Buch 1 (PSI): Unterschied zwischen den Versionen

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K (Dazu zwei Bateson-Zitate: - corr:syntax)
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Überspitzt könnte man sagen: Daß eine Entität einen Zweck hat, bedeutet, daß sie monofunktional ist. (Wie geht die Vorstellung, einen Zweck zu erfüllen, mit der Vorstellung zusammen, eine Variable zu maximieren? Was bedeutet ''Maximierung einer Absicht''?)
 
Überspitzt könnte man sagen: Daß eine Entität einen Zweck hat, bedeutet, daß sie monofunktional ist. (Wie geht die Vorstellung, einen Zweck zu erfüllen, mit der Vorstellung zusammen, eine Variable zu maximieren? Was bedeutet ''Maximierung einer Absicht''?)
  
Es könnte interessant werden, wie hier Platon und Bateson aufeinanderprallen, da Platon auf ''Entitäten'' bedacht ist, Bateson dagegen auf ''Systeme'', also Kontexte. Für Bateson ist das Pferd in die Natur eingebettet, für Platon ist es dagegen essentiell, daß das Pferd eine Entität ist, denn sonst könnte es keine Idee haben. - Interessanterweise baut auch Luhmann seinen Systembegriff auf der Voraussetzung auf, daß das System von der Umwelt geschieden ist, also mehr auf "Grenzziehung" als auf "Verbindung".</div>
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Es könnte interessant werden, wie hier Platon und Bateson aufeinanderprallen, da Platon auf ''Entitäten'' bedacht ist, Bateson dagegen auf ''Systeme'', also Kontexte. Für Bateson ist das Pferd in die Natur eingebettet, für Platon ist es dagegen essentiell, daß das Pferd eine Entität ist, denn sonst könnte es keine Idee haben. - Interessanterweise baut auch Luhmann seinen Systembegriff auf der Voraussetzung auf, daß das System von der Umwelt geschieden ist, also mehr auf "Grenzziehung" als auf "Verbindung".
  
 
--[[Benutzer:H.A.L.|H.A.L.]] 17:14, 16. Mär. 2009 (UTC)
 
--[[Benutzer:H.A.L.|H.A.L.]] 17:14, 16. Mär. 2009 (UTC)

Version vom 19. März 2009, 23:21 Uhr

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335b-e (PSI)

Pferde quälen? (PSI)

Dem Titel "Pferde quälen?" intendiert die Fragestellung, ob dies unter Umständen auch gerecht sein kann; z. B. bei der Heranziehung zu kommerziellen Zwecken für uns Menschen: etwa beim Abtransport zum Schlachthof zur Lebensmittelverwertung (Pferdeleberkäse), beim Lastentransport, bei schwerer Feldarbeit etc. etc. Meine klare Antwort darauf lautet: N e i n. Denn wie schon Platon richtig feststellte: "Ohne Idee des Guten muss das menschliche Leben scheitern". In diese müssen nun auch Lebewesen wie z. B. Pferde miteinbezogen werden, wenngleich sie an und für sich (auto kathhauto)keinen ethischen Gegenstand darstellen, weil sie für ihr Tun oder Unterlassen nicht verantwortlich sind, oder dafür jemals verantwortlich gemacht werden können. Da Gerechtigkeit ferner ausschließlich auf G u t e s zielt, quälen jedoch seiner Natur nach in keiner gesunden Seele etwas Gutes bewirken kann, hat ein derartiger Terminus weder einen Bezug zur Gerechtigkeit, noch überhaupt zur Richtigkeit der Maxime eines ethisch korrekten Handelns. Das Quälen ist somit kein Gegenstand der Gerechtigkeit. Platon erkennt völlig zu Recht (vgl. Staat 433): "Gerechtigkeit ist der Besitz und das Tun dessen, was einem zukommt - sie ist eine taxis kai kosmis; sie ist der Seele, was dem Körper die Gesundheit". Ein Lebewesen zu quälen (egal ob Mensch oder Tier) stellt daher, besonders im Sinne Platons, weder ein Mittel zur Erlangung einer seelischen Gesundheit dar, noch ist ein solches Verhalten etwas, das jemandem automatisch z u k o m m t, sondern diese Tyrannei ist ein anthropologisch angeeignetes Charakterdefizit sadistischer Menschen.

