Bildung und Datenbanken (Vorlesung Hrachovec, Sommer 2009)/Zusammenfassung: Unterschied zwischen den Versionen

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Dies ist nur mal eine erste Zusammenstellung, die eher Symbolcharakter haben soll. Das Ziel ist wohl, daraus im Endeffekt etwas so sinnvolles wie im letzten Semester, bei der "Open Source Philosophie" zu machen. Bis jetzt ist das einfach nur copypasted und die Hierarchie der Überschriften angepasst :) --[[Benutzer:Fabbaz|Fabbaz]] 19:25, 28. Apr. 2009 (UTC)
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Dies ist nur mal eine erste Zusammenstellung, die eher Symbolcharakter haben soll. Das Ziel ist wohl, daraus im Endeffekt etwas so sinnvolles wie im letzten Semester, [[Benutzer:Matthieu/WS08-OSP-Zsfg|bei der "Open Source Philosophie"]] zu machen. Bis jetzt ist das einfach nur copypasted und die Hierarchie der Überschriften angepasst :) --[[Benutzer:Fabbaz|Fabbaz]] 19:25, 28. Apr. 2009 (UTC)
  
  

Version vom 28. April 2009, 21:31 Uhr

Dies ist nur mal eine erste Zusammenstellung, die eher Symbolcharakter haben soll. Das Ziel ist wohl, daraus im Endeffekt etwas so sinnvolles wie im letzten Semester, bei der "Open Source Philosophie" zu machen. Bis jetzt ist das einfach nur copypasted und die Hierarchie der Überschriften angepasst :) --Fabbaz 19:25, 28. Apr. 2009 (UTC)


Inhaltsverzeichnis

13. März

Technische Anmerkungen als Einführung

Sie sehen hier ein eindrucksvolles, technisches Instrumentarium. Also es geht mehr in Richtung Datenbanken als Bildung und ist natürlich zu einem gewissen Teil zurückzuführen auf eine gewisse Experimentierfreude, die nicht direkt mit der Philosophie zusammenhängt, sondern mit der Herausforderung, denen die Philosophie unterliegt, sich technische Möglichkeiten anzueignen und damit umzugehen, was man dann wiederum selbst als einen Bildungsfaktor betrachten kann. Aber es geht nicht bloß um die Experimentierfreudigkeit, sondern es geht auch um eine sehr handgreifliche Möglichkeit Technik für Lernprozesse und Vermittlungsprozesse einzusetzen und das wird in dieser Vorlesung auf verschiedenen Ebenen durchgespielt.

Wikis

Die erste Ebene sehen Sie hier projiziert. Das ist das Wiki. Das nennt sich wiki.philo.at Ich stelle in diesem Wiki Materialen für die jeweilige Veranstaltung zur Verfügung und orientiere mich an den Texten in der Regel, die hier drinnen sind, die Sie also auch mitlesen und nachlesen können. Das gilt für die Leute, die hier sitzen und gleichzeitig aber auch für Leute, die an dieser Vorlesung teilnehmen, obwohl sie nicht in diesem Raum sitzen. Der Raum wird nach der zweiten oder dritten Vorlesung viel bequemer sein. Sie können dann zu Hause bleiben und können dann im Videostreaming und im Audiostreaming das Ding mitverfolgen. Die Daten dazu haben Sie auf der ersten Seite. Das wird auf der einen Seite sehr hilfreich sein für Studierende, die einmal eine Vorlesung versäumen oder die in Gelsenkirchen wohnen, sagen wirs mal so oder eine kleine Reise nach Gelsenkirchen machen. Es ist aber darüber hinaus natürlich möglich für Sie auf diese Art und Weise nachzuhören und mitzuhören. Nicht nur live mitzuhören, sondern es gibt nach der Vorlesung diese Streams als mp3 zum Download in der philosophischen Audiothek. Die links werden wir Ihnen auch auf diese Seite stellen, sodass Sie eine Möglichkeit haben ständig zur Verfügung zu haben, was hier gesprochen wird.

Kann man auch von zu Hause Fragen stellen?

Von zu Hause kann man keine Fragen stellen im Moment. Die Idee ist durchaus attraktiv und wäre auch sehr leicht zu machen, z.B. in dem man einen Chat mitlaufen lässt, ich muss aber sagen, es gibt einen Grad von Konzentration den ich brauche um die Inhalte hier mitzuteilen, der gegen den Experimentalcharakter spricht und das, was ich Ihnen da jetzt vorstelle ist für mich für diesen Durchgang Experiment genug. Sie können aber jederzeit ins Wiki schreiben und das ist nach meiner Auffassung auch besser als live Fragen von extern, weil Sie die ganze Woche Zeit haben sich Gedanken zu machen und ich auch schon während der Woche reagieren kann und selber etwas mehr Zeit habe mir eine vernünftige Antwort zu geben und nicht eine spontane. Wobei ich nicht sagen will, dass die spontane Teilnahme und Mitarbeit an dieser Vorlesung nicht erwünscht ist. Ich habe hier ein zusätzliches Mikrofon. Wenn Sie Fragen haben, dann bitte wundern Sie sich nicht, dass ich mit dem Mikrofon auf Sie zukomme und Ihnen das vor die Nase halte, weil ich möchte, dass das auch Teil, der hier angebotenen Veranstaltung ist. Sie kennen das Problem, das darin besteht, dass im Moment die von der Technik- wenn ich mir diese medientheoretische Bemerkung erlauben darf- gibt es ja gerade im Rahmen und im Zusammenhang mit der Technik, die wir hier inszenieren eine neue, völlig schlagende Hierarchisierung, die darin besteht, dass wenn Sie hier hinten links einen Schreianfall bekommen, dann wird das alle Leute hier betreffen, wir werden es bemerken. In dem Sinn haben Sie eine Gleichstellung zu mir. Es gilt quasi wer lauter schreit hier in der Versammlung. Das ist nicht der Fall in der Tonaufnahme. Wenn Sie da hinten schreien, werden Sie überhaupt nicht gehört. Für die Ewigkeit nicht aufgezeichnet und das wollen wir doch vermeiden. Darum würde ich das gerne mitverfolgen und mitschneiden was Sie sagen. Das betrifft also die mp3 files, die ich Ihnen zur Verfügung stelle.

Die Idee der Transkripte

Ich sage Ihnen jetzt noch etwas, was sich auf das Wiki bezieht und was sich im vergangnen Semester, als ich eine Vorlesung über Open Source Philosophie gehalten habe, auf eine komplett überraschende und wie mir scheint für alle Beteiligten faszinierende Art und Weise entwickelt hat. Nämlich das Folgende: Das Wiki- ich hab’s schon angedeutet- bietet sich dazu an, dass während der Vorlesung, aber schwerpunktmäßig nach der Vorlesung, auf einer Diskussionsseite. Hier können Sie die jeweiligen Beiträge machen. Es gibt eine ganze Reihe von anderen Möglichkeiten auch, die ich Ihnen nicht jetzt zur Einleitung alle präsentiere, um Ihre Geduld nicht zu strapazieren. Ich nehme an, es gibt schon eine Reihe von Leuten, die wissen schon, wie sie umgehen mit dem wiki. Sie melden sich an, wenn Sie noch nicht angemeldet sind, dann können Sie sich registrieren lassen und dann können Sie im Prinzip, wenn Sie auf Bearbeiten klicken können Sie sich auch beteiligen daran. Wenn es da Schwierigkeiten gibt mach ich mal ein bisschen später und das nächste Mal machen wir ein Tutorium dazu, wenn Interesse besteht. Das ist etwas, was ich immer wieder anbiete und was ich als mitlaufende Denkauseinandersetzung mit den Inhalten der Vorlesungen sehr gerne verwendet worden ist. Im vergangenen Semester ist aber etwas passiert, was wie gesagt überraschend und fruchtbringend gewesen ist. Und zwar vollkommen von selbst. Ich hätte nie gewagt einen solchen Vorschlag zu machen. Es hat sich nämlich ergeben, dass Studierende gesagt haben, dass wenn wir schon die mp3 files haben, dann transkribieren wir sie gleich und stellen sie hier zur Verfügung [1]und das führt eben dazu, dass sie zur Vorlesung Open Source Philosophie, die hier die Inhalte hat, einerseits die mp3 files zur Verfügung haben und dann die ausgetippten Varianten dazu, mit allen Verweisen, die ich gegeben habe und dann hat sich ein Kollege noch bereit erklärt hier kurze Zusammenfassung auch bebildert dazuzulegen, sodass man auch eine bequeme, leichte Einführung in den Inhalt hat. Und was haben die Studierenden dafür gekriegt? Eine Note. Ich hab nicht gewusst, dass Noten so wertvoll sein können, dass man sich die Mühe macht hier wirklich ein, zwei Tage zu sitzen und das umzusetzen. Fern liegt es mir das hier auch noch anzuschaffen, aber wenn, und ich bin der Auffassung, dass das eine Entwicklung aus der Gruppe gewesen ist, die sich diese Vorlesung angehört haben. Ich mach Sie darauf aufmerksam, dass das stattgefunden hat. Wenn es genügend Studierende gibt, die das machen wollen, dann kriegen Sie eine Note dafür. Brauchen keine Prüfung zu machen und im Rahmen der Open Source Idee das natürlich ein besonderer Faktor gewesen, der hier motivierend dahinter steckt im Rahmen dieser Open Source Idee tragen Sie auch bei zu einer intellektuellen Entwicklung, die mir sehr wichtig und unterstützenswert scheint.

Das sind die technischen Anmerkungen, die ich zunächst mal machen möchte und ich komm jetzt als zweites zu ein zwei Bemerkungen zu das, was Sie in dieser Vorlesung erwartet.

Einführung in die Inhalte der Vorlesung

Die Lehrveranstaltungen am Institut für Philosophie sind im vergangenen Semester evaluiert worden von den Studierenden, d.h. es gab Rückmeldungen. Und eine Rückmeldung war eine freundlich kritische Rückmeldung zu meiner Vorlesung Open Source Philosophie war, dass man sich nicht klar ist was die inhaltliche Struktur, was da vorgesehen ist und das ist eine zutreffende Kritik. Ich habe tatsächlich in einem gewissen Sinn die Vorlesung entwickelt as I go along. Ich hab mir die Kritik zu Herzen genommen und habe mir bevor es anfängt eine Struktur zurechtgelegt, die ich Ihnen in den Überschriften [2]kurz hingeschrieben habe, sodass Sie wissen worum es in etwa gehen wird.

Inhalte der ersten Einheiten

Ich werde beginnen heute mit der Zusammenschiebung von Bologna und Gnatsch, was sich Bolognatsch an dieser Stelle nennt. Mit einer Vorlesung, die mit über Bildung beschäftigt ist in der Philosophie. In der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft wird man -denke ich- darüber sprechen müssen. Insbesondere- das sag ich Ihnen als Klammerbemerkung zur Person sozusagen- insbesondere, da ich an der Universität Wien als Vorsitzender der Curricular Kommission verantwortlich gewesen bin für die Umstellung der Studienprogramme- die Bologna-Schematik. Was uns vielleicht zu einer Diskussion bringen wird. In nächster Folge gleich. Ich werde über diese Schwierigkeiten in der Umstrukturierung des Bildungssystems sprechen, einleitend. Ich werde bevor ich auf Bologna zu sprechen komme aber noch einmal so richtig hinein greifen in die Tasten des Bildungsbegriffs. Des klassischen humanistischen Bildungsbegriffs und Ihnen ein Beispiel bringen aus dem Sie dann ersehen können vor welchem Hintergrund ich die Bildungsdebatte in unserer gegenwärtigen Zeit zusammenhängen sehe. Und es wird sich zeigen- das ist eine der Besonderheiten in der Bildungsdebatte- das ist etwas, was in der Philosophie immer wieder mal vorkommt, aber so eklatant und hervorstechend wie in der Frage nach der Bildung nicht oft, dass man eigentlich von dem Thema nicht zu reden beginnen kann, ohne beim Anfang der Philosophie zu beginnen. Nämlich in der griechischen Konzeption dessen, was die Liebe nach der Weisheit, der Philosophie sein soll. Kurz gesagt, dass das bei Platon, Sokrates Platon, beginnt und ich werde etwas, was ich in der Open Source Vorlesung schon vorbereitet habe jetzt einfach ein bisschen weiter verfolgen, um Ihnen deutlich zu machen wie sich die Erfindung der uns bekannten Philosophie in der griechischen Antike mit der Problematik der Bildung komplett eng zusammendenken lässt, sodass das, was uns heute noch immer als Bildungsthema interessiert noch immer abzulesen ist an einer Struktur, die Platon erfunden hat. Das wird der zweite Punkt sein.

