Darstellungssinn und Richtungssinn (3)

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Das Foto ist eine Zusammenstellung von Formen, die unter anderem Fenster, Ziegel, Balken und Bäume darstellen können. Man kann sich eine experimentelle Variante vorstellen, in der alle diese Komponenten ähnlich funktionieren, wie der Schriftzug. Dann hätte man eine bildliche Darstellung ohne sicheren Bezug zur Welt. Sie würde uns im Zweifel lassen, ob es die Fenster und Balken, deren Formen erkennbar sind, auch wirklich gibt.

Demgegenüber ist die Darstellung konventionell. Sie operiert mit Formen im Modus der Positivität. Die vorangegangenen Überlegungen legen jedoch nahe, sich damit nicht zufriedenzugeben. Positive Formen können nicht ohne ein negatives Komplement auskommen. Auch für die Präsentation der Fenster und Balken gilt im Prinzip der positiv-negativ-Test, sonst lässt sich nicht bestimmen, welche Kontur welche Abbildungsfunktion erfüllt. Der Darstellungssinn des Bildes hängt davon ab, dass seine Komponenten durch ein derartiges Verfahren bestimmbar sind.

Das Foto synthetisiert also auf der Grundlage bipolarer Akzentuierungen formative Komponenten zu einem Darstellungsensembel. Die Fensterform im positiven liegt neben der Schriftform im negativen Modus. Negativ gepolt würde sie das Nicht-Vorhandensein eines Fensters anzeigen. Wenn man so will: sein real existierendes Fehlen.

Die vorangegangenen Überlegungen haben eine Reihe von Negationsverhältnissen entwickelt:

  • Distinkte Bildformen (und ihr Pendent im Darstellungsbereich) besitzen ein Komplement. Die Logik des Umschaltens entspricht jener des Negationsoperators.
  • Bilder enthalten distinkte Formen. Sie sind voneinander zu unterscheiden, doch ihr Verhältnis ist mit den Mitteln der Aussagenlogik nicht zu fassen.
  • Das Bild als Positiv-Negativ-Ensemble erfordert eine Abgrenzung vom Rest der Bildsprache. Sätze (Sachverhalte) sind bipolar und sie besitzen eine Eigenform. Auch das Verhältnis dieser Form zu anderen Formen wird vom Negationsoperator nicht erfasst.

Das systematische Problem, das sich damit ergibt, liegt darin, die Bipolarität, die Darstellungssynthese und die Verhältnisse innerhalb des Darstellbaren zusammenzubringen. Anders gesagt: die zweiwertige Logik mit dem Abbilddenken zu verbinden und das Ergebnis auf den Gesamtraum des Denkens auszuweiten.

Diesen Versuch unternimmt Wittgenstein im Traktat.


dualistische Metaphysik (1)




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