WHH (11/08)

Bezugnehmend darauf, etwas provokant und etwas OFF-Topic:

  • Heißt quälen, (grundlos) Schmerzen erleiden? Ist es nicht auch eine Qual, die eine Maus erleidet, wenn eine Katze sie fängt und anstatt sie sofort zu fressen eine Stunde lang mit ihr spielt? Was unterscheiden diese Schmerzen von den Schmerzen die sie erleidet, wenn ein Mensch mit ihr Experimente anstellt? Der Unterschied dürfte darin liegen, dass die Menschen von den Schmerzen der Maus etwas erahnen können - nicht in der Qualität des Schmerzes an sich. Es ist nicht aufgrund des Schmerzes moralisch verwerflich, sondern weil wir uns (bis zu einem gewissen Grad) in Lebewesen einfühlen/reindenken können. Eine Katze kann das (soweit wir uns in eine Katze reindenken können) nicht. Damit verstehen wir, dass Experimente mit Mäusen grundlos schmerzhaft wären. Und was, wenn einer behauptet, mit Hilfe dieser Experimente könnte man viel schlimmere Qualen verhindern? (Mittel zum guten Zweck?)
  • Und ein zweiter Punkt: Gerechtigkeit ist der Besitz und das Tun dessen, was einem zukommt? WAS kommt einem denn zu? Ist es möglich, dies vollständig zu beantworten? Dem Menschen kommt zu: neugierig zu sein. Das impliziert zu experimentieren (Versuch und Irrtum). Doch das sind nie und nimmer alle Eigenschaften und Handlungen von dem, was einem zukommt. Ist diese Bestimmung von Gerechtigkeit nicht zu schwach? Ist sie nicht fast tautologisch? Alle inhaltlichen Modifikatoren des Begriffs wurden weggenommen und übrig bleibt eine Struktur, die das Begreifen des Begriffs (für mich) offen lässt. Erinnert ein bisschen an Parmenides und "Das Sein IST."--Andyk 23:13, 25. Nov. 2008 (CET)

Versuch einer adäquaten Antwort:

  • Quälen heißt (für mich) Schmerzen b e w u s s t zufügen(!); diese zu erleiden, kann zwar eine Qual, nicht aber quälen an sich genannt werden. Tiere handeln instinktiv, d. h. aufgrund angeborener oder eingeübter (Nachahmungs-)Mechanismen nicht aber b e w u s s t; d. h. sie sind für ihr Tun oder Unterlassen generell nicht verantwortlich, weil sie ja auch keine Einsicht in ihre Handlungen haben und ihren artspezifischen Rahmen nicht überschreiten können (vgl. Prof. Klein: Geschichtsphilosophie, Eine Einführung, Literas Uni-Verlag, S. 10). Moralisch verwerflich sind nicht Schmerzen, sondern das b e w u s s t e (mithin von uns Menschen - auch gegen uns selbst - ausgehende) z u f ü g e n von Schmerzen, weshalb diesbezügliche Experimente ethisch verwerflich sind; und zwar selbst dann, wenn damit noch schlimmere Qualen verhindert werden können, zumal und wenn es längst Alternativen zu (qualvollen) Tierexperimenten gibt. Denn der Zweck, so erkannte schon Kant völlig richtig, heiligt n i c h t die Mittel.
  • Zum zweiten Punkt: W A S einem individuell zukommt, lässt sich infolge der Mannigfaltigkeit der Ereignismöglichkeiten unserer Welt selbstverständlich nie g e n a u sagen. Dennoch meine ich, dass eine darauf bezogene Bestimmung von Gerechtigkeit deshalb nicht zu schwach (obwohl fast tautologisch - aber eben nur fast) ist, weil Gerechtigkeit exakt darin besteht, was immer auch jemandem auf n a t ü r l i c h e Art und Weise zukommt, anzunehmen und das Beste daraus zu machen. Dies ist e i n e Tugend der Gerechtigkeit. Auf unser Beispiel bezogen heißt dies, dass es der sog. Ernährungspyramide nach, bereits biologisch (vgl.Darwins und Spencers "struggle for existence") gerecht ist, dass die Katze die Maus "quält", da zweiterer dies ja auf natürliche (wenngleich auf zuweilen bedauerliche) Weise zukommt, nicht aber, wenn dies der Mensch tut. Das jeden Ereignissen (den gerechten wie ebenso den ungerechten) ontologisch stets immanente "WAS" Platons, wie auch das "IST" (bzw. das "DAS") des Parmedines wird also durch "unser" Beispiel nicht suspendiert, sondern nur noch bestätigt.WHH (11/08)--A0400343 13:19, 29. Nov. 2008 (CET)

