Bildung und Datenbanken (Vorlesung Hrachovec, Sommer 2009)/Zusammenfassung: Unterschied zwischen den Versionen

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=12. Juni=
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fecit [[Benutzer:Fabbaz|Fabbaz]] 17:21, 27. Apr. 2009 (UTC)
  
==='''Einleitung'''===
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=="Schön" ist nicht schön.==
  
Ich weiß nicht, wie interessiert Sie an TV-Serien sind.
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Das letzte Mal hat es im Anschluss an meine Vorlesung eine kurze, aber dafür auch engagierte und ein bisschen polemisch gedrehte Diskussion gegeben, wegen einer Bemerkung, die ich gemacht habe. Dank der technischen Möglichkeiten, derer wir uns hier bedienen, kann man ganz genau nachschauen, was ich da wirklich gesagt habe. Es gibt schon das [[Benutzer:Bananenfisch/SS09-BD-E03-03_04_09|Transkript der 3. Vorlesung]] von einem Kommilitonen der "[[Benutzer:Bananenfisch|Bananenfisch]]" heißt. Stein des Anstoßes war meine Darstellung, wenn es in der platonischen Gedankenführung darum geht, die Erkenntnis als etwas zu beschreiben, was bei den Praktiken von schaulustigen Menschen beginnt, die ganz einfach neugierig und unkontrolliert in einer Weise in der Welt herumschauen. Wenn es dann darum geht, dem eine Richtung zu geben, auf Wahrheit, auf begriffliche Definition, dass dann eine ganz besondere platonische Strategie greift, nämlich dass er sagt "Wir sind auf dem Weg der Erkenntnis dazu, das Schöne, das Wahre, das Gute ins Auge zu fassen" - das habe ich ein bisschen genauer ausgeführt, und inwiefern das problematisch erscheint. Die platonische Strategie, die hier zu nennen ist, ist die, dass Platon nicht nur einfach sagt, erstens: "Es gibt schöne Dinge, die man sehen kann", Dinge die man als schön qualifizieren kann. Zweitens kann man "als schön" qualifizieren. Man hat eine gewisse Kompetenz, um zu sagen "gefällt mir, gefällt mir nicht, ist schön, ist nicht schön". Das dritte aber, und das ist der Punkt, wo es kritisch wird, ist wo ich fragen kann "Welche Kenntnis habe ich, wie komme ich dazu etwas als schön zu qualifizieren, eine Kompetenz zu haben im Umgang mit dem Begriff 'schön'?"
Es wäre ein interessantes Thema, sich zu überlegen, welcher Typus von TV-Serien mit welchem Typus von Vorlesung korreliert. Z.B. CSI oder Monk ist mehr von der Art von Klärung von Einzelfällen pro Folge.
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In unserem Verständnis ist der Begriff "schön" nicht das, was ein schönes Ding darstellt, sondern etwas, was man verwendet um zu qualifizieren wenn Dinge schön sind. Also "Begriff" steckt hinter diesem "ist schön". Es ist schön, als Prädikat, als Aussage, muss irgendwo gesteuert, gehalten werden von einem Verständnis des Umgangs mit diesem Sprachausdruck - das Naheliegendste ist, das als Begriffsverständnis zu bezeichnen. Man versteht, was es ist, was es heißt, schön zu sein. Und da nun ist die besondere platonische Vorkehrung, dass er, an mehreren Stellen, sagt, "Naja, das 'Schöne' ist diejenige Konstruktion, diejenige Entität, die selbst am allerschönsten ist. Das Schönste vom Schönen ist das Schöne. Der Begriff des Schönen hat eine Eigenschaft, die ihn dazu qualifiziert, alles andere Schöne zu bestimmen, und diese Eigenschaft ist, dass er der Inbegriff des Schönen ist. "Inbegriff des Schönen" ist noch eine neutrale Formulierung, was, sprachanalytisch betrachtet, dahinter steht, ist, dass man das Prädikat "ist schön", das man normal mit Hilfe eines Verständnisses des Wortes "schön" legitimiert, auf das, was hinter dem Prädikat steht, nämlich die Kompetenz zum Begriffsgebrauch, dass man den Begriff schön selber noch einmal anwenden kann. Dass man also sagt, das "Schöne" ist selbst schon das Schönste.
Vorlesungen und TV Serien sind jeweils ein Angebot in einer Season. Bei kleineren sind es 12 Installments, ungefähr so wie bei dieser Vorlesung.
 
Es geht darum, Woche pro Woche etwas zu präsentieren, das mit einer Kontinuität zu tun hat.
 
Ich glaube nicht, dass das schon jemand untersucht hat. Es wäre ein Vorschlag für eine Diplomarbeit für Sie. Es kommt mir in den Sinn, weil ich zum Vergnügen ein wenig Prison Break [http://de.wikipedia.org/wiki/Prison_Break] angeschaut habe und die Besonderheit, die einer gewissen Gewöhnung bedarf, ist, dass diese Serie darauf aufgebaut ist, dass immer etwas unvorhergesehenes, störendes und überraschendes passiert, auf eine Art und Weise, die ausgesprochen extrem ist und ständig die Spannung neu anheizt und umlenkt.
 
Ich kann nicht beanspruchen, dass das, was ich hier mache, nach dem Prison-Break-Prinzip geht, aber ein wenig etwas kann ich schon davon oder von Lost nehmen, nämlich, dass am Ende der Season der berechtige Wunsch entsteht, die Rätsel aufzuklären, die sich im Laufe der Veranstaltung gehäuft haben und die die Leute bei der Sache hält.
 
Kollege Joker Jockel, der mir mit solidarischer, aber auch heftiger Kritik ständig auf den Fersen ist, wie Sie hier auch auf der Diskussionsseite zu Heidegger lesen können, hat mir nicht zu unrecht deutlich gemacht und mich darauf hingewiesen, dass das, was ich Ihnen bisher als generelle Linie vorgetragen habe, etwas verwirrend ist und einer Aufklärung oder einer deutlicheren Konturierung bedürfte. In der vorletzten Folge dieser Serie, die ich Ihnen hier anbiete, kann man es schon etwas klarer herausstellen. Es gibt ja auch schon eine Ähnlichkeit in Serien und Vorlesungen im Sinne von „Was bisher geschah“, „Recently on Prison Break“.
 
  
==='''Rückblick'''===
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Sie können sich jetzt an den Zusammenhang erinnern, an dieser Stelle habe ich gesagt - zugegebenermaßen mit einem gewissen emotionalen Point - dass das aus der Sicht des Sprachanalytikers lächerlich ist und darauf hingewiesen, dass wir, wenn ich das ganze noch einmal durchführen würde mit der Praxis des Wortes "ist <font color=saddlebrown>braun</font>", Sie vermutlich übereinstimmen würden, das der Begriff <font color=saddlebrown>braun</font>, wenn ich diese Abkürzung verwenden darf, nicht  selber <font color=saddlebrown>braun</font> ist, sondern das ist irgendetwas anderes, das uns in die Lage versetzt, zu sagen wenn etwas <font color=saddlebrown>braun</font> ist. Da geht etwas sehr Sonderbares vor, und nicht nur das, ich stehe zu der kleinen emotionalen Spitze, die in dem "lächerlich" drinnen steht. Ein Kollege oder eine Kollegin haben das zum Anlass genommen, in der Diskussion, die durchaus einschlägige und wichtige Frage zu stellen, was es denn mit dieser Platoninterpretation auf sich hat. Es ist tatsächlich, wenn ich das so sage, und es war auch so gemeint, ein Affront gegen Platon, gegen ein nichtdenkendes Nachsprechen dieser platonischen Formeln, nur weil Platon es gesagt hat, müssen wir es noch nicht glauben. Ich hab mich mit diesen Einwänden ein bisschen genauer auseinandergesetzt, in Zusammenhang mit dem Begriff "ist schön" und möchte ein, zwei Hinweise geben dafür, Sie können es ja selber dann auch noch genauer nachlesen und vielleicht auch kommentieren. Das Ding ist deswegen Anlass für einen, mir scheint berechtigten, emotionalen Druck, weil es mit einer Sache zu tun hat, die ganz genau in das Thema unserer Vorlesung passt und daher von mir auch so platziert worden ist, und das würde ich so beschreiben: Wenn man schwarzweiß malt (was ja nicht problemlos ist) und davon ausgeht, dass es eine Trennung des Menschengeschlechtes gibt, zwischen den Schaulustigen, die in der Welt der Dinge verhaftet sind und den anderen, Philosophie studierenden, die höhere Ansprüche haben, die Suche nach Wahrheit im Blick haben, dann hat man eine argumentative Schwierigkeit vor sich, das ist klar, nämlich: wie verhält sich das beides zueinander? Wie, wenn ich das Schöne, das Wahre, das Gute als Zielbestimmung für die Erkenntnissuche in der Philosophie definiere, wie verhält sich das, was die Philosophinnen gerne wissen wollen zu dem, wenn der Rest der Welt sagt "gefällt mir, gefällt mir nicht"? Das ist, auch das habe ich schon gesagt, das Problem der Teilhabe, der μέθεξις, wie kommt es von diesen hochgestellten Positionen auf den Rest der Welt? Und die Pointe dieser sogenannten Selbstaussage (engl. selfpredication): Die Selbstaussage des Prädikats schön, auf sich selbst angewendet, der Begriff "schön" ist schön, was ist damit gemeint, welches Signal wird damit gegeben? Damit ist eine sprachliche Klammer formuliert, die zwischen denen, die eine Kenntnis ''des Schönen'' haben, und denen, die "nur" wissen, was schöne Dinge sind, eine praktische Verbindung herstellt, nämlich sind sie beide Gebrauchspersonen, beide brauchen das selbe Wort, beide haben eine Kompetenz im Umgang mit Schönem, nur dass die einen das besonders Schöne wissen.
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Die Kompetenz des Schönen, das die Philosophinnen ansprechen, ist die Kompetenz des Schönsten, vorbildlichen Schönen - die anderen haben eine etwas geringere Kompetenz des Schönen, sofern es auf die schönen Dinge angewendet wird. Die Zusammenstellung von dieser Idee mit dem Thema der Vorlesung ist jetzt die, dass wir, menschenfreundlich wie wir sind, vor Augen haben, dass der Weg von den schönen Dingen zu DEM Schönen nicht nur für eine erlesene Minderheit, sondern für alle Leute offensteht, und wenn das der Fall ist, ist das genau die Definition des Bildungsprozesses. Das ist genau die παιδεία, in die Lage versetzt zu werden das Schöne zu erkennen, in einem Sinn, der noch immer nicht ganz klar ist, im Gegensatz zu schönen Dingen. Und wenn man damit Schwierigkeiten hat, mit dem was ich gerade wiedergegeben habe, dann ist eine Möglichkeit in diese Schwierigkeit einzusteigen, darauf hinzuweisen, dass das sprachlich nicht ganz unproblematisch ist, wie ich anfangs versuchte deutlich auseinanderzunehmen, dass man die Kompetenz, die bestimmte Personen haben, bestimmte Begriffe zu verwenden, und zu qualifizieren, in die selbe Betrachtungsweise mit hineinnimmt wie die Resultate dieses Kompetenzgebrauchs.
  
Einen kurz zusammengefassten Rückblick, den ich in dieser Deutlichkeit noch nicht gebracht habe, will ich als Antwort auf die Kritik, die Sie hier lesen können, anbieten.
 
Ich glaube, es ist hilfreich, Ihnen das Gesagte zusammenzufassen, indem man sagt, ich zeige ihnen zwei unterschiedliche Linien der Entwicklung der Bildungsdiskussion vor dem Hintergrund der klassischen Philosophie.
 
Die eine Linie läuft von Platon zu Wittgenstein [http://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Wittgenstein] zum Wiener Kreis [http://de.wikipedia.org/wiki/Wiener_Kreis] und zu den Datenbanken.
 
Für heute ist im Hauptteil dieser Sitzung die Besprechung des Beitrags von Heinz Zemanek [http://de.wikipedia.org/wiki/Heinz_Zemanek], der in dem Buch „Informatik und Philosophie“ niedergeschrieben ist, vorgesehen.
 
Ich werde Ihnen noch deutlicher, als es bisher der Fall war, vor Augen führen, wie man an den Wittgenstein  des Tractatus anknüpfen kann, um die Computertechnik zu motivieren und um aus dieser Computertechnik auch Datenbankeinsichten zu gewinnen.
 
Ich habe, um das noch deutlicher zu machen, ein Subkapitel zur Verfügung gestellt, in dem ich detaillierter darauf eingehe, wie Datenbanken in Wirklichkeit funktionieren und werde Ihnen das am Ende der heutigen Sitzung noch einmal nahelegen.
 
  
Das ist die eine Richtung von Platon zum Platonismus des Tractatus, vom Positivismus als generelle Einstellung philosophischer Art zum Technizismus der Informationstechnologie und zu den Datenbanken und damit verbunden eine Bewegung, die im Tractatus darin mündet, dass man mit Wittgenstein sagt, was mit Bildung, mit Schönheit, mit Wert, mit Gutem, mit den Ansprüchen des Subjekts zu tun hat, fällt aus der Entwicklung heraus, wird gekappt und ist darum ein Argument dafür, dass in  dieser Entwicklung mit dem Tractatus und mit der Informatik die Bildung und die Datenbanken komplett auseinander fallen.
 
  
Heinz Zemanek ist schon eine Form von Kritik an dieser Auffassung. Diese Kritik bezieht sich auf einen Umstand, der aus der Praxis der Informatik kommt und für den er die bekannte Unterscheidung zwischen dem frühen und dem späten Wittgenstein in Anspruch nimmt.
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==von E-Mails, Schafen und dem Urmeter==
Die Grundlinie dieser Kritik besteht darin, dass die eben genannte Abkoppelung von Bildung und Datenbanken in dieser Erzählführung nicht sinnvoll ist, weil man sie als Informatiker immer im Auge behalten muss. Das Ideal eines computergesteuerten Präzisionsinstrumentes ist nur die eine Seite, dass man gerade auch als InformatikerIn die Vielfalt der Probleme, die Umkehrbarkeit der Probleme, die pragmatischen Bereiche im Auge behalten muss und damit Informatik nicht dort hinführt und aufhört wo der Tractatus ist, sondern über den Tractatus hinausgeht auf den, (das ist Zemaneks Punkt) parallel zum späten Wittgenstein in eine sehr anders gelagerte, nicht mehr positivistische Umgangsweise, unter Einschluss und unter Fortsetzung dessen, was im Tractatus und im Informatikbasisunterricht gelehrt wird.
 
Das führt zu einer  entspannteren, postpositivistischen Betrachtungsweise des Verhältnisses zwischen Bildung und Datenbanken.
 
Das ist die eine Linie, die ich Ihnen vorgeführt habe.
 
  
Gekreuzt wird diese Linie von einer anderen. Das ist der Punkt, der die meiste Irritation erzeugt hat. Diese Linie, die in meinem Kontext von Hegel und Heidegger repräsentiert wird und die eine Linie, nicht des wittgensteinianisch und „positivistischen“ Verabschiedens des Bildungsbegriffes auf der Basis der logisch analytischen Philosophie von Frege ist, sondern eine Kritik von Platon und der ganzen Bildungsidee aus dem Inneren der traditionellen Philosophie, ganz ohne irgendwelche Datenbanken.
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Als kleinen Hinweis auf eine fachinterne Debatte des wissenschaftlichen Platonismusdiskurs: diese von mir dargestellte Sonderbarkeit ist natürlich reichhaltig diskutiert worden, sowohl im angloamerikanischen als auch im deutschen Sprachbereich, man hat sich gefragt wie jemand dazu kommt, eine solche Konstruktion zu machen. Ich will dazu zwei Punkte sagen. Erstens, dass es tatsächlich Umstände gibt, unter denen die genannte Sprachstrategie vollkommen selbstverständlich ist. Zwei schöne Beispiele: Stellen Sie sich E-Mails vor, Sie haben eine, zwei, drei E-Mails, die sind unterschieden, unterschiedliche E-Mailsendungen. Dann ist es aber so, dass Sie durch mehrfache Weiterleitungen und Antworten ein Gebilde zusammenklicken, dass man eigentlich nur so beschreiben kann, dass es mehrere E-Mails sind - die, die sie bekommen haben, und die letzte davor, und die letzte vor dieser. Diese mehreren E-Mails schicken Sie ihrerseits weg - simpel und klar: nicht nur eine E-Mail, sondern auch mehrere E-Mails können ''eine'' E-Mail sein.
Die Besonderheit dieser zweiten Linie ist die, (bei Hegel habe ich sie Ihnen das erste Mal gezeigt und bei Heidegger das letzte Mal) und das ist ein Witz im neutralen Sinn, ein ganz bedeutender Witz auf den man draufkommt, wenn man diese Sachen ansieht. Ich formuliere es einmal in meiner Sprache und Zugangsweise.
 
Die Besonderheit ist die, dass Heidegger der klassischen Philosophie vorwirft, dass sie auf die Datenbanken hinausläuft. Die Kritik, die Heidegger an der klassischen Philosophie anbringt, besteht gerade darin, dass er sagt, so wie die klassische Philosophie sich entwickelt hat, ist das der Wesenswandel der Wahrheit, das „sich ändern“ von Unverborgenheit in Richtigkeit, in Korrektheit, in Technik, in Beherrschbarkeit, in Idealisierung und mit der Idealisierung zusammen die Typisierung.
 
Das alles sind nach Heidegger Entwicklungen die uns in der klassischen europäischen Philosophie die Datenbanken beschert haben. Der Witz besteht darin, dass in dieser Betrachtungsweise von Heidegger Wittgesteins Standpunkt des Tractatus geradezu ein paradigmatischer Beleg dafür ist, dass sich die abendländische Philosophie dorthin entwickelt hat, wohin sie sich entwickelt.
 
Heidegger in seiner deutsch-traditionellen Art lässt das Ganze bei Nietzsche enden. Wenn er in der Lage gewesen wäre, die Genialität von Wittgenstein zu verstehen, hätte er das durchaus mit einbeziehen können. Wittgensteins Tractatus ist noch ein viel besseres Beispiel des Endes des Platonismus, den Heidegger hervorrufen möchte.
 
Heidegger steht also mit dieser Linie – und das ist sozusagen die aus der Bildungstradition kommende, radikale Kritik der Bildungstradition, die soweit geht, dass man von Humanismus, von Bildung überhaupt nicht mehr reden kann, weil das nach Heidegger so verdorben ist – post tractat in einer, von der Bildungstradition kommenden Kritik der Bildungstradition, die mehr oder weniger zusammenfällt mit der Kritik der Bildungstradition, die im Wiener Kreis bei Wittgensteins Tractatus gemacht worden ist. Grosso Modo, alle Details sind natürlich viel trickreicher, aber von dieser Linie, die ich vertrete her, fällt das hier zusammen.
 
Damit ergibt sich eine Frage – und da komm ich jetzt auf das Insistieren des Kollegen, wohin denn das weitergeht – er weißt darauf hin das das Konzept der Unverborgenheit einigermaßen kryptisch ist. Jawohl, das ist kryptisch – es ist nicht meine Aufgabe, das genauer auszuführen, was Heidegger an der Stelle anbietet. Vom Outline her ist es so, dass er sagt, in dem Höhlengleichnis kann demonstriert werden, dass sich die Idee, die Typologie, die Beherrschbarkeit der Typologie, vom Seienden als Meisterin aufgespielt, der Unverborgenheit, der Wahrheit, als statt das höchste, das wo man hingeht, die Wahrheit ist. Die Wahrheit die Heidegger im Hintergrund hat, ist eine Konzeption, die er in einem Vortrag schon Ende der 20er Jahre („Vom Wesen der Wahrheit“) als eine  sich entbergend, verbergende, ereignishafte, geschichtliche Bewegung des Aufenthalts des Menschen in der Welt charakterisiert hat. Also statt dieser Art des "sich-einlassens" auf eine Form von „es zeigt sich“ haben wir seit Platon anfangend und sich verhärtend eine Orientierung an der Typologie dessen, was sich zeigt, nicht an dem, dass es sich zeigt und dass es sich wieder verbirgt, sondern dass es sich auf eine bestimmte Art und Weise zeigt,dass es typologisch erfassbar ist. Diese typologische Erfassbarkeit ist zu hintergehen, zu hinterfragen. Das ist die Frage nach der Kryptischheit des Konzepts der Unverborgenheit. Die führt zur Frage, was Heidegger vor hat, wenn er von einer Philosophie der Technik, nicht von Gestell redet. Wie immer das ist, führt an der Stelle weg und jetzt bin ich am Ende meines kurzen Überblicks zu meiner Darstellung zur Überschneidung der beiden Linien.
 