Inhalte der folgenden Einheiten

Wittgenstein

Und dann mache ich einen riesen Sprung. Und dieser riesen Sprung hat zu tun mit dem Thema der Vorlesung ich möchte das, was im Bildungsthema drinnen ist konfrontieren mit der Informatik, mit den Gegebenheiten der Informatik, um es sozusagen sehr plakativ zu sagen. Es gibt in der Philosophie dafür einen idealen, sozusagen kanonischen Bezugspunkt und das ist Wittgensteins Tractatus logico-philosophicus, der geschrieben worden ist lange bevor es Informatik und lange bevor es Computer gab. Also in den beginnenden zwei Jahrzehnten des 20.Jahrhunderts. Der aber und das liegt in dem Titel, den ich hier gewählt habe, und das liegt in meiner Interpretation, das werde ich Ihnen vorstellen, der eine zutiefst platonische Betrachtungsweise der Welt, Platon ein für alle mal würde ich sagen vorstellt, vorschlägt und der damit eine Bezugsstelle, einen link schafft zwischen den traditionellen, philosophischen Legungen, die hinter Bildung stehen und dem was in der Informatik entwickelt worden ist, denn- das sage ich mal hier vorausblickend- Sie finden den tractatus hier ein zweites Mal nach dem Intermezzo, auf das ich gleich zu sprechen komme, auf das ich dann anknüpfen werde. Es gibt gute Gründe zu zeigen und zu demonstrieren, dass der theoretische Verfahrensansatz von Wittgenstein im Tractatus in der Informatik aufgegriffen, weitergeführt worden ist und insbesondere gezeigt werden kann, dass die Datenbank Theorie, so wie sie im entsprechenden Studium gelehrt wird, eine Verbindung zu dieser Sicht der Welt hat.

Hegel und Heidegger

Das ist die große Klammer, die ich ziehen möchte, auf die ich durch diesen großen Sprung zunächst einmal hinweisen möchte. Nachdem ich diesen großen Sprung gemacht habe, werde ich zumindest an zwei Stellen Zwischenstellen innerhalb dieses Klammerausdruckes Ihnen präsentieren. Ein berühmter Gewehrsmann für die Bildungsdebatte in der Philosophie und in der gesamten kulturellen Diskussion ist Hegel in der Phänomenologie des Geistes, der wird ein Thema sein in meinem Zusammenhang. Und dann Heidegger, der eine Entwicklung genommen hat, die direkt bei Platon beginnt. Ich sag Ihnen das jetzt auch nur stichwortartig, damit Sie Überschriften gehört haben. Meine Darstellung von Platon wird aus dem fünften Buch der Politeia genommen werden und geht dann ins sechste Buch der Politeia in das Höhlengleichnis, das Sie alle kennen. Die Überschrift Platon für Aufsteiger können Sie sich selbst interpretieren, aus dem Hintergrund des Höhlengleichnisses. Heidegger hat ein berühmte Schrift geschrieben, veröffentlicht 1942, über Platons Lehre von der Wahrheit und in dieser beginnt er mit dem Höhlengleichnis und tut mit diesem Höhlengleichnis mit Platon etwas, wo einem der Atem wegbleibt. Das werde ich Ihnen auch noch präsentieren. Das wird ein Beitrag der klassischen Philosophie anknüpfend an Platon zur Bildung sein.

Allgemeine Überlegungen zu Bildung und Datenbank

Diese beiden Zwischenstationen schieb ich ein und komme dann am Ende zu allgemeineren Überlegungen zur Rolle von Form, Ideal und Restriktion in systematischer und zurückbezogen auf die Geschichte auch historischer Absicht. Darauf will ich jetzt nichts Genaueres sagen, das kommt erst, wenn wir halbwegs soweit sind. Das möchte ich Ihnen sozusagen vorstellen.

Bildungsartikel im Wiki

Dazu, Literatur habe ich noch nicht besonders recherchiert, aber eine Sache möchte ich doch noch hier zur Diskussion stellen. Aus einem früheren Seminar trage ich mit mir die Vorstellung herum, dass der ausgesprochen unzufriedenstellende Bildungsartikel in der Wikipedia doch eigentlich mal von einsichtsvollen, philosophisch motivierten Studierenden und Lehrenden zusammengefasst und gestaltet werden könnte. Das ist irgendwie verloren gegangen in dieser Veranstaltung die irgendwann vor vier, fünf Jahren stattgefunden hat. Ich weiß auch noch nicht recht, ob es überhaupt möglich ist oder ob überhaupt Interesse daran besteht. Was ich jedenfalls getan habe, wenn Sie sich einschalten möchten in die Diskussionen und in die Darstellungen, die ich vorhabe- Ich habe folgendes gemacht: Ich habe den Bildungsartikel der Wikipedia von gestern in das Philo wiki voll hinein kopiert, sodass man den als Material betrachten kann. Man kann hier die Diskussionsseiten verwenden, um Bemerkungen zu machen und man kann auch mal daran beginnen, daran zu arbeiten. Ich gebe Ihnen das als Idee, an der wir uns sozusagen handgreiflich mit einer Darstellung von Bildung beschäftigen können. Die, obwohl sie mir sehr unzufriedenstellend erscheint, doch den einen großen Vorteil hat, dass sie sehr viel Material zusammenbringt und Ihnen in etwas das Spektrum der ganzen Themenstellung, mit dem wir es hier zu tun haben, vor Augen führt. Hier könne Sie auch Literatur am Ende sehen. Das ist einer der Gründe warum ich hier noch keine eigene Literaturliste gemacht habe. Und zweiter Vorschlag- vielleicht interessiert Sie das mehr, das sollte ich vielleicht so sagen: zu meiner großen Überraschung habe ich bei der Durchsicht der neuesten Fassung des Wikipedia Bildungsartikels bemerkt, dass eine Festrede anlässlich der Gründungsfeier der pädagogischen Hochschulen von unserer Bundesministerin hier ganz am Anfang der Wikipedia zitiert wird. Diese Festrede habe ich ebenfalls da hineinkopiert, ohne die schönen Logos, die auf der Seite des Ministeriums natürlich vorhanden sind. Das ist eine- wie soll man sagen- der Fachausdruck ist von entsprechenden Zitaten gespickte und in der Suppe oder Soße der wohlmeinenden, menschenfreundlichen Erziehungsaufträge heraus gebackene Festrede- ich höre mit meinem Zynismus schon wieder auf. Die ich Ihnen hier aber zur Verfügung stelle. Das sind ja schließlich Gedanken, wollen wir mal sagen. Das ist nichts worüber man sich einfach lustig macht, etwas worüber man als PhilosophIn nachdenkt und dass man es als Herausforderung nimmt und sich mit der Sache beschäftigt. Meine Aufgabe wird sein Ihnen Impulse zu geben, in diese Zirkulation, diese Sphäre der Bildungsdiskussion einzutreten, mit Artikulationen, mit Ideen, die vielleicht gestatten in eine Auseinandersetzung mit dem einzutreten. Nach meiner Erfahrung ist es so, dass gerade der Bildungsdiskurs ausgesprochen determiniert auf bestimmte Schlüsselreize fixiert ist und so ähnlich funktioniert wie ein Popkonzert, in das die Leute gehen, um entsprechende Songs zu hören und dann sind sie zufrieden und die entsprechenden Buhrufe auszustoßen. Das ist allerdings aus der Heumarktsituation genommen. Sie werden genauer sehen, was ich mit diesen flapsigen Anmerkungen meine und um das Ihnen deutlicher zu machen gehe ich also zu meinem ersten Kapitel.

Frage aus dem Auditorium zu Datenbanken

Allerdings zuvor noch die Möglichkeit Fragen, Anmerkungen etc. zu machen.

  • Studierender: Mir fehlen ein bisschen die Datenbanken. Mich würden interessieren Wissensmanagementsysteme. Wie kann man KI einsetzen bei der Gestaltung einer Bildungsdatenbank. Weil es heißt ja Bildung und Datenbank. Ich bin eher von der Datenbank-Seite, Datenbankprogrammierer und hab mir eigentlich in der Richtung einiges erwartet.

Im Hauptteil muss ich das enttäuschen fürchte ich. Ich bin nicht Informatiker. Ich bin Systemverwalter, ich kenne mich ein wenig mit der Einrichtung und Pflege von Datenbanken aus. Meine Kenntnis geht so weit, dass ich weiß was ist ein Datenbankschema, was sind SQL-Abfragen, wie ist so etwas aufgebaut und wie kann ich so etwas darstellen. Das habe ich auch vor im Laufe der Vorlesung vorzustellen. Das ist aber nicht gedacht, als ein Fachbeitrag für informatische Entwicklungsarbeit, sondern es ist – tut mir leid- das ist einfach eine andere Veranstaltung. Meine Hauptintention in dem Titel Bildung und Datenbanken ist die folgende: Dass es im klassischen Bildungsdiskurs eine sehr starke Dualisierung gibt zwischen den Leuten, die sagen wir brauchen Bildung und den Leuten, die sagen wir machen eine informatische Informationsverarbeitung, Wissensmanagement. Es gibt Kollegen, die Sie wahrscheinlich kennen, die ausgesprochen erfolgreich sind mit Aussagen in der Richtung, dass Daten unstrukturierte Haufen von Bits sind, mit denen man in der Bildung überhaupt nichts anfangen kann und dass hingegen die Bildung das sozusagen humanistische, menschliche Entwicklungspotenzial in sich hält, das man gegen die Datenbanken verteidigen muss. Das ist sozusagen meine Herkunft. Dagegen möchte ich sagen, ich sags jetzt gleich am Anfang im Stenogramm, dass die Problematik der abendländischen Bildung geradewegs in die Datenbanken hineinführt. Dass es nicht so ist, dass die Serviceleistung der Informatiker sozusagen gerade noch anerkannt wird, wenn sie die Webseite gestalten auf der dann die Rede präsentiert wird, in der dann gesagt wird, dass es doch auf den Menschen ankommt und nicht auf die Maschinen. Diese Art von Servicefunktion der Ingenieure, der Techniker, die die Techniker selbst zum Teil durchaus auch übernehmen, weil die auch nicht unbequem leben mit dieser Art von Arbeitsteilung, die möchte ich in Frage stellen. Ich möchte sozusagen darauf hinarbeiten, dass aus der Entwicklung der Platon, Hegel, Heideggerschen, Wittgensteinschen Philosophie der Entwurf, die Entwicklung und der Umgang mit Datenbanken auf eine „natürliche“ Art und Weise erfolgt. Ich habe es vorher nicht gesagt, aber einer meiner Bezugspunkte ist Heinz Zemanek, an der Stelle, um dem einen Namen zu geben, der einen Beitrag geschrieben hat „Die Entstehung der Informatik im Wiener Kreis und aus dem Tractatus“. Die Darstellung möchte ich zum Anlass nehmen, ich nehme ja an, dass in der Veranstaltung ein deutlich höherer Grad an PhilosophInnen und KulturwissenschaftlerInnen herinnen sitzt als Informatikern, denen Basics von Datenbanken sozusagen mitzuteilen. Statt eine Trennung aufzubauen und zu sagen Datenbanken pfui. Daher kommt es in die Betrachtung mit hinein. Was ich wie gesagt nicht anbieten kann ist das, was Sie wollen. Wenn ich an dieser Stelle falsche Erwartungen geweckt haben sollte tut es mir leid. Aber es ist natürlich so, wenn sie damit etwas anfangen können, mit den Sachen, die ich bringe, würde ich sehr froh sein, wenn Sie selber ein bisschen was dazu beitragen. Gut, dann können wir mal schauen, ob sich da was ergibt.

Zwei Löwen am Eingang zur Vorlesung

Ich hab Ihnen jetzt ein wenig schon gesagt über die Spange zwischen dem klassischen Bildungsbegriff und den Datenbanken was ich Ihnen als Aufwärmerbeispiele jetzt vorbereitet habe soll das jetzt noch ein wenig plastischer machen und vor Augen führen, wie man sich’s denken könnte ein so ein Kontinuum. Und darum habe ich Ihnen so ein bisschen wie bei barocken Schlössern, wo Sie zwei Löwen beim Eingang haben, die Ihnen begegnen, habe ich Ihnen zwei Videos [3]an den Eingang dieser Vorlesung gesetzt. Und diese Videos sind allerdings ungleiche Brüder, wenn ich das so sagen kann.

Beispiel Beethoven/Karajan

Das erste Video repräsentiert ein Beispiel von etwas, was man als eines der Paradigmen des Bildungsbürgertums in dem von uns vertrauten Sinn betrachtet werden kann. Nämlich Beethovens fünfte Sinfonie und Karajan, das sind sozusagen gleich drei ins volle gegriffene Bildungsinhalte. Nur damit Sie verstehen warum ich hier geschrieben habe „ein altes Privileg“. Ich verwende dieses Beispiel, um ein paar Motive, die eingehen in meine Diskussion, Ihnen gebündelt am Paradigma vor Augen zu führen. Sie wissen das alles, was ich Ihnen jetzt sagen werde, aber es zahlt sich doch aus, es noch einmal vor Augen zu führen. Was passiert mit einer Aufführung von Beethovens 5.Sinfonie. Das ist praktisch nur möglich in einem Konzert. Konzertsäle sind genau im oder um das 20. Jahrhundert geschaffen worden in dem Aufwind der Bildungsanstrengungen, in denen sich das Bürgertum vom Adel emanzipiert hat. In diese Konzertsäle, die mit Plüsch ausgefüllt sind, die entsprechend hohe Eintrittspreise haben. In diesen Konzertsälen findet etwas statt, was schon von der – sofern es sich um Sinfonien handelt- was eine wunderschöne Welt im Kleinen von Gestaltungsmöglichkeiten in einer medialen, musikalischen Ausdruckswelt ist und in diese Gestaltungsmöglichkeiten hat sich jetzt formativ und definitorisch-paradigmatisch so etwas wie die fünfte Sinfonie von Beethoven festgesetzt. Ich zeige Ihnen jetzt einen Ausschnitt aus dem, was dann gemacht worden ist, aus diesem Szenario Sie können sich das ganze ansehen.

