gleichen Handelsregeln und bilaterale Vereinbarungen werden unmöglich. Die Meistbegünstigungsklausel wird als Motor der weltweiten Verbreitung der Handelsliberalisierungen angesehen. Es bestand jedoch bis zum Abschluss der Verhandlungen die Möglichkeit, länderspezifische Meistbegünstigungsausnahmen in so genannten Negativ-Listen einzutragen. Diese Sonderfälle durften nur für bestimmte Sektoren, aber nicht gegenüber einzelnen Staaten vorgenommen werden. Außerdem wird nach spätestens 5 Jahren überprüft, ob die Bedingungen, welche die Notwendigkeit der Ausnahme begründeten, weiter bestehen, und sie sind natürlich auch Gegenstand späterer Liberalisierungsverhandlungen.

 Transparenz

Alle Maßnahmen und internationalen Übereinkünfte, die für den Dienstleistungshandel relevant sind, sollen spätestens bis zu ihrem In-Kraft-Treten veröffentlicht bzw. öffentlich zugänglich gemacht werden. Ausgenommen davon sind „vertrauliche Informationen, deren Offenlegung die Durchsetzung von Gesetzen behindern oder sonst dem öffentlichen Interesse widersprechen würde oder die berechtigten kommerziellen Interessen bestimmter öffentlicher oder privater Unternehmen schädigen würde“ (GATS Artikel III). Jedes Mitgliedsland muss mindestens einmal im Jahr den GATS-Rat über die Einführungen neuer oder die Änderung bestehender Rechtsvorschriften, die den Dienstleistungshandel betreffen, informieren. Noch dazu muss jeder Mitgliedsstaat Informationsstellen einrichten, die auf Wunsch anderer Mitgliedsländer über die von der Transparenzpflicht betroffenen Angelegenheiten berichten müssen. Die Industriestaaten veröffentlichen freiwillig ihre Rechtserlässe regelmäßig. Deshalb richtet sich dieser Artikel III der GATS eher an die Entwicklungs- und Schwellenländer.


Die weiteren Verpflichtungen sind nicht allgemein verbindlich, sondern das Ergebnis individueller Zugeständnisse, d.h. sie gelten nur für die WTO-Mitgliedsstaaten, die diese Aufgaben in den Länderlisten angeführt haben:

 Marktzugang

Mit dieser Verpflichtung werden folgende Maßnahmen verboten: - Beschränkung der Anzahl der Dienstleistungserbringer - Beschränkung des Gesamtwerts der Dienstleistungsgeschäfte - Beschränkung der Gesamtzahl natürlicher Personen, die in einem bestimmten Sektor beschäftigt werden dürfen - Beschränkung der Beteiligung ausländischen Kapitals - und einige andere

 Inländerbehandlung

Jedes Mitgliedsland muss den Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern von anderen Mitgliedsländern die gleiche Behandlung wie den eigenen inländischen gewähren. Diese Regelung gilt nicht nur für die Gleichbehandlung vor dem Gesetz, sondern auch im Wettbewerb. Für den Bildungssektor bedeutet das, dass ausländische Bildungsanbieter z.B. den gleichen Anspruch auf staatliche Subventionen erwerben wie inländische.


Länderliste:

Jedes WTO-Mitglied stellt seine eigene Länderliste auf, in der es seine individuellen Verpflichtungen und Zugeständnisse zur Liberalisierung des Dienstleistungssektors festsetzt. Man kann also von dieser Liste entnehmen, welches Land in welchem Sektor welche Pflichten übernimmt. In der Praxis wird der Umfang der Liberalisierungspflichten allerdings essentiell durch die zwischenstaatlichen Verhandlungen vor Abschluss des Vertrags beeinflusst. Im Bereich Bildungsdienstleistungen machten die Mitgliedsstaaten die wenigsten Zubilligungen, im Schnitt nur 46 (im Vergleich dazu: im Bereich Tourismus genehmigten die Länder durchschnittlich 128 Zugeständnisse). Die Europäische Gemeinschaft hatte 1994 für alle EG-Mitgliedsstaaten eine einheitliche Länderliste vorgelegt. Da Österreich aber erst 1995 der EU beitrat, gilt bis heute die damals von Österreich eigene aufgestellte Länderliste.

Um die Prinzipien und Länderliste zusammenzufassen und auf meine Fragestellung zu beziehen, gibt es zu erwähnen, dass durch die Vertragsbestimmungen viele Änderungen folgten, wie z.B. gleiche Behandlung von In- und Ausländern, die jedes Land einhalten muss, aber durch die eigenen Länderlisten konnte die unaufhaltsame Liberalisierung ein wenig eingeschränkt und viele Bereiche geschont werden. Ohne diese Prinzipien würde unser Bildungssystem gänzlich anders aussehen.


Bildungsdienstleistungen im GATS-Abkommen: Lange Zeit spielte Bildung in der Globalisierungsdebatte keine besondere Rolle, weil sie als nicht handelbar galt. Doch in den letzten Jahrzehnten entwickelte sich der Bildungsbereich zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig und einer wichtigen Quelle von Exporterlösen. 1999 haben alle OECD-Länder zusammen 5,8% der Gesamtsumme ihrer Bruttoinlandsprodukte für Bildungseinrichtungen ausgegeben. Bildung stellt also einen gigantischen Markt dar, von dem zunehmend auch private Anbieter profitieren wollen.