339b-340c (PSI)

348b-350c (PSI)

352d-353a - die Aufgabe der Pferde

"Antworte mir: Es gibt doch eine besondere Aufgabe des Pferdes?"

"Ja!"

"Als die besondere Aufgabe des Pferdes oder eines anderen Wesens wird man das bezeichnen, was man nur durch dieses Wesen allein oder doch am besten machen kann?"

"Das verstehe ich nicht!"

"Nun so: Wir sehen nur mit den Augen, nicht?"

"Ja!"

"Und hören nur mit den Ohren?"

"Natürlich!"

"Mit Recht nennen wir das ihre besondere Aufgabe!"

"Sicher!"

"Man kann mit einem Schwert, mit einer Hippe und vielen andern Werkzeugen den Schößling einer Rebe beschneiden, nicht?"

"Gewiß."

"Aber mit nichts so gut wie mit einem Winzermesser, das für diese Arbeit gefertigt ist?"

"Du hast recht!"

"Das können wir doch als die besondere Aufgabe dieses Werkzeuges bezeichnen?"

"Das wollen wir!"

"Nun verstehst du, denke ich, meine vorherige Frage besser, ob nicht die besondere Aufgabe in dem gelegen ist, was man allein oder am besten durch dieses Ding herstellen kann."

Auffallend: Platon redet nur von Werkzeugen, also von Dingen, die von vornherein nur hergestellt wurden, um eine Aufgabe zu erfüllen. Ein Pferd dagegen ist ein funktionales System in sich und hat in diesem Sinn keine Aufgabe. - Eigentlich gibt es hier drei Arten von Dingen: bewußt hergestellte Werkzeuge (Winzermesser), Organismen (Pferde) und gewachsene Werkzeuge, sprich Organe (Augen). Dazu würde jetzt Bateson hinzufügen: So wie sich das Auge im Zusammenhang mit dem Körper entwickelt hat, so hat sich auch das Pferd im Zusammenhang mit dem Ökosystem entwickelt (ein Beispiel, das er ja explizit bringt). Was heißt es, in diesem Zusammenhang von der "Aufgabe" eines Pferds zu sprechen? (Dazu auch sein Zitat über mono- und polyfunktionale Systeme nachschlagen, oder wie er das genannt hat.)

Auffallend die letzte Aussage, wo Sokrates weniger teleologisch argumentiert als durch ein Konzept von Passung. Nicht: das Pferd ist Pferd, weil es eine besondere Art von Aufgaben für Pferde gibt, sondern es gibt etwas, das das Pferd am besten kann, und das ist die Aufgabe des Pferds. Man könnte diesen Ansatz ausbauen zu: Weil das Pferd das am besten kann, wird die Aufgabe dem Pferd zugewiesen und ist daher die besondere Aufgabe des Pferdes. - In weiterer Folge verweist er darauf, daß zu einer besonderen Aufgabe auch eine besondere Fähigkeit gehört. Das ist bei einem Ansatz von der Passung her tautologisch, aber bei einem teleologischen Ansatz erwähnenswert - es könnte ja eine Aufgabe vorgesehen sein, für die das Ding dann aber letztendlich nicht geeignet ist. Als Beispiel bringt er blinde Augen - hier wird die Sache delikat, denn die Aufgabe steht tatsächlich im Widerspruch zur Fähigkeit (was mit der Zugehörigkeit des blinden Auges zur Klasse der Augen zu tun hat).

