DEIMEL, Thomas (Arbeit2)

Aus Philo Wiki
Wechseln zu:Navigation, Suche

Gedanken zu Leibniz „Ein sich selbst auflösendes System“

1 Einleitung

In dieser Arbeit werde ich zuerst Teile der von Ao. Univ.-Prof. Dr. Richard Heinrich gehaltenen Vorlesung zu Gottfried Wilhelm Leibniz in groben Zügen zusammenfassen und manche Gedankengänge mit eigenen Ideen oder Kritik ergänzen.


2 Zusammenfassung der Vorlesung


2.1 Der philosophiegeschichtliche Hintergrund

Gottfried Wilhelm Leibniz wurde 1646 in Leibniz geboren und beschäftigte sich im Laufe seines Lebens vorrangig mit Mathematik, Naturwissenschaft und Philosophie. Aber auch als Diplomat, Historiker und in vielen anderen Bereichen war er überaus engagiert. Er starb 1716 in Hannover. Im Vergleich zu vielen anderen Philosophen seiner Zeit, die sich mehrheitlich von der Optimierung der Lehre und Schule abgewandt hatten, um neue Gedanken und Ansätze zu ersinnen, hielt Leibniz auch auf die Geschichte der Philosophie und deren Lehre wert. Während die moderne Philosophie seiner Zeit, die Lehre nur noch als Mittel zur Ermöglichung besserer Forschung ansah und die Beweisführung hinter dem hohen Stellenwert der Erforschung von Wegen zur Wahrheitsfindung als zweitrangig galten, erkannte Leibniz auch die Wichtigkeit der Beschäftigung mit Gedanken anderer Philosophen. Dies ist auch in der Form der Aufzeichnungen ersichtlich: während das Essay als Textform besonders bei den englischen Empiristen an Bedeutung gewann, waren lehrbuchartige Abhandlungen eher selten zu finden. Leibniz hingegen schrieb auch andere Arten von Texten und Bücher.


2.2 Vier Sätze zur Identität

In vielen seiner Arbeiten und sogar in Leibniz’ Metaphysik finden sich viele Beispiele für seine äußerst mathematischen Denkweisen. Ein besonders interessantes Gebiet sind seine Gedanken zu Identität und das damit stark in Zusammenhang stehende System der Monaden (Theodizee). Zur Identität formulierte Leibniz 4 Sätze:

• Für jeden Gegenstand gilt, dass er mit sich selbst identisch ist. • Leibniz-Law: Aus der Gleichheit von A und B folgt, dass für alle Eigenschaften von A gilt, dass auch B sie besitzt. • Für alle Eigenschaften oder Bestandteile von B gilt, dass sie auch A besitzt. • Es gilt die Ersetzbarkeit bei Erhaltung der Wahrheit. Identisches ist in jedem Satz austauschbar, ohne den Wahrheitswert des Satzes zu ändern.


2.3 Theodizee und Monaden

Die Monaden sind bei Leibniz die einfache Substanz, das was eigentlich ist. Sie sind unteilbar und ihr Dasein kann nur auf den absoluten Schöpfungsakt relativiert werden. Wenn Gott etwas erschaffen hat, dann die Monaden. Eine Monade spiegelt im Inneren alle möglichen Zustände wieder, diese sind nicht nur im Inneren wirkend, sondern auch nur nach einem inneren Prinzip. Sie sind sozusagen lebendige Spiegel des Universums. Die Monade ist unverwechselbar bestimmt durch die Folge der Zustände. Leibniz beschreibt diese Folge der inneren Zustände in einer Monade als mathematische Reihe. Die Monaden sind allerdings nicht äußerlich verbunden oder interagieren auf irgendeine äußerliche Art und Weise. Sie alle besitzen Perzeption, d.h. ein Standbild von inneren Zuständen und Appetition oder das Streben von einer Perzeption zur nächsten zu gelangen (http://de.wikipedia.org/wiki/Monade_(Philosophie)). Nun stellt sich die Frage, wie es zu den unterschiedlichen Reihen kommen kann. Dazu führt Leibniz ein neues teleologisches Prinzip ein: Alle möglichen Zustände sollen realisiert werden. Dadurch bilden sich die Monaden ineinander in jeder möglichen Art und Weise ab, ohne äußeren Einfluss aufeinander auszuüben. Jede Monade hat auch alle Möglichkeiten der anderen in sich. Die Unterschiede der einzelnen Monaden lässt sich am Beispiel der mathematischen Reihe vl. so veranschaulichen, dass die Summe einer infiniten mathematischen Reihe beim Vertauschen zweier Glieder im Allgemeinen nicht gleich bleibt. Das heißt die Monaden werden nur durch die Beziehung zu anderen, d.h. durch die Perzeption von anderen Monaden unterscheidbar. Das heißt die Abbildungen im Inneren einer Monade sind nichts anderes als die Gesamtheit von Beziehung zu den anderen Monaden, die wechselseitig ineinander abgebildet werden.