Für den Zweck des GATS-Abkommen wurden die Bildungsdienstleistungen in der „Services Sectoral Classification List“ in 5 Kategorien eingeteilt (vgl. Anthofer, 2005. S.83f.):

1. primary education services (primäre Ausbildung): Kindergarten, Vorschule

2. secondary education services (sekundäre Ausbildung): schulische und berufsbildende Angebote unterhalb der Hochschulen)

3. higher education services (höhere Bildung): weiterführende Berufs- und Universitätsausbildung

4. adult education (Erwachsenenbildung): allgemeine Bildung und berufliche Ausbildung, soweit sie nicht vom regulären System für höhere Bildung angeboten wird.

5. other education services (restliche Schulen und Ausbildungen, die nicht den vorigen Kategorien zugeordnet werden können)


=> Diese Klassifikationen (Services Sectoral Classification List und die Einteilung in vier „modes“) ermöglichen eine sehr differenzierte Liberalisierung der Dienstleistungen. So kann ein Land seine Verpflichtungen im Bereich der Bildung z.B. gezielt auf die Erbringungsart 2 „Nutzung im Ausland“ für Erwachsenenbildung beschränken. Das erlaubt den Mitgliedsstaaten nur in den Sektoren ihren Markt zu öffnen, in denen sie es für wichtig halten.


Die wichtige Frage, ob auch öffentliche Bildungsdienstleistungen unter das GATS-Abkommen fallen, kann nicht eindeutig beantwortet werden. Der Vertrag selbst lässt viel Spielraum, schließt aber nicht aus, dass öffentliche Bildungsdienstleistungen, einschließlich Grund- und Hochschulbildung, Gegenstand des Abkommens sind. Die OECD vertritt die Meinung, dass öffentliche Erbringungen nicht ausgeschlossen werden, da in vielen Ländern öffentliche Bildungsdienstleistungen mit privaten konkurrieren. Auf eine parlamentarische Anfrage von Helmut Anthofer 2005 an Martin Bartenstein, österreichischer Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, meinte dieser, dass die Liberalisierung des Handels den öffentlichen Bildungssektor nicht beinhaltet. Österreich hat aber in seiner Länderliste, im Gegensatz zu der Europäischen Gemeinschaft, keine Unterscheidung zwischen privat und öffentlich finanzierten Bildungseinrichtungen getroffen. Die von der EU übernommenen Verpflichtungen beschränken sich nur auf privat finanzierte Bildungsdienstleistungen. (vgl. Anthofer, 2005)

Weiterer Unterschied zwischen den Zugeständnissen der EU und Österreich: Die EU verweigert das Recht auf Inländerbehandlung im besonders sensiblen Bereich der Subventionen. Das betrifft natürlich auch Studierende aus Nicht-EU-Ländern. Dadurch stellt die EU sicher, dass weder Bildungsinstitutionen noch Bildungsnachfrager aus Drittstaaten rechtlichen Anspruch auf staatliche Unterstützungen erhalten. Österreich hat diese Ausnahme nicht in die Länderliste eingetragen.

Alles in allem bietet die EU den Bildungsdienstleistungen einen viel höheren Schutz als die österreichische Liste. Doch dieser Unterschied wird in Zukunft kaum mehr von praktischer Bedeutung sein, da alle EU-Länderlisten angeglichen werden und so auch für Österreich und andere Mitgliedsstaaten die EU-Bestimmungen und dadurch auch die festgelegten Ausnahmen gelten werden.


Zusammenfassung: Es gibt zwar Differenzierungen im Bildungsbereich, damit man nicht alle Bereiche gleich stark öffnen muss, aber die Liberalisierung drängt trotzdem voran. Doch durch die Länderlisten können Ausnahmen gemacht werden, wie sie die EU bei öffentlichen Dienstleistungen vorgenommen hat. Momentan wird das öffentliche Schulwesen noch verschont, was meiner Meinung nach auch so bleiben soll.


Weitere Liberalisierungspläne durch das GATS im Bildungsbereich:

Mit dem GATS-Abkommen selbst wurde auch ein Zeitplan vereinbart, der eine Ausweitung des bestehenden Liberalisierungsniveaus sicherstellen soll. Diese Abmachung verpflichtet die WTO-Mitglieder in regelmäßig stattfindenden Verhandlungen den Abbau von Handelshemmnissen im Dienstleistungsbereich voranzutreiben. Demgemäß wurde am 25. Februar 2000, fünf Jahre nach In-Kraft-Treten des GATS, formal eine neue Verhandlungsrunde gestartet, wo die WTO-Mitglieder aufgefordert wurden, bis zum 30.Juni 2002 in der so genannten „request-Phase“ Marktöffnungsforderungen an andere Mitglieder und bis Ende März 2003 in der so genannten „offer-Phase“ eigene Angebote vorzulegen. Diesem Versprechen, Liberalisierungsangebote abzugeben, kamen bis Mai 2003 aber erst 25 der 146 WTO-Länder nach. Die EU reichte 2002 109 Forderungslisten an andere Mitgliedsstaaten ein, die ein Jahr später im Internet veröffentlicht wurden. Beispiel für Forderungen seitens der EU: Die USA soll den Hochschulbereich für privat finanzierte Bildungsdienstleistungen liberalisieren. Die EU selbst hat aber keine weiteren Liberalisierungszugeständnisse im Bildungsbereich gemacht. Wenn sie darauf beharrt, dass die anderen Länder den Forderungen nachkommen, darf sie selbst nicht die an sie gerichteten Ansprüche ignorieren.


