Bildungsfragen (MuD09)

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Version vom 11. Februar 2010, 22:35 Uhr von Rebecca r. (Diskussion | Beiträge) (Wie viel Ausbildung ist zu Bildung nötig?)
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Wie viel Ausbildung ist zu Bildung nötig?

von Simpkin

In unserer Diskussion haben wir den Gegensatz zwischen zwei verschiedenen Philosophien entdeckt: die eine Denkweise hält es für notwendig, dem Lernenden ein Werkzeug mit auf den Weg zu geben, mit dem er arbeiten kann. Die andere Denkweise spricht sich nur dafür aus, dem Schüler soviel wie möglich an Freiraum zu bieten, damit er selbst das Wissen entdecken und sich so Bildung aneignen kann.


- kurzer Gedankeneinschub von Rebecca: Im Zuge der Vorlesung "Ideengeschichte" wurde uns empfohlen "Der Begriff des Geistes" von Gilbert Ryle zu lesen. Darin habe ich fogende Sätze, die zu unserer Diskussion passen, gefunden: " Abrichtung erzeugt Gewohnheiten, Ausbildung Fähigkeiten der Intelligenz. Abrichtung oder Dressur besteht in der Auferlegung von Wiederholungen. Der Rekrut lernt das Gewehr schultern,indem er wiederholt genau diesselben Handgriffe in der vorgezählten Reihenfolge durchläuft. Das Kind lernt das Alphabet und das Einmaleins in derselben Weise. Der Schüler hat die Praxis nicht eher erworben, als bis seine Reaktionen auf die verschiedenen Auslöser automatisch sind. Dagegen ist Ausbildung nicht bloße Abrichtung, obwohl sie eine ganze Menge schierer Abrichtung enthält. Ausbildung schließt die Anregung dder Urteilskraft des Schülers durch Kritik und Beispiel ein. Er lernt, wie man etwas denkend macht, so dass jede einzelne Handlung selbst eine neue Unterweisung bedeutet, wie er es besser machen kann. .... Abrichtung verzichtet auf Intelligenz, Ausbildung entwickelt sie." Ich finde, dass G.Ryle damit zum Theman "Ausbildung " treffende Worte gefunden hat. -


Dazu ist ein hohes Maß an Freiheit und Eigenverantwortung von beiden Seiten (Lehrende und Lernende) notwendig, dass im Moment auf recht wackeligen Füßen steht: einem Studenten muss die Möglichkeit gegeben werden, sich über ein Thema ausreichend zu informieren wenn er es wünscht.

Dies war am 23. Dezember am NIG nicht der Fall, als ich, Student der Philosophie, von einem eigens engagierten Sicherheitsdienst am Betreten „meines“ Institutes und damit „meiner“ Bibliothek gehindert wurde, da „die Gefahr bestehe, ich könnte die Uni neu besetzen“.

Wenn mir niemand beibringt, eine Sprache zu sprechen und ein Alphabet zu lernen, kann ich mich später nicht darüber aufregen, wenn mir Zutritt in eine Bibliothek verweigert wird.

Obwohl man zwischen Bildung und Ausbildung differenzieren muss, stehen sie doch in einem Spannungsverhältnis zueinander, denn ich glaube, ich brauche eine gewisse Ausbildung zur Bildung, damit Bildung überhaupt möglich wird.

Wenn ich das Werkzeug (in diesem Fall meinen Verstand, meine Vernunft, meinen Logos,…) irgendwie in die Hand bekommen habe (von einem Lehrer oder durch mich selbst) inwieweit erfolgt dann die Adaption der Wirklichkeit (im Beispiel ist das die Außenwelt) an mich?

Wäre es nicht möglich, dass es viele verschiedene Arten von Bildung gibt, die sich am jeweiligen Leben der Person orientieren? Für einen Indianer am Amazonas ist es sinnlos die Straßenverkehrsregeln zu kennen, da er sich nur im Urwald bewegt. Dagegen muss sich ein Mensch, der in New York lebt, damit auskennen, sonst überlebt er nicht lange. Für zwei verschiedenen Arten Dschungel gibt es also zwei verschiedene Lebensweisen und daher zwei Formen von „gebildet sein“.