Worauf will Platon eigentlich hinaus? Zunächst stellt er fest, daß auch die Seele ihre spezifische Aufgabe hat. Dann sagt er, daß sie ihre Aufgabe ohne entsprechende Fähigkeit nicht erfüllen kann. Danach heißt es (353e):
"Haben wir nicht als Fähigkeit und Tüchtigkeit der Seele die Gerechtigkeit anerkannt, die Ungerechtigkeit als ihre Schwäche?"
"Allerdings!"
Und Sokrates schließt daraus, daß eine gerechte Seele ihre Aufgabe gut erfüllen kann, eine ungerechte aber nicht, und da die Aufgabe der Seele so etwas wie ein guter und glücklicher Lebenswandel ist, muß der Ungerechte ein schlechtes Leben haben. ("Niemals, mein bester Thrasymachos, ist also die Ungerechtigkeit gewinnbringender als die Gerechtigkeit?" - "Dies sei dir als Schmaus zum Fest der Bendis geboten, mein Sokrates!" - 354a,) An dieser Stelle habe ich mir ein Fragezeichen gemacht. Wo bitteschön haben sich Sokrates und Thrasymachos darauf geeinigt, daß Gerechtigkeit die Fähigkeit der Seele ist? Ist das nicht das, was die ganze Zeit bewiesen werden sollte? daß eine gerechte Seele leistungsfähiger ist als eine ungerechte, so wie ein sehendes Auge leistungsfähiger ist als ein blindes? - Dazu die Fußnote in der Reclam-Ausgabe:
"Haben wir nicht ... anerkannt": Das geht auf 350cd, wo die Gerechtigkeit als eine ἀρετὴ "Tüchtigkeit, Vollkommenheit" erwiesen wird, jedoch ohne Bezug auf die Seele, sondern ganz allgemein. Dieser Einschub ist nicht ohne Grund gemacht. Platon weist damit auf eine Unterlassung der bisherigen Untersuchung hin - man hat ja auf den eigentlichen Träger der Gerechtigkeit, dessen Wesen sie noch dazu ausmacht, gar nicht geachtet, eine Unterlassung, die notwendig die Ergebnislosigkeit am Ende mitbedingt-, und er weist zugleich auf Weg und Ziel der zu erwartenden weiteren Untersuchung voraus."
(das ist vielleicht ein anderes Kapitel, was mir hier vor allem ins Auge gesprungen ist, ist die tendentiell teleologische Bestimmung des Begriffs "Aufgabe").

Dazu zwei Bateson-Zitate

Quelle: Bateson, Gregory: Ökologie des Geistes. Anthropologische, psychologische, biologische und epistemologische Perspektiven, stw 1985, ISBN 3518576283

Im Jahre 1935 hatte ich ganz sicher noch nicht die zentrale Bedeutung des "Kontexts" erfaßt. Ich dachte, die Prozesse der Schismogenese seien wichtig und nicht trivial, weil in ihnen die Evolution am Werk zu sein schien: Wenn die Interaktion zwischen Personen mit zunehmender Intensität eine fortschreitende qualitative Veränderung durchlaufen konnte, dann konnte dies genau der Stoff der kulturellen Evolution sein. Es folgte, daß alle zielgerichtete Veränderung, selbst in der biologischen Evolution und Phylogenese, auf fortschreitender Interaktion zwischen Organismen beruhen konnte - oder mußte. Bei natürlicher Selektion würde eine solche Veränderung der Beziehungen eine fortschreitende Veränderung in der Anatomie und in der Physiologie begünstigen.

Die progressive Zunahme der Größe und Kampfstärke der Dinosaurier war, wie ich sie sah, nichts anderes als ein sich gegenseitig beeinflussendes Wettrüsten - ein schismogener Prozeß. Damals erkannte ich aber noch nicht, daß die Evolution des Pferdes vom Eohippus aus nicht eine einseitige Anpassung an das leben auf grasbewachsenen Ebenen war. Gewiß entwickelten sich die Grasebenen ihrerseits pari passu mit der Evolution der Zähne und Hufe der Pferde und anderer Huftiere. Die Grasnarbe war die evolutionäre Antwort der Vegetation auf die Entwicklung des Pferdes. Es ist der Kontext, der sich entwickelt.