Liberalisierungsansprüche an die EU:

Welche bildungsrelevanten Forderungen andere WTO-Mitglieder an die EU gestellt haben, ist nur teilweise bekannt. Da aber die Zusammenfassungen der Forderungslisten von mehreren Regierungen und vertrauliche, durchgesickerte Dokumente veröffentlicht worden sind, konnten die Liberalisierungsansprüche nachskizziert werden:

  • Horizontale Forderungen: Die von den Drittländern gestellten Forderungen umfassen sämtliche für den Bildungssektor relevanten horizontalen Ausnahmebestimmungen, wie genaue Definition von öffentlichen Dienstleistungen, gleiche Behandlung von Zweigstellen von Drittstaaten und Inländerbehandlung bei Subventionen. Brasilien und Neuseeland verlangen sogar die völlige Beseitigung der EU-Ausnahmeregelung für öffentliche Dienstleistungen. Die EU verzichtete 1994 bei der Vertragsaushandlung absichtlich auf eine genaue Definition und nannte stattdessen eine offene Beispielliste, in der unter anderem Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen in den Sozial- und Geisteswissenschaften erwähnt werden. Lehrtätigkeiten wurden nicht ausdrücklich genannt aber auch nicht explizit ausgeschlossen. Sollte es zu einer abschließenden Definition öffentlicher Aufgaben seitens der EU für das GATS kommen, dann würde sich wahrscheinlich die Definition auf die bisherige Beispielliste beschränken, womit die Hochschullehre aus den öffentlichen Aufgaben heraus und in das GATS fallen würde. Die Folge davon wäre, dass die Zulassungsanforderungen zu einem Studium, die laut Abkommen keine unnötigen Handelshemmnisse darstellen dürfen, für alle gleich sein müssten. Das heißt, dass Anforderungen, die von ausländischen Anbietern nur schwer erfüllt werden können, nicht GATS-konform wären. Die Aufhebung der Ausnahmeklausel für Subventionen hätte weitreichende Folgen für die europäische Bildungslandschaft. Bildungsinstitutionen als auch Studierende aus Drittstaaten hätten ein Anrecht auf staatliche Unterstützungen. Es stehen dann für den Staat mehrere Optionen zur Verfügung: Erstens könnten die staatlichen Subventionen völlig eingestellt werden, was aber sehr unwahrscheinlich ist. Zweitens könnten alle Hochschulen direkt subventioniert werden. Die Vergabe der Mittel geschieht dann nichtdiskriminierend über ein Ausschreibungsverfahren. Die Schulen würden dann nicht nur untereinander in Konkurrenz stehen, sondern auch mit potentiellen Anbietern vom Ausland. Dieser Wettbewerb wird in den Fächern Geistes-, Sozial-, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften am ehesten bestehen, weil für deren Studiengangaufbau relativ geringe Investitionen notwendig sind. Drittens könnten auch die gezielte Förderung von defizitären Angeboten, die jedoch aus gesamtgesellschaftlicher Sicht als wichtig angesehen sind, durchgeführt werden. Am ehesten GATS-konform wäre die Umstellung der Finanzierung des Hochschulwesens von einer Subventionierung der Bildungseinrichtung auf einer der Studierenden. Folglich würde ein Konkurrenzkampf der Hochschulen um Studenten entstehen. Die kostengünstigeren Studiengänge wären stärker frequentiert. Als Konsequenz ist in jedem Fall weniger Geld für die Finanzierung der öffentlichen Schulen und Universitäten vorhanden, was zwangsläufig zu einem enormen Qualitätsverlust und Abbau der Lehr- und Forschungskapazitäten führt. Denn gelehrt und geforscht wird nur, was den Interessen der Geldgeber nicht zuwiderläuft. Universitäten werden somit von privaten Investoren abhängig. Wenn diesen Forderungen wirklich gänzlich nachgegangen wird, käme es zu einer totalen Veränderung des ganzen Bildungssystems. (vgl. auch Scherrer, 2004)
  • Sektorspezifische Forderungen: Es wurden Liberalisierungswünsche für alle 5 Teilsektoren im Bildungsbereich eingereicht. Die meisten Ansprüche richten sich aber auf die Bereiche Hochschulbildung, Erwachsenenbildung und sonstige Bildungsdienstleistungen (im letzteren wurden bisher von der EU keine Verpflichtungen übernommen). Für höhere Bildungsdienstleistungen wurden die vollen Verpflichtungen für die Erbringungsarten 1,2 und 3 und für die Erwachsenenbildung und restliche Bildungsleistungen wurden die vollen Verbindlichkeiten für alle 4 Erbringungsarten gefordert. Mit der Übernahme uneingeschränkter Verpflichtungen bei der Hochschul- und Erwachsenenbildung sollen die bisherigen Zugeständnisse der EU für privat finanzierte Bildungsdienstleistungen auf öffentlich finanzierte Bildungsangebote ausgedehnt werden. Es wird auch eine Einteilung des 5. Sektors - sonstige Bildungsdienstleistungen - in neue Kategorien vorgeschlagen, z.B. Kategorien wie Leistungsüberprüfungsdienste (von den USA beantragt, da diese im Bereich der Entwicklung und Durchführung von standardisierten Leistungsüberprüfungstests weltweit Marktführer sind) oder Bildungsvermittlungsdienste. Durch das angestrebte Kategoriensystem sollen mehr Länder dazu bewegt werden, auch in diesem Sektor mehr Zugeständnisse zu machen.