Denn worauf ich hinaus möchte, ist, dass abgesehen von der Heideggerschen Reaktion auf diesen Befund auch der späte Wittgenstein eine Reaktion auf diesen Befund hat, der eine ziemlich einschneidende Kritik seiner eigenen Überlegungen im Tractatus vorschlägt und vorlegt, so dass man das Anliegen der Frage, wie es denn jetzt weitergeht, wenn es so ist, wie ich es dargestellt habe, zu guter Letzt in der Überschneidung der beiden Linien so behandeln kann, dass man sagt, wir sind konfrontiert mit zwei großen philosophischen Reaktionen auf den Befund der zerstörten Bildung und einer der Schnittpunkte von dem, was ich Ihnen sagen will, bei allen ganz unzuleugnenden Unterschieden ist diese Kritik der Zerstörung der Bildung für Wittgenstein und Heidegger funktional kompatibel. Wittgenstein hat darauf etwas zu sagen, was mir das letzte Wort zu haben zu verdienen schien.
 
Das ist die kurze Zusammenfassung von wesentlichen Dingen die ich hier sagen will und die ich zur Einleitung noch einmal bringen wollte.
 
  
''Ich habe zu meiner Aufforderung doch etwas über den Brief zum Humanismus hier hereinzuschreiben, nicht viel Response erhalten. Bloß der Kollege Joker Jockel hat gesagt, er hält den Text von Heidegger nicht aus. Das ist nicht wirklich eine philosophische Stellungnahme, würde ich sagen, aber ich respektiere sie. Es hat lang genug Zeiten gegeben, da hab ich das auch nicht ausgehalten. Ich wollte Ihnen das letzte Mal nahe legen,  dass sich diese Art von Geschmacksurteilen auch ändern kann. Wie dem aber auch sei, das ist nicht mehr mein Thema.''
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[[Bild:Sheep_NZ.JPG|thumb]]
  
==='''Vom Tractatus zu den Datenbanken'''===
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Das zweite Beispiel: Sie gehen am Land spazieren, und sehen mehrere kleine Herden von, sagen wir, Schafen, und Sie treiben diese mehreren kleinen Herden von Schafen zusammen, und dann haben Sie selbst eine Herde. Das heißt, Sie können die Mengen, von denen Sie hier ausgehen, und Sie erhalten eine Menge, die selbst und zu recht das Prädikat der Mengen hat, von der Sie ausgegangen sind.
  
Was ich ihnen heute angekündigt habe und ansprechen möchte, ist zunächst einmal die Linie vom Tractatus zu den Datenbanken.
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In anderen Fällen funktioniert das nicht, wenn Sie beispielsweise mehrere Häuser haben, und Sie stellen, oder rücken, diese Häuser zusammen, dann haben Sie die Summe der mehreren Häuser, und die ist nicht selbst ein Haus. Hier ist also im ganz normalen Zusammenhang schon ein Hinweis darauf, dass das auch anders funktionieren kann. Eine Möglichkeit, die man bei Platon ansetzen kann und wie das auch erklärt wird, damit ich die "Lächerlichkeit" ein bisschen zurücknehme: es ist doch nicht ganz so lächerlich, denn was ist da passiert? Platon hat diese Gebräuchlichkeit von - E-Mails hat er noch nicht gehabt, aber die Möglichkeit, dass man einer solchen Konglomeration, Agglomeration: alle schönen Dinge zusammen sind selbst wie zu beschreiben? Na, beschreiben wir sie als, noch einmal, schön. Und weil es alles zusammen ist, dann nicht einfach nochmal schön, sondern, wie gesagt, den Inbegriff des Schönen.
Heinz Zemanek ist ein Wiener Computerpionier, der bei IBM gearbeitet hat, Professor an der Technik ist und sehr früh, in den 50er und 60er Jahren Mainframe-Computer konstruiert hat, mit denen er schon aufsehen erregt hat. Er hat auch schon in den 60er Jahren in Dagstuhl[http://de.wikipedia.org/wiki/Leibniz-Zentrum_f%C3%BCr_Informatik] einen Vortrag gehalten, in dem er sehr sehr ausführlich die Thematik zwischen Tractatus und Computer diskutiert hat, und es zeigt sich dabei, dass er eine sehr feine und im Gegensatz zu den Beurteilungen, die man in der philosophischen Fachwelt noch immer hören kann –  nicht gerade bei den Wittgenstein-ExpertInnen, aber doch generell vor allem bei denen, die mehr an der Philosophie des 19 Jahrhunderts orientiert sind – eine doch sehr differenzierte Einschätzung der Arbeiten von Wittgenstein und des Wiener Kreises.
 
  
Es beginnt schon damit, dass er sagt, der Wiener Kreis, dem  Wittgenstein eher durch Verwandtschaft als durch Mitgliedschaft angehört, und der logische Positivismus vertreten die Welt der logischen Operationen, die nun im Computer zu Milliarden ausgeführt werden.
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[[Bild:Platinum-Iridium_meter_bar.jpg|thumb|"Internationaler Meterprototyp, Standardbarren aus Platin-Iridium. Dies waren die Längennormale bis 1960", weiß die [http://de.wikipedia.org/wiki/Urmeter deutsche Wikipedia]]]
Die Denkweise des Wiener Kreises beschäftigt sich nicht viel mit dem, was Wittgenstein das Mystische nennt. Sie schweigt darüber nicht, wie er empfiehlt, sondern sie leugnet es.
 
Für den logischen Positivisten könnte die Welt zu dem werden was sich im Computer simulieren lässt. Kein Fachphilosoph würde dergleichen vertreten, aber der Informatiker neigt in diese Richtung. Das ist eine Richtung, die Zemanek beschäftigt und dafür hat er einen berechtigten Platz in einer Philosophievorlesung. Genau weil er dieses Versprechen und diese Versuchung kennt, ist es ihm wichtig darauf hinzuweisen, dass die Neigung, sich an dieser Stelle so zu orientieren weder mit philosophischen Vorstellungen, noch mit der Erfahrungen der Informatik in Wirklichkeit gut zusammenstimmt. Zemanek ist insofern sehr aufmerksam, als er diesen Bereich des Mystischen, den man als den Generalbegriff für alles das, was man nicht präzise ausdrücken kann, hier einführen kann, erkennt (was Wittgenstein nicht leugnet, sondern wie er an einer Stelle sagt, ausgrenzen will.) Er will das sagen, was sich sagen lässt und was sich nach diesen Kriterien der Genauigkeit nicht sagen lässt, ist auch nicht durch diese Sprache zu verurteilen. Es ist eine andere Dimension, als die Sprache, um die es und an dieser Stelle geht, nämlich die exakte Sprache.
 
  
Der Punkt auf den Zemanek speziell hinweist, ist hier schon im ersten Satz genannt – die logischen Operationen, die wir im Tractatus kennengelernt haben, als die Wahrheitsfunktionen.
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Der zweite Hinweis, der auch aus der Fachdiskussion kommt, und auch auf das hinweist, was uns in weiterer Folge noch deutlich interessieren wird: Bei Platon liegt eine gewisse Verwechslung vor, die man, das habe ich in meiner Diskussionsbemerkung angedeutet, am besten mit einem berühmten Beispiel aus den philosophischen Untersuchungen von Ludwig Wittgenstein illustrieren kann, nämlich die [http://www.geocities.jp/mickindex/wittgenstein/witt_pu_gm.html#LocalLink-c50 Diskussion] des [http://de.wikipedia.org/wiki/Urmeter Urmeters] in Paris. Mittlerweile wird nicht mehr mit kleinen Stäben, sondern [http://de.wikipedia.org/wiki/Meter#Aktuelle_Definition technisch vieles raffinierter] gehandhabt, aber nehmen wir einmal an, wir sind noch hundert Jahre früher, in Paris, in einem klimasicheren Raum ist ein bestimmter Stock zu finden, das Urmeter. Das hat diejenige Länge, die für sämtliche Metermessungen vorbildlich ist. Wenn man nun überlegt - und das ist Wittgensteins Pointe - ergibt sich eine sehr interessante Perspektive, wenn man sich überlegt ob das Urmeter ein Meter lang ist. Wie lang ist das Urmeter - ein Meter, oder nicht? Damit zeigt sich, das intellektuelle Potential und die ganz große, philosophische Pointe, in der wir da sind. Es gibt nämlich zwei Antworten darauf.
Dieser Typus von logischen Funktionen wird im Computer milliardenfach durchgeführt – die Logik, die sie in der Einführung bekommen, mit Junktoren wie „und“ und „oder“ – das ist ein Punkt, den Zemanek gleich weiter anspricht– diese Logik, die von Frege ausgegangen ist und die in den Lehrbüchern von Hilbert und Ackermann z.B. kanonisiert worden ist.  
 
Schaltkreise haben eine bestimmte Ordnung. Es lässt sich eine Und-Schaltung, eine Oder-Schaltung, eine Nicht-Schaltung, eine Flip-Flop-Schaltung elektrotechnisch praktisch umsetzen, und ein zentraler Bezug zwischen dem, was Frege und Wittgenstein erfunden und ausbuchstabiert haben und dem, was im Computer passiert ist, dass diese Schaltkreise des Computers modelliert sind an der logischen Grundlage der Wahrheitsfunktionen.
 
Das heißt, die Logikeinführung, die sich vertraut macht mit Wahrheitstafeln, wo sie wissen, wenn sie ein P und ein Q haben und ein „und“ dazwischen steht, dann ist das P und Q nur dann wahr, wenn beide Sätze den Wert „w“ bekommen.
 
Das wird umgesetzt in „1“ und „0“ statt „w“ und „f“ und funktioniert als eine Schaltung am Computer genauso, wie in der Logikvorlesung. Zemanek weißt darauf hin, dass es Ingenieure wie Shannon oder Eigen gegeben hat, die die logische Algebra neu erfunden haben, die notwendig war und die man für diese Zwecke gebraucht hat.
 
Von der Technik her war es Vorraussetzung, dass man so etwas braucht, aber die methodisch theoretische Grundlage – das ist ja der Grund, warum sie in einem Informatikstudium nicht nur Elektrotechnik sondern auch Basislogik lernen.
 
Die theoretische Grundlage der Schaltkreise kommt aus der selben Quelle, aus der der Tractatus kommt, nämlich aus der formalen Logik Freges.
 
Das ist der Grund, wie Zemanek das sehr einprägsam sagt, dass der Computer auf diesem Weg die volle Universalität der Mathematik erhielt und zu dem Werkzeug wurde, dass die Denkwege des Wiener Kreises zur praktischen Vorgangsweise machte. Das war erst in der Retrospektive feststellbar.
 
  
Wir haben, bevor es Computer gegeben hat, die theoretische Konstruktion einer logischen Operation, basierend auf Sätzen, die nach den idealtypischen Vorraussetzungen, die wir seit Platon kennen, gestaltet sind. Das ist eine Sache, die ich faszinierend finde und die diesem
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Einerseits kann man das rein faktisch ansehen, so wie wir es sehen, wenn wir Leute beobachten, die eine Praxis mit dem Urmeter haben - man muss dann sagen, dieser Stock ist ein physischer Stock, dieser hat eine bestimmte Ausdehnung, diese hat einen bestimmten Zahlenwert, und jetzt vergleiche ich das mit der physischen Ausdehnung von vielen anderen Stöcken, stelle fest, sie ist die selbe, dann benennen wir es eben, "ein Meter", dann ist die Antwort klar, der Urmeter in Paris hat die Länge von all den anderen Stöcken, und diese Länge nenne ich "Stöcke, die einen Meter lang sind".
Brückenschlag zwischen Wiener Kreis und Informatik eine ganz bestimmte Nachdrücklichkeit gibt.
 
  
Wir hatten die Wahrheitsfunktionen auf Elementarsätzen. Die Elementarsätze haben ihre Gestalt als Abbilder der Welt. Nicht besser hätte sich Heidegger zu exemplarischen Zwecken vorstellen können – er redet gerade davon, dass die Aussagewahrheit verkümmert ist zur Abbildung bestimmter Gegebenheiten der Welt, die sie widerspiegeln und das, was die Elementarsätze an dieser Stelle leisten, als elementare Wiederspiegelung, wird verkettet und operationalisiert durch den Wahrheitsfunktionalen Kalkül. Das sind alles Ideen, die innerhalb der Philosophie entstanden sind und die sich durch den Switch in einen neuen Bereich, den Bereich der Computertechnik, des Designs und der Herstellung von Computern weitergeschrieben haben in den Bereich von Werkzeug.
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Andererseits ist man geneigt zu bemerken, dass das Wichtigste übersehen wurde, nämlich dass in dieser fiktiven Konstruktion jemand kommt, und anhand dieses Stocks einen anderen vergleicht, und daraus die Folge zieht, dass der Stock untauglich ist und geändert, gestutzt, verlängert werden muss. Das ist der Moment der Vorschrift. Denn der Stock in Paris funktioniert nicht nur so, dass er eine Länge hat, sondern dass diese spezielle Länge des Stockes auch verwendet wird als eine Vorgabe dafür, wie man definiert, sozusagen einzuklagen, zu mahnen, was die Länge von anderen Stöcken ist. Das ist nicht etwas, was sie im ersten Durchgang sehen würden, dieses normative Moment, das damit auch gemeint ist, das per definitionem nicht ein Meter lang ist. Das geht überhaupt nicht.
  
So, wie diese Grundprinzipien im Computer implementiert worden sind, haben wir, wie er sagt, ein
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==Das normative Moment==
Werkzeug auf der Basis der vollen Universalität der Mathematik. Dadurch entsteht der faszinierende Aspekt, wenn wir ein Mikrofon haben. So ein Werkzeug ist nicht intelligent, erfüllt einen bestimmten Zweck und ist darauf angewiesen, dass man hineinspricht, das etwas sinnvolles herauskommt.
 
Es sind in diesem Typus von Werkzeugen schon häufig Chips drinnen, aber ein Mikrofon rechnet nicht. Rechnen ist das was der Computer aufgrund dieser logischen Fundierung  kann. Das wiederum ist der Grund, warum der Computer ein Allzweckwerkzeug ist (viel mehr als das Schweizer Offiziersmesser), weil die Rechenkapazität ein Potential ist, von dem man entdeckt und entwickelt hat, dass man damit alle kognitiven Funktionen des Menschen auffangen, modellieren, simulieren und befördern kann.
 
Datenbanken, um die es in der Vorlesung geht,  sind eine Unterabteilung. Das ist die
 
Situation auf die uns Zemanek hinweist. Um Zemanek ein wenig zu  unterstützen,  will ich hier noch einmal einen Rückblick auf den Tractatus einschalten.
 
  
==='''Rückblick auf den Tractatus'''===
 
Zemanek hat vollkommen recht, den Ausgang in diesem Brückenschlag zum Tractatus im Abschnitt Nr. 6
 
zu nehmen. Ein wichtiges Detail, nämlich die Querstriche über dem X sind im HTML verloren gegangen Das ist aber nur eine notationelle Schwierigkeit.
 
Das hier ist die Hauptformel des Tractatus, wie Zemanek vollkommen zu recht bemerkt und die sie hier noch einmal sehen:
 
Die allgemeine Form der Wahrheitsfunktion: <math>[\bar p,\bar\xi, N(\bar\xi)]</math> 
 
Wittgenstein lächelt, wenn er das sagt. Das schaut interessant aus, hat auch eine guten Sinn und ist auf der selben logischen Stufe wie der 7. Satz oder der 1. Satz, (Die Welt ist alles, was der Fall ist) das heißt, es ist von der größten Allgemeinheit und gehört zu dem wichtigsten, was er sagt. Im Unterschied zu den beiden anderen, z.B. dem Satz 1 und dem Satz 7 eignet sich das nicht besonders gut zum Zitieren, weil es niemand versteht ohne dass er es gelesen und verstanden hat, worum es im Tractatus geht. Das ist aber die Vorraussetzung dafür, dass jemand sinnvoll den letzten Satz zitieren kann.
 
''
 
Wenn ich ein Weltherrscher wäre, würde ich ein Gesetz erlassen, dass jede Person die den letzten Satz des Tractatus zitiert, nachweisen muss, dass sie den vorletzten Satz versteht, sonst wird ihr das akademische Diplom aberkannt.''
 
Das ist deswegen wichtig – deswegen auch eine Bemerkung über Bildung und Datenbanken – weil damit der größte Unfug getrieben wird, dass Leute glauben, die freieren und prinzipielleren Aussagen von Wittgenstein, weil sie schön klingen, zitieren zu können, ohne zu wissen worauf diese eigentlich beruhen.
 
Ich kann wunderschöne Sätze sagen. Dann sind es einfach Aphorismen und teilen das Schicksal von z.B „Hier bin ich Mensch, hier darf ich sein,“ aber es ist so, und das ist für mich noch einmal ein Kommentar zum Zustand von Bildung, eine massenmedial gesteuerte Kultur, in der Zitate wie „Hier bin ich Mensch, hier darf ich sein,“ zu Soundbits werden, gibt keine Möglichkeit, einprägsame Formulierungen, die erzeugt werden, dagegen zu schützen, dass sie in einer Schlagzeile oder in einem Jingle auftreten.
 
Wittgenstein ist keine Ausnahme. Es ist eine interessante Tatsache (dieses Schicksal teilt er mit Goethe), dass Leute, die ein profundes, eindrucksvolles und lohnendes Werk produziert haben, auch solche Schlagworte produziert haben, an denen man sie dann an der Nase herumführen kann.
 
Sie haben nichts verstanden vom Osterspaziergang, wenn Sie den kleinen Vers zitieren und bei DM finden und Sie haben nichts vom Tractatus verstanden, wenn sie den letzten Satz zitieren.
 
  
Diesem Unverständnis möchte ich hier abhelfen, um sie in die Lage zu versetzen, diesen  Satz mit Sinn zu zitieren. Dabei handelt es sich um folgendes: wir sind bei Wittgenstein in der Situation, dass wir wenn er die schönen allgemeinen Forderungen einlösen möchte, die darin bestehen, dass alles das, was man sagen können muss, klar gesagt werden kann, dass wir dann einen Mechanismus brauchen, um die Sprache um die es hier geht, so zu charakterisieren, dass sie ein für allemal Kriterien der Klarheit enthält.
+
Und jetzt kommt das gleiche wie bei dem anfänglichen Beispiel mit dem Schönen:
  
Was gesagt werden kann, muss angegeben werden können, denn sonst könnten wir in der Logik immer wieder Überraschungen erleben. Die Logik ist nicht der Bereich der Überraschungen, sondern der Beschäftigung mit den Grundlagen, aufgrund derer wir uns einander verständlich machen und die Mechanismen, die Wittgenstein einsetzt, um diese Verständlichkeit zu gewährleisten, beginnen damit, dass er sich im Absatz 4.1273 des Tractatus darüber Gedanken macht:  Wir können das allgemeine Glied der Formenreihe bestimmen, indem wir ihr erstes Glied angeben und die allgemeine Form der Operation, welche das folgende Glied aus dem vorhergehenden Satz erzeugt. Das ist eine mathematische Formulierung. Sie sehen darin leicht so etwas wie die Definition der Zahlen, Sie haben ein Anfangselement, Sie haben ein Nachfolgeelement, und indem Sie die Nachfolgefunktion auf das Anfangselement rekursiv anwenden, erzeugen Sie die Zahlen.
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Die Aktion, die wir setzen, um zu definieren, was ein Meter lang ist, das "wir normieren, was ein Meter ist", diese Aktion ist ''nicht'' ein Meter, was nicht ausschließt, daher kommt ja die Pointe des Ganzen, das ein Gegenstand, dessen wir uns bedienen beim Durchführen unserer normativen Tätigkeit, dass der eine bestimmte Ausdehnung hat. Und das ist die von mir angesprochene Verwechslung, die bei Platon eine Rolle spielen könnte, dass er - in moderner Terminologie - den paradigmatischen Charakter, der in dem Normativen drin liegt, verwechselt hat mit einer stofflichen Instanz desselben. Das ist eine verständliche Verwechslung, in der wir noch immer komplett drinnen stecken: Wenn ich ein Plakat oder eine Illustriertenseite habe, zu denken: "''Das'' ist ein schönes Auto", "''Das'' ist ein schönes Pferd" oder was immer. Vieles vom Illustriertenwesen funktioniert genau so, dass Sie konfrontiert werden mit etwas, was einerseits ein bestimmter Anblick ist, das ist ein schönes Pferd - was ''ist'' ein schönes Pferd? Es ist nicht nur eines von vielen, die als schön qualifiziert werden, sondern in die Illustrierten kommen genau die vorbildlichen Pferde, die, von denen man leicht glaubt und akzeptiert, dass sie schöne Pferde sind. Es gibt also immer den Moment, das ist nicht nur ein schönes Ding, sondern auch maßstäblich für "schön" - diese Illustriertenbilder, sofern sie gut verkauft werden sollen, müssen maßstäblich für "schön" sein.
Das ist die simpelste beispielhafte Darstellung von dem, was ein Typus ist.
 