2.3.1 Die Begriffe „Stelle“ und „anstelle“

Ein großes Problem im Leibnizschen System ist der Begriff der Stelle. Es wird verlangt, dass etwas an die Stelle eines anderen tritt, also alle Beziehungen des anderen einnimmt und dennoch seine eigene Identität behält. Nun sind aber die Monaden durch die Beziehungen zu anderen Monaden definiert, also würden sie bei der Übernahme aller Beziehungen einer anderen Monade, mit dem Verlust der ihnen eigenen inneren Zustände auch ihre Identität verlieren. Dieses Problem wurde in der Vorlesung bereits thematisiert. Allerdings stellt sich auch ein weiteres, das mit dem ganz allgemeinen Verständnis davon zu tun, was es heißt, an die Stelle eines anderen zu treten. Denn dies ist im Allgemeinen eigentlich gar nicht möglich. Wie bereits erwähnt, wird das Einnehmen der Stelle eines anderen Objektes oder Wesens durch die Übernahme all der Beziehungen des zweiten Dings zu allen anderen Objekten im Raum durch das erste Ding, das an die Stelle des ersten tritt, bestimmt. Dabei darf laut Definition außerdem die Identität des ersten, Stelle wechselnden, Dings nicht verloren gehen. Das Problem ist nun, dass natürlich das zweite Ding, ebenfalls von seiner Stelle verschinden muss und damit entweder, die Stelle eines dritten Objektes einnehmen muss, welches ein weiteres Objekt verdrängen müsste und so weiter. Dies würde zu einer Bewegung führen, bis die Stelle des ersten Dings wieder besetzt ist. Diese würden allerdings gleichzeitig mit Bewegung des ersten Dinges auch wieder gefüllt werden, aber alles wäre in Bewegung geraten und damit nicht mehr dasselbe und es würden auch nicht mehr dieselben Beziehung zwischen den einzelnen Dingen bzw. zwischen dem ersten Ding und den übrigen bestehen, wie sie es waren, als sich noch das zweite Ding an seiner ursprünglichen Stelle befand. Man kann sich das vielleicht als Flüssigkeit vorstellen. Wenn man nun einen bestimmten Teil der Flüssigkeit an eine andere Stelle beförderte bzw. es sich selbst dorthin bewegte, würde sein Platz sofort wieder von anderen Flüssigkeitsteilen eingenommen werden das gesamte Fluid wäre in Bewegung. Alle (in diesem Fall vorrangig örtlichen) Beziehungen der Flüssigkeitsteilchen untereinander würden sich verändern und auch der bewusst bewegte Teil würde bei seiner Ankunft an einer selbst unendlich wenig weit entfernten Stelle, nicht mehr die gleichen Beziehungen, wie sein Vorgänger vorfinden. Dieses Beispiel setzt jedoch einen stets „gefüllten“ Raumbegriff voraus, das heißt Raum ist nur dort, wo auch tatsächlich etwas ist und es existiert kein Raum ohne Inhalt, also kein leerer Raum oder kein reiner Raum als solcher. Man könnte auch sagen, dass der Raum in diesem Fall gar nicht existiert, während die Dinge die Beziehungen zueinander sozusagen in sich selbst tragen. Das würde eben bedeuten, dass die Dinge nur durch einander definiert sind und eben einfach sind, die Existenz als solche ausmachen und nicht „in etwas“ existieren. Man könnte nun aber auch annehmen, es „existiert“ Raum zwischen oder eher hinter den eigentlich existenten Dingen. Also würde man sagen, die Dinge bewegen sich durch den leeren Raum, können, aber müssen dieses nicht einmal vollständig ausfüllen. Also es gibt den Raum als solchen. Man könnte ihn hier auch als Träger der Gesamtheit aller Beziehungen zwischen den Dingen auffassen, wodurch er nicht nur in Abhängigkeit der eigentlichen Dinge steht, sondern hinter ihnen liegt oder vor ihnen als eine Art unbeschriebenes Blatt bereits existiert. Im Falle des ersten Raumbegriffes, wäre ein Tauschen zweier Dinge, ohne zusätzliche Regeln nicht möglich gewesen, ohne nicht das gesamte System maßgeblich in Bewegung zu setzen und zu verändern. Wenn man nun annimmt, dass sie sich im neu geschaffenen Raumbegriff bewegen können, sei es zeitlich, räumlich oder auf eine Art, ohne andere Dinge auch anzustoßen, dann könnten zwei Dinge scheinbar einfach Platz tauschen, ohne eine Veränderung des gesamten Systems auszulösen. Doch auch hier ist es nicht, möglich an die Stelle eines anderen zu treten, wenn man annimmt, dass die Identität der tauschenden Teilchen bewahrt werden soll. Einerseits verändern sich die Beziehungen der anderen Teilchen zu den die Stelle wechselnden Dingen, sobald diese nicht mehr an ihrem ursprünglichen Platz sitzen und wenn die Teilchen durch ihre Beziehungen zu anderen definiert sind, so ändern sie sich selbst, wenn diese Beziehungen sich ändern und damit wäre wieder das ganze System verändert. Doch selbst wenn man annimmt, es gäbe eine Möglichkeit des Platzwechsels ohne jegliche Beeinflussung der umliegenden Dinge, wäre ein Stellenwechsel unter Beibehaltung der Identität nicht möglich. Denn sobald sich ein Teilchen an der Stelle eines anderen befindet und somit eine andere Sache, ein anderes Ding, eine andere Abfolge von Zuständen an dem Ort befindet, wäre der Ort selbst nicht mehr derselbe. Dieser ist schließlich definiert durch die Beziehungen zu allen anderen Dingen und in dem Moment, da das Ding A sich von seiner Stelle SA bewegt, um die Stelle SB des Dings B einzunehmen, ist die Beziehung der Stelle SB zur Stelle SA nicht mehr dieselbe, da ja dort nicht mehr das Teilchen A sitzt! Vielleicht lässt sich mit einer Skizze verdeutlichen, was gemeint ist.