Ich könnte über dieses Video alleine glaube ich eine Stunde reden. Ich sage Ihnen, es ist einfach großartig in dem was es mitteilt, ohne es zu sagen. Es handelt sich wie gesagt um ein Musterstück aus dem Bildungsinventar, also das, was alle Schulen und Lehrpläne und Bildungsbefürworter als etwas leicht zitieren werden, was man kennen lernen muss, womit man sich beschäftigen muss. Ich bin auch kein Musikwissenschaftler, ich kann an der Stelle auch nur auf Links hinweisen. Ich habe Ihnen fünf davon gegeben, die Ihnen, wenn Sie sich’s anschauen deutlich machen, was für eine Bildungsfördernde, menschheitsverbessernde, schicksalsbeweltigungs Position haben wird und hat in der Diskussion. Und dann sehen Sie die Umsetzung dieses Werkes in einem Video. Man muss dazu sagen, Karajan ist jemand, der sehr früh die Möglichkeiten der Medialität und des Films, Fernsehens bis hin zu digitalen Aufzeichnungen erkannt hat. Er war an dieser Stelle ausgesprochen modern. Und Sie sehen, wie in diesem Video diese Form von Kulturgut umgesetzt wird. Ich würde es mal ganz knapp so beschreiben, das ist sozusagen eine Kontinuität mit Alexander dem Großen. Wenn ich schon von den Griechen her komme. Die Konstruktion, dass ein entschlossener, gestikulierender, weißhaariger, markanter Führungstyp in eine Auseinandersetzung mit einer anderen Gruppe gezeigt wird- interessanterweise ist in diesen gesamten acht Minuten keine einzige Totale vom Orchester zu sehen- das ist nur und immer geschnitten als entweder Karajan befiehlt expressionistisch, drückt aus, ist gleichzeitig der, in dessen Person sich das Ringen, das Beethoven zugeschrieben wird, realisiert in der Durchführung. Und wie schaut dieses Ringen um das Ganze, um den Ausdruck, wie schaut das aus, so, dass er durch eine kleine Geste mal die Streicher, mal die Bläser zur Arbeit aufruft. In Wirklichkeit ist das Ästhetik von Fritz Lang. Sowohl Nibelungen als auch M. Eine maschinelle Konzeption eines Orchesters. Er steht- er hat halt nur grad keinen Hebel in der Hand, sondern einen Taktstock. Der Taktstock ist sein Hebel, der es ihm gestattet diese Maschine zu bedienen und der Punkt ist natürlich der, auf den ich hinaus will- das ist nicht die Absicht von dem, was hier gemacht worden ist. Das soll Klassik sein. Soll etwas sein, das zu unserer normalen Bildung gehört und was nicht diese Form von- sagen wir mal- Kommandowirtschaft hat, der gegenüber man skeptisch ist. Der Grund, warum ich Ihnen das in der Weise sage ist, weil das für mich schon ein so ein Punkt ist, in dem man sehen kann, um hier noch einmal gleich Heidegger zu nennen, den Heidegger sehr genau gesehen hat, dass die Pflege des klassischen Bildungsgutes in eine Dimension hineingeraten ist heutzutage, die sich von der Technik der Maschinenbedienung nicht mehr wirklich unterscheidet, wenn man scharf genug hinsieht. Der Unterschied ist der, dass das wie gesagt im Konzertsaal statt findet und von daher ist ein Konzertsaal kein Maschinensaal, ist keine Fabrik, aber ist der Regelung, der Steuerung benachbart. Ich habe einen kleinen Überschritt zu dem was ich als zweites Beispiel Ihnen bringen möchte hier als einen Link aus der „Zeit“ zur Verfügung gestellt. Und das ist der Hinweis darauf, dass die Motivik, der musikalische Gestus dieser Sinfonie durchaus auch als musikalisches Angebot und nicht nur in der technischen Umsetzung, die Karajan hier bietet, eine sehr moderne Komponente hat und das ist die „Primitivität“ des Ausgangsmotivs, das geradezu nach vorne greift zur Rockmusik und das also der Unterschied und das ist eine weitere Folge in die ich hineingehe und die ich Ihnen ausbuchstabieren möchte im Laufe der Zeit, dass dieser Unterschied zwischen Klassik und Pop, E-Musik und U-Musik, dass der auch in einer gewissen Weise sehr gezielt aufgebaut ist als eine bildungserhaltende Maßnahme, um es mal so zu sagen, den man untergraben kann durch Hinweise wie den, des Vergleichs von Beethoven und „Smoke on the water“. Das wollte ich Ihnen nur zeigen.

Beispiel „Die Missionare“

Jetzt will ich Ihnen aber die zweite beispielhafte Videopräsentation auch zeigen. Die kommt von einer Gruppe die heißt „Die Missionare“. Als ich das gesehen habe bei der Recherche hab ich mir gedacht, jetzt ist es klar was der Link ist. Sie haben hier die Streicher- die könnten direkt aus dem Video von Karajan rausgenommen sein. Ich werde mich mal zurückhalten, vielleicht fallt Ihnen was ein dazu. Traut sich jemand. „Sie Missionare“ sind, soweit ich das weiß, keine besonders prominente oder tolle Band, aber was sie da tun, was sie mit dem Video tun passt zu meiner Absicht großartig. Welche Absicht von Seiten der Videomacher dahinter ist interessiert mich eigentlich nicht. Ich benenne ein paar Fakten, die da eine Rolle spielen in dem was Sie da sehen. Sie haben einen computergenerierten Film, der Menschen darstellt, als sozusagen simulierte, potartige, sichtbar animierte Kunstwesen, die auftreten, wie Interpreten, die dieselben Aktionen setzen wie die hoch bezahlten Konzertmusiker und die jetzt als die seelelosen Informatikgestalten, die sie sind Ihnen den Slogan vorsingen „Du hast ein Menschenrecht auf Bildung!“, d.h. die Nichtmenschen, die Datenbank generierten, also sozusagen Scheinfiguren, erzählen Ihnen, dass du ein Menschrecht auf Bildung hast, dass darin besteht- und da geht’s jetzt inhaltlich in den Song hinein- das inhaltlich ja darin besteht worin das Menschenrecht auf Bildung. Erstens mal ist an dieser Stelle die Opposition, die aufgebaut wird zwischen den Konzernchefen, die mit den Flugzeugen fahren und die die Wirtschaftskrise zu verantworten haben und denen gegenüber, das ist ein Song, der sich auf die Azubis bezieht, auf die Lehrlinge, die emotionale Basis, die dahintersteckt in so einem Rockmusik-Bildungs-Jingle ist, dass man ein Recht darauf hat, gegen die Konzernchefs etwas zu tun, nämlich Bildung zu haben. Diese Bildung wird aber nicht näher spezifiziert, nicht nur wird sie nicht näher spezifiziert, sie wird nicht nur explizit in einen Bereich hinein genommen, der ganz von woanders her kommt. Du hast ein Menschenrecht auf Bildung, du hast ein Menschenrecht auf Luft, steht da. Das heißt in den natürlichsten Bereich- was Menschrechte sind will ich jetzt auch nicht genauer diskutieren- das heißt aber, dass in jedem Fall einen elementaren Anspruch die Menschen dadurch erwecken können und erheben können, dass sie Menschen sind. Wenn, könnte man das Menschenrecht auf Luft formulieren, wenn etwas ein Mensch ist und sobald etwas ein Mensch ist und sobald wir etwas respektieren als ein menschliches Wesen, dann müssen wir sagen, dann haben wir auch respektiert, dass dieses Wesen atmen darf und soll- alles andere ist Mord in dieser Logik. Und in dieser Linie wird Bildung mit rein genommen- Menschenrecht auf Bildung mit rein genommen- und was an der Stelle für mich besonders bemerkenswert und besonders gezielt in der mit dieser gezielten Verwischung geradezu die Herausforderung ist, ist, dass man jetzt vor der Frage, wie stets mit diesem Menschenrecht Bildung im Anschluss an diesen Clip das folgende sagen muss: In einer Weise ist es vollkommen verständlich und in der anderen Weise ist es ein vollkommener Käse. Das ist ein Teil dessen, was hier gemacht wird und warum das so faszinierend ist. Es ist vollkommen richtig, weil es- wenn man das jetzt mit der Luftanalogie beschreibt- weil es der Fall ist, dass zu menschlichen Wesen auch die Option gehört, dass sie lernen. Dass sie die Möglichkeit erhalten eine persönliche Entwicklung zu wählen, die nicht einfach nur Konditionierung und Training ist, also stellen Sie sich ein menschliches Wesen, dass dem systematisch die Lernmöglichkeiten genommen werden, das ist eine Variante von Mord würde man mal sagen. Das ist also der Wahrheitsbestandteil in der Aussage Menschenrecht auf Bildung und das ist, will ich gleich dazu sagen, das ist natürlich in dieser Allgemeinheit ein Problem, dass die Philosophie rein schlägt, weil die Philosophie gerne diese allgemeinen Überlegungen und diese Legitimationen verfolgt. Auf der anderen Seite, ein Menschenrecht auf Bildung in dem Sinn- ich sag Ihnen jetzt ein Beispiel aus der Jännersitzung des Senats. Der Senat der Universität Wien sitzt zusammen und tagt über bestimmte hochschulpolitische Fragen. Als sich die Türe öffnet und eine Gruppe von ungefähr zehn Studierenden den Raum betritt. Diese Gruppe von zehn Studierenden trägt mit sich eine große Kiste, die als Sarg zu erkenne ist und auf dieser großen Kiste-Sarg steht drauf „Wir trauern um die freie Bildung!“ Spielen dann mit einem portablen Audiogerät spielen sie einen Trauermarsch und marschieren einmal um den Raum herum und stellen sich dann auf der Stirnseite des Senats auf und trauern um die freie Bildung. Das ist etwas was mich- ich hab mich glücklicherweise zurückgehalten- was mir einen solchen Schreib abverlangt, hätte fast wie dieser Schrei hier, „was ist das für ein Blödsinn?“. Wir können sozusagen noch weiter diskutieren. Was ich damit sagen möchte ist, die Form von Allgemeinheit, die ohne spezifisch auf die inhaltliche Abfolge von Bildung einzugehen, die sich nicht damit beschäftigt wo kommt Bildung her, was ist mit Bildung geschehen, welche Suggestionen, welche Klischees verbinden sich mit Bildung. Sich einfach auf dieses Klischee von Bildung, wir wollen Bildung drauf zu setzen und dann um den Tod der freien Bildung zu trauern, dass ist etwas was durchaus- also ich beschreibe es natürlich mit ein bisschen Zungenschlag, aber ich will mich nicht lustig machen darüber- aber das wird ein Teil von dem sein, was ich hier besprechen möchte. Inwieweit so etwas berechtigt ist und inwiefern so etwas selbst ein Teil des Problems ist mit dem wir uns beschäftigen sollen und können.

Fragen aus dem Auditorium

Jetzt haben Sie aber irgendetwas zu sagen.

  • Studierender: Ich wollte nur sagen, die haben wahrscheinlich deshalb protestiert, weil die Studiengebühren wirklich die Leute von der Bildung fern hält und es war wahrscheinlich der einzige Grund.

Nein, es war zu einem Zeitpunkt als die Studiengebühren schon aufgegeben waren.

Studierender: Die sind ja noch immer nicht aufgegeben, oder?

Für 70% der Studierenden fallen sie weg ab diesem Semester. Also nur für die, die in der Regel zu Studienzeit plus ein Semester sind, die zahlen keine Studiengebühren. Die österreichischen Studierenden haben, das war dieser berühmte Parlamentsbeschluss.


  • Studierender: Wie siehst du das in den USA, wo Kalifornien sehr wohl sagt, dass wenn jemand aus einem anderen Bundesstaat zu uns herzieht, die haben ein anderes System, dann zahlt er die 7000 € und alle, die hier schon länger als fünf Jahren Steuern zahlen, die zahlen die nicht, die bekommen sozusagen einen Rabatt. Ist das dann nicht ein kalifornischer Nationalismus?