Der Typus der  natürlichen Zahlen – 2, 7, 528 sind natürliche Zahlen – und auf der Basis des Fregeschen Systems entwickelt und expliziert Wittgenstein eine Theorie: Wie kann ich
 
platonisch festlegen, was das Gemeinsame aller Zahlen ist?
 
Das Gemeinsame aller natürlichen Zahlen ist ein Thema, das Platon auch beschäftigt hat. Im Zusammenhang mit der Wertschätzung der Mathematik gibt es auch ganz starke Korrespondenzen zwischen Platon und Wittgenstein. Der wichtige Punkt ist das allgemeine Glied der Formenreihe.
 
Da steht dieses Urbild. Was ist das Urbild der natürlichen Zahlen?
 
Wittgenstein würde sagen, es besteht darin, dass alle gemeinsam haben, aus einem Basiselement, mit Hilfe der wiederholten Anwendung der Nachfolgefunktion entstanden zu sein. Ich brauche dazu also nur das erste Glied und die allgemeine Form der Operation.
 
Wenn ich das als Grundlage nehme,(vgl. Tractatus Absatz 45) scheint es möglich zu sein, die allgemeinste Satzform anzugeben, d.h. die Beschreibung der Sätze irgendeiner Zeichensprache zu geben, sodass jeder mögliche Sinn durch ein Symbol, auf welches die Beschreibung passt, ausgedrückt werden kann und dass jedes  Symbol, auf welches die Beschreibung passt, einen Sinn ausdrücken kann, wenn die Bedeutungen der Namen entsprechend gewählt werden.
 
Was sind nun diese, den einzelnen Elementen im Zahlenbereich vergleichbare Momente im Zusammenhang mit Sprache, die nicht die allgemeinste Form eines mathematisch numerischen Ausdrucks, sondern die allgemeinste Form des Satzes angeben sollen?
 
Das sind die Elementarsätze.
 
So, wie Sie in der Mathematik eine Null haben, auf die sie die Nachfolgeoperation anwenden und die Zahlen bekommen, imaginiert Wittgenstein die Sprache so, dass sie die Elementarsätze haben und auf  diese – angenommen mir wären alle Elementarsätze gegeben –  lässt sich einfach fragen, welche Sätze kann ich aus ihnen bilden? Das sind alle Sätze und so sind sie begrenzt.
 
Erinnern Sie sich, ich habe ihnen das Charakteristikum der Elementarsätze deutlich gemacht. Weltbeschreibung unterscheidet sich insofern von Mathematik, dass Sie in der Mathematik mit Konstruktionen arbeiten können, als den Inputs in diese Operationen, während Sie in der Philosophie in der, auf Erkenntnis gerichteten Zugangsweise ebenfalls einen Basisinput und Operationen haben, aber der Basisinput – sonst wäre ja die ganze Welt nur mehr Logik und Mathematik – muss herausgefunden werden aus den Sinneserfahrung, aus  der Konfrontation der Welt. Sinneserfahrung ist schon ein kleiner Schritt zu viel.
 
Die ganzen Überlegungen, die ich Ihnen dargestellt habe, über das Zusammenfallen von wahr-falsch und Darstellung, Stichwort „Malteserkreuz“, Stichwort „die Welt so zu sehen, dass das Einzige, was in dieser Sicht der Welt wichtig ist, die Möglichkeit ist, auf „ja“ oder „nein“ die Form, um die es da geht, festzulegen.
 
Das habe ich Ihnen als Charakteristikum des Elementarsatzes dargestellt und das geht hier in die Diskussion ein .
 
Wir haben als Input die Elementarsätze und wir haben die Wahrheitsfunktionen, die auf den Elementarsätzen operieren und die sogenannten zusammengesetzten Sätze (alle, die mit „und“ usw. verbunden sind) produzieren. Die Sätze sind alles, was aus der Gesamtheit aller Elementarsätze folgt, natürlich auch daraus, dass es die Gesamtheit aller ist.
 
Alle Sätze sind Verallgemeinerungen der Elementarsätze.
 
Der Satz ist eine Wahrheitsfunktion der Elementarsätze.
 
Die Wahrheitsfunktion kennen sie im Plural in der Regel – ich habe „und“, „oder“,„nicht“, „wenn-dann“ genannt – es gibt einen technischen Trick, mit dem man alle diese verschiedenen Wahrheitsfunktionen auf eine einzige reduzieren kann. Das ist der Schefferstrich. Der sieht in Wittgensteins Notation so aus: <math>(----W)(\bar\xi,….)</math> (vgl Tractatus 55)
 
Sie haben hier „f f f f“ , die Wahrheitswerte in der linken Klammer.
 
In der rechten Klammer sind die Elementarsätze. Die Funktion dieser Wahrheitsfunktion besteht darin: was immer Sie für Sätze mit dieser Wahrheitsfunktion verbinden, die Wahrheitsfunktion ist nur dann wahr, wenn alle die Sätze, die sie so verbunden haben, falsch sind.
 
Das heißt, das ist die konjunktive Negation aller Sätze, auf die diese Wahrheitsfunktion angewendet wird. Das nennt man Schefferstrich nach Thomas Scheffer.
 
Das ist an dieser Stelle von ästhetischer Bedeutung. Das ist ein Teil meiner Bemerkung „Wittgenstein lacht“, weil er diese Form von technischer Vereinfachung, diesen Schefferstrich statt mit zwei  Klammern so schreibt: <math>N(\bar\xi)=~p</math> (die Negation sämtlicher Werte der Satzvariable <math>\bar\xi</math>)
 
  
Jetzt kriegen Sie ein Gefühl dafür, was diese allgemeine Form der Wahrheitsfunktion sein soll. Nämlich, sie haben hier Elementarsätze P, sie haben überhaupt alle Sätze die Sie bilden können, also eine Satzvariable und Sie haben die eine und einzige Wahrheitsfunktion mit der er sein Auskommen findet, die quasi dafür steht, wie immer Sätze zusammengesetzt werden können.
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Die Frage, in die wir da hineingeraten, warum ich hier auch noch ein bisschen insistiere und schürfe, ist, dass für diese Illustriertenbilder nun das selbe zu sagen ist, wie ich im Zusammenhang mit Platon gesagt habe. Und ich sage es hier mit der selben emotionalen Angespitztheit: es ist eben lächerlich, zu glauben, dass ein spezielles Bild in der Illustrierten schön ist, nur deswegen, weil es uns vorgesetzt wird als ein Beispiel von etwas schönem. Wir müssen diesen Unterschied machen zwischen der Normativitätsfunktion und der Exemplifizierungsfunktion, auch und gerade dann, wenn wir wissen, dass das Normative und das Exemplifizierte - am Beispiel von Models, am Beispiel von Urmeter - zusammen in einem Ding vorkommen. Damit will ich es jetzt hier bewenden lassen.
  
Wenn sie diesen weltumfassenden Input haben, Sie jetzt wissen, was alle Elementarsätze sind und alle Elementarsätze in die Scheffer-Funktion hineingeben, können Sie aus dieser Kompaktformel alle Sätze generieren, die Ihnen etwas sinnvoll über die Welt sagen.  
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Bisher habe ich noch nicht viel über Datenbanken gesagt, es wird heute auch noch nicht so weit sein, es ist in Aussicht. Um das einzuleiten werde ich, und diese Debatte war für mich ein Grund, ein kleines [[Vielgestaltig_und_wahr:_Verbindung_zu_Wittgenstein_(BD)|Zwischenkapitel]] einzuschieben, wo ich nocheinmal auf eine andere Platonstelle eingehe, damit nicht der Eindruck entsteht, dass ich Platon allzusehr entfremde, und damit sie aus der Politeia zwei längere Passagen kennenlernen, in denen die Interpretation, die ich vorhabe, fundiert ist. Die erste ist eine Stelle aus dem siebte Buch, die inhaltlich sehr an das, was ich bisher dargestellt habe, anschließt und die insbesondere das Verhältnis von sinnlicher Wahrnehmung und der Verstandestätigkeit unter dem Zeichen des Dualismus nocheinmal sehr plastisch macht. Ich werde dann an diese Interpretationen von Platon eine Interpretation des Bildbegriffs und des Umgehens mit logischen Formen im "Tractatus" anschließen, sofern ich heute noch dazu komme, und hoffe Ihnen dann zu zeigen, wie eng zusammen, und an bestimmten, entscheidenden Stellen aber auch disjunkt diese beiden Konstruktionen sind.
Warum ist das so?
 
Weil in den Elementarsätzen die Informationen über die Gestalt der Welt in ihrer simpelsten Atomarität vorliegen und weil Sie, zusätzlich zur Atomisierung der Welt in die Elementarsätze als Kriterium der Sinnhaftigkeit des Formulierens von Sätzen der Welt, nur das andere Prinzip haben, dass alles, was Sie im ersten Schritt zugelassen haben, das in einem zweiten Schritt unendlich oft verkettet auf sich selber angewendet werden kann nach den Kriterien der Wahrheitsfunktion.  
 
Das ist der Ausblick des Satzes 6.
 
Was Wittgenstein in Satz 7 und allen weiteren Bemerkungen nach 6 sagt, sind Nutzanwendungen, ein heroischer Abschluss der Idee dessen, dass die Welt eine Gestalt hat, die vernunftmäßig erfassbar ist und damit einen Schluss und eine Komplettheit erreicht. Das steckt hinter dieser Formel hier.
 