(vgl. Anthofer, 2005, S.102)


Bewertung der neuen Forderungen:

Nicht nur die Verbände der amerikanischen Hochschulen (ACE, CHEA) sondern auch vergleichbare Verbände in Europa stehen skeptisch bis kritisch der GATS gegenüber. Einige EU-Regierungen und vor allem Vertreter von Bundesländern bzw. Regionen lehnen weitere Verpflichtungen für das Hochschulwesen ab (Stand 2002). Doch das verhandlungstaktische Minimalangebot der EU wird im Laufe der derzeitigen GATS-Verhandlungen noch deutlich erhöht werden müssen, falls die EU ihre eigenen Forderungen an die anderen Länder eingelöst sehen will. Sowohl die Europäische Kommission als auch die österreichische Bundesregierung versuchen in der Öffentlichkeit Entwarnung für den Bildungsbereich anzuzeigen. Doch aufgrund der durchgesickerten Forderungen wird klar, dass es in allen Teilsektoren des Bildungsbereichs zu einer weitgreifenden Liberalisierung kommt. Womöglich wird die EU den horizontalen Anforderungen aber ohne weitere Zugeständnisse in den einzelnen Sektoren nachkommen. Es könnten auch einige Verpflichtungen in den randständigeren Bereichen des Bildungswesens, insbesondere in der Weiterbildung und den Testdienstleistungen eingegangen werden, damit der Kern des Bildungswesens nicht berührt wird. (vgl.Anthofer, 2005)

Die Liberalisierung lässt sich nicht stoppen. Die Forderungen der anderen Mitgliedsländer an die EU betreffen den öffentlichen Bereich, Subventionen, Hochschulbereich und die Erwachsenenbildung. Wenn diese Forderungen voll bzw. teilweise eingegangen werden, was in der Zukunft auch erforderlich sein wird laut Experteneinschätzung, bedeutet das verheerende Folgen für unser Bildungssystem: Subventionen aufgeben oder allen gleichberechtigt geben, öffentliche Bildungsdienstleistungen könnten von den Liberalisierungen betroffen sein, der Hochschulbereich wird noch mehr geöffnet und damit einhergehend privatisiert. Die Forderungen bringen also weitreichende Konsequenzen.


Kommerzialisierung von Bildungsdienstleistungen:

Bildung wird laut Helmut Anthofer immer mehr wirtschaftlichen Interessen und dem Streben nach Gewinn untergeordnet, verliert hiermit den Charakter als öffentliches Gut und verkommt zu einer Ware, die auf einem weltweiten Markt gehandelt wird. Der Wert der Bildungsinhalte wird an seiner ökonomischen Verwertbarkeit gemessen. Das verfolgte Ziel ist die Effizienzsteigerung des Bildungssystems. Als Maßstab dienen jedoch ausschließlich betriebswirtschaftliche Kriterien, während kulturelle, soziale oder ökologische Aspekte weitgehend unberücksichtigt bleiben. Das GATS-Abkommen bündelt und verstärkt diese Trends, doch ruft sie nicht zwangsläufig hervor. Deutliche Anzeichen einer marktorientierten Umgestaltung des Bildungswesens gibt es sowohl auf globaler als auch auf europäischer und österreichischer Ebene. Ein Großteil der Veränderungen geht ursprünglich nicht von der globalen Ebene aus sondern vom europäischen Binnenmarktprogramm, mit dem formal bis Ende 1992 der europäische Binnenmarkt verwirklicht wurde. Dieser umfasst einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet ist. In Österreich stehen mit der Kommerzialisierung des Bildungssystems verbundene Liberalisierungs- und Privatisierungsprozesse erst am Anfang einer Entwicklung, die in den USA, Australien oder Großbritannien bereits deutlich weiter fortgeschritten ist. Doch auch in Österreich gibt es Anzeichen, die auf ähnliche Veränderungen hinweisen.

Die für das europäische Bildungssystem wichtigen Verträge (vgl. Anthofer, 2005, S.112-118/OECD, 2004,):

Das Sorbonne-Abkommen und der Bologna-Prozess zielen auf einen einheitlichen europäischen Hochschulraum. Dieser beinhaltet 4000 Institutionen und 16 Millionen Studenten, von denen 75% öffentliche Einrichtungen besuchen (Stand 2004).

• 1998 Sorbonne-Abkommen: Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien schlossen eine Übereinkunft über die erweiterte Harmonisierung des europäischen Hochschulbereichs. Diese Überlegungen führten zum Bologna-Prozess.

• 1999 Bologna-Prozess: Es wurde im Juni 1999 von 29 europäischen Staaten eine Erklärung unterzeichnet, die die Schaffung eines europäischen Hochschulraumes bis zum Jahr 2010 vorsieht. Es wurden folgende 6 Ziele vereinbart: - Einführung eines Systems leicht verständlicher und vergleichbarer Abschlüsse - Einführung eines Systems, das im Wesentlichen auf zweistufigen Studiengängen aufbaut (undergraduate – graduate) - Einführung eines Leistungspunktesystems – ähnlichem dem ECTS (European Credit Transfer System)– als Mittel zur Mobilitätsförderung der Studierenden - Förderung der Mobilität durch die Beseitigung von Hindernissen, die der Freizügigkeit in der Praxis im Wege stehen - Förderung der europ. Zusammenarbeit bei der Qualitätssicherung im Hinblick auf die Erarbeitung vergleichbarer Kriterien und Methoden - Förderung der europäischen Dimensionen in der Hochschulausbildung Im Mai 2001 wurden bei einem weiteren Treffen in Prag noch die nachstehenden Punkte hervorgehoben: - die Bedeutung von lebenslangem Lernen in einer wissensbasierten Gesellschaft - die Notwendigkeit der Beteiligung der Hochschuleinrichtungen und Studierenden bei der Errichtung und Gestaltung des europ. Hochschulraumes - die Wichtigkeit der Förderung der Attraktivität des europ. Hochschulraumes durch leichte Verständlichkeit und Vergleichbarkeit europ. Hochschulabschlüsse, durch die Entwicklung eines gemeinsamen Qualifikationsrahmens und durch Mechanismen zur Qualitätssicherung und Akkreditierung/Zertifizierung