Gestern, am dies academicus, am Abend um achtzehn Uhr gab’s eine Podiumsdiskussion. Vortrag und Podiumsdiskussion des ehemaligen Präsidents der University of Michigan, Duderstadt heißt der, und er hat uns wieder einmal in Erinnerung gerufen, dass in den USA für die- von wegen Menschenrecht auf Bildung und Bildung und sich’s leisten können- die Topuniversitäten im Jahr 50 000 Dollar in etwa kosten, um dort zu studieren. Das schließt sozusagen Stanford mit ein und dass es in Kalifornien bei den staatlichen Universitäten nun so ist, dass auch die Bewohner, auch die Staatsangehörigen von Kalifornien zahlen bis zu 12000 € und die anderen zahlen bis um die 35000 €. Also der Hinweis ist deswegen sinnvoll, weil dieses Thema, welche Einstellung hat man zum Bildungsgedanken und vor allem wie steht dieser Bildungsgedanke zur Ökonomie, einfach zu elementaren Geldfragen. Wie man sieht in den USA und in Europa sehr unterschiedliche Einstellungen hat. Ich kann eigentlich nichts antworten auf deine Frage, das war ein bisschen eine sorglose Bemerkung von mir im Hinblick auf den Nationalismus. Kapitalismus ist es sicher.

Bolognatsch

Damit wir heute zusätzlich zu den Einführungsbemerkungen und den beiden Löwengestalten beim Eingang aber auch sagen wir zu einer erkennbar philosophischen Themenstellung kommen, möchte ich jetzt doch als nächstes Ihnen einige Gedanken vorstellen von Pierre Hadot. Was ich unter dem Titel Bolognatsch dann noch vorhabe ist also einerseits hier mal Hadot, der die uns bekannten Bildungsideen auf die Struktur der antiken Philosophie zurückverfolgt. Zweitens habe ich Ihnen dann einige Abschnitte aus einem Buch das 2008 erschienen ist von Rudolf Rehn, deutscher Dozent, Philosoph gegeben, der dann das Thema Marktorientierung und Bildung im Bologna-Prozess anreißt. Eines der Beispiele, es gibt zahllose Dokumentationen und Diskussionen darüber. Ich habe Ihnen sozusagen eines genommen aus einem Sammelwerk der Philosophie der Bildung und dann möchte ich als drittes in diesem Abschnitt noch selber ein paar Anmerkungen zu Bologna-Reform an der Universität Wien und wie das in der Philosophie ausschaut vorlegen und damit auch eine gewisse vorläufige Antwort dafür verbinden, wozu die Bildung in den letzten 50 Jahren geworden ist und inwiefern eine Umstrukturierung des Bildungssystems, wie in der Bologna Umstellung, eine legitime oder nicht legitime Antwort auf diese Entwicklung ist. Das sind die nächsten Schritte. Dann, als nächstes gehe ich eben zu Platon Politeia, fünftes Buch, über.

Pierre Hadot

Lebens-Orientierungs-Entwürfe

Pierre Hadot hat in einem sehr wirksamen kleinen Büchlein, das ist keine tiefe, breite Abhandlung, sondern ein ausgedehnter Essay, hat er auf etwas hingewiesen, was jemandem der Philosophie im klassischen Duktus der Universität Wien, vor allem antike Philosophie im Duktus der Universität Wien lernt und lehrt, zunächst mal nicht so nahe liegt. Nämlich, dass Philosophie in der klassisch griechischen und dann hellenistisch griechischen Praxis zentral ein Lebensrezept gewesen ist. Eine Lebensform, ich werde am Ende der Vorlesung auf das Thema Lebensform noch einmal zurückkommen. Hier ist es sozusagen schon definiert und angesprochen von Hadot als eine Geste. Heutzutage haben wir ein großes Angebot von Therapie und Lebensgestaltungsformen, also Meditation für Manager, Feng Shui, sie wissen es besser als ich welche Angebote es am Markt, in dem Sinn auch am Bildungsmarkt, gibt, um das Leben nicht einfach nur gedankenlos abzuspulen, sondern eine Möglichkeit zu finden, das menschliche Leben, den eigenen Anspruch auf Sinn zu fassen in einer Zielvorgabe, in einer Stimmung, in einer Haltung, eine Haltung hinein zu transformieren aus der eine Stabilität und eine Sinndeutung dessen, was der Alltag so ist und so bringt möglich ist. Und die Form, die das in der griechischen Antike genommen hat, da greif ich jetzt noch einmal zurück auf das, was ich im vergangenen Semester in der Vorlesung gesagt habe, ist auf eine signifikante Art und Weise die folgende. Auf dieses Bedürfnis sinnvolles Leben gesteuert zu führen, eine Ganzheit des Lebens zu finden, die einem sozusagen diese Ziele zu erreichen gestattet, auf dieses Bedürfnis haben die so genannten Sophisten, Wanderlehrer, die in Griechenland herumgezogen sind, reagiert im 5./4. vorchristlichen Jahrhundert. Nicht umsonst sind es Wanderlehrer, das ist einer der Gründe warum ich jetzt Feng Shui und Buddhismus für Manager genannt habe. Die Besonderheit von dieser Art von Sinnangebot, die besteht darin, dass in einer bestehenden, kulturellen Situation, die durch geschichtliche Muster geprägt ist- in den antiken Zusammenhängen war das der aristokratisch herrschaftlich geprägte Diktatur Zusammenhang und im europäischen Raum ist es zum Beispiel das Christentum mit den Vorgaben, inklusive Bildungsbürgertum Beethoven, also solche kompakten, über längere Zeit eingespielten sozialen Musterbestimmungen. Wenn die zusammenbrechen wie in Griechenland in der Demokratiesituation, in der es nicht mehr die Orientierung am Meister gegeben hat, sondern in der die Schiffebauer, die Schneider und die Architekten einen entscheidenden Einfluss auf das politische Leben der Gemeinschaft nehmen konnten, entsteht das Bedürfnis zu orientieren, anders als in den historischen Vorgaben und wo kommt das her? Es kommt nicht aus dem Kontext der athenischen Stadtentwicklung, weil das ist genau das, was aufgebrochen ist, dazu braucht man Wanderlehrer, die von anderswo herkommen. Und ähnlich mit dem Christentum- nachdem es nicht mehr besonders populär ist in der Fastenzeit zu fasten und in der Adventszeit auf das Christkind zu warten, braucht man andere Formen von Lebens-Orientierungs-Entwürfen, die man gerne aus den sozusagen wandernden Bestandteilen anderer Kulturen mit einnimmt.

Der Dialog - ein philosophischer "Trip"?

Der wichtige Punkt, den Hadot jetzt aber hervorhebt, ist jetzt das, dass in dem Verlaufe derer Umstürze, die in Athen angesichts einer freien Artikulation von ganz gewöhnlichen Staatsbürgern möglich war, die verdeutlicht verdichtet ist in der Figur des Sokrates, der mit allen Leuten über alles und nichts reden möchte. Also die Möglichkeit ist gegeben in dieser Stadtsituation sich auf die Straße zu stellen und zu fragen „Im Übrigen, was halten Sie von Tapferkeit, Gerechtigkeit, Sinn des Lebens“. In dieser Situation, in der eine Vielgestaltigkeit und auch ein Konfusion auftritt- Sokrates ist ein die Konfusion störender und kritisierender Faktor- die Konfusion, die darin besteht, dass Leute auf die Frage „Was ist tapfer?“ unterschiedliche Antworten geben. Sokrates weist nach, dass die Experten für die Tapferkeit, die vorgesehen sind, die man im Fernsehen interviewt, die man fragt „Bitte, Sie haben gerade eine Schlacht gewonnen. Könne Sie mir sagen, was Tapferkeit ist.“ Dass diese Leute nicht wissen wovon sie reden, wenn sie darüber reden was sie tun und Sokrates, der eine Perspektive eröffnet in dieser Konfusion die Frage dennoch aufrecht zu erhalten. Was ist Tapferkeit? Wir müssen es doch wissen, wir reden doch alle von Tapferkeit, da muss es doch irgendjemanden geben, der weiß wovon wir da reden, den ich nicht widerlege auf die bestimmte sokratische Art und Weise. Also derjenige, der die Konfusion aufreißt und versuchsweiße zu begütigen versucht, der aber das die Dauer nicht aufrecht erhalten kann, der zu viel Irritation produziert, durch diese entlarvenden Faktoren und der nun in der nächsten Bewegung aufgegriffen und instrumentalisiert wird von Platon, der – und da bin ich an der Stelle, die Hadot auch markiert, sie können diese Stelle im Text auch im einzelnen lesen. Und Platon, der diese zum Aufreißen des Problems geeignete Interrogationstechnik aufnimmt, veredelt, verschriftlicht und in eine Form bringt, die für den Bildungsbegriff ausgesprochen und obligatorisch geblieben ist, nämlich Dialoge zu schreiben. Dialoge, die eine gedankliche Bewegung entwickeln und die diese gedankliche Bewegung entwickeln auf ein Ziel des Dialogs. Der wichtige Punkt ist nämlich der, das ist was Hadot an dieser Stelle deutlich macht: Ein Dialog ist ein Weg des Denkens, dessen Verlauf durch die ständig gewahrte Übereinstimmung zwischen Fragendem und Antwortendem bestimmt wird.“ „Die Beziehung zum Gesprächspartner ist also von größter Bedeutung. Sie verhindert, daß der Dialog zu einer theoretischen und dogmatischen Darlegung wird und macht aus ihm zwangsläufig eine konkrete, praktische Übung, eben weil es nicht darum geht, eine Lehre vorzutragen, sondern einen Gesprächspartner zu einer ganz bestimmten geistigen Haltung zu bringen: Es handelt sich um einen freundschaftlichen, aber doch realen Kampf.“ Was Hadot schreibt ist, sagen wir mal, ganz stark durchtränkt von dem Bildungsideal, das wir aus Platon bezogen haben und das er jetzt in die Interpretation von Platon jetzt wieder auch rein, zurück investiert. Ich mach darauf aufmerksam, dass das, was in den platonischen Dialogen wahrzunehmen ist eine viel größere Vielfalt ist als das, was- Dialog beschreibt nicht die Diskussionsverläufe, die Abläufe der Beteiligten in den platonischen Dialogen schauen sehr sehr anders aus an vielen Stellen als das, wie sie hier gestylt werden. Der frühe Sokrates wie gesagt produziert Dialoge, die nirgends wohin führen. Die dort hinführen wo man sagt „Ok, können wir uns leider nicht einigen. Auf Wiedersehen und das nächste Mal treffen wir uns und kriegens vielleicht besser hin“. Der frühe Sokrates ist berüchtigt dafür, dass er ein äußerst unangenehmer Gesprächspartner war, der unter anderem damit beschäftigt war die Leute aufs Kreuz zu legen, um argumentatorisch ausgleiten zu lassen, zu widerlegen. Das sind die sogenannten elenchischen Momente. Elenchos der Widerlegungsversuch- ein terminus technicus, der aus der Gerichtspraxis kommt. Das ist Kreuzverhör- darum hab ich aufs Kreuz legen gehabt, nehm ich sozusagen wieder zurück wenn’s zu drastisch ist. Ein Kreuzverhörsverfahren. Und sie wissen sehr genau, sag ma mal so. Die Idee, die dahinter ist und das, was Platon jetzt auch hat und worauf Hadot besonderen Wert legt ist, dass es eine Form des menschlichen Interagierens gibt, die nicht die Frontbelehrung ist, die nicht das Kommando und nicht die Wissensvermittlung ist, sondern, die- das Schlagwort ist natürlich Hebammenkunst, das Schlagwort ist Gesprächsbereitschaft, die in der Absicht her eine kreative, produktive, zielgerichtet, aufbauende, konstruktive Annäherung an eine Sache ist. Ich glaube, ich muss das nicht weiter ausschmücken. Das ist etwas, das sich in die Festreden hindurch zieht und was ich unter anderem gemeint habe, wie ich gesagt habe. Innerhalb dieses Redens um die Bildung kommt man nicht raus aus dieser Vorstellung und man stellt sich natürlich die Frage, warum soll man da überhaupt rauskommen. Das ist auch etwas, was sinnvoll ist. Darum genau habe ich hingewiesen auf sozusagen Versuche ein Lebensschema, ein lebenspraktische Beschäftigung zu finden, die in sich diese Möglichkeiten anbietet alles zusammen zu ordnen, einen Sinn darin zu sehen und aus dem Sinn daraus etwas zu gewinnen eine Energie, eine Motivation und eine Entwicklungsperspektive. Schön und gut, ist die Entwicklungsperspektive, wie Sie wissen bei Sokrates und Platon. Wollens wir mal so lassen. Der schwierige Punkt ist der, dass die Entwicklungsperspektive, die gibt’s nicht gratis. Die muss von wo herkommen. Sie kennen scheiternde Gespräche, Sie kennen Tratsch, Sie kennen jede Form von Menschen sprechen miteinander und das führt nirgendwo hin. Das ist etwas, was sehr verbreitet ist wie sie wissen und als PhilosophInnen sind wir, nach der platonischen Tradition auf der- Entschuldigung, verzeihen Sie mir jetzt diesen Vulgärismus- sind sozusagen auf einem Trip- Trip kann man auch als Reise betrachten. Wir sind auf einem Trip, der beabsichtigt diese Dispersion, diese Unansehnlichkeit und Verstreuung in einer Form zusammen zu fassen, die eine Charakteristik von Dialog hat in dem Sinn, dass das Sprechen mit sich selbst, das Prüfen der eigenen Gedanken, das Prüfen der anderen Gedanken nicht nur einfach ein Hickhack wird, sondern etwas wird, wo was rauskommt, was ein Ziel hat.