In unseren Breiten hält sich hartnäckigerweise die Meinung, ein Mensch sei gebildet, sobald er Latein/Griechisch kann oder –besonders österreichisch - einen Titel hat. Ich sehe das anders: für mich ist Bildung auch eine Haltung. Wenn jemand zu seinem Umfeld in einer Sprache spricht, die es nicht verstehen kann, um zu beweisen, wie gebildet er ist, beweist er für mich gerade das Gegenteil.

Wieviel Rätsel sind zur Bildung nötig?

von Rebecca

Es ist richtig, dass leider viele Lehrpersonen zum Lehren / Unterrichten gar nicht geeignet sind. Natürlich haben die meisten eine pädagogische Ausbildung und eine didaktische Ausbildung, dennoch sprechen sie - wie oben bei Simpkin erwähnt - in einer Sprache, die nicht verstanden wird, oder schon eine einschlägige Ausbildung voraussetzt. Ein Lehrer muss in erster Linie die BEGEISTERUNG für ein Thema / einen Stoff/ eine Wissenschaft haben, sich also für diese selbst begeistern, um dies dann einem Schüler in lebendiger Weise vermitteln zu können und zu wollen.

Das Folgende soll kein Rechtfertigungsgrund für Vortragende sein, die sich überhaupt nicht darum kümmern, ob sie verstanden werden, doch: An manchen Punkten ist es vielleicht hilfreicher, in Rätseln zu sprechen. Ab einem bestimmten Kenntnisstand bringt es nichts mehr, weitere einfach erklärte Fakten gesagt zu bekommen, denn jedes weitere Faktum das du erfragst zeigt, dass das bisher Gesagte deinen modus operandi noch nicht verändert hat. Beim Erlernen von Sprachen kennt man das Phänomen: Irgendwann schließt sich das angehäufte Wissen von Vokabeln und Regeln und du grübelst nicht mehr über die Sprache sondern IN der Sprache.--Andyk 01:16, 4. Jan. 2010 (UTC)

Vorhin hab' ich mir Little Miss Sunshine angeschaut. Dort wird Marcel Proust recht oft erwähnt und einmal wird ein bestimmtes Zitat von ihm paraphrasiert, das in unserem Zusammenhang provokant klingt und das ich im Sinne des Zitats gerne zur Diskussion stellen möchte:

"Das Glück ist einzig heilsam für den Leib, die Kräfte des Geistes jedoch bringt der Schmerz zur Entfaltung."

Ich erlaube mir folgende Deutung: Durch alle Begierden erfüllende Bedingungen würden wir nicht zu dem, was wir gerne kritisches Denken nennen, kommen. Oft schaffen gerade die widrigsten Bedingungen das Spielfeld für kreative Gedanken (ab einem gewissen Grad geht diese Aussage in Geschmacklosigkeit über, nämlich dort, wo Keime für kreative Gedanken schon im Ansatz erstickt werden). Jene irritierende Spannung der ausbleibenden Wunscherfüllung entfacht die Kräfte der Sprache und des Denkens.

Dieser Überlegung muss ich noch ein Zitat von Proust nachschießen; also noch einmal Name-Dropping: "Aber das Glück kann nie kommen. Sind die Umstände endlich gefügig gemacht, so verlegt die Natur den Kampf von außen nach innen und bringt allmählich in unserm Herzen eine Wandlung hervor, so daß es etwas anderes wünscht, als was ihm zuteil werden wird." Die Situation, in der es Zustände gibt, wo all das, was wir wollen, erfüllt ist, kann keine dauerhafte sein. Sobald sie eintritt, beginnt der Wille sich zu wandeln.
Hat dieser Schmerz und die Widrigkeit der Umstände etwas mit Bildung zu tun? Man könnte hier sofort an Platons schmerzhaften Aufstieg von der Höhle ins Licht denken, aber diese Steigung sehe ich hier noch nicht angelegt. Wenn das mit Bildung zu tun hat, wäre es eine Bildung, die nicht notwendigerweise im akademischen Kontext stattfindet sondern in vielen Lebenszusammenhängen.--Andyk 01:16, 4. Jan. 2010 (UTC)


Platon sagt, dass die Bildung eine zweite Sonne sei. Was macht die Sonne ? Sie spendet das Licht und lässt einen die Dinge erkennen. Und so ist es mit der Bildung, sie lässt uns die Dinge, die Welt erkennen. Was kreative Leistungen anbelangt ist es richtig , dass negative Umstände zu Höchstleistungen antreiben. Wenn es um die vermittlung von vorhandenem Wissen geht, ist es keine Voraussetzung, Schmerzen zu durchleben, oder unglücklich zu sein.