  
==='''Zemaneks Kritik'''===
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==Höhlengleichnis und Truman==
Abgesehen von diesen philosophischen Hintergründen, die ich ihnen hier beigestellt habe, die Zemanek aber nicht behandelt, nimmt er diesen Satz zum Ausgangspunkt, schiebt ihn in seine Mathematikkompetenz und sagt, genau eine solche Themenstellung ließe sich in LISP (eine frühe Programmiersprache) umschreiben und wäre dann, angewendet auf die Beobachtungsfakten der Naturwissenschaften, das Programm für ein formales vollständiges Weltbild, mehr für eine ewig unfertige, aber im Prinzip fertigstellbare, wissenschaftliche Tatsachenbeschreibung der Welt, wie sie dem Traktat vorschwebte.
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[[Bild:truman-rain.jpg|thumb|left|[http://philo.at/gallery2/v/pervid/plato/truman-rain.flv.html Ausschnitt] aus der [http://www.imdb.com/title/tt0120382/ Truman Show]]]
Er weißt hier darauf hin, dass bei Wittgenstein eine Denkfigur vorliegt, die in der Informatik weiter geführt werden kann und für die die Informatik eine gewisse Affinität hat. Ohne sich dessen bewusst zu sein, hält eine verbreitete positivistische Grundeinstellung diese Formel der Weltbeschreibung für ausreichend und vollständig, geradezu für allein richtig, die Wirklichkeit ausmachend.
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[http://www.zeno.org/Philosophie/M/Platon/Der+Staat/Siebentes+Buch Das siebte Buch der Politeia] ist das mit dem Höhlengleichnis, das ich mir jetzt spare. Ich weise Sie darauf hin, dass ich im Zusammenhang mit meinem Projektseminar ein paar Clips gesammelt habe, auf [http://philo.at/gallery2/main.php diese Adresse]. Die Höhlengleichnis eignet sich hervorragend für Homevideoproduzentinnen, wie man sich vorstellen kann. Es gibt, nach meiner Wahrnehmung, sehr viele Trashhöhlengleichnisvideos in [http://www.youtube.com Youtube], ich habe Ihnen einige nichttrashige, ganz interessante zusammengestellt. Ich werde das aber nicht weiter hier verfolgen, sondern werde Ihnen eines zeigen, das garnicht explizit etwas mit dem Höhlengleichnis zu tun hat, aber eine zeitgenössische, sehr interessante Paraphrase für wichtige Aspekte des Höhlengleichnisses ist, nämlich die [http://www.imdb.com/title/tt0120382/ Truman Show] von [http://en.wikipedia.org/wiki/Peter_Weir Peter Weir]. Eine Person, die mehr oder weniger festgekettet ist in der Unterhaltungsindustrie, in einer Realityshow, die mit seinem Leben zusammenfällt. Truman, der in dieser Narration vor der Aufgabe steht, auch das ist schon interessant, wieso sagt man, er steht vor der Aufgabe, er ist damit konfrontiert, dass da irgendetwas in seinem konstruierten Realityshowleben nicht stimmt. [http://philo.at/gallery2/v/pervid/plato/truman-rain.flv.html Ich zeige Ihnen eine kleine Episode], die markiert, worum es da geht. Sie haben hier eine Person sitzen am Strand, Truman, und plötzlich findet er sich in einem Regenkegel, läuft raus: trocken. Er wundert sich, der Kegel folgt ihm - Truman läuft nocheinmal raus, jubiliert "Oh, was ist jetzt passiert, ein Wahnsinn", da ist nochmal der Kegel, und dann die gesamte Regenlandschaft. Das ist in der Filmerzählung so angelegt, dass noch bevor man weiß, was da eigentlich los ist - man sieht die Sache als eine Story zusammen mit Truman - dass in der Wahrnehmung des Zuschauers auf einer zweiten Ebene, aber auf der ersten Ebene von Truman gezeigt wird, etwas auftritt, was sonderbar ist. Truman hat zu diesem Zeitpunkt keine Begriffe darüber, in welcher Situation er sich befindet. Entscheidend ist in all diesen Fällen die Trennung der Welt in Unten und Oben, die wir Zuschauer zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht ganz kennen, aber als Interpretationshorizont ist es notwendig: Wir finden uns in einer sinnlichen Wahrnehmungssituation, in der etwas sonderbare Dinge auffallen. Warum ich diesen Einschub mache, ist weil ich, ganz notgedrungen, um erklären zu können, worum es da geht, das Wort "sonderbar" verwendet habe. Das ist etwas sehr entscheidendes an dieser Stelle.
Der Computer erscheint in dieser Sicht als Werkzeug für die Ausführung dieses Programms. Die Suggestion, die aus der Computerwelt kommt und die die Alltagsverständlichkeit erheblich unter Druck setzt, geht in diese selbe Richtung, dass nämlich Computer, weil sie doch nach diesen Prinzipien der Berechenbarkeit, der Klarheit funktionieren, einen Standard geben, eine Aufgabe und eine Philosophie definieren, an der der Rest der Welt zu messen ist.
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Es lässt sich ein Zustand denken, ja in den meisten Fällen sind wir selbst in einem solchen Zustand, wo das nicht sonderbar ist. Wenn jemand nicht weiß, was mit ihm da passiert, ich sag das gleich mal ganz ungeniert, dass ein großer Zampanò jenseits der großen Kuppelkonstruktion sitzt, und auf einem computergesteuerten, hochraffinierten Schaltpult das Wetter für den Herrn Truman steuert, wenn wir das nicht wissen, sondern wenn wir hineinsozialisiert sind, so wie er, in einen Ablauf von sinnlichen Erfahrungen, dann ist das zunächst einmal ''nicht'' sonderbar. Wenn Truman als Kind die Erfahrung macht, dass hin und wieder ist es halt so, dass dieser große Computerapparat ein bisschen eine Outtime bzw. ein Breakdown hat, und Regengüsse mal ein bisschen so unangesagt und sozusagen strahlförmig auftreten, es aber rundherum nicht regnet, wie soll er, wenn er das erste Mal in seinem Leben mit Regen Erfahrungen macht, und dies Teil seiner Regenerfahrung ist, wie soll er sagen, dass das für ihn etwas besonderes ist? Er kann das nicht sagen, er bräuchte dazu einen anderen Referenzrahmen, der uns natürlich hier sehr leicht eingängig ist, weil wir einen Standard von Regen vorraussetzen, der nicht so ausschaut, dass am Strand, in der schönen Breite des Abendmondes, eine Person sitzt und man dann einen schmalen Kegel von Regen auf diese Person gerichtet sieht, da sagten wir "da ist doch irgendetwas nicht ganz sauber". Wir sagen das aufgrund von Distinktionen, die wir machen, die uns leicht fallen wenn wir wissen, dass es da den großen Regisseur im Hintergrund gibt, aber wie sollten wir das wenn wir in der Sache selber drinnen sind? Das ist, auf eine moderne Art und Weise, die Problematik des Höhlengleichnisses. Das gefesselte, entfesselte, Licht und Schatten, Bildmaterial kann man sich da eigentlich sparen und sagen, worum es geht: eine kognitive Dissonanz, die innerhalb einer Wahrnehmungs- und Sinneswirklichkeit auftritt. Wir nehmen Regularitäten wahr, sind diese in unserer sinnlichen Welt gewohnt, und irgendwann drinnen passt etwas nicht mehr. Wir sind konfrontiert damit, dass das Wasser anders funktioniert, als wir es bisher gehabt haben und stehen vor der Frage, was wir jetzt damit sollen. An vielen Stellen, wenn beispielsweise das Auto plötzlich zu klopfen anfängt, gibt es einfache Antworten: Achtung Gefahr, an den Straßenrand fahren, weil etwas passiert ist. Das ist eine solche Dissonanz.
Sie können die Zemanek-Überlegungen dazu im einzelnen auch privat lesen. Ich gehe vorweg in die Dimension, in der Zemanek eine Kritik an dem Gesagten anbringt, nämlich im Zusammenhang mit diesem Thema, weil der logische Positivismus mit seiner Reduktion auf das Beweisbare und Berechenbare und was sie hier drinnen haben – Beweisbarkeit und Berechenbarkeit – kommen nicht  Tractatus vor, aber aus der Konzeption einer Welt, einer Syntax, einer logisch formal exakten Sprache, die so konstruiert ist, dass keine Überraschungen möglich sind, dass sie die Bedingungen der Sinnhaftigkeit dessen, was gesagt werden kann in ihrem Aufbau in sich drinnen hat – entstehen diese berühmten metamathematischen Überlegungen, die sich damit beschäftigen. Wenn ich so eine Sprache habe, was kann sie ausdrücken, was kann ich im Rahmen dieser Sprache, aufgrund von formalen Schlussfolgerungen beweisen, was kann eine solche Sprache aussagen.
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Es gibt aber auch, und das ist die Pointe hinter diesem Jubelgestus, den Truman macht, die Logik, die Entwicklung aus einer solchen Dissonanz, dass man sagt: "Hier habe ich einen Widerspruch entdeckt, da ist etwas dahinter, was mir Probleme bereitet, was ich hier jetzt gesehen habe führt mich zu etwas. Der Widerspruch lässt mich etwas erkennen." Man muss dazu wissen, dass Truman schon im Verlauf des Filmes einen Verdacht geschöpft hat. Es gibt da auch so eine Szene, wo er sich fragt, wie es das eigentlich geben kann, dass er immer vorhersagen kann, welche Leute da in regelmäßigen Abständen die Straße entlang gehen. Der Grund ist, dass das die für die Realityshow notwendige Staffage ist, die normiert ist und solche regulären Zyklen braucht. Auch hier ist es so: so wie er sozialisiert worden ist, muss es einen Grund geben, dass ihm das komisch vorkommt. Er muss eine Auffassung davon haben, dass die ewige Wiederkehr des gleichen nicht ganz das ist, was menschliches Leben bedeutet. Die Regenszene zeigt eine Bestätigung seines Verdachts, das kognitive Moment, dass er an der Stelle hat, er jubelt, weil draufgekommen ist,  dass in seiner Erfahrungswirklichkeit ein Widerspruch ist. Und meine Filmdeutung, meine filmische Illustration von dem, was Platon in der ausgewählten Passage tut, er spricht genau von dem Verhältnis zwischen sinnlichem Wahrnehmen und Widerspruch. Und die Pointe ist, dass man durch die Augen keinen Widerspruch wahrnimmt. Weder Augen noch Ohren, kein Sinnesorgan ist von der Art, dass sie dadurch Widersprüche wahrnehmen. Sie sagen zwar "da sehe ich aber einen Widerspruch" - dazu kommen wir gleich - das ist wieder die gleiche Problemstellung. Sie ''sehen'' keinen Widerspruch, zumindest nicht in dem Sinn, in dem sie einen Wasserkegel sehen. Sie sehen, ''dass'' es einen Widerspruch zwischen dem einem und dem anderen Satz gibt. Sie sehen eben nicht den Widerspruch, sondern sind konfrontiert mit einem Satz "Hier kommt der Regen als Kegel" und "Hier kommt der Regen als flächendeckend" und dann haben Sie eine Theorie darüber, wie Regen sich zeigt, sich auswirkt, und Sie "sehen", dass es zwischen diesen beiden Sätzen einen Widerspruch gibt. Das ist, was hier eigentlich stattfindet. Diese Formulierung "sie sehen" ist vergleichsweise harmlos, was Sie nämlich in Wirklichkeit tun ist folgendes:
Um das berühmteste, daran angeschlossene Thema zu nennen, ist es möglich, dass ich ein sachgerecht kompliziertes formales System habe, das ich mit einer Variante dieser allgemeinen Satzformel beschreiben kann und von dem ich nachweisen kann, dass es alle Wahrheiten die mit Hilfe dieses Sprachinstrumentariums auszudrücken sind, auch beweisen kann.
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Sie sehen den einen Satz, sehen den anderen Satz, verstehen den Inhalt des einen und verstehen den Inhalt des anderen Satzes, und dann vergleichen Sie die Inhalte dieser beiden Sätze und stehen dann vor der Frage, würden Sie den beiden Sätzen zustimmen? Und Sie sagen "Nein. Diese beiden Sätze gehen sich zusammen nicht aus. Regen, so wie ich ihn verstehe, ist nicht gleichzeitig das, was in dem Kegel kommt, und das, was in der Breitwand kommt. Das ist Ihr Umgang mit dem Widerspruch, der da drin ist. Es ist klar, worauf ich hinaus möchte, und worauf auch Platon an dieser Stelle hinaus möchte, dass der Zusatzfaktor der in Ihre sinnliche Wahrnehmung hineinspielt, damit Sie zu so etwas kommen wie Widersprüchlichkeit. Und ich erinnere Sie: diese Widersprüchlichkeit ist natürlich der Anfang vom Ziel. Der Anfang vom Ende im Sinn des pädagogischen Prozesses - nur wenn Sie an dieser Stelle Widersprüche sehen, werden Sie unruhig werden und auf den Weg der Erkenntnis kommen. Dieses Hineinspielen des Widerspruchs nicht in der Sinnlichkeit ist, sondern dass das aus der νόησις (gr. Einsicht) kommt, aus dem Verstand, wenn Sie so wollen. Er hat hier eine Unterscheidung zwischen sinnlichen Wahrnehmungen, die das Denkvermögen garnicht zur Betrachtung auffordern: man lebt, und denkt sich nichts dabei. Muss sich nichts dabei denken. Und dann gibt es sinnliche Wahrnehmungen, die das Denkvermögen zum Einschreiten auffordern, das eine sind die τὰ μὲν ἐν ταῖς αἰσθήσεσιν οὐ παρακαλοῦντα τὴν νόησιν - nicht hervorrufend das Erkenntnisvermögen, und dann diejenigen, "halten das Denkvermögen ganz besonders an,... dem Prüfstein des Denkens zu unterwerfen", ἐπισκέψασθαι, da steckt Skepsis drinnen, Sehen, Denkvermögen. Das ist ein anderer Typus von Wahrnehmung, der nämlich das Denkvermögen provoziert. Sie werden sich jetzt natürlich fragen, wie es zu dieser anderen Form von Wahrnehmung kommt.
Das ist die Entscheidbarkeitsfrage, die Hilbert gestellt hat und womit der berühmte Goedel-Satz  zu tun hat: dass man nachweisen kann, dass das nicht möglich ist.
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Da haben wir jetzt wieder einen entscheidenden Punkt im pädagogischen Prozess von Platon: wenn die beiden Bereiche, der Schaulustigen und der Wahrheitssuchenden, sich einfach trennen würden, wie in den von mir in der vergangenen Stunde interpretierten [[Platon_f%C3%BCr_Aufsteiger_(BD)|Textstücken]], dort habe ich Ihnen etwas unterschlagen. Es gibt, sehr umstritten in der Interpretation, eine Stelle wo Platon in etwa sagt: "die Ausrichtung auf das Erkennen und das Wahre und das Gute ist so etwas wie wach sein, alle anderen - diese Schaulustigen - sind eigentlich Träumer." Also eine Disjunktion zwischen Traum und Wirklichkeit, das sind verschiedene Welten, und die sich im Traum befinden kommen nie in die Wirklichkeit, und die im wahren Zugang zu den Ideen sind, sind diejenigen, die wissen, worum es geht. Wir wissen mittlerweile um die raffinierten Interaktionen zwischen Traum und Wirklichkeit, dass es also zwei Welten sind, die ineinanderrutschen.
Wir  werden zu überlegen haben ob die Kunst der Informationsverarbeitung diese Identifizierungsabsicht fördert und bestätigt, d.h. hier kommt Zemanek darauf zu sprechen, dass abgehoben von dem, was in der Philosophie strukturell kognitiv vorgeformt wird, in der Informatik zwar auf der Basis dieser Vorarbeiten, dann aber doch in den Bereich einer Handwerkskunst, einer Technik, einer Fertigkeit (darum sagt er hier Kunst der Informationsverarbeitung) etwas aufgenommen wird und die Frage zu stellen ist, ob die Identifikation der Realität mit der Berechenbarkeit in diese Identifikationsabsicht durch die Fortentwicklung der Logik in die Informatik gefördert und bestätigt wird. Seine Formulierung im nächsten Satz finde ich besonders glücklich und auch wirklich einprägsam signalhaft – kurz vorweggenommen, sie fördert sie aber sie bestätigt sie nicht.  
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Dieses Ineinanderrutschen gibt es auch bei Platon selbst, weil wir - in seiner Seelenkonstruktion - Wesen sind, die gleichzeitig sinnlich agieren und sinnlich verankert und verstandesgemäß mit kritischen Fähigkeiten ausgestattet sind. Unter bestimmten Umständen kommen diese Wesen in eine Situation, in der sie ein Überlappen von Bedenklichkeit, von Unterscheidung und von Kritik auch innerhalb der Wahrnehmung erfahren. Das ist insofern ein komplett zentraler Punkt, da wenn es diese Fähigkeit nicht für menschliche Wesen gäbe, sich nämlich aus der Abhängigkeit von der Umgebung an bestimmten Stellen heraus zu nehmen, ein Bildungsprozess nicht möglich wäre.
Man hat starke Anstoßmomente, eine starke Motivation, weil das in der der informatorisch umgesetzten Mathematik an vielen Stellen so gut und so schnell funktioniert, zu meinen, dass die Realität auch nichts anderes ist als eine Rechenprodukt, dass die Welt sich reduziert auf das was berechnet und Computermässig manipuliert werden kann.
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Und es ist auch klar, dass der elementare, instrumentale Ansatz davon, wie das geht, wie das sein kann, das "Ja"- und "Nein"-sagen ist. Das ist, einerseits sprachanalytisch, man kann das jedoch ziemlich sicher auch beispielsweise entwicklungspsychologisch argumentieren: wie brechen junge Lebewesen aus dem Kokon aus, in den sie in biologischer Abhängigkeit im genetischen Prozess eingebettet sind? Indem sie "Nein" sagen, eine Form von Verweigerung produzieren und einen Bruch setzen. Und dieser Bruch, als Bruch, in seiner Schroffheit ist das, was kultiviert und auf der Ebene der Begrifflichen Rekonstruktion wieder auftritt in der Sprachphilosophie, wenn man sagt "das wesentliche Unit davon, wenn man erklären will was es heißt, etwas - einen Ausdruck, etwas von der Welt - zu verstehen, ist unterscheiden zu können zwischen verschiedenen Zuständen. Um sie auseinanderhalten zu können muss man sie identifizieren. Das ist als per identificationem das miteinschließt, von dem ich das letzte mal gesagt habe [[Platon_f%C3%BCr_Aufsteiger_(BD)#eins.2C_zwei.2C_viele|"Eins, zwei, viele"]].
  
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==Wittgenstein und Platon. Was ist ein Finger?==
  
Es gibt entsprechende Versuche und Versuchungen, aber die Kunst der Informationsverarbeitung bestätigt das nicht.
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Was beim Platon dadurch auftritt, dass er sagt es gibt die vielen Dinge, und im Gegensatz das Eine, das dadurch gekennzeichnet ist, dass es zu dem Einen genau ein Anderes gibt, das ist "schön"-"hässlich", "gerecht"-"ungerecht", "wahr" und "falsch". In der Passage heute macht er das auf eine Art und Weise, die ganz faszinierend ist und man kann die ganze Problemstellung in der schlichtesten Art und Weise nachvollziehen Sie merken schon, dass ich an dieser Stelle sehr viel mit Platon und Wittgenstein operiere. Und Wittgenstein ist normalerweise wahrgenommen und dargestellt als jemand, der in gewisser Weise Erzfeind von Platon ist, ja er selbst hat solche Äußerungen auch getan. Aber bei Platon finden sich gar nicht so wenige Passagen, die direkt aus den ''Philosophischen Untersuchungen'' kommen könnten, einer solche ist die, wo Platon sagt "schauen Sie einmal eine menschliche Hand an. Sie hat Finger. Wir sehen die Finger, wir kennen sie, wir operieren mit ihnen - no problem. Das ist eine Vielfältigkeit, die wir einfach haben, eine strukturierte Wahrnehmung. Wir sehen, dass was wir als Hand gebrauchen, eine Reihe von unterschiedlichen Features hat. Das ist das Viele. Was, wenn wir jetzt sagen, diese Hand hat aber fünf Finger, und einer von denen ist der größte? Und der eine ist bandagiert, oder gerade gebrochen." Das sind Betrachtungsweisen, aus denen Platon genau das, was ich Ihnen vorgestellt habe, herausholt, nämlich, unplatonisch formuliert: der identifizierende Verstand hat die Fähigkeit, in der Strukturmannigfaltigkeit eine Identifikation zu machen, indem er sagt "ist das ein Finger? Nein. Und das? Ja, ist ein Finger. Ist dieser Finger kleiner als dieser?" Man könnte so sagen: Sehen Sie, dass das kein Finger ist? Auch an der Stelle ist schon interessant, wenn ich das so sage: worauf beziehe ich mich mit dem "das"? Das diese Handfläche kein Finger ist? Sie sehen diesen Körperteil, die Handfläche, und dass das eine nicht das andere ist, nicht in diesem engeren Sinn. Die Konsequenzen aus dem können Sie sich selber hier durchsehen, ich glaube hier reicht einmal das im general outline vorgestellt zu haben.
Das kann man doppelt lesen. Dass man einerseits mit  Informationsverarbeitung bestimmte Umsetzungen versuchen kann, hat niemals in sich den Charakter des Bestätigens.
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Worauf das bei Platon hinausläuft ist also, dass diese νόησις ein Vermögen der oppositionellen Verhältnisse ist, und dass die vergangene Stunde dargestellte Spannung zwischen "es gibt Sinneserfahrungen und Sätze, die eine innere Gestalt, Struktur haben. Da kommt etwas drinnen vor, da gibt es etwas zum Schauen. Darum sind es die Schaulustigen, die an der Stelle angesprochen sind." Und diese Struktur verschaltet mit der anderen Struktur des "Ja/Nein/Wahr/Falsch", urteilen, herausholen und dialektisch diskutieren (diese Konstellation wollte ich Ihnen bei Platon vor Augen führen).
Die Bestätigung dafür, dass das identisch ist, kann in diesen Versuchen nicht liegen, denn das ist eine Frage auf einer anderen Ebene, nämlich ein methodisch systematischer Deutungsansatz.
 
Das zweite, das man über die Bestätigung sagen kann, ist empirisch. Wenn man sich genauer anschaut, was in der Informatik passiert, mit Hilfe und auf der Basis dieser Rechenansätze, dann bestätigt sich nicht die Vermutung, dass alles beweisbar oder berechenbar ist, sondern ganz im Gegenteil. Es gibt erhebliche Überraschungen, wenn Computersysteme einen gewissen Grad an Komplexität erreichen. Dann kann man nur mehr mit dem Fuss hineintreten oder frenetisch Kommandos tippen und hoffen, dass irgendetwas passiert von dem man nicht vorhersehen kann, was es werden sollte, weil die Komplexität an der Stelle schon so groß ist, dass sie nicht mehr durchschaubar ist. Das wäre aber schon ein Extra-Thema.
 
  
Die Informatik ist daher gleichzeitig als gigantische Realisierung des positivistischen Grundgedankens anzusehen und als äußerst praktischer Grund, den positivistischen Kern der Bitverarbeitung in seiner Unvollständigkeit zu erkennen, nicht auf einer philosophischen oder sonst theoretischen Ebene, was nur ein literarischer Effekt wäre, sondern als bittere und immer wieder kostspielige Erfahrung der Industrie aller Berufe, denn fast alle werden am Computer sitzen und mit Computerresultaten arbeiten müssen um des persönlichen Lebens willen.
+
==[[Vielgestaltig_und_wahr:_Verbindung_zu_Wittgenstein_(BD)#Vernunft.2C_der_Ort_des_Widerspruches|Vernunft, der Ort des Widerspruches]]==
Das klingt ein bisschen wie die Lebenssumme und wie das im einzelnen umzusetzen und zu demonstrieren ist, kann ich ihnen nicht sagen.
 
Ich will es Ihnen aber vor Augen führen, weil das nicht, das „Die Trauben hängen zu hoch-Urteil" eines  Philosophen oder einer Philosophin ist, die sich über die Informatik beschweren, sondern weil das die Aussage eine Technik-Professors und ausgewiesenen Ingenieurs ist.
 
Das soll einmal für die Verbindung zwischen dem Wiener Kreis und der Informatik ausreichen.
 
  
==='''Datenbanken'''===
+
Ich möchte noch anhand einer Übersetzung, die ich im Internet gefunden habe, also nicht der (korrekteren) Übersetzung von Schleiermacher, ein Beispiel bringen.
Ich unterbreche hier deswegen, weil ich Ihnen noch vor Augen führen möchte, wie denn so ganz oberflächlich gesehen die Arbeit mit Datenbanken aussieht. Mein Anliegen ist nicht, dass Sie das können, aber dass Sie einmal gesehen haben, wie die Sachen ausschauen und damit ein gewisser Effekt des Erschreckens wegfällt, wenn Sie einmal in anderen Zusammenhängen damit konfrontiert werden. Und auch um Ihnen ein paar von den Überlegungen zu zeigen, die typisch für Datenmodellierung sind und die man in Beziehung setzen kann zu den Überlegungen, die wir im Traktat angestellt haben.
+
"Um also über diesen Widerspruch ins Klare zu kommen, muß auch seinerseits die Vernunft notwendig
Nehmen wir ein Buch – ich habe Ihnen ein paar Beispiele im Zusammenhang mit dem Werk von Quine gebracht (ein altes Buch und Open Source frei verfügbares Anschauungsmaterial) und ich glaube, es ist nicht ganz verkehrt, in einer Vorlesung über Philosophie an etwas anzuknüpfen, was Sie zwar nicht mehr handgreiflich erlebt haben, es sei denn, Sie sind so wie ich schon ein bisschen älter, aber was noch immer eine gewisse Erfahrungstatsache ist, nämlich der Zettelkasten.
+
ein Großes und  Kleines sich begrifflich vorstellen, nicht vermischt, sondern getrennt von einander,
Es gab, als ich zu studieren begonnen habe, und viel später auch noch und manchmal gibt es sie noch immer, die Zettelkästen, die ja mittlerweile etwas berückend, verstaubt nettes haben, mit all diesen abgegriffenen Kärtchen, an denen der Schweiß von Studierenden-Generationen klebt.  
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gerade das Gegenteil wie der Gesichtsinn." Die Vernunft hat einen Zugang zum großen und kleinen,
Die Zettelkästen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie eine ganz selbstverständliche und natürliche Zugangsweise gehabt haben. Man hat pro Buch einen Zettel angelegt, wo der Name des Autors, der Name des Buches, der Verlag draufgestanden ist. Eventuell noch ein Stichwort, aber es reicht einmal der Autorenkatalog.
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der in diesem Sinn identifikatorisch ist, und freundlicherweise, weil uns diese übersetzer nicht
Ich sage am Ende noch etwas über den Stichwortkatalog, denn sobald es um Stichworte geht, ist
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aufregen wollten, haben sie geschrieben "die Vernunft muss sich begrifflich vorstellen, das Große
noch etwas eklatanter sichtbar, warum man eine Datenbank braucht, anstatt des Zettelkastens.
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oder Kleine."
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Da steckt schon alles das drinnen, was ich ihnen mit Begriff und so weiter interpretatorisch gesagt hab. Wenn man sich den griechischen Fachterminus im Originaltext ansieht, stellt sich heraus, dass das keineswegs so freundlich ist. Hier steht nämlich "μέγα αὖ καὶ σμικρὸν ἡ νόησις ἠναγκάσθη ἰδεῖν". ἰδεῖν ist "SEHEN". Die Vernunft ''sieht'' an der Stelle das Große und das Kleine. Die νόησις ist an dieser Stelle natürlich kein sinnliches Sehen, und die Frage mit der wir uns in diesem Zusammenhang beschäftigen ist natürlich, wie das möglich ist, "sichtbar".
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Wie kann man das Große und das Kleine sehen, wie kann man diese Wortverwendung von Platon verstehen? Weil es ausgezeichnet passt gebe ich jetzt einen kurzen Vorwärtsflash für das, was ich Ihnen nächstens dann über Wittgenstein erzählen werde: Die klassische Erziehungs- und Bildungstradition hängt, wenn ich das zuspitzen darf, daran, dass "sehen" hier ein Gummibegriff ist. Man sieht die Sonne, die nicht nur das stärkste Licht ist, sondern die Bedingung für Licht, und die Bedingung dass wir überhaupt etwas sehen können. Und darum können wir das Verständnis von "sehen" und unseres Bildungsprozesses über diesen Gummibegriff "sehen" so anlegen, dass wir unten in der Höhle anfangen ein bisschen was zu sehen, dann oben das meiste. Und alles unter dem Aspekt des Sehens, und die Philosophinnen sind diejenigen, die dann im Wahrheit-sehen sind. Und exakt das ist was Wittgenstein abschneidet, indem er im Tractatus eine elementar platonische Struktur einer Trennung zwischen Formenwelt und sinnlicher Wahrnehmung bewahrt. Er schneidet rigoros den Aufstieg ab. Wittgenstein ist, ''nicht'' für Aufsteiger, man könnte sagen "ganz systematisch antiaufsteigerisch". Das hat den Grund, dass der Tractatus als ultraegalitär angelegt ist, zwar noch in diesem Rahmen stehend findet er jedoch eine Konstruktion, und dazu mehr beim nächsten Mal, die nicht mehr hinein passt in diese Mehrdeutigkeit des Sehens.  
  