Zusammenführung: Anspruch der philosophischen Praxis

Und jetzt sag ich Ihnen eine Verbindung, die mir sehr am Herzen liegt, warum ich so begonnen habe, wie ich begonnen hab und was ein Hauptmotiv dieser Vorlesung ist. Platon und Karajan stimmen darüber überein, dass es jemanden gibt, der weiß wozu man die Leute anleitet und anführt, der eine Geste versucht und in dieser Geste antworten die anderen. Es gibt –Antworten die Schülerinnen und Schüler. Also eine- wenn Sie jetzt schon externe Lebensformen wollen- eine Zenmeisterattitüde mit dem Stab. Diese Zenmeisterattitüde ist etwas Verständliches genau aus der Absicht Lebensformen zu entwerfen, die sich nicht verlaufen, sondern eine Konstruktion und eine Bündelung haben, die es nicht umsonst gibt, die es nicht auf der Straße einfach gibt. Und die –Hadotscher Hinweise- die etwas mit Praxis, Übung, mit Spiritualität, mit Exerzitien zu tun hat. Wenn Sie Philosophieinteresse haben wage ich zu sagen, sind Sie in einem solchen Duktus drinnen. Nämlich in einem Anspruch, in der Anmutung durch Reden mit anderen und sich selber auf die richtigen Einstellungen, Auffassungen zu kommen. Nicht dorthin dadurch zu kommen, dass wenn Sie Betriebswirtschaftlerin sind, dann wollen Sie auch was wissen. Dann wollen Sie wissen wie man vernünftig eine Bilanz organisiert. Wenn Sie Philosophin sind, dann wollen Sie nicht eine einzelne Frage beantwortet haben, sondern Sie wollen den Ganzen Zusammenhang und Sie wollen eine Entwicklungsrichtung in diesem Zusammenhang. Und ein Hauptthema, von dem, was ich Ihnen vorlegen werde, wird immer wieder sein, dass um ein solches anspruchsvolles Angebot- bei Platon sind das die Ideen, die Formen, das werde ich im Einzelnen Ihnen ein bisschen vordemonstrieren wie man da hinkommt. Um ein solches anspruchsvolles Angebot zu machen brauch ich ein Schockeffekt, das liegt im Begriff Anspruch schon drinnen, brauch ich eine Steilstufe, brauch ich eine Lernkurve, die einigermaßen steil verläuft. Möglicherweise sogar ein Umdenken, eine Neuorientierung und zwar Orientierung auf ein vorgegebenes Idealziel. Dieses vorgegebene Idealziel ist- und das ist jetzt der Punkt- einerseits nirgends vorhanden. Es ist nicht, dass ich das irgendwo lesen könnte, das ist genau der Teil der Praxis. Es muss ein Teil der Praxis sein, dass ich diesen Switch nach dem ich mein Leben orientiere, nach solchem Ideal vollziehe. Ich habe nichts davon wenn ich es nachlese. Wenn Sie Epiktet, Marc Anton- alle diese griechischen Weisheits- und Lebenslehrer lesen- Ich weiß nicht ob es Ihnen so geht wie mir- das klingt alles so klug. So, Lebensweisheit, was mach ich mit einer Lebensweisheit? In dem Moment wo diese Fakten als Lebensweisheiten auftreten, haben Sie nicht verstanden worum es in dieser so orientierten Philosophie geht. Sie müssen es in sich selbst aufnehmen und realisieren.

Die Verknüpfung Bildung und Datenbank

Das ist der Anspruch der philosophischen Praxis. Und die Schwierigkeit ist jetzt die und das ist für mich die Schwierigkeit des Bildungsbegriffs, wo der Bildungsbegriff rüberkippt auf die Datenbanken und auf das sozusagen auf das Erfassbare, Materielle, Planbare, Programmierbare. Es muss auch einen Strang geben, in dem diese Ideale vorgegeben und verwaltet werden. Es muss jemanden geben, der die Ziele festlegt, der die Form vorgibt nach der hin man Ausschau hält. Es muss eine Kenntnis der Umstände geben. Es muss eine Vorgabe für den Entwicklungsprozess geben innerhalb derer der Entwicklungsprozess erfolgreich sein kann. Und diese Vorgabe, die den Entwicklungsprozess als Plan und Ziel bestimmt, das liegt in der Entwicklung. Es gibt keine Entwicklung auf nix hin. Der Begriff Entwicklung ist ein Vorlauf, eine Vorgabe von worauf sich’s hinentwickelt und diese Vorgabe von worauf sich’s hinentwickelt ist ein Schema, das für die Bildungsdiskussion, für die Entwicklung von Lernprozessen wichtig und wesentlich ist, obwohl es- so wie ich es jetzt beschrieben habe- gerade nicht die Charakteristika eines verantworteten, diskussionsvermittelten Prozesswissens hat. Also Bildung ist nicht, ich fange irgendwo an und orientiere mich und schaue dann ob ich da irgendwie hinkomme. Also zumindest nicht die Bildung in der Tradition des Antiken. Das wär ungefähr so wie- ich kann das vielleicht gleich direkt mit dem Hinweis auf das platonische Zentralbild des Höhlengleichnisses sagen- damit Sie den klassischen Bildungsbegriff kriegen, brauchen Sie unter und über der Erde Dichotomie. Das wär ja nicht notwendig. Sie könnten eine ganz andere Beschreibung der Geografie des Aufenthalts des Menschen machen. Inseln, Berge- das ist schon wieder ein bissl kritisch, ich mein Berge sind in bekannter Weise auf Grund des Höhenunterschieds und das Meer auch eine Tiefe- aber die Geografie, die Topologie, die Sie verwenden, um diese praktischen Übungen im Gedanken gestütztem Leben durchzuführen. Auf diese Topologien kommt es doch entscheidend an. Die Topologie mit der wir in unserer Tradition arbeiten ist eine Topologie, die Sie hier sehen. Sie kennen das alles. Ich brings Ihnen nur kurz zur Erinnerung. „Ein Dialog ist in der Tat nur dann möglich, wenn der Gesprächspartner wirklich ein Gespräch führen möchte, wenn er also tatsächlich die Wahrheit finden will, wenn er mit ganzer Seele das Gute erstrebt und damit einverstanden ist, sich den rationalen Anforderungen des Logos zu unterwerfen.“ „Gerade weil sie den Anforderungen des Logos unterworfen und weil sie eine Übung des reinen Denkens ist, ist die Seele vom sinnlich Wahrnehmbaren und ermöglicht es ihr sich zum Guten zu bekehren. Das ist ein Weg, der den Geist zum Guten führt.“

Und da komm ich jetzt vielleicht abschließend auf das Menschenrecht auf Bildungsvideo schnell zu sprechen und auf diese kleine Einstellung, wo die Bikinifrau und der Badehosentyp von der Reling hinunterspringen und ins Bodenlose fallen. Und –ich weiß nicht ob sie’s genau dazu singen- aber „ich hab ein Menschenrecht auf Lust“ singen. Also eine Form von von Weltwahrnehmung, die genau überhaupt nichts zu tun hat mit dieser Form von Platon für Aufsteiger, die also in dem Video mit dem Titel „Menschenrecht auf Bildung“ noch etwas hineinnimmt, was in Wirklichkeit gar nicht dazu passt, systematisch nicht dazupassen kann. Und das ist kein Vorwurf, das ist einfach der Ausdruck, der hier gewählt ist, der aber darauf hinweist und in Erinnerung ruft, dass welche Zonen, Verhaltensweisen, welche Optionen von Leben es gibt, die jenseits, außerhalb, quer zu dem Bildungsthema liegen.

Ich danke Ihnen!

20. März (fehlt noch)

3. April

Die Festrede

Ich begrüße sie zur nächsten Vorlesung von „Bildung und Datenbanken“, und will damit beginnen, nochmal kurz in Erinnerung zu rufen, was sie im Prinzip schon wissen: dass Bildung ein Schlüsselausdruck ist in der kulturpolitischen Debatte, aber nicht nur in der kulturpolitischen Debatte, auch in der politischen Debatte. Zu diesem Zweck um das kurz in Erinnerung zu rufen, habe ich ihnen in der Literaturangabe zu der Vorlesung hier eine Kopie der Festrede der Frau Bildungsministerin eingespielt – zur Gründungsfeier der pädagogischen Hochschulen – eine Festrede zu Bildung. Das ist ein schönes klassisches Genre, das ich auffordere zu kommentieren. Es hat ein Teilnehmer (Benutzer:Googolplex) am 1. April eine ganze Reihe von Anmerkungen an diese Festrede hier verfasst. Ich würde Sie, da mit der Einführung der Transkripte der Vorlesung eine etwas neue und sonderbare Situation entstanden ist, dass nämlich die Transkripte von dem, was ich sage, zwar sachgetreu und fleißig hergestellt werden, aber die Debatte über das, was ich sage, die in früheren Jahren im Wiki sehr lebendig war zum Teil, eigentlich noch gar nicht richtig in Gang gekommen ist, bitten oder sie darauf aufmerksam machen, dass man zum Beispiel anlässlich einer solchen Festrede, die Bildungsthematik hier auch abgesehen von dem, was ich ihnen in der Vorlesung vortrage, diskutieren kann. Das bringt für sie auf jeden Fall mal den handfesten Effekt, dass wenn sie hier teilnehmen an einer Diskussion, an einer Bildungsdiskussion, dann weiß ich genauer, was sie interessiert, worauf ich mich beziehen kann. Dann kann ich das, was ich ihnen hier vortrage auch entsprechend abstimmen. Der Grund, warum ich hier diese Festrede zur Verfügung gestellt habe, ist, dass auf überraschende Art und Weise die Aussagen der Frau Minister in die deutsche Wikipedia in den Bildungsartikel (Original) Eingang gefunden haben. Sie finden es dort nicht nur zitiert, an prominenter Stelle ganz am Anfang wird diese ministerielle Autorität angesprochen und angenommen. Wie sie vermutlich vermuten, bin ich ein starker Anhänger der Wikipedia, aber das geht doch ein bisschen weit. Vielleicht können wir im Laufe der Entwicklung hier auch tätig werden. Das stoße ich aber nur mal an, als Bemerkung. Sie finden das hier unter Literatur auf der Seite.

Bildung für alle – und zwar umsonst

Die zweite Bemerkung, die ich ihnen über dieses Reizwort „Bildung“ vortragen möchte, geht zurück auf eine Erfahrung von gestern Nachmittag. Ich habe ihnen wiederum in der ersten Stunde diese kleine Episode erzählt: In der vorletzten Sitzung des akademischen Senats der Universität Wien, als die Türe aufging, und eine Gruppe von Studierenden mit einem quasi Sarg und einer Trauermusik einmarschiert sind und ein großes Transparent getragen haben: „Wir trauern um die freie Bildung“. Das hat sich gestern am Nachmittag in einer Variante wiederholt: Es war nicht der Senatssaal, es war hier das Neue Institutsgebäude, als eine größere Gruppe von Studierenden diesmal nicht mit einem Sarg, sondern mit Trillerpfeifen und anderem Lärmgerät durch die Gänge gezogen sind und aufgefordert haben zu einer institutsübergreifenden HörerInnenversammlung. Ich teile vielleicht diese Einladung gleich mit. Termin und Ort sind auf diesem Zettel noch nicht drauf. Die Adresse, wo sie Termin und Ort finden, ist: http://powiprotest.wordpress.com/. Das wird wahrscheinlich noch ausgetüfftelt, wo das sein soll. Also so etwas ist sicherlich interessant und im Interesse. Was aber mein Auge angezogen hat, ist ein besonderer Slogan, der da mitgetragen worden ist, und der eine Korrespondenz ist in gewissem Sinn zu dem „Wir trauern um die freie Bildung“. Und dieser Slogan war: „Bildung für alle – und zwar umsonst“.

Umsonst und nichts wert?