Wieviel Durcheinander kann Bildung verkraften?

von Sandmann

Ad Simpkin: Ich möchte hier noch etwas erwähnen, was mir, als ich an der von dir beschriebenen Stelle über K. Popper angelangt bin, eingefallen ist. „Adaption ist immer zweiseitig. “ und „Kommunikation ist immer eine Form von Manipulation.“ Wie ich das gelesen habe, musste ich sofort an die „Sapir-Whorf-Hypothese“ denken.

Ich, der Philosophie studiert, sehe heute vieles anders, als ich es vor vielleicht fünf Jahren gesehen habe, und ich weiß, ich werde die Dinge immer aus „meinem“ Blickwinkel betrachten, geprägt - oder sagen wir gleich manipuliert - durch Kindheit, Erziehung, Schulbildung, Freunde und Freundinnen, überhaupt durch die Menschen, mit denen ich jeden Tag verkehre, durch bestimmte Ereignisse in meinem Leben, und schließlich durch das Philosophiestudium. Und ich sehe das Ganze sogar als eine Art Kettenreaktion: Wenn mensch bestimmte Ereignisse erlebt, dann erlebt er sie in einem bestimmten Vorverständnis (sein ganzes Leben bis dato).

Um wieder zum Bildungsbegriff zurückzukommen, wage ich hiermit ein wenig weiter zu denken und zu behaupten, dass es für mich (meiner Meinung nach) so etwas wie "Die Lehre Platons", "die Lehre des Aristoteles, des Thomas v. Aquin, Kants, Husserls, Heideggers, Wittgensteins" gar nicht gibt. Jeder Mensch hat seine kognitiven Fähigkeiten innerhalb eines Vorverständnisses ausgebaut. JedeR Philosoph_in, der/die eine bestimmte Hypothese aufstellt, tut dies unter Berücksichtigung eines bestimmten Vorverständnisses.

---Sandmann, besonders frappant waren für mich folgende Stellen in deinem Beitrag, Zitat:
" [...] ich sehe das Ganze sogar als eine Art Kettenreaktion: Wenn mensch bestimmte Ereignisse erlebt, dann erlebt er sie in einem bestimmten Vorverständnis (sein ganzes Leben bis dato). Jedes Ereignis verändert das eigene Verständnis von der Welt und macht dieses zum neuen Vorverständnis für das nächstfolgende Ereignis."

da sie mich an eine Passage aus Milan Kunderas Die unerträgliche Leichtigkeits des Seins erinnerte: "Man kann nie wissen, was man wollen soll, weil man nur ein Leben hat, das man weder mit früheren Leben vergleichen noch in späteren korrigieren kann. ... Es ist unmöglich zu überprüfen, welche Entscheidung die richtige ist, weil es keine Vergleiche gibt. Man erlebt alles unmittelbar, zum ersten Mal und ohne Vorbereitung. Wie ein Schauspieler, der auf die Bühne kommt, ohne vorher je geprobt zu haben. Was aber kann das Leben wert sein, wenn die erste Probe für das Leben schon das Leben selber ist? Aus diesem Grunde gleicht das Leben immer einer Skizze.