Daneben finden sich auch handfeste wirtschaftliche Ziele, besonders die Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Hochschulsystems. Durch ein einheitliches, effektives Bildungssystem will Europa die Vormachtstellung in diesem Wirtschaftssektor gewinnen (zurzeit stellen die USA den international meistgenutzten Bildungsanbieter dar). Weiters wird noch die Förderung der arbeitsmarktrelevanten Qualifikationen der europ. Bürger als angestrebtes Ziel angeführt. Das bedeutet, dass der einheitliche Hochschulraum die Verwendungsfähigkeit der Bürger erhöhen soll und dass auch Bakkalaureatsstudien derart eingerichtet werden sollen, dass sie eine bestimmte erwünschte Qualifikationsebene bescheinigen. Damit geht eine Reduzierung der Bildungsinhalte auf Anforderungen des Marktes einher und stellt dahin, ob eine gesellschaftliche und menschliche Entwicklung so sichergestellt werden kann. Es ist auch fraglich, ob es überhaupt gelingt, das Hochschulsystem zu vereinheitlichen, weil eine Vielfalt von Kulturen, Sprachen, nationalen Bildungssystemen und autonomen Universitäten involviert ist. Bei einzelnen Teilbereichen hat sich die befürchtete Homogenisierung der Bildungssysteme bereits bestätigt. Zum Beispiel bedarf der Umstieg auf ein zweistufiges Studienmodell tief greifende Veränderungen in den Strukturen der Hochschulen. Entweder müssen die herkömmlichen Diplomstudien stärker modularisiert werden, um die Lehrveranstaltungen für alte und neue Studiengänge zugänglich zu halten, oder gänzlich abgeschafft und durch neue Bachelor- und Masterstudiengänge ersetzt werden, um inhaltlich und formal den neuen Studienordnungen zu entsprechen.

Das Verhältnis zwischen dem GATS-Abkommen und dem Bologna-Prozess kann als zwei sich ergänzende Liberalisierungsebenen beschrieben werden. Beschränkungen, deren Aufhebung auf europäischer Ebene auf starken Widerstand stößt, werden so auf der multilateralen Ebene des GATS herausgefordert. Umgekehrt dient das GATS dazu, Liberalisierungsfortschritte aus dem europäischen Binnenmarkt auf Drittstaaten auszudehnen. Obwohl Parallelen hinsichtlich der Zielsetzungen bestehen, sind die Wege dorthin nicht ganz deckungsgleich: Der Bologna-Prozess versucht es über eine „institutionelle“ Strategie der kooperativen Harmonisierung (Erhöhung der Mobilität durch Anerkennungsverfahren, gemeinsamer Curriculums-Entwicklung und europäischen Förderprogrammen) und das GATS über eine funktionelle Integrationsstrategie, die auf den marktwirtschaftlichen Wettbewerb setzt.

• 2000 Lissabon-Gipfel: Im März 2000 kamen die EU-Regierungschefs in Lissabon zusammen, um ein politisch strategisches Ziel auszuarbeiten, das ebenfalls bis 2010 realisiert werden soll: Europa soll die wettbewerbsfähigste, dynamischste und wissensbasierteste Wirtschaft der Welt anstreben. Damit geht die Schaffung besserer Jobs und mehr sozialem Zusammenhalts einher. Diese Vereinbarungen haben natürlich auch starken Einfluss auf den marktorientierten Bildungssektor.

• Im Jahre 2000 wurde auf der EU-Regierungskonferenz von Nizza vereinbart, dass besonders sensible Dienstleistungen, wie kulturelle und audiovisuelle Dienstleistungen, Dienstleistungen in den Bereichen Bildung, Soziales und Gesundheitswesen, in der gemischten Zuständigkeit der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten bleiben. Das bedeutet, dass der Abschluss von Abkommen in den oben genannten Bereichen weiterhin nur durch einen Beschluss der Gemeinschaft und die einvernehmliche Zustimmung der Mitgliedstaaten möglich ist. Das hat für die einzelnen Staaten zur Folge, dass sie bei Liberalisierungsverhandlungen unter anderem im Bildungswesen über ein Vetorecht verfügen. Doch im Juni 2003 wurde beim EU-Gipfel in Thessaloniki der europäische Verfassungsentwurf vorgestellt. In diesem wird die Vetomöglichkeit der Mitgliedsländer und somit die Sonderstellung des Bildungsbereichs aufgehoben. Die Entscheidungsgewalt verlagert sich auf die europäische Ebene. Die Festschreibung einer Verfassung für Europa könnte für den Bildungssektor ähnliche tief greifende Veränderungen mit sich bringen wie der Bologna-Prozess. Die Europäische Kommission, die über die gemeinsame Handelspolitik bestimmen wird, wird vor der weiteren Liberalisierung der Bildungsdienstleistungen nicht Halt machen, auch wenn einzelne Mitgliedsstaaten dagegen sind.