Wie man im zweiten Teil der Skizze sieht, hat sich die Stelle in der Mitte, also die Gesamtheit der Beziehungen zu anderen Stellen oder Teilchen verändert, da A nicht mehr an seinem ursprünglichen Platz sitzt. Es hat A zu A nach dem Stellenwechsel nicht mehr die gleiche Beziehung, die B zu A an derselben Stelle hatte. Man sieht, dass die Beziehungen der Stelle, an der sich Teilchen B ursprünglich befunden hat, verändert haben, da Teilchen A, das jetzt auf dieser Stelle sitzt, nicht die gleiche Beziehung zu sich selbst hat, wie es das Teilchen B an der „selben“ Stelle zu ersterem hatte! Das Problem liegt hier bei der Identitätswahrung, durch die sich die Stelle verändert, sobald das ursprüngliche Teilchen diese verlässt. Sie hat eben dann statt einer Beziehung zu A, die „gleiche“ Beziehung zu B. Damit verändert sich die Beziehung sozusagen in ihrer Richtung und ist nicht mehr dieselbe und somit wäre auch ein Stellenwechsel unter Beibehaltung der Identität nicht möglich. Selbst, wenn nun B nicht an genau die Stelle träte, an der sich A zu Anfang befand, würde sich doch die Beziehung der mittleren Stelle (an der sich ursprünglich B befand) zu Teilchen A verändern, da dieses seinen ursprünglichen Platz verlassen hätte. Damit könnte Teilchen A gar nicht an die Stelle eines anderen Dings treten, ohne das dort dann andere Beziehungen vorherrschen würden. Dies wiederum würde bedeuten, dass die Stelle selbst nicht mehr dieselbe wäre und somit ein Stellenwechsel unter Beibehaltung der ursprünglichen Identitäten der Teilchen nicht möglich wäre. Selbst das doppelte Vorkommen von A, sprich, wenn B=A gilt, würde hier keinen Lösung bieten, da B=A nie gegeben sein kann, wenn die zeitliche Abfolge der eingenommenen Stellen nicht dieselbe ist. Was sie ja offensichtlich nicht ist, da zuerst B die Stelle einnimmt, an der nachher A sitzen wird. Würde man die zeitliche Abfolge nicht mit einbeziehen, so wären sie vor dem nötigen Stellentausch nicht identisch, da die Beziehungen zu den restlichen Dingen verschieden wären, doch nach dem Tausch würden sie exakt die Stelle des anderen einnehmen samt aller Eigenschaften inklusive aller Beziehungen des anderen Teilchens. Doch dann wäre wieder die Identität des Teilchens A verloren gegangen, das von nun an dem Teilchen B gleichkommt, als dieses noch an der ursprünglichen Stelle saß. Die Identität ließe sich hier nur mittels erneuter Einbeziehung der zeitlichen Abfolge der eingenommenen Stellen bewahren. Nur dann wären die Teilchen wieder nicht identisch und die selben Problemen wie in den oberen Fällen würden erneut auftreten, da A nach dem Stellenwechsel nicht dieselben Beziehungen zu Teilchen A hat, wie sie B an der selben Stelle hatte, d.h. die Beziehungen an der Stelle hätten sich wieder geändert und damit wäre, wie schon oft erwähnt, laut Definition auch die Stelle nicht mehr dieselbe. Ein Treten des Teilchens A an die ursprüngliche Stelle von B wäre also wieder nicht möglich, da die Stelle selbst nach vollzogenem Tausch eine andere wäre. Das Problem liegt also schlichtweg im Begriff des „Stellenwechsels“, der sich so formuliert selbst widerspricht.


3 Abschließende Bemerkungen

In den meisten Teilen der obigen Ausführungen wurde die Stelle eines Teilchens vom eigentlichen Teilchen selbst separiert, um die Gedankengänge zu veranschaulichen. Doch auch, wenn man der Stelle im Raum keine eigene Existenz zuschriebe und jedes Teilchen sozusagen auch als eine Stelle ansähe, da es ja nur durch seine Stellung definiert sein soll, würde sich eine ähnliche Schlussfolgerung ergeben.


Zurück