Auch Skizze ist nicht das richtige Wort, weil Skizze immer ein Entwurf zu etwas ist, die Vorbereitung eines Bildes, während die Skizze unseres Lebens eine Skizze von nichts ist, ein Entwurf ohne Bild."
Natürlich kann das Zitat nicht unkommentiert und unkritisch übernommen hier für sich selbst stehen, und trotz des oftmals recht hohen philosophischen Gehalts im zitierten Roman Milan Kunderas sollten einige Aussagen eventuell doch 'mit Vorsicht' genossen werden, zumindest aber hinterfragt werden.
Wenn wir, zugespitzt, keine Gewissheiten im Leben haben , die Probe gleichzeitig die Durchführung ist, und wir nur in Gedanken mögliche Szenarien konstruieren können, Folgen maximal abschätzen können, so weist das Treffen einer Entscheidung für mich doch eine gewisse Willkür auf (worauf beziehe / berufe ich mich? - könnte es ja immer auch anders machen, und Frage nach der ersten, 'bewusst getroffenen' entscheidung?), markiert aber doch einen Punkt, und somit vielleicht den Anfang jener 'Kausalkette' oder "Kettenreaktion", von der Sandmann spricht. (Ich versuche, die Gedankenfluten zu lichten.) --Eugénie 12. Jan. 2010, 02:27


Intermezzo: Kundera

»Vielleicht ist es etwas extrem zu sagen, dass jemand, der sich einer unklaren komplizierten Sprache bedient, um sein Wissen kundzutun, beweist, dass er nicht gebildet ist.« (Zitat von rebecca r., siehe oben). Allerdings ist es zu extrem, ich finde, dass das absolute Gegenteil der Fall ist.

Eine komplizierte Sprache, die freilich Verwirrung stiften kann, spricht nicht für die Ungebildetheit des Autors, sondern des Lesers. Der Autor sollte per se darauf bedacht sein, verstanden zu werden, jedoch besteht unsere Sprache aus vielen scheinbaren Synonymen; sie sind deshalb scheinbar, weil sie oftmals einen kleinen, diffizil zu erkennenden Unterschied beinhalten. Die Bildung des Schreibers kommt dann zutage, wenn er diese scheinbaren Synonyme pedantisch zu ordnen weiß, will heißen, den passenden Begriff dafür zu finden, was er ausdrücken will. Einige Sachen lassen sich eben nicht einfacher ausdrücken oder drückte man sie simpler aus, verlieren sie an Genauigkeiten, könnten gar eine ganze Philosophie zum Einsturz bringen. --Legastenika0742392 12:40, 19. Jan. 2010 (UTC)

Legastenika: es freut mich, dass Du das Buch von Kundera erwähnt hast und ich stimme auch dazu, dass Literatur zu einer "Selbstbildung" sehr gut geeignet ist. Das Buch hat auch mich persönlich sehr beeinflusst. Ich selbst finde in diesem Roman als eine kleine philosophische Botschaft die Frage nach der inneren Freiheit - das ist aber nur meine persönliche Leseart. Ich komme aus dem gleichen Land wie Kundera, ich habe den Kommunismus erlebt und Prager Frühling gehört zu den Schlüsselerlebnisen von meinen Eltern und Großeltern. Die Einmaligkeit des Lebens, die Zufälle und die Relativierungen usw. betont Kundera meiner Meinung nach gegen die fast mythische Auffassung der totalitären Ideologien, dass die Geschichte eine notwendige Richtung hat, die nicht zu ändern ist, wobei die einzelnen menschlichen Leben niemanden interessieren. Kundera würde vielleicht an dieser Seite die Frage stellen, was wäre dann zu tun, wenn diejenige Institutionen, die die Ausbildung vermitteln sollen, versagen? Das war der Fall in der kommunistischen Tschechoslowakei. Die Kommunisten haben fast sofort nach der Machtübernahme alle Schulen und Hochschulen destruiert, vor allem, was ich ganz interessant finde, die geisteswissenschaftliche Fakultäten. Die besten ProfessorInnen endeten im Gefängnis oder, falls sie Glück hatten, emigrierten. "Intelligenz" - also gebildete Menschen - bedeuteten in der Staatsideologie etwas fast Böses, das nur aus Gnade "der Arbeiter" am Leben bleibt. --Jakub Jirovec 20:54, 19. Jan. 2010 (UTC)

Bilanz für ein Semester Philosophiestudium: ich weiß nicht mehr was Bildung ist.