Beim Zettelkasten ist es noch vergleichsweise nachvollziehbar. Man kann sich vorstellen, dass das noch immer funktionieren könnte. Man hat  in den Zettelkästen, noch bevor jeder Computer begonnen hat zu laufen, wie man heute sagen würde, ein Datenmodell. Damals hieß Standard für bibliografische Erfassung von Buchdaten. Das gibt es seit hunderten Jahren und es besteht genau darin, was ich ihnen gesagt habe. Man ist zu der Auffassung gekommen, für ein Buch ist dieses und dieses wichtig.
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==[[Vielgestaltig_und_wahr:_Verbindung_zu_Wittgenstein_(BD)#Verschiedenes_sehen.2C_verschieden_sehen.2C_die_Verschiedenheit_sehen|Verschiedenes sehen, verschieden sehen, die Verschiedenheit sehen]]==
Sie wissen, dass sich die Reichhaltigkeit der Buchkultur so ausdifferenziert hat, dass es nicht einfach ist, zu sagen, was eigentlich alles zu einem Buch dazu gehört.
 
Ich beschränke mich wirklich auf das absolut elementarste. Was ein Buch auf jeden Fall haben muss, ist eine AutorIn, einen Verlag und ein Erscheinungsjahr.
 
Wenn es nicht zu einem Zeitpunkt erschienen ist, wenn es nicht von jemand getragen wird, von jemand gedruckt wurde, – in dieser Auflistung steckt eine Ontologie. Damit nämlich ein Buch zu Stande kommt, muss es einen kreativen Einfluss, eine kreative Tätigkeit einer Person geben, es muss jemanden geben der über einen Apparat verfügt, der die Produkte dieser Person auf gedruckte Seiten umsetzt und es muss an einer Stelle, zu einem bestimmten Zeitpunkt der Öffentlichkeit übergeben werden.
 
Reduzieren wir uns einmal darauf.Dann ist es so, (das war jetzt mein vorheriger Punkt) dass sie gar nicht aus können, wenn sie Millionen von Büchern haben, so wie es in großen Bibliotheken der Fall ist, dann brauchen sie diese Art von Typisierung.
 
Sie stehen jetzt nicht vor der Frage „braucht man die überhaupt?“, sondern „wie geht man am besten mit der Typisierung um?“ Vor allem angesichts der Möglichkeiten, eine solche Manipulation von Daten, von Zettelkästen computermäßig umzusetzen. Da ergeben sich einige, ganz elementare Beobachtungen die Sie im Griff haben. Man ist so schnell übergegangen vom Zettelkasten zu OPAC, dass Sie bestimmte wesentliche Schritte, die dabei eine Rolle spielen, gar nicht wirklich merken und nicht reflektiert haben, die aber herauskommen, wenn man über Datenmodellierung redet, die ja dem OPAC zu Grunde liegt.
 
  
Ein schöner Weg, das herauszuarbeiten ist der, darauf hinzuweisen, dass die Zettelkästen eine massive Redundanz erzeugen. Sie haben für jede AutorIn und jede Publikation dieser AutorIn einen eigenen Zettel. Sie müssen an der Stelle – das hat man nicht als Schwierigkeit empfunden, aber es ist einfach ein Faktum – den Namen dieser AutorIn wenn sie 25 Bücher geschrieben hat, 25 Mal auf diese Zettel schreiben, 25 einzelne Zettel.
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Und jetzt mache ich noch einen Sprung, um die genannten Überlegungen mit Wittgenstein in Zusammenhang zu bringen. Es geht jetzt um die diversen Verständnisweisen dessen, wie wir sehen. Um das kurz darzustellen:
Es wird Ihnen schon einmal vorgekommen sein, dass, wenn diese Frau oder dieser Herr einen komplizierten Namen hat, der eine oder andere Buchstabe am einen oder anderen Zettel falsch geschrieben worden ist.
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* Verschiedenes sehen:
Oder aber Sie haben 500 Verlage. Diese müssen auf all den Zetteln draufstehen, die von Büchern handeln, die diese Verlage herausgegeben haben. Verlage können unterschiedliche Bezeichnungen tragen, oder aber sie vertippen sich beim Eintragen von Verlagen.  
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Ich schau hierher, ich dreh mich um, ich seh was anderes. in meiner Sinnlichkeit wechseln sich die sinnlichen Environments ab und geben Verschiedenheiten.
Das sind Dinge, die Sie, wenn Sie mit dem Zettelkasten operieren, leicht tolerieren, weil eine höhere Ordnung, auch wenn ein Name vertippt ist, es an der richten Stelle eingeordnet hat.
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* verschieden sehen:
In der Regel wird das ausgebügelt.
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Hier ist diese Abwechslung einmal gestoppt. Es geht darum, ein und dieselbe Situation im Blick zu halten, und diese Situation hat einerseits den sinnlichen Gehalt - das ist das sinnliche Sehen. Und dann gibt es ein anderes Sehen, auf die Unterschiede hinein, das diese Unterschiede einschließt. Ich sehe beispielsweise die Hand als Ganzes und ich sehe die Hand als fünf Finger. Wenn ich sie als fünf Finger sehe, habe ich eine andere Art des Sehens.
Das ist aber mehr Arbeit, Fehleranfälligkeit, Redundanz die in dem normalen Zettelkastensystem drinnen steckt, und das ist der Punkt, an dem man jetzt beginnen kann zu diskutieren, wie man sich das, was ein Buch darstellt günstiger zu zurechtlegt, als dass mann 100 Zettel in den Zettelkasten steckt, um nur ein paar von den Schwierigkeiten zu nennen, die sich im alten System leicht ergeben haben, die aber trotzdem nicht ganz in Ordnung sind und gewissen Komplikationen bringen können.  Wenn z.B. eine Autorin ihren Namen ändert weil sie heiratet oder sich scheiden lässt, dann sind plötzlich zwei Namen drinnen und diese beziehen sich auf die selbe Person. Wie wissen sie, ob die zweite Person die selbe Person ist, wie sollen sie damit umgehen? Wollen sie das überall ändern? Wenn sie den neuen Namen überall ändern, sind sie sicher, dass sie keinen übersehen haben? Dann geht es nicht nur darum, dass der Name an den Stellen zu ändern ist, wo sie ein Buch geschrieben hat, sondern auch wo sie einen Beitrag zu einem Buch geschrieben hat.
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* die Verschiedenheit sehen:
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Wir sehen, dass das verschieden ist. Wie kann man daran herankommen? Nach allem, was ich bisher gesagt habe, ist natürlich an der Stelle Vorsicht angezeigt, weil man Verschiedenheit nicht so sehen kann, wie verschiedene Umstände. Aber ich möchte Ihnen jetzt ein Beispiel bringen, das sich nahelegt, wenn man ein Beispiel für das Sehen der Verschiedenheit sucht. Warum ich das so expliziere hat den Grund, dass sich, glaube ich, zeigen lässt, dass Wittgensteins Tractatus, anschließend an die genannten Problemstellungen, genau auch auf einer bestimmten Deutung und Konstruktion dieses "die Verschieden sehen" aufgebaut ist.
  
Die Antwort auf diesen Typus von Fragen in einer relationalen Datenbanktheorie besteht darin, dass man sagt, wenn das hier ein Buch ist, soll der Eintrag im Zettelkasten nicht so ausschauen. Insofern ist es in einer Datenbank nichts anderes als der Eintrag in einem Zettelkasten, aber wir sind gerade dabei, die Art und Weise, wie Zettelkästen analysiert werden, umzustellen.  
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[[Vielgestaltig_und_wahr:_Verbindung_zu_Wittgenstein_(BD)#Verschiedenes_sehen.2C_verschieden_sehen.2C_die_Verschiedenheit_sehen|Hier die Beispiele]], es geht um eine sinnliche Gestalt, hier das [http://de.wikipedia.org/wiki/Malteserkreuz Malteserkreuz]. Wenn Sie ein wenig [http://images.google.com/images?hl=en&q=malteserkreuz&btnG=Search+Images&gbv=2&aq=f&oq= herumsurfen], werden Sie viele verschiedene Implementierungen des Malteserkreuzes sehen, etwa hier bei einem Rückspiegel [[Bild:mk1.jpg|20px]], in der Röhre [[Bild:mk2.jpg|20px]], in einer Reling [[Bild:mk3.jpg|20px]]. Es gibt hier viele Gelegenheiten, Verschiedenes zu sehen. Da ist die Birne, dort ist die Bremse, hier sehen Sie Stützen - niemand zwingt Sie dazu an der Stelle etwas herauszuholen, zu identifizieren. Sie müssen schon so ein kleines Rätselspiel machen, wie bei einem Intelligenztest. "Was ist an diesen drei Bildern ähnlich?" Ab einem gewissen Alter sollten Sie in der Lage sein, diese Frage zu beantworten. Selbst wenn Sie noch nicht den Begriff "Malteserkreuz" haben, haben Sie eine gewisse Mustererkennung, und können hier Ähnlichkeiten identifizieren - und damit sind Sie schon vom "Verschiedenes sehen" zum "verschieden sehen" herrüber gegangen. Unter dem Aspekt "Sagen Sie mir doch bitte, was ist an diesen drei Bildern gleich?" antworten Sie, nach einiger Suche, "Ja, dieses kreuzförmige Gebilde da" - damit haben Sie auf diese sinnlichen Inputs auf eine Art und Weise geschaut, die schon geleitet ist von Identifikations- und Begriffsunternehmungen.
Sie haben hier eine eindeutige Identitiy des Buches, einen Titel, einen Verleger, einen Erscheinungsort, die Seitenzahl, und  einen Autor. Das sind die Dinge, die sie als Muster, als Maske auf einen Zettel schreiben können.
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Und hier das Stück [[Bild:mk5.jpg|20px]], dass den Übergang zu Wittgenstein gibt. Ein Viereck, in dem sich eine Gestalt findet, die, einfach beschreibend, wahrnehmungspsychologisch, eine Besonderheit hat: Wenn Sie das ansehen, ist Ihnen nicht von vornherein klar, ob das jetzt ein Malteserkreuz ist, oder gerade kein Malteserkreuz. Also: ist es eine Aussparung, durch die Sie hindurchschauen, oder aber eine Materialität ist, die vor Ihnen liegt, und die Sie greifen können. Greifbar, oder ungreifbar, das eine oder das andere. Vergessen Sie einmal für den Moment die natürlich legitime Redensweise, zu sagen, dass es, selbst wenn es eine Aussparung ist, gute Gründe gäbe dennoch zu behaupten, es handle sich um ein Malteserkreuz. Dass es kein materielles Malteserkreuz, sondern ein Loch in der Form eines Malteserkreuzes ist.  
Aufgrund der, von mir angesprochenen Komplikationen geht man jetzt standardmäßig zu folgendem über.
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Die wichtige Sache an der Stelle ist: selbst wenn man letzteres sagt, bezieht man sich auf eine Form, eine Malteserkreuzform, die in diesem Bild dadurch konstruiert ist, dass sie bestehen oder nicht bestehen kann, materiell ist, oder gerade eben nicht materiell ist. Das ist ein entscheidender Unterschied, dass Sie in Ihrer Umgebung verschiedene Malteserkreuze sehen, die Sie greifen können. Sie können an dieser Stelle Abstraktionsleistungen ansetzen lassen, wie in dem obrigen Beispiel. Das hier ist durch ein besonderes Feature gekennzeichnet, dass Sie nämlich an dieser Stelle eine Kompetenz des Umgangs mit "Malteserkreuz" bekommen können und kriegen, die darin liegt, dass Sie sagen, dass Sie verstanden haben, was ein Malteserkreuz ist, wenn Sie wissen, dass das entweder ein materielles Malteserkreuz, oder aber eine Aussparung, die die Form eines Malteserkreuzes hat. Wenn Sie das wissen, wissen Sie was ein Malteserkreuz ist, unabhängig davon, ob das in diesem speziellen Fall eines ist, oder zum Durchschauen.
Sowohl den Verlag als auch den Autor muss man herausnehmen. Es ist sinnlos, sie auf dieselbe Seite in eine Tabelle – Sie erinnern sich an diese Tabellen, die ich Ihnen schon gezeigt habe – zu schreiben, aus Gründen, die ich schon angeführt habe.  
 
Wir lagern die AutorInnen und VerlegerInnen aus in einzelne Tabellen.  
 
Wir legen für diese Angaben eine zusätzliche Tabelle an, in der wir die Verleger identifizieren, benennen, lokalisieren, und wir definieren zwischen diesen Tabellen geeignete Beziehungen, sodass z.B. zwischen der Tabelle „Buch“, die den Titel des Buches und das Erscheinungsjahr enthält und den hier zu Verfügung stehenden AutorInnen die Beziehung „hat geschrieben“. „VerfasserIn“ ist eine Beziehung zwischen den Tabellen, die so aussieht, dass es jeweils einen Eintrag für eine Person in dieser AutorInnentabelle gibt und diese Beziehung „eins : vielfach“ ist, weil eine Person mehrere Bücher schreiben kann.
 
  
Das ist ein besonderer Charakter. Der Beziehungscharakter zwischen AutorIn und Buch ist ähnlich dem Verlag, denn ein Verlag kann viele Bücher herausgeben. Das ist ein Extra- Charakteristikum von der Beziehung, die Verlage zu Büchern haben können.
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==Hinter Platon und Wittgenstein ist die selbe Idee==
Ich will Ihnen das einmal kurz vorführen, wie das in SQL aussieht. Als ich das erste Mal von Datenbanken gesprochen habe, habe ich Ihnen nur die Tabellen in einer schönen Webdarstellung vorgestellt. Jetzt will ich Ihnen  die Logik dahinter zeigen, die Logik der Umsetzung dessen was ich gerade gesagt habe. Die Überlegung ist also die: wir wollen einen Tabelle produzieren. Darin soll es Attribute (das sind die Überschriften der einzelnen Kolumnen) für eine ID geben.
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Warum ich Ihnen das so plastisch vorstelle, ist weil das nach meiner Interpretation die Grundeinsicht für Wittgenstein im Zusammenhang mit den Elementarsätzen ist. Elementarsätze haben genau diese Funktion, einen inhaltlichen Aufbau, eine interne Struktur, und zusätzlich ein Ja/Nein-, ein ON/OFF-Moment, Wittgenstein spricht von Richtungssinn. Er stellt das im Tractatus so vor, dass es einen Satz gibt, der Satz hat eine interne, relationale Struktur, und zwei Pole - sozusagen die ON und OFF Pole, was er damit meinen kann, lässt sich an der Stelle schön sagen: Das ist ein Malteserkreuz, oder es ist gerade ''kein'' Malteserkreuz, sondern eine Höhle, eine Aussparung. Wittgenstein weist darauf hin, dass diese beiden Sätze einerseits kontradiktorisch gegeneinander stehen, andererseits aber auf eine systematische Art präzise aufeinander bezogen sind. Der eine Sachverhalt ist wahr, genau dann, wenn der andere falsch ist, und umgekehrt.
Wir können hier sehen, das ist ein Befehl, der an eine Datenbank abgesetzt wird: „create – table – book“ und dieser „table“ soll der Name der Tabelle sein: „Book-Tabelle“.
 
Diese Tabelle soll die folgenden Kolumnentitel haben: Book-ID, Titel, Publisher-ID, Erscheinungsjahr-ID, Pages-ID.
 
Diese Kolumnen sollen erzeugt werden und hier gibt es noch zusätzliche Angaben, nämlich welche Bedingungen diese erzeugten Kolumnen haben sollen, z.B. hat die Buch-ID oder das Datum oder die Seitenanzahl zu Simplizitätszwecken den Datentypus „integer“, zum Unterschied vom Titel, der den Datentypus „variable character“ hat (Er kann bis zu 150 Charakter groß sein).
 
So einen Tabelle wird durch diesen Befehl erzeugt. Sie haben hier eine ähnliche Struktur für die Tabelle „Autor“ eine Autoren-ID: Nachname, Vorname, Key, nach dem man sortieren kann,
 
Publisher ebenso.
 
Das habe ich auch aus dem Buch genommen zum visualisieren der Zusammenhänge die den Zettelkasten ersetzen.
 
Was ich Ihnen jetzt demonstriert habe, ist die Konzeption dessen, wie soetwas heutzutage ausschaut, dass bibliografische Angaben über Tabellen verteilt erfasst werden, in der nötigen Abhängigkeit voneinander: Entity-Relationship-Diagramme
 
Entities sind in der SQL Sprache diese einzelnen, durch Publisher, Book, Author, Name, gekennzeichneten Kristallisationspunkte des Datenmodells, als das, worauf die Träger des Datenmodells, die definiert werden, als Basics und für die Relationships definiert werden.
 
Diese Relationships, zusammen mit den Entities charakterisieren das was man hier modellieren will.
 
Sie haben hier das Buch mit einem Titel, einem Erscheinungsjahr und einem Publisher, wobei der Publisher  – es gibt hier eine Relation, in dem Fall ist es eine Relation des „publiziert habens“ – ist nicht eingetragen in dieser Tabelle, sondern er ist mit einem „Foreign Key“ in dieser vertreten. Der  Key verweist auf diese Entity „Publisher“, die eine Auflistung der verschieden Verlage enthält, von denen man sprechen möchte.
 
Ein ähnliches Verhältnis „hat geschrieben“ zwischen Autoren zum Buchverhältnis, was hier unten ist, ist zusätzliche Komplexität, die sie sich leicht ausrechen können, auf die ich hier jetzt nicht eingehe.
 
Ich möchte Ihnen aber noch in der Tabelle zeigen, was erzeugt wurde:
 
Book-ID, Titel, Publisher,  Date und Pages.
 
Wenn sie jetzt in diese Tabelle Daten eingeben (das ist vergleichbar damit, dass sie einen Zettel ausfüllen und das schaut dann so aus:  das sind die Daten, die sie als Liste in die Tabelle „Bücher“ importieren können. Die einzelnen Kolumnen sind durch Trennstriche charakterisiert, so auch bei den Autoren. Das ganze läuft auf eine Demonstration in einer Weboberfläche hinaus. Hier habe ich eine Datenbank „Books“ angelegt, die noch leer ist. Um ihnen die Nähe der gedanklichen Konstruktionen mit der Umsetzung zu zeigen, mache ich nichts anderes als das Script das Herr Quine zur Verfügung gestellt hat. In diesem Script werden die einzelnen Tabellen, die wir hier angesprochen haben, erzeugt und die Beispieldaten die in die in Extrafiles von Quine zur Verfügung gestellt werden, werden in diese Tabelle eingefügt.
 
Wir kopieren dieses Script und geben es als SQL Befehl ein.
 
Die erste Zeile habe ich weggelassen, weil hier steht „create database book“. Wenn ich das versuche, wird eine Datenbank „Buch“ erzeugt, die ich schon habe, bzw, wird nichts erzeugt, weil es die Datenbank schon gibt.
 