Zusammenfassung: Die Vermarktung des Bildungswesens steht im Vordergrund. Bezogen auf die Fragestellung bedeutet das, dass das traditionelle Verständnis, dass Bildung zu Wissen und Persönlichkeitsentwicklung führen soll, immer bedeutungsloser wird. Außerdem haben die neuen europäischen Verträge die Konsequenz, dass unser Bildungssystem total umgestellt wird. Die EU soll ein einheitliches System entwickeln, was für jedes Land Veränderungen bringt, wie z.B. ein einheitliches Punktesystem. Unser historisch entwickeltes System wird einfach an das angestrebte System angepasst. Die Politiker haben auch immer weniger Einfluss auf das Bildungswesen, weil die Entscheidungsmacht die EU übernimmt. Deshalb setzt sich der Trend der Privatisierung so durch.


Veränderungen des Bildungssektors in Österreich: (vgl. Anthofer, 2005, S.119-128)

Einhergehend mit den globalen und europäischen Veränderungen kommen Reformen im österreichischen Bildungswesen, die die „Vermarktwirtschaftlichung“ und Kommerzialisierung des Bildungssektors deutlich zeigen. Um einige wichtige Veränderungen anzuführen:

- Schulautonomie:

Durch das SchOG (Schulorganisationsgesetz) 1996 wurden den Schulen unter dem Schlagwort „Schulautonomie“ weitere Kompetenzen übertragen, z.B. schulautonomer Lehrplan, Festlegung alternativer Leistungsbeurteilung, finanzielle und personelle Autonomie. Die weitgehenden Folgen waren Vermietung von Schulräumen an Dritte für nichtschulische Zwecke und zusätzliche Verdienste durch Werbe- und Sponsoringverträge. Durch die neue Regelung sind Schulen von einem ehemals geschützten Bereich zu Akteuren auf dem freien Markt geworden. Ein Schuldirektor nimmt zusehends die Rolle des Managers eines Großbetriebs ein, der um zusätzliche finanzielle Mittel konkurrieren muss, um die erforderliche Qualität der Ausbildung erhalten zu können. Es entsteht ein Spannungsfeld zwischen staatlichem Bildungsauftrag und ökonomischen Zwängen. Das österreichische Bildungsministerium sieht die neue Schulautonomie als Entlastung für die Staatskasse, weil die Schulen nun über die notwendigen Möglichkeiten verfügen, sich teilweise selbst zu finanzieren. Aufgrund der starken Vermarktwirtschaftlichung wird die Chancengleichheit der Bildungseinrichtungen aufgelöst, da nicht alle Schulen für Werbe- und Sponsoringverträge gleich attraktiv sind. Bevorzugt werden große Ausbildungsinstitutionen in Ballungsräumen. Das führt zu riesigen regionalen Unterschieden zwischen den Schulstandorten bei Qualität und Umfang der Bildungsangebote.

- Einrichtung von Fachhochschulstudiengängen:

Mit dem Studienjahr 1994/95 wurden in Österreich die ersten Fachhochschulstudiengänge eingerichtet. Dabei handelt es sich um „Studiengänge auf Hochschulniveau, die einer wissenschaftlich fundierten Berufsausbildung dienen“ (FHStG §3 Abs1). Diese Entwicklung war nur durch folgende Reformbestrebungen möglich: Durch die Stärkung der Eigenständigkeit und Verantwortlichkeit der Bildungsinstitutionen kommt es zur Abkehr von der Tradition zentralistischer Angebotsplanung, staatlicher Bildungsinstitutionen und der hohen Regelungsdichte des Hochschulrechts. Schon allein die Finanzierung des Fachhochschulbereichs unterscheidet sich von der gewohnten Form. Das „Mischfinanzierungsmodell“ sieht eine primäre staatliche Finanzierung mit einer privaten Beteiligung vor. Mit der Einrichtung dieses Sektors ist gewährleistet, dass Bildungsinhalte bedarfsgerecht angeboten werden und flexibel auf kurz- und mittelfristige Änderungen der vom Arbeitsmarkt gewünschten Qualifikationen reagiert werden kann. Dadurch, dass die Einrichtung neuen Fachhochschulstudiengängen von potentiellen Anbietern ausgehen muss und in den Trägerorganisationen auch Interessensverbände und Unternehmen engagiert sind, besteht ein enger Kontakt zur Wirtschaft. So kann eine praxisbezogene Ausbildung garantiert und den Bedürfnissen und Anforderungen späterer Arbeitgeber entsprochen werden.

- Akkreditierung von Privatuniversitäten

Universitäten waren in Österreich ein staatliches Monopol. Doch mit dem Universitäts-Akkreditierungsgesetz 1999 wurden die rechtlichen Grundlagen für die Errichtung privater Universitäten geschaffen, die einen neuen Sektor hochschulischer Einrichtungen darstellen. Der Grund dafür ist die immer stärker werdende internationale Vernetzung. Es sollte auch ausländischen Universitäten ermöglicht werden, ihre Studienprogramme in Österreich anzubieten. Der Vorteil liegt darin, dass diese zugewanderten Bildungsanbieter eine inhaltliche und didaktische Ergänzung zum österreichischen Bildungsangebot darstellen können. Das Universitätsakkreditierungsgesetz enthält aber eine genaue Regelung, die die staatliche Finanzierung von privaten Universitäten ausdrücklich verbietet. Diese Privatunis sind nicht auf staatliche Unterstützung angewiesen, weil sie ihre Ausgaben allein durch private Geldgeber und Studiengebühren decken. Insgesamt bestehen in Österreich bereits sieben Privatuniversitäten, die Private Medizinische Universität Salzburg, die Webster University Vienna, die Katholisch-Theologische Privatuniversität Linz, um nur einige zu nennen. Diese privaten Bildungsinstitutionen sind den staatlichen Hochschulen gleichgestellt und ebenfalls berechtigt, an die Absolventen akademische Grade zu verleihen. Studierende an Privaten Hochschulen genießen dieselben sozial- und steuerrechtlichen Vorteile wie Studenten von staatlichen Universitäten. Ein wichtiger Unterschied besteht lediglich bei der Zulassung. Private Bildungsanbieter haben das Recht, Aufnahmeprüfungen und andere qualitätsorientierte Selektionsmechanismen anzuwenden.