von Paul Wedrich

Unsere Beschäftigung mit dem Bildungsbegriff hat eigentlich schon in der Diskussion der Ökonomisierung der Universität in der ersten Stunde des Semesters begonnen. Durch die Audimaxbesetzung wurde dieses Thema bis in den Dezember hinein verlängert. Hätte ich am Anfang der Besetzung einen Text über Bildung schreiben sollen (habe ich eigentlich auch) dann wäre es mir viel leichter gefallen als jetzt. Jetzt, habe ich das Gefühl, nicht mehr zu wissen, was Bildung überhaupt bedeuten soll und eigentlich geht mir der Begriff auf die Nerven. Was ist, wenn wir mehr oder weniger pragmatisch sagen, Bildung ist das, was an Bildungseinrichtung passieren soll. (Was ist eine Bildungseinrichtung? Schulen, Universitäten...) Was wären die Konsequenzen einer solchen Setzung?

Der Unterschied ist nur, dass man:

  • den historisch vielfältig konnotierten Begriff der Bildung vermieden hat.
  • jetzt sehr geneigt sein könnte, diese Frage nach der Aufgabe einer Bildungseinrichtung wegzudelegieren, z.B. an die Politik. Konfrontiert mit einem Forderungskatalog von Studierenden sieht man dann nur Kritik auf der Ebene 1. Der Rest wird weniger als Anstoß für eine Debatte auf Ebene 2, sondern eher als diffuses ideologisches Gewäsch gesehen.

Was ist die Aufgabe einer Universität? Sollen wir Studierende fragen? oder Professoren? Politiker? Reicht es im Gesetz nachzuschauen, was eine Universität tun oder lassen muss, um eine Universität zu sein? Und gegebenenfalls: für wen reicht das? Ich glaube, dass eine breite Diskussion darüber, was die Aufgabe einer Universität ist, sehr wichtig wäre. Nicht zuletzt sehe ich in Bildung und Forschung bessere Zukunftsperspektiven für dieses Land, als in seinen Seegrundstücken. --Paul Wedrich 17:19, 21. Jan. 2010 (UTC)

Interessant finde ich die Auseinandersetzung des Bildungsbegriffes mit dem platonischen Hoehlengleichnis deshalb, weil wir hier einen Begriff von unserem Verstaendnis her versuchen mit einem Modell zu erklaeren, welches auf viele Begriffe funktioniert, da die meisten Begriffe, ich denke an: Wissen, Bildung, wahrscheinlich auch Liebe und Hass immer in einer Art Hierachie gedacht werden und durch den Vergleich mit anderen Menschen und unserer Selbstabgrenzung zu jenen Menschen ermoeglicht das Modell uns die Verschiedenen Aspekte der Begriffe zu sehen und uns selbst zu differenzieren.
Zum Beispiel lernte ich am Sonntag eine altmodische Lehrerin kennen, welche ueber 40 Jahre im Lehrbetrieb einer Grundschule in Berlin arbeitet. In Berlin gibt es viele Probleme mit Migrationskindern und diese Lehrerin hat in jeden tuerkischem Jungen einen "Macho" gesehen und diesen deshalb oftmals schlechter behandelt und benotet. Wir koennen uns doch vorstellen, dass Unterricht in vielen Laendern anders praktiziert wird!? Was gibt es dann fuer ein Bildungsideal? Gibt es wie im Hoehlengleichnis eine Idee, eine Idee der bestmoeglichen Vermittlung von Wissen? Aber ist es nicht widerrum so, dass unerwartete Situationen neue Vermittlungsstrukturen verlangen. Es ist sicherlich nicht altmodisch in einem Wiki seine Leistungsnachweise oeffentlich zu praesentieren. Es ist ja auch der kommende Fortschritt, die Mengen an uebermittelbares Wissen, die einzelnen Voraussetzungen der Lehrenden und der Studierenden Aspekte einer umfangreichen "Bildungs|politik". --Luong 13:12, 6. Jan. 2010 (UTC)
Wenn man eine Lehrveranstaltung nicht als Zusammentragen von Informationen versteht, die allenfalls unter einem gewissen Qualitätsmaßstab geordnet werden, sondern als ein gemeinsames Projekt der Beteiligten, Klarheit und teilweise Einigkeit über eine Sache zu erzielen, gibt es das "bewährte" Modell: eine beauftragte, kluge Person "prägt das Geschehen". Und in diesem Zusammenhang sind Wikis eine einschneidende Änderung. Hier kann niemand mehr (auf diese Weise) dominieren. Die "Höhlenbewohner" laufen in alle möglichen Richtungen auseinander. Motive werden aufgenommen, verstärkt, fallengelassen, niemals zu Ende gedacht. Es ist ein nicht-platonischer Artikulationsraum. Damit ist man aus einem gewissen Bild gefallen. Es hat sich tatsächlich die Facebook-Kultur, in der man dem Rest der Welt berichtet, was man gerade toll findet, ein Stück weit in die Universitätskultur hineinbegeben. --anna 08:39, 22. Jan. 2010 (UTC)