  
Ich habe hier die entsprechenden Tabellen erzeugt.
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Um das in Verbindung zu bringen mit dem, was ich bisher über Platon mit dem Stichwort [[Platon_für_Aufsteiger_(BD)#eins.2C_zwei.2C_viele|"Eins, zwei, viele"]] gesagt habe, nun unter dem Strich meine These, die ich Ihnen vorlegen möchte: Hinter dieser Konstruktion von Platon, Sinnlichkeit und Gestalt der Sinnlichkeit, zu verbinden mit der Dualität des Wahren und des Falschen, des identifizieren- und nichtidentifizieren-Könnens, steht von der gedanklichen Konstruktion her in beiden Philosophiekontexten (die natürlich meilenweit auseinander sind) die selbe Idee. Und diese Idee, frei von Wittgenstein und Platon formuliert, ist die: Diese Konstruktionen kommen daher, dass wir philosophische Deutungen dafür haben wollen, dass Menschen in der Welt wahrnehmen und sich aus der Wahrnehmung auch teilweise rausabstrahieren, mit Hilfe von Urteilsmechanismen. Dass wir Strukturgestalten (=Wahrnehmung) und Polaritäten(=Urteilsmechanismen) haben, ist in diesen besonderen Konstruktionen abgebildet. Das Malteserkreuz ist hiervon nur eine kleine Illustration.
Das ist die Struktur des Buches (analog zur Personaldatenbank am Institut für Philosophie)
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Hier haben Sie die allgemeine Struktur und ich habe auch schon einen entsprechenden Datensatz hineinkopiert: den Titel und die Buch-ID im Prinzip noch ohne diese Daten,
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==Notwendige Reduktion==
Wenn Sie sich den Befehl zur Definition einer Tabelle anschauen, werden Sie eine Vorkehrung finden, die „not null“ heißt (Nicht Null = da darf per Definition der Erzeugung der Tabelle an dieser Stelle kein Leerwert stehen) Es darf kein Buch geben, das keinen Titel hat, oder es muss  „Ohne Titel“ heißen. Das ist deswegen eine interessante Nebenbemerkung, weil daraus auch hervorgeht, dass mit der Modellierungstätigkeit, womit wir uns hier beschäftigen bestimmte Sinnvoraussetzungen eingebaut werden in unsere Modellwelt. Diese Modellwelt die ich ihnen hier dargestellt habe, (das ist der wittgensteinianischen Punkt) ist als Modellbuchwelt für uns durchsichtig.
+
 
Die Bedingungen dessen was wir an der Stelle mit einem solchen Datenmodell wie wir es hier
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Ich gebe Ihnen noch ein Beispiel aus dem nächsten [[Wittgensteins_"Tractatus":_Platon_ein_für_allemal_(BD)|Punkt]] und zeige Ihnen ein Bildbeispiel, dass nach dem selben Muster gestrickt ist, wie das Malteserkreuz, doch etwas zeitgenössischer.
herschreiben, modellieren können, haben wir unter Kontrolle.
+
<div align="center">
Das ist tatsächlich in einem Sinn berechenbar.
+
[[Bild:Wtc_before.JPG]]
Hier ist ein Abschluss
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Die Erzeugung – das Book-create-Script, das ich Ihnen hier gezeigt habe, ist in einer gewissen Weise die Umsetzung der allgemeinen Weltformel vom Tractatus mit der ich heute begonnen habe, auf die kleine, extra zurecht geschnittene Welt von Büchern die wir hier besprochen haben und damit ist es Ende, was an der Stelle wichtig ist zu sagen. Wenn ich nur eine Chance habe
+
[[Bild:Nyc_post_wtc.JPG]]</div>
wie z.b einen Wunsch, dann muss man diesen eine Wunsch so treffen, dass damit schon alles erfasst ist und der tragisch-heroisch-komische Ansatz vom Traktat besteht darin, dass er sagt, ich habe eine Chance. Mit der einen Chance muss ich die Sprache so erfassen, dass sie alles das enthalten kann, was die ganze Welt sein kann.
+
 
Heruntertransformiert in den Bereich von Datenbanken und den Umgang mit Modellwelten ist es so, dass ich sagen kann, hier habe ich einen Entwurf. Wenn ich einen Entwurf habe, ist tatsächlich durch dieses Script die Welt festgelegt, so wie ich es hier erzeugt habe.
+
Das ist die Skyline von New York. Stellen Sie sich vor, Sie waren gerade dort, Sie haben das in Erinnerung, Sie haben dieses Foto gesehen. Ein Jahr darauf kommen Sie wieder nach New York und Sie haben eine kognitive Dissonanz. Da [http://maps.google.at/maps?f=q&source=s_q&hl=de&geocode=&view=map&q=&ie=UTF8&ll=40.711158,-74.012672&spn=0.006457,0.006255&t=k&z=17&lci=org.wikipedia.de fehlt] ''etwas'', nicht irgendetwas. In dem Moment, in dem Ihnen das auffällt, im Vergleich, ist das nicht so etwas einfaches wie "Meine Uhr liegt nicht mehr da, die muss irgendwo anders liegen" oder so. Das müsste in diesem, unserem Kontext zugespitzt werden, um möglich, machbar zu sein. Die Zuspitzung besteht für jemand, der weiß wohin ich steuere in all der sinnlichen Vielfalt, darin, dass ziemlich intuitiv von vornherein klar ist, dass ich genau etwas, genau den einen Unterschied, der diese beiden Bilder voneinander trennt, das eine, das nur in diesen zwei Varianten "anwesend" und "abwesend" kommt, das World Trade Center. Abgesehen von all den vielen Hochhäusern, das ist der eine Unterschied, der das an dieser Stelle ausmacht. An diesem Unterschied, und das ist gemeinsam bei Platon und Wittgenstein, der Kompetenz, Sinnlichkeit durchzuschneiden, lässt sich logische, dialektische Kompetenz des Menschen anknüpfen und diskutieren.
Darüber muss man nicht weiter reden. Dass muss man nur im Nachhinein untersuchen – was habe ich hineingeschrieben – dann muss ich mich nicht wundern, warum es so ist – was allerdings nicht heißt, (das ist die Schlussfolgerung daraus) dass man es nicht ändern oder umschreiben oder der Frage unterziehen kann, ob es etwas anderes gibt, was ich modellieren will, will oder muss ich es anders modellieren, kann ich es überhaupt modellieren?
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Diese Fragen gehen über die Festlegung hinaus, die eine solche Datenbank jeweils machen kann, sind aber sinnvoller Weise zurückzuführen auf die Fähigkeit, solche Modellierungen zu machen.  
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Die Landschaft alleine ist nicht signifikant genug, dass man den Unterschied an der Stelle sehen würde, das ist natürlich eine berechtigte Bemerkung, die gut zusammenpasst mit dem, was ich sagen möchte. Es ist ein schönes Beispiel dafür, dass man mit sehr unterschiedlichen Voreinstellungen und Interessen an eine solche Sache herankommt. Wenn ich in der Nähe wohne und möchte schauen, ob mein Haus noch steht, dann ist der Vergleich an der Stelle durchaus sicher, und der Rest interessiert mich jetzt nicht. Es gibt einen genau anzugebenden Grund warum ich auf mehr gespielt habe, als auf solche Vielfältigkeit. Wenn wir diese beiden Bilder haben, dann könnten wir uns eine große Gruppe von Leuten vorstellen, die mit diesen Bildern konfrontiert wird und jeden interessiert etwas anderes daran. Manche finden nur Gemeinsamkeiten, manche keine: das geht in die Richtung, verschiedenes zu sehen. Damit soetwas wie Vernunft aufgebaut wird, eine Vernunft die auf einen sicheren, verlässlichen Grundlage steht, die eine Rationalität begründet, muss man die vielen hunderttausenden unterschiedlichen Praktiken, die mit diesen Bildern möglich sind, reduzieren und abstrahieren und zusammenschneiden, auf einen bestimmten gemeinsamen meeting point. Und im Zusammenhang mit diesen beiden Bildern ist dieser meeting point: "Siehst Du auch, was ich sehe? Siehst Du, worum es da geht? Dass auf dem einen Bild die Twin Towers drauf sind und auf dem anderen nicht?" Das ist die Pointe dieses Bildes. zu bemerken, dass das in diesem Bild nicht so klar ist, ist richtig und wichtig, weil es um sehr vieles gehen kann. Die "Versuchssituation" mit dem Malteserkreuz hingegen ist gezielt reduziert, um leichter verständlich zu machen, was die Pointe ist. Und das ist wichtig, weil wir an diesen Szenarios ein entscheidendes Moment der Philosophie im Vergleich zugängig haben, nämlich vom Selben zu reden. Personen, die mit Sätzen, mit Bildern umgehen, ''reden vom Selben''. Es geht darum, die Verschiedenheit zu sehen. Um meine rational-philosophische Rekonstruktion durchzuführen muss ich darauf bestehen, dass man mir nicht erzählt, dass die Textur nett sei, oder die Helligkeit nicht stimmt, oder warum es nicht rund wäre, sondern, und das ist in der Konstruktion notwendig, die Person darauf aufmerksam zu machen, dass es darum geht, ob es nun ein materielles oder nicht materielles Malteserkreuz ist, das eine, oder das andere. Das ist eine künstliche Reduktion, die aber mit der wahr/falsch-Reduktion zusammenhängt.
Mein Anliegen in dieser Vorlesung allgemein, wie sie jetzt vermutlich schon klar sehen, ist es, darauf hinzuweisen, dass es nicht ausreicht, auf der einen Seite Leute zu haben, die solche Scripts schreiben und auf der anderen Seite Leute, die philosophische Reflexionen anstellen und sagen, es ist mir viel zu rigide.
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Ich will Phantasie spielen lassen. Die Phantasie, die mich interessiert ist die, die diese beiden Sprachtätigkeiten miteinander verbindet.
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==Wohin uns das führt==
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Worauf ich hinaus will, und das geht auch schon in Richtung Datenbanken, aber auch Kritik an dieser ganzen Weise des Denkens: Um nachvollziehbare Satzzusammenhänge und Argumentationen zu konstruieren, brauchen wir diese Art von Umgang mit Sätzen. Dieser Umgang ist jedoch eine eigens sehr zugeschnittene Praxis, was sich an den Bildern schön zeigt. Informationen in Datenbanken werden im Prinzip auf die selbe Art und Weise angelegt und gehandhabt. Die Kritik der Datenbanken setzt da natürlich an. Diese Art von "Ja/Nein, ON/OFF, stimmt oder stimmt nicht"-Attitüde, die man bei Datenbanken kritisiert - und das ist, worauf ich Sie vorbereiten möchte - ist etwas, das seit Platon angelegt ist, und über Wittgenstein in eine gegenwärtige Diskussion hereinkommt.

Aktuelle Version vom 30. Juni 2009, 00:05 Uhr

fecit Fabbaz 17:21, 27. Apr. 2009 (UTC)

"Schön" ist nicht schön.

Das letzte Mal hat es im Anschluss an meine Vorlesung eine kurze, aber dafür auch engagierte und ein bisschen polemisch gedrehte Diskussion gegeben, wegen einer Bemerkung, die ich gemacht habe. Dank der technischen Möglichkeiten, derer wir uns hier bedienen, kann man ganz genau nachschauen, was ich da wirklich gesagt habe. Es gibt schon das Transkript der 3. Vorlesung von einem Kommilitonen der "Bananenfisch" heißt. Stein des Anstoßes war meine Darstellung, wenn es in der platonischen Gedankenführung darum geht, die Erkenntnis als etwas zu beschreiben, was bei den Praktiken von schaulustigen Menschen beginnt, die ganz einfach neugierig und unkontrolliert in einer Weise in der Welt herumschauen. Wenn es dann darum geht, dem eine Richtung zu geben, auf Wahrheit, auf begriffliche Definition, dass dann eine ganz besondere platonische Strategie greift, nämlich dass er sagt "Wir sind auf dem Weg der Erkenntnis dazu, das Schöne, das Wahre, das Gute ins Auge zu fassen" - das habe ich ein bisschen genauer ausgeführt, und inwiefern das problematisch erscheint. Die platonische Strategie, die hier zu nennen ist, ist die, dass Platon nicht nur einfach sagt, erstens: "Es gibt schöne Dinge, die man sehen kann", Dinge die man als schön qualifizieren kann. Zweitens kann man "als schön" qualifizieren. Man hat eine gewisse Kompetenz, um zu sagen "gefällt mir, gefällt mir nicht, ist schön, ist nicht schön". Das dritte aber, und das ist der Punkt, wo es kritisch wird, ist wo ich fragen kann "Welche Kenntnis habe ich, wie komme ich dazu etwas als schön zu qualifizieren, eine Kompetenz zu haben im Umgang mit dem Begriff 'schön'?" In unserem Verständnis ist der Begriff "schön" nicht das, was ein schönes Ding darstellt, sondern etwas, was man verwendet um zu qualifizieren wenn Dinge schön sind. Also "Begriff" steckt hinter diesem "ist schön". Es ist schön, als Prädikat, als Aussage, muss irgendwo gesteuert, gehalten werden von einem Verständnis des Umgangs mit diesem Sprachausdruck - das Naheliegendste ist, das als Begriffsverständnis zu bezeichnen. Man versteht, was es ist, was es heißt, schön zu sein. Und da nun ist die besondere platonische Vorkehrung, dass er, an mehreren Stellen, sagt, "Naja, das 'Schöne' ist diejenige Konstruktion, diejenige Entität, die selbst am allerschönsten ist. Das Schönste vom Schönen ist das Schöne. Der Begriff des Schönen hat eine Eigenschaft, die ihn dazu qualifiziert, alles andere Schöne zu bestimmen, und diese Eigenschaft ist, dass er der Inbegriff des Schönen ist. "Inbegriff des Schönen" ist noch eine neutrale Formulierung, was, sprachanalytisch betrachtet, dahinter steht, ist, dass man das Prädikat "ist schön", das man normal mit Hilfe eines Verständnisses des Wortes "schön" legitimiert, auf das, was hinter dem Prädikat steht, nämlich die Kompetenz zum Begriffsgebrauch, dass man den Begriff schön selber noch einmal anwenden kann. Dass man also sagt, das "Schöne" ist selbst schon das Schönste.

Sie können sich jetzt an den Zusammenhang erinnern, an dieser Stelle habe ich gesagt - zugegebenermaßen mit einem gewissen emotionalen Point - dass das aus der Sicht des Sprachanalytikers lächerlich ist und darauf hingewiesen, dass wir, wenn ich das ganze noch einmal durchführen würde mit der Praxis des Wortes "ist braun", Sie vermutlich übereinstimmen würden, das der Begriff braun, wenn ich diese Abkürzung verwenden darf, nicht selber braun ist, sondern das ist irgendetwas anderes, das uns in die Lage versetzt, zu sagen wenn etwas braun ist. Da geht etwas sehr Sonderbares vor, und nicht nur das, ich stehe zu der kleinen emotionalen Spitze, die in dem "lächerlich" drinnen steht. Ein Kollege oder eine Kollegin haben das zum Anlass genommen, in der Diskussion, die durchaus einschlägige und wichtige Frage zu stellen, was es denn mit dieser Platoninterpretation auf sich hat. Es ist tatsächlich, wenn ich das so sage, und es war auch so gemeint, ein Affront gegen Platon, gegen ein nichtdenkendes Nachsprechen dieser platonischen Formeln, nur weil Platon es gesagt hat, müssen wir es noch nicht glauben. Ich hab mich mit diesen Einwänden ein bisschen genauer auseinandergesetzt, in Zusammenhang mit dem Begriff "ist schön" und möchte ein, zwei Hinweise geben dafür, Sie können es ja selber dann auch noch genauer nachlesen und vielleicht auch kommentieren. Das Ding ist deswegen Anlass für einen, mir scheint berechtigten, emotionalen Druck, weil es mit einer Sache zu tun hat, die ganz genau in das Thema unserer Vorlesung passt und daher von mir auch so platziert worden ist, und das würde ich so beschreiben: Wenn man schwarzweiß malt (was ja nicht problemlos ist) und davon ausgeht, dass es eine Trennung des Menschengeschlechtes gibt, zwischen den Schaulustigen, die in der Welt der Dinge verhaftet sind und den anderen, Philosophie studierenden, die höhere Ansprüche haben, die Suche nach Wahrheit im Blick haben, dann hat man eine argumentative Schwierigkeit vor sich, das ist klar, nämlich: wie verhält sich das beides zueinander? Wie, wenn ich das Schöne, das Wahre, das Gute als Zielbestimmung für die Erkenntnissuche in der Philosophie definiere, wie verhält sich das, was die Philosophinnen gerne wissen wollen zu dem, wenn der Rest der Welt sagt "gefällt mir, gefällt mir nicht"? Das ist, auch das habe ich schon gesagt, das Problem der Teilhabe, der μέθεξις, wie kommt es von diesen hochgestellten Positionen auf den Rest der Welt? Und die Pointe dieser sogenannten Selbstaussage (engl. selfpredication): Die Selbstaussage des Prädikats schön, auf sich selbst angewendet, der Begriff "schön" ist schön, was ist damit gemeint, welches Signal wird damit gegeben? Damit ist eine sprachliche Klammer formuliert, die zwischen denen, die eine Kenntnis des Schönen haben, und denen, die "nur" wissen, was schöne Dinge sind, eine praktische Verbindung herstellt, nämlich sind sie beide Gebrauchspersonen, beide brauchen das selbe Wort, beide haben eine Kompetenz im Umgang mit Schönem, nur dass die einen das besonders Schöne wissen. Die Kompetenz des Schönen, das die Philosophinnen ansprechen, ist die Kompetenz des Schönsten, vorbildlichen Schönen - die anderen haben eine etwas geringere Kompetenz des Schönen, sofern es auf die schönen Dinge angewendet wird. Die Zusammenstellung von dieser Idee mit dem Thema der Vorlesung ist jetzt die, dass wir, menschenfreundlich wie wir sind, vor Augen haben, dass der Weg von den schönen Dingen zu DEM Schönen nicht nur für eine erlesene Minderheit, sondern für alle Leute offensteht, und wenn das der Fall ist, ist das genau die Definition des Bildungsprozesses. Das ist genau die παιδεία, in die Lage versetzt zu werden das Schöne zu erkennen, in einem Sinn, der noch immer nicht ganz klar ist, im Gegensatz zu schönen Dingen. Und wenn man damit Schwierigkeiten hat, mit dem was ich gerade wiedergegeben habe, dann ist eine Möglichkeit in diese Schwierigkeit einzusteigen, darauf hinzuweisen, dass das sprachlich nicht ganz unproblematisch ist, wie ich anfangs versuchte deutlich auseinanderzunehmen, dass man die Kompetenz, die bestimmte Personen haben, bestimmte Begriffe zu verwenden, und zu qualifizieren, in die selbe Betrachtungsweise mit hineinnimmt wie die Resultate dieses Kompetenzgebrauchs.


von E-Mails, Schafen und dem Urmeter

Als kleinen Hinweis auf eine fachinterne Debatte des wissenschaftlichen Platonismusdiskurs: diese von mir dargestellte Sonderbarkeit ist natürlich reichhaltig diskutiert worden, sowohl im angloamerikanischen als auch im deutschen Sprachbereich, man hat sich gefragt wie jemand dazu kommt, eine solche Konstruktion zu machen. Ich will dazu zwei Punkte sagen. Erstens, dass es tatsächlich Umstände gibt, unter denen die genannte Sprachstrategie vollkommen selbstverständlich ist. Zwei schöne Beispiele: Stellen Sie sich E-Mails vor, Sie haben eine, zwei, drei E-Mails, die sind unterschieden, unterschiedliche E-Mailsendungen. Dann ist es aber so, dass Sie durch mehrfache Weiterleitungen und Antworten ein Gebilde zusammenklicken, dass man eigentlich nur so beschreiben kann, dass es mehrere E-Mails sind - die, die sie bekommen haben, und die letzte davor, und die letzte vor dieser. Diese mehreren E-Mails schicken Sie ihrerseits weg - simpel und klar: nicht nur eine E-Mail, sondern auch mehrere E-Mails können eine E-Mail sein.

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Das zweite Beispiel: Sie gehen am Land spazieren, und sehen mehrere kleine Herden von, sagen wir, Schafen, und Sie treiben diese mehreren kleinen Herden von Schafen zusammen, und dann haben Sie selbst eine Herde. Das heißt, Sie können die Mengen, von denen Sie hier ausgehen, und Sie erhalten eine Menge, die selbst und zu recht das Prädikat der Mengen hat, von der Sie ausgegangen sind.