Das wäre eine Sache, über die man jetzt auch relativ lange reden könnte, und eine Glosse schreiben könnte. Wenn ich eine Glosse schriebe, dann würde ein zentraler Punkt der Glosse vermutlich sein, dass das Wort „umsonst“ eine eigentümliche Doppeldeutigkeit hat, die vielleicht auch damit zusammen hängt, dass etwas was umsonst ist, nichts wert ist. Und man könnte an dieser Stelle die ganze Ideologie natürlich, die hinter dem Bildungsgedanken steht, auch sehr sehr schön explizieren. Ich habe mich sozusagen so vorgewagt zu sagen: wie hängt das mit „umsonst und nichts wert“ zusammen? Ich halte das natürlich auch für eine ganz starke Ideologie. Die vergangene Vorlesung von mir über Open-Source-Philosophie war ganz zentral davon gekennzeichnet, dass ich versucht habe zu sagen, dass so ein öffentliches Vorurteil wie „wenns nichts kostet, dann kann es auch nichts wert sein“ an hervorragender stelle falsifiziert worden ist durch die Open-Source-Bewegung. Es ist möglich, gemeinsam zu arbeiten und Inhalte herzustellen, die in traditionellem Sinn, im normalen Kostensystem tatsächlich keinen Aufwand bedeuten und die aber höchst qualitativ wertvoll ist. Das ist in jedem Fall möglich. Und auf der Schlagwortebene ist also das Eintreten dafür, dass eine nicht-kostenpflichtige Bildung eine Form von Kreativität und von Entfaltung für Menschen in Aussicht stellt, die man festhalten sollte – auf jeden Fall mal ist es etwas ganz wichtiges. Was mit diesem Schlagwort allerdings verdeckt wird (Schlagworte haben nunmal diese Funktion, dass etwas hervorgehoben wird, und etwas anderes in den Hintergrund gedängt wird), ist, dass weder bei Open-Source, noch im Zusammenhang mit Bildung, die Anstrengung, die dahinter steckt, sachlich, inhaltlich wichtige respektable Resultate zu bringen, dass diese Anstrengung nicht nur in Geld gemessen werden kann – dass das also komplexere Verhältnisse sind. Nehmen sie es bei der Open-Source-Bewegung, dass sie eine ganz bestimmte historische Konstellation brauchen: von Netzwerkgesellschaft, von Computertechnologie, von Kommunikationsmustern, von Leuten, die aus Freude und aus Begeisterung und aus Überzeugung arbeiten. Das alles ist nicht gratis. Das kommt nicht vom Himmel. Das ist nichts, womit man rechnen könnte, wo man sagen könnte: ok, das nehmen wir alles hin, das ist selbstverständlich, warum nicht überall? Das ist nicht so. Die ganz bestimmten historisch, sozialen Bedingungen, unter denen Open-Source entsteht sind vollgestopft mit Voraussetzungen, die man nicht selbstverständlich hat, und für die man arbeiten muss, wenn auch nicht im Sinne der Lohnarbeit. Und die Schlussfolgerungen auf den Bildungsbegriff spare ich mir jetzt zu explizieren. Ich bin aber sehr gern bereit dazu – ich habe es schon ein, zwei mal provoziert. Bezüglich dieser Bildungsdebatte, bin ich nicht sicher, was sie damit anfangen können, vielleicht ist das auch etwas, was für sie nicht mehr so entscheidend ist. Ich würde davon gerne mehr hören von ihnen.

Platon für Aufsteiger

Ich möchte weiter machen, mit dem, was ich in der letzten Vorlesung schon begonnen habe. Nämlich mit dem Unterkapitel „Platon für Aufsteiger“. Und was ich ihnen heute als Platon Lektüre vorlege, kann ich, glaube ich, ohne Übertreibung ankündigen als einen Kommentar, also eine Darstellung von Gedanken, die zu den unerlässlichsten Zentralgedanken, den Grundpfeilern der Philosophie seit 2.500 Jahren gehört. Also eine gedankliche Prägung, die sich unglaublich ausgewirkt hat, und die die Philosophie, wie wir sie kennen, wie sie uns überliefert ist, maßgeblich geprägt hat, von der wir noch immer geprägt sind, und wenn man das mal dargestellt und verstanden hat, wieso auf diese Art und Weise die Grundgestalt der Philosophie zustande gekommen ist. Ich rede immer von der Philosophie – es gibt innerhalb der genannten Zeitabschnitte philosophische Ansätze, die nicht da rein fallen, aber die Plakativität und die Schulbildungskraft, der hier zu verhandelnden Gedanken ist massivst. Also es gibt Österreicherinnen und Österreicher, die nicht deutsch sprechen. Es gibt Österreicherinnen und Österreicher, die keine weiße Hautfarbe haben, es gibt Österreicherinnen und Österreicher, die nicht schifahren können, die nicht Mozart ausstehen können, etc. etc. Aber wenn sie die Typologie des österreichischen Wesens schreiben wollen, werden sie nicht auskommen ohne diese prägenden Bestandteile. Die genannten Ausnahmen könnten sich im Prinzip über die Welt verteilen. Das heißt: um eine Kategorie wie Österreich zu haben, braucht man Typosierungen, braucht man Abstraktionen. Das wollte ich in Erinnerung rufen zur vorweg-Verteidigung, angesichts dessen, dass ich jetzt öfters von „Grundzügen der Philosophie“ rede und von alternativen Ansätzen zunächst absehe.

PhilosophInnen an die Spitze des Staates

Um ihnen diese Begriffsbildung vor Augen zu führen, habe ich aus dem 5. Buch der Politeia von Platon, beginnend mit der Nummer 474 (das ist eine in allen Büchern gemeinsame Standard-Notation der Politeia), ein paar Textabschnitte aufgelistet, und ich habe schon das vergangene Mal damit begonnen, ihnen zu sagen, woher die platonische Argumentation kommt, und welche Absichten sie hat. Ich sollte vielleicht illustrativ dazu sagen, dass das Ziel, worauf das hinausläuft das folgende ist: es soll begründet werden, warum und inwieferne ein ideal konstituierter Staat von PhilosophInnen beherrscht wird. Warum in der Machtposition die PhilosophInnen sind. Die provokante Wendung dieses „PhilosophInnen sind an der Spitze des Staates“ haben wir gestern im Platon-Seminar sozusagen mit einem Hinweis auf die Tierwelt ein bisschen plastisch gemacht, was ich ihnen mitteile als Gedächtnishilfe sozusagen, um den Faktor reinzubringen: Wenn man, wie es in früheren Jahrhunderten gerne gemacht worden ist, die Tierwelt als ein Abbild der Menschenwelt nimmt, wie Platon selber, die Polizei, die Wächterfunktion im Staat mit Hunden vergleicht, kann man sich fragen: Welches Tier würde einem als Herrscherfigur eines solchen Staates in den Sinn kommen? Und wenn ich das hier jetzt abfrage, ist die Wahrscheinlichkeit relativ hoch, dass viele sagen würden: Ein Löwe natürlich! Eine Löwin ist die HerrscherIn des Staates. Und die Besonderheit des platonischen Staates besteht darin, dass er sagt: Nein nein nein, kein Löwe, sondern eine Eule – also der Inbegriff der Weisheit. Also der Inbegriff von „brain und not brawn“ sagt man auf englisch. Hirn und nicht Muskeln – gehört vorne hin. Darauf soll das ganze hingehen. Das wird deduziert durch diesen Zusammenhang.

Triebstrukturen

Und die Deduktion beginnt mit etwas, was ich eben auch schon vorgestellt habe: mit zwei Basisvoraussetzungen: das eine ist: es gibt im Menschen eine gewisse Triebstruktur: ein Begehren, eine Wunscherfüllungstendenz, einen Ehrgeiz, etwas haben wollen – das muss ich wohl nicht weiter erklären. Essen haben wollen, Anerkennung haben wollen, Erfolg haben wollen, was immer. Aber nicht nur das, sondern beispielsweise auch WeinliebhaberIn zu sein, Formel-1 LiebhaberIn zu sein, oder Knaben gerne zu haben, im griechischen Zusammenhang. Und dann gibt es als zweites – und das ist ebenfalls eine Voraussetzung für Platon, die an dieser Stelle schon ziemlich wichtig ist: die Beobachtung, dass man in diesen Trieben, Begierden, Leidenschaften nicht einfach nur verstreut ist, in dem Sinn, dass man sagt, heute interessiere ich mich für Wein, und morgen interessiere ich mich für Briefmarken und übermorgen interessiere ich mich für die Tulpenzucht, sondern wenn man wirklicher Liebhaber ist, dann prägt das das ganze Leben. Dann geht man aufs Ganze. Dann beschäftigt man sich mit jeder Form davon. Also die BriefmarkenliebhaberIn ist dadurch gekennzeichnet, dass sie sich nicht einfach nur interessiert für Briefmarken aus Senegal, sondern auch für welche aus anderen Ländern – für den ganzen Zusammenhang. Das ist die Charakteristik von Liebhaberschaft, von Triebstruktur, an die Platon anknüpft. Man kann natürlich hier schon fragen: warum ist das so? Kann das nicht anders sein? Kann man es nicht anders organisieren? Aber das nehme ich mal als gegeben hin, dass das die Voraussetzung ist, mit der Platon argumentiert. Der nächste Schritt, den ich auch bereits expliziert habe, ist der, zu sagen, ok – wenn wir diese Form von menschlichen Streben haben, dann könnte man, so wie man Wein anstrebt und ExpertIn für Wein ist, ebenso sagen, ok – dann gibt es die andere Untergruppe, da gibt es die Leute, die sind ExpertInnen für Klugheit, für Weisheit, für Sophrosyne (das ist die Besonnenheit) – für Wissen, sagen wir mal so. Diese Freunde der Weisheit. Philos und Sophia, letzteres ist die Weisheit, wie sie wissen. Der Freund der Weisheit ist so wie der Freund der Knaben, oder der Freund des Weines, ebenso eine Begehrensgestalt – das sind die Leute, die interessiert es einfach – für die ist es nicht so wichtig, dass es gut auf dem Gaumen schmeckt, sondern für die ist es wichtig, dass sie klug sind, dass sie Einsicht haben – das sind eben unterschiedliche Triebstrukturen, wenn sie so wollen. Die einen hören lieber Musik, und die anderen schauen sich lieber Bilder an. Die einen gehen lieber ins Schwimmbad, und die anderen gehen lieber in die Bibliothek. So kann man es mal ansetzen und anfangen. Beginnt quasi harmlos. Beginnt auf dieser Ebene von Gleichverteilung.

Die Schaulustigen

Die Schwierigkeit an dieser Stelle führt uns etwas näher in die Story, die ich ihnen erzählen möchte. Weil nämlich der Diskussionsverlauf jetzt so ist, dass an dieser Stelle eine zusätzliche Forderung auftritt, und Platon mit einem Extraproblem kommt. Und zwar, Glaukon sagt hier:

„Du wirst viele und wunderliche Leute dieser Art bekommen, denn die Schaulustigen alle scheinen mir von dieser Art zu sein, sofern sie am Kennenlernen Freude haben, und die Hörlustigen nehmen sich, unter die Freunde der Weisheit gerechnet, höchst wunderlich aus, sofern sie zwar zu wissenschaftlichen Gesprächen und derartiger Beschäftigung von selber nicht wohl Lust hätten zu kommen, dagegen, als hätten sie ihre Ohren verdungen, alle Chorgesänge zu hören, bei den Dionysosfesten herumlaufen und weder bei den städtischen noch bei den ländlichen fehlen.“

Das ist sozusagen das Publikum. Also wenn sie es beim Wein nehmen, dann wären das die Adabeis, nicht? Es gibt in Krems vermutlich eine Wein-Messe, an vielen Stellen gibt es Wein-Messen, und da gibt es Leute, die haben Interesse am Wein, verstehen aber überhaupt nichts davon, die gehen nur dorthin, weil dort die Wein-Messe ist. Und wenn die Wein-Messe in St.Pölten ist, dann gehen sie dort hin. Das sind sozusagen LiebhaberInnen von Wein, die sich aber nicht auskennen. Interessanterweise wird das im Zusammenhang mit Wein und im Zusammenhang mit Knaben nicht genannt, aber im Zusammenhang mit dem Streben nach Weisheit tritt dieses Problem auf, das man das Adabei-Problem nennen könnte. Für Platon: die Schaulustigen: diejenigen, die gerne wissen was und darüber reden, und ein bisschen informiert sind, darüber, was gerade neu erschienen ist, was ist das Spannende, was ist das Neue, wovon spricht man denn jetzt eigentlich in den wissenschaftlichen Kreisen, in der Philosophie? Und die auch die Namen dieser entsprechenden Leute kennen und reproduzieren können; die gescheit ausschauen wollen; die aber per definitionem in einem gewissen Sinn Adabeis sind, Schaulustige, und nicht die, die den Zug auf Weisheit haben. Also die Beobachtung, die hier gemacht wird, ist die, dass wenn man diese Begehrensstruktur voraussetzt, man noch nicht geantwortet hat darauf, ob es auch Überprüfungsmechanismen gibt, und worin diese bestehen; dass das, worauf die Leute sagen, dass sie ausgerichtet sind, auch wirklich das ist, was qualifiziert ist. Ein Terminus, der mich in meinem hochschulpolitischen Geschäft zunehmend mehr beschäftigt und stört ist der wunderschöne Ausdruck „Qualitätsmanagement“. Ein Qualitätsmanagement im Streben nach Weisheit, genauso ein Qualitätsmanagement in der Weinproduktion, und nicht nur in der Weinproduktion, sondern in der Befähigung von sich sagen zu können, dass man etwas von Wein versteht. Es gibt natürlich die Laien, es kann jeder kommen und sagen, er verstünde etwas davon, aber was sind die Kriterien, dafür dass man jemanden glauben kann, dass jetzt den guter Wein empfohlen wird, glauben, dass jemand etwas von Wein versteht? Welche Kriterien werden an dieser Stelle für die Suche nach Weisheit eingesetzt? Was unterscheidet die PhilosophInnen von den Neugierigen?