Bilanz für ein Semester Philosophiestudium: ich bediene mich des Bildungs-Angebotes.

von HelmuthWe

Grundsätzlich legt das Höhlengleichnis Platons mehrere Annahmen dar:

  • Bildung ist mit (wahrem) Wissen gleichzusetzen, denn das „Licht der Sonne“ außerhalb der Höhle vermittelt, wie die Dinge wirklich sind
  • Der Großteil der Leute ist unwissend/ungebildet (hier ist eine Parallele zu Pythagoras von Samos zu ziehen, der in seinem Idealstaat dem Volk wesentliches Wissen gar nicht anvertrauen wollte, da es damit sowieso nicht umgehen würde können)
  • Um aus der Höhle zu gelangen, ist das Einwirken eines anderen, bereits Gebildeten erforderlich
  • Eine „Flucht“ aus der Höhle ist als Aufstieg zu werten, der Weg zurück unmöglich (da die Verbliebenen den nunmehr Gebildeten nicht mehr verstehen)

Übertragen auf den Bildungsbegriff läßt sich demnach festhalten, daß Bildung ein individueller Vorgang ist, der den Menschen als Ganzes erfaßt, unumkehrbar ist, immer mit einem gewissen Zwang und einer gewissen Führung durch andere verbunden ist, dem Menschen nicht etwas zufügt, sondern etwas anspricht, das er schon in sich trägt und schließlich daß der Weg der Bildung als ein Aufstieg gewertet wird. Dieser letzte Aspekt ist jener, der in der heutigen Gesellschaft mit am stärksten verankert ist und als Gegengewicht für die „negativen Aspekte“ des Werdegangs angeführt wird. Die innere Systematik dieser Annahmen wird nicht mehr hinterfragt, das „Erfolgsmodell“ hat sich durchgesetzt. Aber wie im Höhlengleichnis setzt sich der Ungebildete gegen den Vorgang der „Bildung“ zunächst zur Wehr und will nicht von den gewohnten Denkweisen Abstand nehmen. Insofern ist das äußere Einwirken notwendig, um eine Irritation hervorzurufen, die die gewohnten Sichtweisen in Frage stellt, bis man schließlich umdenkt und zu einer neuen, „besseren“ Sichtweise gelangt. Auf der obersten Stufe schließlich erkennt man das Positive des zurückgelegten Wegs und empfindet das Wissen als etwas Glücklich-Machendes.

Meiner Ansicht nach trägt das Höhlengleichnis einige problematische Annahmen in sich, die im Laufe der Geschichte immer wieder ausgenützt wurden. Zum einen setzt es voraus, daß es einige wenige gibt, die im Besitz des richtigen Wissens sind. Sie legen damit fest, was stimmt und was nicht. Gleichzeitig wird auch ein gewisser Zwang in der Vorgehensweise bei der „Bekehrung“ legitimiert, da man argumentieren kann, daß der „Ungebildete“ die Dinge einfach nicht richtig einschätzen kann und man ihn nur an einen „besseren Ort“ führen will. Dieses „höhere Ziel“ wird jedoch abermals von den „Gebildeten“ festgelegt. Was sollte aber geschehen, wenn der „Höhlenbewohner“ gar nicht bekehrt werden will? Wenn er mit seinem Dasein zufrieden ist? Welcher Maßstab erlaubt es mir, anderen meine Ansichten, den gebildeten Weg, als den richtigeren aufzuzwingen. Ein Denken in der Systematik des Höhlengleichnisses erlaubt dem Gebildeten auf jeden Fall auch Zwang, um den Ungebildeten ans Licht zu führen.