In anderen Fällen funktioniert das nicht, wenn Sie beispielsweise mehrere Häuser haben, und Sie stellen, oder rücken, diese Häuser zusammen, dann haben Sie die Summe der mehreren Häuser, und die ist nicht selbst ein Haus. Hier ist also im ganz normalen Zusammenhang schon ein Hinweis darauf, dass das auch anders funktionieren kann. Eine Möglichkeit, die man bei Platon ansetzen kann und wie das auch erklärt wird, damit ich die "Lächerlichkeit" ein bisschen zurücknehme: es ist doch nicht ganz so lächerlich, denn was ist da passiert? Platon hat diese Gebräuchlichkeit von - E-Mails hat er noch nicht gehabt, aber die Möglichkeit, dass man einer solchen Konglomeration, Agglomeration: alle schönen Dinge zusammen sind selbst wie zu beschreiben? Na, beschreiben wir sie als, noch einmal, schön. Und weil es alles zusammen ist, dann nicht einfach nochmal schön, sondern, wie gesagt, den Inbegriff des Schönen.

"Internationaler Meterprototyp, Standardbarren aus Platin-Iridium. Dies waren die Längennormale bis 1960", weiß die deutsche Wikipedia

Der zweite Hinweis, der auch aus der Fachdiskussion kommt, und auch auf das hinweist, was uns in weiterer Folge noch deutlich interessieren wird: Bei Platon liegt eine gewisse Verwechslung vor, die man, das habe ich in meiner Diskussionsbemerkung angedeutet, am besten mit einem berühmten Beispiel aus den philosophischen Untersuchungen von Ludwig Wittgenstein illustrieren kann, nämlich die Diskussion des Urmeters in Paris. Mittlerweile wird nicht mehr mit kleinen Stäben, sondern technisch vieles raffinierter gehandhabt, aber nehmen wir einmal an, wir sind noch hundert Jahre früher, in Paris, in einem klimasicheren Raum ist ein bestimmter Stock zu finden, das Urmeter. Das hat diejenige Länge, die für sämtliche Metermessungen vorbildlich ist. Wenn man nun überlegt - und das ist Wittgensteins Pointe - ergibt sich eine sehr interessante Perspektive, wenn man sich überlegt ob das Urmeter ein Meter lang ist. Wie lang ist das Urmeter - ein Meter, oder nicht? Damit zeigt sich, das intellektuelle Potential und die ganz große, philosophische Pointe, in der wir da sind. Es gibt nämlich zwei Antworten darauf.

Einerseits kann man das rein faktisch ansehen, so wie wir es sehen, wenn wir Leute beobachten, die eine Praxis mit dem Urmeter haben - man muss dann sagen, dieser Stock ist ein physischer Stock, dieser hat eine bestimmte Ausdehnung, diese hat einen bestimmten Zahlenwert, und jetzt vergleiche ich das mit der physischen Ausdehnung von vielen anderen Stöcken, stelle fest, sie ist die selbe, dann benennen wir es eben, "ein Meter", dann ist die Antwort klar, der Urmeter in Paris hat die Länge von all den anderen Stöcken, und diese Länge nenne ich "Stöcke, die einen Meter lang sind".

Andererseits ist man geneigt zu bemerken, dass das Wichtigste übersehen wurde, nämlich dass in dieser fiktiven Konstruktion jemand kommt, und anhand dieses Stocks einen anderen vergleicht, und daraus die Folge zieht, dass der Stock untauglich ist und geändert, gestutzt, verlängert werden muss. Das ist der Moment der Vorschrift. Denn der Stock in Paris funktioniert nicht nur so, dass er eine Länge hat, sondern dass diese spezielle Länge des Stockes auch verwendet wird als eine Vorgabe dafür, wie man definiert, sozusagen einzuklagen, zu mahnen, was die Länge von anderen Stöcken ist. Das ist nicht etwas, was sie im ersten Durchgang sehen würden, dieses normative Moment, das damit auch gemeint ist, das per definitionem nicht ein Meter lang ist. Das geht überhaupt nicht.

Das normative Moment

Und jetzt kommt das gleiche wie bei dem anfänglichen Beispiel mit dem Schönen:

Die Aktion, die wir setzen, um zu definieren, was ein Meter lang ist, das "wir normieren, was ein Meter ist", diese Aktion ist nicht ein Meter, was nicht ausschließt, daher kommt ja die Pointe des Ganzen, das ein Gegenstand, dessen wir uns bedienen beim Durchführen unserer normativen Tätigkeit, dass der eine bestimmte Ausdehnung hat. Und das ist die von mir angesprochene Verwechslung, die bei Platon eine Rolle spielen könnte, dass er - in moderner Terminologie - den paradigmatischen Charakter, der in dem Normativen drin liegt, verwechselt hat mit einer stofflichen Instanz desselben. Das ist eine verständliche Verwechslung, in der wir noch immer komplett drinnen stecken: Wenn ich ein Plakat oder eine Illustriertenseite habe, zu denken: "Das ist ein schönes Auto", "Das ist ein schönes Pferd" oder was immer. Vieles vom Illustriertenwesen funktioniert genau so, dass Sie konfrontiert werden mit etwas, was einerseits ein bestimmter Anblick ist, das ist ein schönes Pferd - was ist ein schönes Pferd? Es ist nicht nur eines von vielen, die als schön qualifiziert werden, sondern in die Illustrierten kommen genau die vorbildlichen Pferde, die, von denen man leicht glaubt und akzeptiert, dass sie schöne Pferde sind. Es gibt also immer den Moment, das ist nicht nur ein schönes Ding, sondern auch maßstäblich für "schön" - diese Illustriertenbilder, sofern sie gut verkauft werden sollen, müssen maßstäblich für "schön" sein.

Die Frage, in die wir da hineingeraten, warum ich hier auch noch ein bisschen insistiere und schürfe, ist, dass für diese Illustriertenbilder nun das selbe zu sagen ist, wie ich im Zusammenhang mit Platon gesagt habe. Und ich sage es hier mit der selben emotionalen Angespitztheit: es ist eben lächerlich, zu glauben, dass ein spezielles Bild in der Illustrierten schön ist, nur deswegen, weil es uns vorgesetzt wird als ein Beispiel von etwas schönem. Wir müssen diesen Unterschied machen zwischen der Normativitätsfunktion und der Exemplifizierungsfunktion, auch und gerade dann, wenn wir wissen, dass das Normative und das Exemplifizierte - am Beispiel von Models, am Beispiel von Urmeter - zusammen in einem Ding vorkommen. Damit will ich es jetzt hier bewenden lassen.

Bisher habe ich noch nicht viel über Datenbanken gesagt, es wird heute auch noch nicht so weit sein, es ist in Aussicht. Um das einzuleiten werde ich, und diese Debatte war für mich ein Grund, ein kleines Zwischenkapitel einzuschieben, wo ich nocheinmal auf eine andere Platonstelle eingehe, damit nicht der Eindruck entsteht, dass ich Platon allzusehr entfremde, und damit sie aus der Politeia zwei längere Passagen kennenlernen, in denen die Interpretation, die ich vorhabe, fundiert ist. Die erste ist eine Stelle aus dem siebte Buch, die inhaltlich sehr an das, was ich bisher dargestellt habe, anschließt und die insbesondere das Verhältnis von sinnlicher Wahrnehmung und der Verstandestätigkeit unter dem Zeichen des Dualismus nocheinmal sehr plastisch macht. Ich werde dann an diese Interpretationen von Platon eine Interpretation des Bildbegriffs und des Umgehens mit logischen Formen im "Tractatus" anschließen, sofern ich heute noch dazu komme, und hoffe Ihnen dann zu zeigen, wie eng zusammen, und an bestimmten, entscheidenden Stellen aber auch disjunkt diese beiden Konstruktionen sind.

Höhlengleichnis und Truman

Das siebte Buch der Politeia ist das mit dem Höhlengleichnis, das ich mir jetzt spare. Ich weise Sie darauf hin, dass ich im Zusammenhang mit meinem Projektseminar ein paar Clips gesammelt habe, auf diese Adresse. Die Höhlengleichnis eignet sich hervorragend für Homevideoproduzentinnen, wie man sich vorstellen kann. Es gibt, nach meiner Wahrnehmung, sehr viele Trashhöhlengleichnisvideos in Youtube, ich habe Ihnen einige nichttrashige, ganz interessante zusammengestellt. Ich werde das aber nicht weiter hier verfolgen, sondern werde Ihnen eines zeigen, das garnicht explizit etwas mit dem Höhlengleichnis zu tun hat, aber eine zeitgenössische, sehr interessante Paraphrase für wichtige Aspekte des Höhlengleichnisses ist, nämlich die Truman Show von Peter Weir. Eine Person, die mehr oder weniger festgekettet ist in der Unterhaltungsindustrie, in einer Realityshow, die mit seinem Leben zusammenfällt. Truman, der in dieser Narration vor der Aufgabe steht, auch das ist schon interessant, wieso sagt man, er steht vor der Aufgabe, er ist damit konfrontiert, dass da irgendetwas in seinem konstruierten Realityshowleben nicht stimmt. Ich zeige Ihnen eine kleine Episode, die markiert, worum es da geht. Sie haben hier eine Person sitzen am Strand, Truman, und plötzlich findet er sich in einem Regenkegel, läuft raus: trocken. Er wundert sich, der Kegel folgt ihm - Truman läuft nocheinmal raus, jubiliert "Oh, was ist jetzt passiert, ein Wahnsinn", da ist nochmal der Kegel, und dann die gesamte Regenlandschaft. Das ist in der Filmerzählung so angelegt, dass noch bevor man weiß, was da eigentlich los ist - man sieht die Sache als eine Story zusammen mit Truman - dass in der Wahrnehmung des Zuschauers auf einer zweiten Ebene, aber auf der ersten Ebene von Truman gezeigt wird, etwas auftritt, was sonderbar ist. Truman hat zu diesem Zeitpunkt keine Begriffe darüber, in welcher Situation er sich befindet. Entscheidend ist in all diesen Fällen die Trennung der Welt in Unten und Oben, die wir Zuschauer zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht ganz kennen, aber als Interpretationshorizont ist es notwendig: Wir finden uns in einer sinnlichen Wahrnehmungssituation, in der etwas sonderbare Dinge auffallen. Warum ich diesen Einschub mache, ist weil ich, ganz notgedrungen, um erklären zu können, worum es da geht, das Wort "sonderbar" verwendet habe. Das ist etwas sehr entscheidendes an dieser Stelle. Es lässt sich ein Zustand denken, ja in den meisten Fällen sind wir selbst in einem solchen Zustand, wo das nicht sonderbar ist. Wenn jemand nicht weiß, was mit ihm da passiert, ich sag das gleich mal ganz ungeniert, dass ein großer Zampanò jenseits der großen Kuppelkonstruktion sitzt, und auf einem computergesteuerten, hochraffinierten Schaltpult das Wetter für den Herrn Truman steuert, wenn wir das nicht wissen, sondern wenn wir hineinsozialisiert sind, so wie er, in einen Ablauf von sinnlichen Erfahrungen, dann ist das zunächst einmal nicht sonderbar. Wenn Truman als Kind die Erfahrung macht, dass hin und wieder ist es halt so, dass dieser große Computerapparat ein bisschen eine Outtime bzw. ein Breakdown hat, und Regengüsse mal ein bisschen so unangesagt und sozusagen strahlförmig auftreten, es aber rundherum nicht regnet, wie soll er, wenn er das erste Mal in seinem Leben mit Regen Erfahrungen macht, und dies Teil seiner Regenerfahrung ist, wie soll er sagen, dass das für ihn etwas besonderes ist? Er kann das nicht sagen, er bräuchte dazu einen anderen Referenzrahmen, der uns natürlich hier sehr leicht eingängig ist, weil wir einen Standard von Regen vorraussetzen, der nicht so ausschaut, dass am Strand, in der schönen Breite des Abendmondes, eine Person sitzt und man dann einen schmalen Kegel von Regen auf diese Person gerichtet sieht, da sagten wir "da ist doch irgendetwas nicht ganz sauber". Wir sagen das aufgrund von Distinktionen, die wir machen, die uns leicht fallen wenn wir wissen, dass es da den großen Regisseur im Hintergrund gibt, aber wie sollten wir das wenn wir in der Sache selber drinnen sind? Das ist, auf eine moderne Art und Weise, die Problematik des Höhlengleichnisses. Das gefesselte, entfesselte, Licht und Schatten, Bildmaterial kann man sich da eigentlich sparen und sagen, worum es geht: eine kognitive Dissonanz, die innerhalb einer Wahrnehmungs- und Sinneswirklichkeit auftritt. Wir nehmen Regularitäten wahr, sind diese in unserer sinnlichen Welt gewohnt, und irgendwann drinnen passt etwas nicht mehr. Wir sind konfrontiert damit, dass das Wasser anders funktioniert, als wir es bisher gehabt haben und stehen vor der Frage, was wir jetzt damit sollen. An vielen Stellen, wenn beispielsweise das Auto plötzlich zu klopfen anfängt, gibt es einfache Antworten: Achtung Gefahr, an den Straßenrand fahren, weil etwas passiert ist. Das ist eine solche Dissonanz. Es gibt aber auch, und das ist die Pointe hinter diesem Jubelgestus, den Truman macht, die Logik, die Entwicklung aus einer solchen Dissonanz, dass man sagt: "Hier habe ich einen Widerspruch entdeckt, da ist etwas dahinter, was mir Probleme bereitet, was ich hier jetzt gesehen habe führt mich zu etwas. Der Widerspruch lässt mich etwas erkennen." Man muss dazu wissen, dass Truman schon im Verlauf des Filmes einen Verdacht geschöpft hat. Es gibt da auch so eine Szene, wo er sich fragt, wie es das eigentlich geben kann, dass er immer vorhersagen kann, welche Leute da in regelmäßigen Abständen die Straße entlang gehen. Der Grund ist, dass das die für die Realityshow notwendige Staffage ist, die normiert ist und solche regulären Zyklen braucht. Auch hier ist es so: so wie er sozialisiert worden ist, muss es einen Grund geben, dass ihm das komisch vorkommt. Er muss eine Auffassung davon haben, dass die ewige Wiederkehr des gleichen nicht ganz das ist, was menschliches Leben bedeutet. Die Regenszene zeigt eine Bestätigung seines Verdachts, das kognitive Moment, dass er an der Stelle hat, er jubelt, weil draufgekommen ist, dass in seiner Erfahrungswirklichkeit ein Widerspruch ist. Und meine Filmdeutung, meine filmische Illustration von dem, was Platon in der ausgewählten Passage tut, er spricht genau von dem Verhältnis zwischen sinnlichem Wahrnehmen und Widerspruch. Und die Pointe ist, dass man durch die Augen keinen Widerspruch wahrnimmt. Weder Augen noch Ohren, kein Sinnesorgan ist von der Art, dass sie dadurch Widersprüche wahrnehmen. Sie sagen zwar "da sehe ich aber einen Widerspruch" - dazu kommen wir gleich - das ist wieder die gleiche Problemstellung. Sie sehen keinen Widerspruch, zumindest nicht in dem Sinn, in dem sie einen Wasserkegel sehen. Sie sehen, dass es einen Widerspruch zwischen dem einem und dem anderen Satz gibt. Sie sehen eben nicht den Widerspruch, sondern sind konfrontiert mit einem Satz "Hier kommt der Regen als Kegel" und "Hier kommt der Regen als flächendeckend" und dann haben Sie eine Theorie darüber, wie Regen sich zeigt, sich auswirkt, und Sie "sehen", dass es zwischen diesen beiden Sätzen einen Widerspruch gibt. Das ist, was hier eigentlich stattfindet. Diese Formulierung "sie sehen" ist vergleichsweise harmlos, was Sie nämlich in Wirklichkeit tun ist folgendes: Sie sehen den einen Satz, sehen den anderen Satz, verstehen den Inhalt des einen und verstehen den Inhalt des anderen Satzes, und dann vergleichen Sie die Inhalte dieser beiden Sätze und stehen dann vor der Frage, würden Sie den beiden Sätzen zustimmen? Und Sie sagen "Nein. Diese beiden Sätze gehen sich zusammen nicht aus. Regen, so wie ich ihn verstehe, ist nicht gleichzeitig das, was in dem Kegel kommt, und das, was in der Breitwand kommt. Das ist Ihr Umgang mit dem Widerspruch, der da drin ist. Es ist klar, worauf ich hinaus möchte, und worauf auch Platon an dieser Stelle hinaus möchte, dass der Zusatzfaktor der in Ihre sinnliche Wahrnehmung hineinspielt, damit Sie zu so etwas kommen wie Widersprüchlichkeit. Und ich erinnere Sie: diese Widersprüchlichkeit ist natürlich der Anfang vom Ziel. Der Anfang vom Ende im Sinn des pädagogischen Prozesses - nur wenn Sie an dieser Stelle Widersprüche sehen, werden Sie unruhig werden und auf den Weg der Erkenntnis kommen. Dieses Hineinspielen des Widerspruchs nicht in der Sinnlichkeit ist, sondern dass das aus der νόησις (gr. Einsicht) kommt, aus dem Verstand, wenn Sie so wollen. Er hat hier eine Unterscheidung zwischen sinnlichen Wahrnehmungen, die das Denkvermögen garnicht zur Betrachtung auffordern: man lebt, und denkt sich nichts dabei. Muss sich nichts dabei denken. Und dann gibt es sinnliche Wahrnehmungen, die das Denkvermögen zum Einschreiten auffordern, das eine sind die τὰ μὲν ἐν ταῖς αἰσθήσεσιν οὐ παρακαλοῦντα τὴν νόησιν - nicht hervorrufend das Erkenntnisvermögen, und dann diejenigen, "halten das Denkvermögen ganz besonders an,... dem Prüfstein des Denkens zu unterwerfen", ἐπισκέψασθαι, da steckt Skepsis drinnen, Sehen, Denkvermögen. Das ist ein anderer Typus von Wahrnehmung, der nämlich das Denkvermögen provoziert. Sie werden sich jetzt natürlich fragen, wie es zu dieser anderen Form von Wahrnehmung kommt. Da haben wir jetzt wieder einen entscheidenden Punkt im pädagogischen Prozess von Platon: wenn die beiden Bereiche, der Schaulustigen und der Wahrheitssuchenden, sich einfach trennen würden, wie in den von mir in der vergangenen Stunde interpretierten Textstücken, dort habe ich Ihnen etwas unterschlagen. Es gibt, sehr umstritten in der Interpretation, eine Stelle wo Platon in etwa sagt: "die Ausrichtung auf das Erkennen und das Wahre und das Gute ist so etwas wie wach sein, alle anderen - diese Schaulustigen - sind eigentlich Träumer." Also eine Disjunktion zwischen Traum und Wirklichkeit, das sind verschiedene Welten, und die sich im Traum befinden kommen nie in die Wirklichkeit, und die im wahren Zugang zu den Ideen sind, sind diejenigen, die wissen, worum es geht. Wir wissen mittlerweile um die raffinierten Interaktionen zwischen Traum und Wirklichkeit, dass es also zwei Welten sind, die ineinanderrutschen. Dieses Ineinanderrutschen gibt es auch bei Platon selbst, weil wir - in seiner Seelenkonstruktion - Wesen sind, die gleichzeitig sinnlich agieren und sinnlich verankert und verstandesgemäß mit kritischen Fähigkeiten ausgestattet sind. Unter bestimmten Umständen kommen diese Wesen in eine Situation, in der sie ein Überlappen von Bedenklichkeit, von Unterscheidung und von Kritik auch innerhalb der Wahrnehmung erfahren. Das ist insofern ein komplett zentraler Punkt, da wenn es diese Fähigkeit nicht für menschliche Wesen gäbe, sich nämlich aus der Abhängigkeit von der Umgebung an bestimmten Stellen heraus zu nehmen, ein Bildungsprozess nicht möglich wäre. Und es ist auch klar, dass der elementare, instrumentale Ansatz davon, wie das geht, wie das sein kann, das "Ja"- und "Nein"-sagen ist. Das ist, einerseits sprachanalytisch, man kann das jedoch ziemlich sicher auch beispielsweise entwicklungspsychologisch argumentieren: wie brechen junge Lebewesen aus dem Kokon aus, in den sie in biologischer Abhängigkeit im genetischen Prozess eingebettet sind? Indem sie "Nein" sagen, eine Form von Verweigerung produzieren und einen Bruch setzen. Und dieser Bruch, als Bruch, in seiner Schroffheit ist das, was kultiviert und auf der Ebene der Begrifflichen Rekonstruktion wieder auftritt in der Sprachphilosophie, wenn man sagt "das wesentliche Unit davon, wenn man erklären will was es heißt, etwas - einen Ausdruck, etwas von der Welt - zu verstehen, ist unterscheiden zu können zwischen verschiedenen Zuständen. Um sie auseinanderhalten zu können muss man sie identifizieren. Das ist als per identificationem das miteinschließt, von dem ich das letzte mal gesagt habe "Eins, zwei, viele".