(Anmerkung zu Teil II, S. 213)


Im Zusammenhang damit eine Notiz über den Begriff des Naturzustands: Der "Naturzustand" eines Organismus kann irrelevant werden, weil der Organismus dekontextualisiert werden kann. Und beim Menschen kann er das nicht nur werden, er ist es schon. Darüber hinaus ist der "künstliche" Zustand des Menschen besser als der natürliche, da Störungen durch die Medizin besser behandelt werden können. Das hängt damit zusammen, daß die Evolution nicht den menschlichen Körper allein modelliert, sondern das Zusammenspiel der konkurrierenden Arten in einem Ökosystem, von denen eine die andere hemmt und schädigt, anders gesagt, daß der Mensch nicht das optimale Funktionieren des Ökosystems im Blick hat, sondern das optimale Funktionieren des Menschen. Sofern wir nicht die Natur über den Menschen stellen (und möglicherweise selbst dann, denn die Technik könnte durchaus auch den anderen Arten dienen), ist der natürliche Zustand also nicht der optimale. Man könnte hier sagen, daß mit der Umkontextualisierung neue Probleme auftauchen - Allergien etc. -, aber das heißt nur, daß der optimale Zustand nicht der ist, der vom natürlichsten so weit entfernt ist wie möglich. - Man kann immer noch von einem möglichst natürlichen Zustand ausgehen und dann intervenieren, wenn er dem optimalen Zustand des menschlichen Körpers zuwider läuft.

Das Auge hat sich im Zusammenhang mit dem Funktionieren des Körpers entwickelt ebenso wie das Pferd im Zusammenhang mit dem Funktionieren des Graslands. Ein Pferd kann man aber herausnehmen und in einen neuen Zusammenhang setzen.

In einer Hinsicht unterscheiden sich die AA [die Anonymen Alkoholiker] zutiefst von natürlichen geistigen Systemen wie der Familie oder dem Rotholz-Wald. Sie haben eine einzige Absicht - "die Botschaft der AA zu dem Alkoholkranken zu tragen, der sie braucht" - und die Organisation hat sich der Maximierung dieser Absicht gewidmet. In dieser Hinsicht sind die AA nicht raffinierter als General Motors oder eine abendländische Nation. Aber biologische Systeme haben im Unterschied zu jenen Systemen, die auf abendländischen Ideen (und besonders dem Geld) beruhen [sic] mehrere Zwecke. Es gibt nicht eine einzige Variable im Rotholz-Wald, von der wir sagen können, daß das ganze System darauf angelegt ist, diese Variable zu maximieren und daß alle anderen ihr untergeordnet sind, und tatsächlich wirkt der Rotholz-Wald in Richtung auf Optima und nicht auf Maxima. Seine Anforderungen sind erfüllbar, und zu viel von irgend etwas ist Gift.
Es ist jedoch auch dies zu beachten: Die einzige Absicht der AA ist nach außen gerichtet und zielt auf eine konkurrenzfreie Beziehung zu der größeren Welt. Die Variable, die maximiert werden soll, ist eine der Komplementarität, und sie ist ihrem Wesen nach eher 'Dienst' als Herrschaft.

(Die Kybernetik des "Selbst": Eine Theorie des Alkoholismus, S. 433)

Überspitzt könnte man sagen: Daß eine Entität einen Zweck hat, bedeutet, daß sie monofunktional ist. (Wie geht die Vorstellung, einen Zweck zu erfüllen, mit der Vorstellung zusammen, eine Variable zu maximieren? Was bedeutet Maximierung einer Absicht?)

Es könnte interessant werden, wie hier Platon und Bateson aufeinanderprallen, da Platon auf Entitäten bedacht ist, Bateson dagegen auf Systeme, also Kontexte. Für Bateson ist das Pferd in die Natur eingebettet, für Platon ist es dagegen essentiell, daß das Pferd eine Entität ist, denn sonst könnte es keine Idee haben. - Interessanterweise baut auch Luhmann seinen Systembegriff auf der Voraussetzung auf, daß das System von der Umwelt geschieden ist, also mehr auf "Grenzziehung" als auf "Verbindung".

--H.A.L. 17:14, 16. Mär. 2009 (UTC)



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