Übertragen auf das Höhlengleichnis würde ich nicht von einem „Aufstieg die Treppe zur Erleuchtung hinauf“ sprechen, sondern von der Möglichkeit, komplett aus dem Bild zu treten. Das Grundmuster des Höhlengleichnis hat sich zwar in der (westlichen) Kultur verankert und ist trotz allem nur eine Sichtweise von vielen. Sie ist jedoch so grundlegend, daß sie selbst von vielen gar nicht mehr hinterfragt wird. Das Ziel ist der Aufstieg, Bildung der Weg, der dazu notwendig ist. Implizit unterwirft man sich einer Sichtweise, die die oben genannten Implikationen und Gefahren mit sich bringt.

Erklärt man jedoch, daß dieses Schema für einen selbst nicht das zutreffende ist, tritt man quasi aus dem Bild. Man wird vom „Aufsteiger“ zum „Aussteiger“. Jeder weitere Satz in diesem Zusammenhang wie „blickt dadurch hinter die Dinge“, „erhält einen besseren ÜBER-Blick“ usw. würde jedoch schon wieder eine gedankliche Rückkehr in das Denkschema bedeuten. Man erkennt dabei auch, wie stark diese Ansichten in unseren Überlegungen verankert sind. Möchte man völlig auf Distanz bleiben, wäre ein Einsiedler-Leben die logische Konsequenz – kein externer Druck, kein „Aufstiegszwang“, einfach ein „in den Tag Hineinleben“. Wie würde Bildung dann aussehen? Und wie wären soziale Kontakte möglich? Ganz banal gesehen ist Geld notwendig, um sich in der Gesellschaft zu bewegen. Zudem wird man auf Ablehnung derjenigen stoßen, die sich noch im Bild bewegen (die Situation ist quasi wie jene des Rückkehrers in die Höhle, nur um eine Nunace weitergedreht).

Außerdem ist ein sich wegbewegen meistens schmerzlich und wie kommt man zu der Annahme, dass "der eigene Weg" der bessere wäre? Das mit dem Geld, wäre ein Bürgergeld denkbar? Und daraus resultierend die Verantwortung für das Umfeld? Man kann einiges an Gelder sparen, wenn man sich gegenseitig aushilft, z.B. Zusammentreten mit anderen und Sachverhalte diskutieren, die man nicht mehr im "Unterricht schafft". Dann stellt sich die Frage nach der Bereitschaft mit zu machen. --Luong 13:52, 15. Jan. 2010 (UTC)

Insofern scheint es am praktischsten je nach Situation und eigenem Ziel aus dem Bild treten und wieder in diese Sichtweise zurückkehren zu können. Zur Erfüllung materieller und sozialer Notwendigkeiten und Ziele nützt man demnach das Denken im Sinne des Höhlengleichnis, ist sich dabei jedoch dieser Tatsache bewußt. Es findet kein „unreflektiertes Streben“ nach Aufstieg und Erlösung statt, sondern ein zielorientiertes und bewußtes Nützen gewisser Denkschemata. Um an die „Gesellschaft ankoppeln“ zu können, ist das in gewisser Weise eine Voraussetzung (zumindest um bestimmte Ziele zu erreichen). In seiner Grundausrichtung hält man das im Höhlengleichnis gezeichnete Bild aber für unzutreffend und für einen selbst als unpassend. Die Frage ist nur: Was liegt außerhalb des Bildes? Ist nicht die Stärke dieses Gleichnisses, daß es ganze Gesellschaften vereinen kann, während die Alternative eine subjektive, personale ist. Hätte man Milliarden Weltansichten wäre ein Austausch zwischen den Individuen höchst kompliziert, eine Gesellschaft, wie wir sie kennen nicht denkbar. In gewisser Weise hat sich diese Sichtweise so lange gehalten und durchgesetzt, da sie den Menschen das Gefühl gibt, daß das Ziel wirklich besser ist als der Ausgangspunkt (sowohl auf Diesseitiges als auch auf Jenseitiges bezogen). --HelmutWe 15:21, 6. Jan. 2010 (UTC)