Wittgenstein und Platon. Was ist ein Finger?

Was beim Platon dadurch auftritt, dass er sagt es gibt die vielen Dinge, und im Gegensatz das Eine, das dadurch gekennzeichnet ist, dass es zu dem Einen genau ein Anderes gibt, das ist "schön"-"hässlich", "gerecht"-"ungerecht", "wahr" und "falsch". In der Passage heute macht er das auf eine Art und Weise, die ganz faszinierend ist und man kann die ganze Problemstellung in der schlichtesten Art und Weise nachvollziehen Sie merken schon, dass ich an dieser Stelle sehr viel mit Platon und Wittgenstein operiere. Und Wittgenstein ist normalerweise wahrgenommen und dargestellt als jemand, der in gewisser Weise Erzfeind von Platon ist, ja er selbst hat solche Äußerungen auch getan. Aber bei Platon finden sich gar nicht so wenige Passagen, die direkt aus den Philosophischen Untersuchungen kommen könnten, einer solche ist die, wo Platon sagt "schauen Sie einmal eine menschliche Hand an. Sie hat Finger. Wir sehen die Finger, wir kennen sie, wir operieren mit ihnen - no problem. Das ist eine Vielfältigkeit, die wir einfach haben, eine strukturierte Wahrnehmung. Wir sehen, dass was wir als Hand gebrauchen, eine Reihe von unterschiedlichen Features hat. Das ist das Viele. Was, wenn wir jetzt sagen, diese Hand hat aber fünf Finger, und einer von denen ist der größte? Und der eine ist bandagiert, oder gerade gebrochen." Das sind Betrachtungsweisen, aus denen Platon genau das, was ich Ihnen vorgestellt habe, herausholt, nämlich, unplatonisch formuliert: der identifizierende Verstand hat die Fähigkeit, in der Strukturmannigfaltigkeit eine Identifikation zu machen, indem er sagt "ist das ein Finger? Nein. Und das? Ja, ist ein Finger. Ist dieser Finger kleiner als dieser?" Man könnte so sagen: Sehen Sie, dass das kein Finger ist? Auch an der Stelle ist schon interessant, wenn ich das so sage: worauf beziehe ich mich mit dem "das"? Das diese Handfläche kein Finger ist? Sie sehen diesen Körperteil, die Handfläche, und dass das eine nicht das andere ist, nicht in diesem engeren Sinn. Die Konsequenzen aus dem können Sie sich selber hier durchsehen, ich glaube hier reicht einmal das im general outline vorgestellt zu haben. Worauf das bei Platon hinausläuft ist also, dass diese νόησις ein Vermögen der oppositionellen Verhältnisse ist, und dass die vergangene Stunde dargestellte Spannung zwischen "es gibt Sinneserfahrungen und Sätze, die eine innere Gestalt, Struktur haben. Da kommt etwas drinnen vor, da gibt es etwas zum Schauen. Darum sind es die Schaulustigen, die an der Stelle angesprochen sind." Und diese Struktur verschaltet mit der anderen Struktur des "Ja/Nein/Wahr/Falsch", urteilen, herausholen und dialektisch diskutieren (diese Konstellation wollte ich Ihnen bei Platon vor Augen führen).

Vernunft, der Ort des Widerspruches

Ich möchte noch anhand einer Übersetzung, die ich im Internet gefunden habe, also nicht der (korrekteren) Übersetzung von Schleiermacher, ein Beispiel bringen.

"Um also über diesen Widerspruch ins Klare zu kommen, muß auch seinerseits die Vernunft notwendig
ein Großes und  Kleines sich begrifflich vorstellen, nicht vermischt, sondern getrennt von einander,
gerade das Gegenteil wie der Gesichtsinn." Die Vernunft hat einen Zugang zum großen und kleinen,
der in diesem Sinn identifikatorisch ist, und freundlicherweise, weil uns diese übersetzer nicht
aufregen wollten, haben sie geschrieben "die Vernunft muss sich begrifflich vorstellen, das Große
oder Kleine."

Da steckt schon alles das drinnen, was ich ihnen mit Begriff und so weiter interpretatorisch gesagt hab. Wenn man sich den griechischen Fachterminus im Originaltext ansieht, stellt sich heraus, dass das keineswegs so freundlich ist. Hier steht nämlich "μέγα αὖ καὶ σμικρὸν ἡ νόησις ἠναγκάσθη ἰδεῖν". ἰδεῖν ist "SEHEN". Die Vernunft sieht an der Stelle das Große und das Kleine. Die νόησις ist an dieser Stelle natürlich kein sinnliches Sehen, und die Frage mit der wir uns in diesem Zusammenhang beschäftigen ist natürlich, wie das möglich ist, "sichtbar". Wie kann man das Große und das Kleine sehen, wie kann man diese Wortverwendung von Platon verstehen? Weil es ausgezeichnet passt gebe ich jetzt einen kurzen Vorwärtsflash für das, was ich Ihnen nächstens dann über Wittgenstein erzählen werde: Die klassische Erziehungs- und Bildungstradition hängt, wenn ich das zuspitzen darf, daran, dass "sehen" hier ein Gummibegriff ist. Man sieht die Sonne, die nicht nur das stärkste Licht ist, sondern die Bedingung für Licht, und die Bedingung dass wir überhaupt etwas sehen können. Und darum können wir das Verständnis von "sehen" und unseres Bildungsprozesses über diesen Gummibegriff "sehen" so anlegen, dass wir unten in der Höhle anfangen ein bisschen was zu sehen, dann oben das meiste. Und alles unter dem Aspekt des Sehens, und die Philosophinnen sind diejenigen, die dann im Wahrheit-sehen sind. Und exakt das ist was Wittgenstein abschneidet, indem er im Tractatus eine elementar platonische Struktur einer Trennung zwischen Formenwelt und sinnlicher Wahrnehmung bewahrt. Er schneidet rigoros den Aufstieg ab. Wittgenstein ist, nicht für Aufsteiger, man könnte sagen "ganz systematisch antiaufsteigerisch". Das hat den Grund, dass der Tractatus als ultraegalitär angelegt ist, zwar noch in diesem Rahmen stehend findet er jedoch eine Konstruktion, und dazu mehr beim nächsten Mal, die nicht mehr hinein passt in diese Mehrdeutigkeit des Sehens.

Verschiedenes sehen, verschieden sehen, die Verschiedenheit sehen

Und jetzt mache ich noch einen Sprung, um die genannten Überlegungen mit Wittgenstein in Zusammenhang zu bringen. Es geht jetzt um die diversen Verständnisweisen dessen, wie wir sehen. Um das kurz darzustellen:

  • Verschiedenes sehen:

Ich schau hierher, ich dreh mich um, ich seh was anderes. in meiner Sinnlichkeit wechseln sich die sinnlichen Environments ab und geben Verschiedenheiten.

  • verschieden sehen:

Hier ist diese Abwechslung einmal gestoppt. Es geht darum, ein und dieselbe Situation im Blick zu halten, und diese Situation hat einerseits den sinnlichen Gehalt - das ist das sinnliche Sehen. Und dann gibt es ein anderes Sehen, auf die Unterschiede hinein, das diese Unterschiede einschließt. Ich sehe beispielsweise die Hand als Ganzes und ich sehe die Hand als fünf Finger. Wenn ich sie als fünf Finger sehe, habe ich eine andere Art des Sehens.

  • die Verschiedenheit sehen:

Wir sehen, dass das verschieden ist. Wie kann man daran herankommen? Nach allem, was ich bisher gesagt habe, ist natürlich an der Stelle Vorsicht angezeigt, weil man Verschiedenheit nicht so sehen kann, wie verschiedene Umstände. Aber ich möchte Ihnen jetzt ein Beispiel bringen, das sich nahelegt, wenn man ein Beispiel für das Sehen der Verschiedenheit sucht. Warum ich das so expliziere hat den Grund, dass sich, glaube ich, zeigen lässt, dass Wittgensteins Tractatus, anschließend an die genannten Problemstellungen, genau auch auf einer bestimmten Deutung und Konstruktion dieses "die Verschieden sehen" aufgebaut ist.

Hier die Beispiele, es geht um eine sinnliche Gestalt, hier das Malteserkreuz. Wenn Sie ein wenig herumsurfen, werden Sie viele verschiedene Implementierungen des Malteserkreuzes sehen, etwa hier bei einem Rückspiegel Mk1.jpg, in der Röhre Mk2.jpg, in einer Reling Mk3.jpg. Es gibt hier viele Gelegenheiten, Verschiedenes zu sehen. Da ist die Birne, dort ist die Bremse, hier sehen Sie Stützen - niemand zwingt Sie dazu an der Stelle etwas herauszuholen, zu identifizieren. Sie müssen schon so ein kleines Rätselspiel machen, wie bei einem Intelligenztest. "Was ist an diesen drei Bildern ähnlich?" Ab einem gewissen Alter sollten Sie in der Lage sein, diese Frage zu beantworten. Selbst wenn Sie noch nicht den Begriff "Malteserkreuz" haben, haben Sie eine gewisse Mustererkennung, und können hier Ähnlichkeiten identifizieren - und damit sind Sie schon vom "Verschiedenes sehen" zum "verschieden sehen" herrüber gegangen. Unter dem Aspekt "Sagen Sie mir doch bitte, was ist an diesen drei Bildern gleich?" antworten Sie, nach einiger Suche, "Ja, dieses kreuzförmige Gebilde da" - damit haben Sie auf diese sinnlichen Inputs auf eine Art und Weise geschaut, die schon geleitet ist von Identifikations- und Begriffsunternehmungen. Und hier das Stück Mk5.jpg, dass den Übergang zu Wittgenstein gibt. Ein Viereck, in dem sich eine Gestalt findet, die, einfach beschreibend, wahrnehmungspsychologisch, eine Besonderheit hat: Wenn Sie das ansehen, ist Ihnen nicht von vornherein klar, ob das jetzt ein Malteserkreuz ist, oder gerade kein Malteserkreuz. Also: ist es eine Aussparung, durch die Sie hindurchschauen, oder aber eine Materialität ist, die vor Ihnen liegt, und die Sie greifen können. Greifbar, oder ungreifbar, das eine oder das andere. Vergessen Sie einmal für den Moment die natürlich legitime Redensweise, zu sagen, dass es, selbst wenn es eine Aussparung ist, gute Gründe gäbe dennoch zu behaupten, es handle sich um ein Malteserkreuz. Dass es kein materielles Malteserkreuz, sondern ein Loch in der Form eines Malteserkreuzes ist. Die wichtige Sache an der Stelle ist: selbst wenn man letzteres sagt, bezieht man sich auf eine Form, eine Malteserkreuzform, die in diesem Bild dadurch konstruiert ist, dass sie bestehen oder nicht bestehen kann, materiell ist, oder gerade eben nicht materiell ist. Das ist ein entscheidender Unterschied, dass Sie in Ihrer Umgebung verschiedene Malteserkreuze sehen, die Sie greifen können. Sie können an dieser Stelle Abstraktionsleistungen ansetzen lassen, wie in dem obrigen Beispiel. Das hier ist durch ein besonderes Feature gekennzeichnet, dass Sie nämlich an dieser Stelle eine Kompetenz des Umgangs mit "Malteserkreuz" bekommen können und kriegen, die darin liegt, dass Sie sagen, dass Sie verstanden haben, was ein Malteserkreuz ist, wenn Sie wissen, dass das entweder ein materielles Malteserkreuz, oder aber eine Aussparung, die die Form eines Malteserkreuzes hat. Wenn Sie das wissen, wissen Sie was ein Malteserkreuz ist, unabhängig davon, ob das in diesem speziellen Fall eines ist, oder zum Durchschauen.

Hinter Platon und Wittgenstein ist die selbe Idee

Warum ich Ihnen das so plastisch vorstelle, ist weil das nach meiner Interpretation die Grundeinsicht für Wittgenstein im Zusammenhang mit den Elementarsätzen ist. Elementarsätze haben genau diese Funktion, einen inhaltlichen Aufbau, eine interne Struktur, und zusätzlich ein Ja/Nein-, ein ON/OFF-Moment, Wittgenstein spricht von Richtungssinn. Er stellt das im Tractatus so vor, dass es einen Satz gibt, der Satz hat eine interne, relationale Struktur, und zwei Pole - sozusagen die ON und OFF Pole, was er damit meinen kann, lässt sich an der Stelle schön sagen: Das ist ein Malteserkreuz, oder es ist gerade kein Malteserkreuz, sondern eine Höhle, eine Aussparung. Wittgenstein weist darauf hin, dass diese beiden Sätze einerseits kontradiktorisch gegeneinander stehen, andererseits aber auf eine systematische Art präzise aufeinander bezogen sind. Der eine Sachverhalt ist wahr, genau dann, wenn der andere falsch ist, und umgekehrt.

Um das in Verbindung zu bringen mit dem, was ich bisher über Platon mit dem Stichwort "Eins, zwei, viele" gesagt habe, nun unter dem Strich meine These, die ich Ihnen vorlegen möchte: Hinter dieser Konstruktion von Platon, Sinnlichkeit und Gestalt der Sinnlichkeit, zu verbinden mit der Dualität des Wahren und des Falschen, des identifizieren- und nichtidentifizieren-Könnens, steht von der gedanklichen Konstruktion her in beiden Philosophiekontexten (die natürlich meilenweit auseinander sind) die selbe Idee. Und diese Idee, frei von Wittgenstein und Platon formuliert, ist die: Diese Konstruktionen kommen daher, dass wir philosophische Deutungen dafür haben wollen, dass Menschen in der Welt wahrnehmen und sich aus der Wahrnehmung auch teilweise rausabstrahieren, mit Hilfe von Urteilsmechanismen. Dass wir Strukturgestalten (=Wahrnehmung) und Polaritäten(=Urteilsmechanismen) haben, ist in diesen besonderen Konstruktionen abgebildet. Das Malteserkreuz ist hiervon nur eine kleine Illustration.

Notwendige Reduktion

Ich gebe Ihnen noch ein Beispiel aus dem nächsten Punkt und zeige Ihnen ein Bildbeispiel, dass nach dem selben Muster gestrickt ist, wie das Malteserkreuz, doch etwas zeitgenössischer.

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Das ist die Skyline von New York. Stellen Sie sich vor, Sie waren gerade dort, Sie haben das in Erinnerung, Sie haben dieses Foto gesehen. Ein Jahr darauf kommen Sie wieder nach New York und Sie haben eine kognitive Dissonanz. Da fehlt etwas, nicht irgendetwas. In dem Moment, in dem Ihnen das auffällt, im Vergleich, ist das nicht so etwas einfaches wie "Meine Uhr liegt nicht mehr da, die muss irgendwo anders liegen" oder so. Das müsste in diesem, unserem Kontext zugespitzt werden, um möglich, machbar zu sein. Die Zuspitzung besteht für jemand, der weiß wohin ich steuere in all der sinnlichen Vielfalt, darin, dass ziemlich intuitiv von vornherein klar ist, dass ich genau etwas, genau den einen Unterschied, der diese beiden Bilder voneinander trennt, das eine, das nur in diesen zwei Varianten "anwesend" und "abwesend" kommt, das World Trade Center. Abgesehen von all den vielen Hochhäusern, das ist der eine Unterschied, der das an dieser Stelle ausmacht. An diesem Unterschied, und das ist gemeinsam bei Platon und Wittgenstein, der Kompetenz, Sinnlichkeit durchzuschneiden, lässt sich logische, dialektische Kompetenz des Menschen anknüpfen und diskutieren.

Die Landschaft alleine ist nicht signifikant genug, dass man den Unterschied an der Stelle sehen würde, das ist natürlich eine berechtigte Bemerkung, die gut zusammenpasst mit dem, was ich sagen möchte. Es ist ein schönes Beispiel dafür, dass man mit sehr unterschiedlichen Voreinstellungen und Interessen an eine solche Sache herankommt. Wenn ich in der Nähe wohne und möchte schauen, ob mein Haus noch steht, dann ist der Vergleich an der Stelle durchaus sicher, und der Rest interessiert mich jetzt nicht. Es gibt einen genau anzugebenden Grund warum ich auf mehr gespielt habe, als auf solche Vielfältigkeit. Wenn wir diese beiden Bilder haben, dann könnten wir uns eine große Gruppe von Leuten vorstellen, die mit diesen Bildern konfrontiert wird und jeden interessiert etwas anderes daran. Manche finden nur Gemeinsamkeiten, manche keine: das geht in die Richtung, verschiedenes zu sehen. Damit soetwas wie Vernunft aufgebaut wird, eine Vernunft die auf einen sicheren, verlässlichen Grundlage steht, die eine Rationalität begründet, muss man die vielen hunderttausenden unterschiedlichen Praktiken, die mit diesen Bildern möglich sind, reduzieren und abstrahieren und zusammenschneiden, auf einen bestimmten gemeinsamen meeting point. Und im Zusammenhang mit diesen beiden Bildern ist dieser meeting point: "Siehst Du auch, was ich sehe? Siehst Du, worum es da geht? Dass auf dem einen Bild die Twin Towers drauf sind und auf dem anderen nicht?" Das ist die Pointe dieses Bildes. zu bemerken, dass das in diesem Bild nicht so klar ist, ist richtig und wichtig, weil es um sehr vieles gehen kann. Die "Versuchssituation" mit dem Malteserkreuz hingegen ist gezielt reduziert, um leichter verständlich zu machen, was die Pointe ist. Und das ist wichtig, weil wir an diesen Szenarios ein entscheidendes Moment der Philosophie im Vergleich zugängig haben, nämlich vom Selben zu reden. Personen, die mit Sätzen, mit Bildern umgehen, reden vom Selben. Es geht darum, die Verschiedenheit zu sehen. Um meine rational-philosophische Rekonstruktion durchzuführen muss ich darauf bestehen, dass man mir nicht erzählt, dass die Textur nett sei, oder die Helligkeit nicht stimmt, oder warum es nicht rund wäre, sondern, und das ist in der Konstruktion notwendig, die Person darauf aufmerksam zu machen, dass es darum geht, ob es nun ein materielles oder nicht materielles Malteserkreuz ist, das eine, oder das andere. Das ist eine künstliche Reduktion, die aber mit der wahr/falsch-Reduktion zusammenhängt.

Wohin uns das führt

Worauf ich hinaus will, und das geht auch schon in Richtung Datenbanken, aber auch Kritik an dieser ganzen Weise des Denkens: Um nachvollziehbare Satzzusammenhänge und Argumentationen zu konstruieren, brauchen wir diese Art von Umgang mit Sätzen. Dieser Umgang ist jedoch eine eigens sehr zugeschnittene Praxis, was sich an den Bildern schön zeigt. Informationen in Datenbanken werden im Prinzip auf die selbe Art und Weise angelegt und gehandhabt. Die Kritik der Datenbanken setzt da natürlich an. Diese Art von "Ja/Nein, ON/OFF, stimmt oder stimmt nicht"-Attitüde, die man bei Datenbanken kritisiert - und das ist, worauf ich Sie vorbereiten möchte - ist etwas, das seit Platon angelegt ist, und über Wittgenstein in eine gegenwärtige Diskussion hereinkommt.