Die Wahrheit

Hier setzt die Totalisierung ein. PhilosophInnen streben schlicht und einfach nach der Einsicht. Ich will nicht irgendeine Antwort, ich will die Antwort. Die Einsicht – PhilosophInnen streben nach Einsicht, PhilosophInnen streben danach im Bereich des Wissens Erfahrungen zu machen, ausgewiesen zu sein. Die Frage, die ich jetzt aufgeworfen habe, ist, wenn jetzt dieses Wissen, nach dem da gestrebt wird, ein ausgesprochen divergentes Wissen ist; dass das Wissen um Modelleisenbahnen; das Wissen darüber, wie man einen Automaten austrickst; das Wissen darüber, welche Gesetze jetzt in der Weltwirtschaft herrschen (alle diese unterschiedlichen Wissensformen sind nicht genug um die Frage zu beantworten), was ist eigentlich das qualifizierte Wissen, um das es da geht? Also schlagwortartig gesagt, terminologisch gesagt, die Frage, die Platon aufwirft: Was ist der Unterschied zwischen den Schaulustigen (den Adabeis) und denen die echt eine Ahnung haben, von dem worum es da geht. Statt es mit Wein zu artikulieren, sondern mit dem Themenfeld des Wissens zu artikulieren: Das sind nicht diejenigen, die auf die verschiedenen Kongresse fahren und zu den verschiedenen Versammlungen gehen, um dort etwas von Leuten zu hören, sondern das sind die, die nach der Wahrheit suchen. So ähnlich wie die, die nach dem guten Wein suchen. Die, die sich nicht dadurch motivieren lassen, dass ihnen interessante, neue, mit Erkenntnis verbundene Informationen gegeben werden, sondern die nach der Wahrheit suchen. Das ist zunächst einmal eine sprachliche Einführung, ein sprachlicher Trick. Sie sehen in der Art und Weise, wie ich ihnen das darstelle, dass es im Hintergrund dieses Qualitätsproblem gibt, diese Art von Unterschied zwischen daherkommen, oder eine Sache ernsthaft verfolgen. Und dass die sprachliche Art und Weise, wie das umgesetzt wird bei Platon, der Unterschied zwischen Vielfältigkeit und Singular ist, Pluralität und Singular. Zwischen der Wolke von Informationen und dem, was in der Wolke von Informationen das ist, worum es geht, was klassischer Weise ausgesprochen wird, auf der einen Seite verschiedenste Meinungen, Stellungnahmen, Statements. Stellen sie sich vor, sie sitzen vor dem Fernsehapparat und haben die Fernbedienung in der Hand und können innerhalb von zwei Minuten 25 Statements über die selbe Sache sich sofort präsentieren lassen. Und wenn sie jetzt eine PhilosophIn sind, dann fragen sie: Wovon sprechen die eigentlich? Was stimmt von dem, was sie sagen? Was ist hinter diesen 20 oder 5 Statements? Sie wollen nicht einfach nur sehen, wie die Merkel und der Barack Obama und der Sarkozy und der Gordon Brown vor das Mikrophon treten und etwas über diese Ergebnisse sagen, sondern sie fragen sich, worum geht es da? Wovon ist die Rede? Was ist richtig, von dem, was die da sagen? Was soll ich akzeptieren? Das ist ein ganz entscheidender Punkt. Sie treten sozusagen von der einen Position – die des Couchpotatoes, des Thrills der neuen Nachrichtenwelt in die andere Position: zu sagen, es ist ja ganz unterhaltsam, oder weniger unterhaltsam, ärgerlich unterhaltsam wie immer, was einem da geboten wird an Infos und an Statements, und sie treten rüber und sagen: also ich möchte aber wissen, worum es da geht. Und ich hab jetzt gesagt: was kann ich davon akzeptieren? Und damit stellen sie einen anderen Typos, sie stellen überhaupt eine Frage, also sie ergreifen einen anderen Typos von Verhaltensweisen, indem sie diese Art von Frage stellen – sie können natürlich verschiedenste Fragen stellen: wenn sie sich diese 5 Statements ansehen, können sie die Frage stellen: wer kommt besser rüber? Sie können die Frage stellen: warum ist da keine Frau dabei? Da ist eine Frau dabei. Sehr gut. Aber stimmt das Verhältnis? Und ähnliches, usw. Und sie können die Frage stellen: was davon kann ich akzeptieren? Und in dem Maße, indem sie fragen, was akzeptiert werden kann (das werden sie vermutlich auch so sehen), ändert sich etwas von der Praxis, die sie verbinden mit der Show-Welt, die im Fernsehen zum Beispiel auf sie zukommt. Das ist eine Bewegung, die für Platon jetzt eben ganz entscheidend ist, die ich ihnen in Alltagsterminologie dargestellt habe, die aber in philosophisch genauer Terminologie bei Platon eingeführt wird als ein Unterschied zwischen der Vielfältigkeit der Eindrücke, denen Menschen unterliegen, und dem Einen – diesem, ich sagte schon: die Vernunft, dem Einen.

eins, zwei, viele

Da ist aber meine Unterüberschrift in dem Zusammenhang: „eins, zwei, viele“. Ich lese vor:

„Welche nennst du aber die Wahren? fragte er. Diejenigen, erwiderte ich, welche die Wahrheit zu schauen begierig sind. Das wäre schon recht, versetzte er, aber wie verstehst du das?“

Das spricht mir wirklich aus der Seele, und ich möchte sie ganz stark darauf hinweisen, dass ihnen diese Frage auch unter den Nägeln brennen sollte, und sie sollten das genauso sonderbar finden, wie das Ding hier dargestellt ist: Da gibt es jemanden, der sagt, es gibt Leute, die sind auf Wahrheit aus, und darauf kann man als erstes nur sagen: kannst mir bitte erklären, was das heißt? Auf Wahrheit aus zu sein? Die Erkenntnis anzustreben? Ich kann etwas damit verbinden, dass mir jemand sagt: aber du kannst doch nicht einfach glauben, was dir die Zulassungsbehörde sagt, oder was dir die Frau Ministerin sagt. Du solltest doch das besser nochmal überprüfen, ob das auch stimmt. Diese Art von Behauptung und Überprüfung von Behauptung ist etwas, was man kennt, und womit man umgehen kann. Folgendes kann man eben mit Modelleisenbahnen und Formel-1 und statistischen Behauptungen in jedem Fall nach bestimmten Regeln tun: man kann überprüfen, ob etwas, was einem vorgesetzt wird nach bestimmten Kriterien auch plausibel, überzeugend ist. Wenn aber jemand sagt: ich will jetzt von einer bestimmten Menge von Leuten reden, von einem ganz bestimmten Typos von Menschen: das sind nicht die Menschen, die sich zur Gewohnheit gemacht haben, Behauptungen nachzuprüfen, abzuchecken, also es sind keine Rechnungsprüfer, Bilanzprüfer von Wahrheitsbehauptungen: wieviel von dem, was eine PolitikerIn gesagt hat, ist wahr? Und das dann jeweils mitschreiben und abhacken, oder nicht. Sondern das sind die Leute, die eben nach der Wahrheit streben. Wenn jemand ihnen so etwas sagt, nochmal, haben sie Recht zu sagen: wie verstehst du das? Und die Antwort von Platon (er weiß schon, dass das eine Zumutung ist) ist: „Keineswegs leicht für einen andern, war meine Antwort, du aber wirst mir, glaube ich, folgendes zugeben.“ Er ist unter Begründungszwang, er muss erklären, was er damit meint, wenn es um die Wahrheit geht. Und was er jetzt macht, gehört nun eben zu den grundlegenden Weichenstellungen, von denen ich gesprochen habe. Er erklärt das nicht sofort, er macht das mit einem kleinen Umweg: Er sagt,

„[d]aß Schön und Häßlich, weil sie einander entgegengesetzt sind, zwei seien.“ Sowie: :„Und da sie zwei sind, so ist auch jedes von beiden eines? Auch dies. Und von dem Gerechten und Ungerechten und dem Guten und Schlechten und von allen Begriffen gilt dasselbe, daß jeder für sich eins ist [...]“

Was kommt da rein, als eine gedankliche Bewegung, die erklären soll, was es heißt, nach Wahrheit aus zu sein? Es ist ein – ganz banal gesagt – Dualismus, eine antinomische Struktur: er sagt, wenn wir darauf antworten sollen, dann müssen wir davon ausgehen, dass in einem ausgesprochen allgemeinen und wesentlichen Sinn, Sachen die uns wichtig sind, in Paaren auftreten: gut und böse, schön und hässlich, wahr und unwahr, gerecht und nicht gerecht. Das sind Dualismen, mit denen wir operieren, und sie sehen, dass der Hinweis auf diese Dualismen einen Schnellschuss, einen Kurzschluss mit sich bringt, nämlich, angesichts der Behauptung „das Wahre ist das Ziel“, angesichts dieser Behauptung das erklären zu wollen, macht er einen Zwischenschritt: die erste Opposition war: die vielen verschiedenen Sachen, die Schaulustigen, die alles mögliche machen, auf der anderen Seite: das eine Ziel. Und er sagt jetzt: zwischen den beiden gibt es den Dualismus. Darum: eins, zwei, viele. Es ist nicht so, dass man einfach sehen kann, es gibt das sich-verstreuen in die Mannigfaltigkeit und dann gibt es das eine, auf das man konzentriert und motiviert sein kann, sondern um zu erklären, wie man auf das eine sich konzentrieren kann, führt er diese Gegensatzpaare ein. Also das Wahre und das Unwahre. Es ist nicht so, die vielen Wahrheiten und das eine Wahre, sondern es ist die Vielheit und dann das Wahre und Unwahre, das Gerechte und das Ungerechte. Und die interessante Frage, die entscheidende Frage in dieser Konstruktion ist jetzt die, warum kommt er zu dieser Form von Dualität? Wo kommt denn das her? Was ist die Basis für diese Strategie? Dass Platon hier dual denkt in dieser Explikation? Und die Antwort, die ich gebe, das ist eine Antwort, muss ich ihnen sagen, ist nicht etwas, das sie oft hören in Lehrbüchern in der Philosophie, sondern das ist etwas eine spezifische Antwort in Hinblick auf das Ziel dieser Vorlesung „Bildung und Datenbanken“, die ich gebe, in Hinblick darauf, dass ich Platon und den Tractatus von Wittgenstein in direkte Verbindung miteinander bringen will. Die Antwort ist die, dass man dieses Phänomen der Dualität aus Sätzen kennt. Das ist die Charakteristik von Sätzen.