Folgende Punkte wären für die Erhaltung des traditionellen Bildungswesens in Österreich besonders wichtig:

Qualität sichern: Um eine zufrieden stellende Betreuung aller SchülerInnen gewährleisten zu können, darf die Zahl der Schüler pro Klasse nicht weiter erhöht werden. Unabhängig von privatem Sponsoring muss die schulische Ausstattung regelmäßig modernisiert werden. Erziehung zu selbstständigem Denken soll im Vordergrund stehen.

Freier Zugang: Bildung muss allen Bevölkerungsschichten, unabhängig vom Einkommen und er sozialen Stellung, frei zugänglich sein. Von weiteren Selbstbehalten ist auf jeden Fall Abstand zu nehmen, die Studiengebühren sind abzuschaffen.

Integration: Die Förderung der spezifischen Fähigkeiten der einzelnen SchülerInnen muss Vorrang haben. Die Integration benachteiligter SchülerInnen und ihre bestmögliche Ausbildung sind wichtige Bestandteile einer sozialen gerechten Gesellschaft.

Vielfalt: Nicht nur „marktrelevante“ Lehrinhalte, sondern auch Fächer, die zur Persönlichkeitsbildung beitragen und soziale Kompetenzen vermitteln, müssen im Lehrplan Platz finden. Die so genannten „Orchideenfächer“ tragen zur Vielfalt und zum intellektuellen Reichtum der Gesellschaft bei und müssen daher die notwendigen finanziellen Mittel erhalten.

Weiterbildung stärken: Der Zugang zur Weiterbildung muss erleichtert werden, auch finanziell Schwächere dürfen davon nicht ausgeschlossen werden.

Demokratie: Die Mitbestimmung von Lehrenden, SchülerInnen und StudentInnen muss weiter ausgebaut werden. Wirtschaftliche Interessen dürfen nicht über die Rahmenbedingungen und Inhalte der Bildung bestimmen.

Freiheit der Forschung: Die Universitäten dürfen auch weiterhin nicht auf private Sponsoren angewiesen sein. Nur eine ausreichende öffentliche Finanzierung garantiert die Freiheit von Forschung und Lehre.

Die eben angeführten Punkte werden aber nur schwer aufrechterhalten bzw. realisiert werden, da sich Österreich auch nicht der fortschreitenden Globalisierung und Marktöffnung des Bildungssektors entziehen kann. Die EU-Länder müssen im Rahmen der GATS weitere Verpflichtungen eingehen.

Bezogen auf meine Fragestellung bedeutet das, dass die Wirtschaft immer mehr Einfluss auf die österreichischen Bildungseinrichtungen nimmt. Es werden nur mehr für den Beruf benötigte Qualifikationen vermittelt. Allgemeinbilung und Persönlichkeitsentwicklung ist zweitrangig. Die Schulen müssen mit der Wirtschaft kooperieren und die Schule mit Werbung "beschmutzen", damit sie finanziell gesichert sind. Und der Trend der Privatisierung zeigt sich natürlich auch in Österreich am Beispiel der Privatuniversitäten. Die erwähnten Punkte zur Qualitätssicherung und Beibehaltung der traditionellen Prinzipien wären wichtig. Doch diese kann keine Schule mehr einhalten, da sie dem Druck der Internationalisierung und Kommerzialisierung nicht Widerstand leisten kann.



Zusammenfassung und Blick in die Zukunft des Bildungssektors:

Die Veränderungsprozesse, die in den nächsten Jahren noch stark weiter schreiten werden, laufen auf drei Ebenen ab: der nationalstaatlichen Ebene mit bildungspolitischen Entscheidungen, die europäische Ebene mit Harmonisierungsbestrebungen und die globale Ebene mit der fortwährenden Liberalisierung der Bildungsdienstleistungen im Rahmen des GATS-Abkommens. Bereits jetzt sind mit dem General Agreement on Trade in Services die wichtigsten Voraussetzungen für einen freien Bildungsmarkt geschaffen. Es bestehen zwar wichtige Interpretationsspielräume bezüglich der Vertragsbestimmungen, doch diese Ausnahmen könnten in den laufenden Verhandlungen beseitigt werden. Die Folge für den Bildungssektor wäre dann die völlige Gleichbehandlung von inländischen und ausländischen Bildungsanbietern. Vor allem das Wegfallen der EU-Beschränkung auf privat finanzierte Bildungsdienstleistungen würde für das öffentliche Bildungssystem schwerwiegende Folge haben. Durch das GATS wird die Regulierungskompetenz der Nationalstaaten in den wichtigen Kernbereichen wie Bildung enorm eingeschränkt. Wird dem Land die Möglichkeit genommen, innerstaatliche Regelungen autonom zu definieren und durchzusetzen, ist dies mit einer Verringerung des wirtschaftlichen und sozialen Einflusses zu Gunsten des Marktes gleichbedeutend. Das europäische Gesellschaftsmodell wird grundlegend vom keynesianischen Wohlfahrtsstaat geprägt. Und deshalb zählt unter anderem zu den zentralen Staatsaufgaben die solidarische Absicherung gegen soziale Grundrisiken, die Umverteilung des gesellschaftliche erwirtschafteten Reichtums und die Bereitstellung von hochwertigen öffentlichen Dienstleistungen, die allen Schichten der Bevölkerung auf hohem Niveau und zu erschwinglichen Bedingungen zur Verfügung stehen sollen. Daher fällt auch die Förderung der Bildungschancen durch ein öffentliches Bildungswesen in den Verantwortungsbereich des Staates. Wie die letzten Entwicklungen aber zeigen, entzieht sich der Staat mehr und mehr dieser Aufgabe, indem er das Bildungssystem privatisiert und ökonomisiert. Es wäre daher vernünftig, wesentliche gesellschaftspolitische Zielsetzungen und deren Umsetzung durch regulatorische Maßnahmen vom Anwendungsbereich des GATS ausdrücklich auszunehmen. Dieser existentielle Lebensbereich Bildung darf nicht als Ware am Markt gehandelt werden. Profitmaximierung darf beim Zugang zu Bildung nicht den Ausschlag geben. Denn hier geht es nicht um Profit, sondern um Menschen. Bildung ist ein Menschenrecht, keine Ware. Verbunden mit der Liberalisierung ist die zunehmende Harmonisierung der Bildungssysteme, insbesondere der Hochschulen. Bildung wird auf wirtschaftlich verwertbare Qualifikationen reduziert. Öffentliche Institutionen werden immer mehr in den internationalen Wettbewerb hineingedrängt. Gesellschafts- und bildungspolitische Interessen werden von marktwirtschaftlichen Gewinnabsichten überdeckt. Die Rolle der WTO bei der voranschreitenden Harmonisierung des Bildungswesens besteht in der Sicherstellung der Transparenz bei Akkreditierungs-, Zulassungs- und Anerkennungsverfahren, die bisweilen länderspezifisch geregelt wurden. Besonders der im Artikel VI:4 des GATS-Abkommens angeführte Notwendigkeitstest stellt ein Problem dar. Dieser soll „gewährleisten, dass Maßnahmen, die Qualifikationserfordernisse und –verfahren, technische Normen und Zulassungserfordernisse betreffen, keine unnötigen Hemmnisse für den Handel mit Dienstleistungen darstellen.“ Maßnahmen, die diesem Kriterium nicht entsprechen, können als ungerechtfertigte Handelshemmnisse zu einer Anklage vor dem WTO-Schiedsgericht und zu ökonomischen Sanktionen führen. Somit bleiben auch z.B. Verbraucherschutzinteressen und Menschenrechte den wirtschaftlichen Aspekten untergeordnet oder finden überhaupt keine Berücksichtigung. Der Liberalisierungsprozess gleicht einer Einbahn, denn einmal zugestandene Marktöffnungsabsichten können nicht oder nur schwer zurückgenommen werden. Die Rücknahme ist nur frühestens nach Ablauf von drei Jahren nach Inkrafttreten der Verpflichtung und unter Einhaltung eines komplizierten Verfahrens möglich (vgl. GATS Artikel XXI:1), selbst wenn sich die Liberalisierung als offensichtlich fehlgeschlagen oder gesellschaftlich nachteilig erweisen sollte. Meist müssen sie den Handelspartner monetär oder durch Liberalisierungen in einem anderen Sektor Kompensationen leisten, die durch die Rücknahme schlechter gestellt sind. Für die Zukunft ist es wichtig, dass die bestehenden Zugeständnisse und ihre Auswirkungen auf den Bildungsbereich genau reflektiert werden. Liberalisierung darf dabei nicht zum reinen Selbstzweck werden, der keinerlei Rücksicht auf die unterschiedlichen sozialen, rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten in den einzelnen Staaten nimmt. Die Öffnung der Märkte und die Privatisierung der Angebote allein sind keine Garantie für eine bessere Verfügbarkeit und Qualität der Versorgung mit Dienstleistungen.

Wenn die bestehenden Trends so weiter laufen, wird die Zukunft unserer Bildung wie folgt aussehen (um es ein wenig zu übertreiben): - Eltern und Kinder werden zu Kunden von Privatschulen und sind nur willkommen, solange sie Schulgeld bezahlen können, - höhere Bildung wird also wieder zum Privileg, das sich nur Wohlhabende leisten können, - multinationale Konzerne bestimmen über die Ausbildung an vormals öffentlichen Schulen, - die Lehrinhalte werden von der späteren wirtschaftlichen Verwertbarkeit bestimmt. Welche Ziele mit der Liberalisierung von Bildungsdienstleistungen im Rahmen des GATS jedoch angestrebt werden, ist nicht immer klar ersichtlich. Dies spiegelt sich in den von Unsicherheit und Ängsten geprägten Debatten zu diesem Thema wider. Mehr Transparenz und ein bildungspolitischer Dialog auf breiter gesellschaftlicher Basis müssen die Grundlage weiterer Verhandlungen bilden. Liberalisierung und in der Folge Privatisierung gilt als Lösung aller Strukturprobleme im öffentlichen Bereich, insbesondere auch in jenen der Bildung. Der Staat wandelt sich dabei von einem, der politisch gestaltet, zu einem, der anpasst und „harmonisiert“.

Literaturverweis: GATS (Literatur)