Behauptungssätze

Sätze sind dadurch gekennzeichnet, dass sie wahr oder falsch sein können, das ist etwas, das nicht Platon sagt, sondern das kommt aus dem Wiener Kreis, und von Frege und Wittgenstein. Unter Sprachäußerungen, die ja vielfältigster Art und Weise sein können (ich kann phantasieren, plappern, assoziieren, ich kann Wordrap produzieren, ich kann beten), die unzählige sind, gibt es einen Typos von Sprachäußerung, der in der sprachanalytischen Philosophie im Wiener Kreis und in weiterer Folge als absolut zentral betrachtet worden ist, und das sind diejenigen Sprachäußerungen, angesichts derer man in einen Bejahungs- oder Verneinungsstatus kommt. Also an der Stelle, wenn ich sie frage: bitte wieviel Uhr ist es? Und sie sagen: es ist 10:30 Uhr, dann ist dieses „es ist 10:30 Uhr“ als Satz dadurch gekennzeichnet (Sie könnten auf die frage „Bitte wieviel Uhr ist es?“ auch antworten: „What time is it?“. Dann haben sie die Frage als Bitte um Übersetzung verstanden und nicht als Bitte um eine Behauptung), dass in dieser Sprachhandlung die Konstruktion, dass sie Worte produzieren, die vor dem Test stehen (ist das richtig oder ist das falsch?), drinnen steckt. Die bestätigt werden kann, wenn ein Zweiter eine Uhr ansieht, und sagt: „ja, stimmt“.. „nein, stimmt nicht“. Dann sehen sie, es ist zentral für diesen Satz, was ich haben möchte, ist eine Behauptung, die mit „ja“ oder „nein“ beantwortet werden kann. Das ist etwas, was aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts in die Philosophie zentral eingeführt worden ist. Was ich ihnen hier bei Platon vor Augen führen möchte, ist, dass im Prinzip die selbe Auffassung auch dort schon vorhanden ist. Und zwar warum und inwiefern? Insofern Platon zwischen die Vielfältigkeit, die Verstreutheit und das Eine, einen Dualismustypos einführt, den er als sprechendes Wesen nur haben kann von der Praxis der Behauptungssätze. Sie können, wenn ich es ihnen sozusagen an anderem Beispiel bringe, nämlich sagen, um plausibel zu machen, warum das mit Sprache wesentlich zu tun hat: Stellen sie sich vor, sie haben keine Sprache, wie immer das vorstellbar ist, und leben aber trotzdem in einer Welt, wo die Sonne aufgeht und untergeht. Dann werden sie feststellen, dass im Laufe des Tages es manchmal heller ist, manchmal dunkler wird, manchmal sehen sie gar keine Sonne, manchmal ist es stockdunkel, dann geht es wieder ein bisschen heller los. Das heißt sie haben Wahrnehmungen von unterschiedlichen Lichtzuständen im Laufe der Zeitachse. Das können sie wahrnehmen, das nehmen auch die Tiere wahr – zweifellos. Also man kann experimentell mit Sicherheit schön nachvollziehen, dass Tiere auf Lichtdifferenzen reagieren. Aber was Tiere nicht können ist zu sagen: „das ist ein neuer Tag“. Oder: „jetzt ist Nacht, und nicht Tag“. Das sind Behauptungssätze, die das folgende leisten: die legen sich darüber, über eine modulierte Vielgestalt von sinnlichen Eindrücken und haben ein Einteilungssystem, das an dieser Stelle astronomisch definiert ist, und das als Einteilungssystem sie dazu fähig macht, Behauptungssätze zu formulieren, die einen Schnitt hinein machen. „Jetzt fängt der neue Tag an“ – das ist nicht ein Effekt, der einfach z.B. zwischen dunkel und hell ist. Was dunkel und hell ist, verläuft sich. Der neue Tag kann, je nachdem ob Sommerzeit oder nicht Sommerzeit ist, was immer ist, kann der neue Tag mit Helligkeit und mit Dunkelheit anfangen. Das wichtige ist, dass sie eine Segmentierung in der sinnlichen Vielfalt wahrnehmen, die sie verantworten können, wollen und müssen gegenüber ihren anderen Mitmenschen als etwas, was sie festhalten oder aber verwerfen. Hier haben sie die Dualität – um die geht es und das ist meine Pointe – das können sie nur in der Sprache machen. Sprachausdrücke, Sätze haben diese Qualität, dass sie verbunden sein können mit diesem ja/nein, falsch oder richtig. Lichtzustände, Lichtverteilungen, was immer sie wollen, haben diese Eigenschaft nicht. Das heißt, die Sprache hat ihre Fähigkeit, Akzeptanz oder Verwerfung zu produzieren – und zwar genau diese beiden. Sprache kann viel mehr natürlich auch. Sprache ist ein sehr sehr reichhaltiges Instrument. Aber wichtig und entscheidend ist an dieser Stelle dieses fundamentale Instrument des ja/nein, und dieses fundamentale Instrument ist nun natürlich das, was diese Dualismen von schön/schlecht, hier/dort, usw. erzeugt. Womit ich also sagen möchte, dass Platon in der Charakteristik dessen, was es heißt, dem Wahren nachzueifern, ein Feature reinbringt, das direkt an dem Satzgebrauch anschließt. Nämlich an die Qualität, dass das Wahre als Eines auftritt, im Gegensatz zum Anderen, zum Zweiten, zum Falschen. Das Schöne im Unterschied zum Hässlichen. Das ist deswegen (das werden wir noch mehrfach sehen) an dieser Stelle von zentralster Bedeutung und zieht sich von Platon bis in die Gegenwart mit rein, weil jemand, der sagt: „er sieht das Wahre“ vor die Frage gestellt werden kann: ok, und wonach kann ich das messen? Wonach kann ich das beurteilen, dass es um das Wahre geht, gegenüber den vielen anderen Dingen, die man auch machen könnte? Und die Antwort, die in diesem Dualismus drinnen steckt, ist die folgende zu sagen: es gibt den einen Check, es gibt diese Unterscheidung, und diese eine Unterscheidung ist, dass wenn du einen Satz ausprichst, für den du beanspruchst, dass er wahr ist, dann hast du dich in ein Spiel eingelassen, indem du rechnen musst damit und zulassen musst, dass jemand dir widerspricht, dass jemand sagt: „nein“. Wenn sie Wordrap machen, dann ist das nicht so. Sie sind für ihre Assoziationen im Wordrap selber verantwortlich, da kommt genau das nicht, da haben sie diese Art von Überprüfungsmechanismus nicht. Wenn sie aber eine Behauptung machen, wenn sie eine Antwort auf eine Prüfungsfrage geben wollen bspw., dann setzen sie sich der möglichen Widerlegung aus. Und dieses sich-aussetzen der Widerlegung ist im Outline, also sozusagen in der Basis dadurch gekennzeichnet, dass jemand das verwerfen kann, was sie sagen. Und zwar genau das und gerade das umdrehen, zu sagen: „nein, falsch“. Das ist eine Bewegung (des ja-Behauptens, des nein-Umdrehens), die zunächst nichts direkt mit dem zu tun hat (darum werde ich jetzt gleich als nächstes daraufkommen), was sie da sagen. Das, was sie sagen hat einen Inhalt, hat eine bestimmte Gestalt, hat zum Beispiel diese Gestalt: „Es ist 10:30 Uhr“. Das ist wie man sprachanalytisch sagt der Sinn des Satzes, die Bedeutung in einem konventionellen Sinn; das, was sie mitteilen wollen. Der Gehalt dessen, was sie mitteilen wollen ist: „es ist 10:30 Uhr“. Dieser Gehalt unterliegt einem Prüfverfahren, und dieses Prüfverfahren ist abstrahiert, ist unabhängig von dem Gehalt zunächst einmal – das verlangt die Kompetenz zu wissen, was ein Prüfverfahren ist, verlangt eine andere Kompetenz. Um herauszufinden und verstehen zu können, was jemand sagt, der sagt: „es ist 10:30 Uhr“ brauchen sie andere Qualitäten. Sie brauchen Qualitäten davon: sie müssen wissen, was eine Uhr ist; was eine Uhrzeit ist, etc. Das unterscheidet sich von der anderen Kompetenz, die darin besteht, dass sie wissen, was es heißt, eine Behauptung aufzustellen und um eine Behauptung zu widerlegen. Und diese Form von Dualität, die Platon hier mit herein bringt, ist die Kompetenz in der Dualität und dann die Kompetenz den einen Teil der Dualität, nämlich das Wahre herauszuheben und zu fokussieren. Das ist diese Kompetenz, das ist die Besonderheit der Wahrheitsorientierung.

Teilhabe an der Wahrheit

Der zweite Schritt ist jetzt der, und das muss ich ihnen jetzt dadurch erklären, dass ich den Satz vorlese, bei dem ich vorher aufgehört habe, nämlich: „Und von dem Gerechten und Ungerechten und dem Guten und Schlechten und von allen Begriffen gilt dasselbe, daß jeder für sich eins ist“, hier geht es weiter:

„aber dadurch, daß er infolge der Mitteilung an Handlungen und Körpern und anderen Begriffen überall zur Erscheinung kommt, jeder viele zu sein scheint?“

Sie haben also jetzt einerseits den Begriff von allen Begriffen, das sind übrigens die „Eidon“ (εἶδον). Ich habe ihnen die griechische Übersetzung von dieser Passage hier vorgestellt. Das Gute und das Schlechte, das Gerechte und das Ungerechte, das sind alles Eidon, Vorgaben, Sonderkonstruktionen – nennen wir es behelfsmäßig „Begriffe“. Mit diesen Begriffen hat es eine besondere Bewandtnis, und diese besondere Bewandtnis besteht darin, dass diese Begriffe infolge der Mitteilung an Handlungen und Körpern überall in Erscheinung kommen. Das heißt jetzt auf griechisch (das ist das, was ich ihnen mit der Farbe ausgezeichnet habe): die Koinonia (κοινωνίᾳ). Koinonia ist der entsprechende zentrale Begriff: die Gemeinsamkeit, und das ist eine Ähnlichkeit, eine Teilungskategorie. Und die Teilungskategorie bezieht sich jetzt auf das Verhältnis von diesen herausisolierten, dualistischen Konstruktionen: Gerechtigkeit/nicht-Gerechtigkeit, Wahrheit/Unwahrheit und dem, was an diesen Begriffen teilhat. Das ist die platonische Betrachtungsweise. Ein anderer Begriff für Teilhabe ist Metechein. Also Koinonia – Gemeinsamkeit; Metechein – Mitteilhaben. Von Teilhaben, von diesem Metechein kommt der Fachausdruck Metexis, und Metexis ist der Terminus für die platonische Lehre der Teilhabe. Was nimmt jetzt an was teil? Wir haben gesehen: es gibt über die ja/nein Satzverwendung einen zugänglichen zentralen Begriff, zentrale Werte, wie gut/schlecht, wahr/falsch, und dann gibt es etwas, was daran teilnimmt. Was ist das, das daran teilnimmt? Indem, was ich bisher expliziert habe, kann man sagen, es ist der Inhalt des Satzes, der Inhalt der Aussagen, die auf diese Art und Weise behandelt werden. Ich habe vorhin gesagt, es ist ein Unterschied, zwischen den Fähigkeiten, die sie brauchen, um den Sinn eines Satzes zu verstehen, und der Fähigkeit, die sie brauchen, um zu verstehen, was es heißt, einen Satz zu behaupten und zu widerlegen. Die Teilnahme, von der Platon hier redet, ist nun die Teilnahme des Inhaltes des Satzes, des Sinns des Satzes an der Wahrheit in dem speziellen Fall. Also klassisch würden sie dann versucht sein zu sagen: in dem Moment in dem „es ist 10:30 Uhr“ wahr ist, das heißt, dem Urteil eine richtige Basis verleiht, dass es wahr ist. In diesem Fall nimmt der Inhalt von „es ist 10:30 Uhr“ an der Wahrheit teil. Also das sind jetzt, würde ich sagen, epoche-machende zentrale Bahnungen, Redeweisen, die eingeführt worden sind an der Stelle, dass man die Teilhabe von Satzinhalten an der Wahrheit ausdrücken kann. Und was heißt diese Teilhabe? Das ist aus dem, was ich ihnen gesagt habe vielleicht jetzt deutlicher sichtbar: das heißt, dass ich etwas, was ich mit Sätzen machen kann, nach Regeln von ja/nein, plus/minus funktioniert, und was nach diesen Regeln als Wahrheit oder Falschheit von Sätzen beschrieben werden kann. Was ist nach diesen Regeln Wahrheit oder Falschheit von Sätzen? Die Wahrheit von Sätzen ist: ich akzeptiere diesen Satz, ich setze die Wahrheit eines Satzes, und ich weiß, was es heißt, einen Satz zu behaupten. Das ist die Wahrheit, und diese Art von Wahrheit. Diese Art von Praxis stahlt aus, wirkt auf das, wozu sie diesen Satz inhaltlich verwenden: nämlich die Behauptung. Und was sie hiermit haben, ist die platonische Konfiguration, wie die Schaulustigkeit, die Vielfältigkeit, von der wir ausgegangen sind, sich verbindet mit der Eindeutigkeit und der Einzigartigkeit, die wir auch haben wollen, wenn wir vom Ganzen reden. Und es ist klar, worin das besteht: in den Inhalten der Sätze gibt es diese Unterschiedlichkeit und die Schaulustigen, in meinem Beispiel die vor dem Fernsehapparat Sitzenden, die durch die Statements durchzappen, kriegen diese Vielfältigkeit mit, und diejenigen, die nach Wahrheit suchen, suchen nach der Wahrheit, die sich abbildet, in diesen Verschiedenheiten. Und es ist klar, dass sie hiermit einerseits einen ontologischen Bruch von größter Bedeutung geschaffen haben, nämlich zwischen vielen verschiedenen Inhalten und einer Wahrheit, und dass sie gleichzeitig eine Konstruktion haben, in der diese eine Wahrheit erklärt wird, wie es denn sein kann, dass diese eine Wahrheit immer nur eine Wahrheit ist – immer nur eins, da ist kein Inhalt drinnen, in ja/nein ist kein Inhalt, sondern das ist eine Strategie mit Inhalten umzugehen. Wenn sie diese Strategie mit Inhalten umzugehen fokussieren und als das eigentliche Ziel nehmen, dann sind sie dem Inhalt keinen Schritt näher. Die Vermittlung mit Inhalt – Vermittlung ist da eben auch ein zentraler Punkt – die Vermittlung zum Inhalt ist etwas, was sie dadurch kriegen, dass sie diese Teilhabe-Funktion konstruieren, wie immer sie das denken können oder wollen. Ich habe ihnen, was ich jetzt sozusagen frei-hand erzählt habe, hier ein bisschen ausartikuliert.

Das Schöne selbst

Und ich gehe hier gleich weiter zum nächsten Punkt an dem dann deutlicher wird, wie entscheidend das eingreift in die Strukturierung der Bevölkerung, und in den (um das jetzt hier auch gleich zu sagen) Eliteanspruch der Philosophie. Ich lese vielleicht mal vor:

„Hiernach also, fuhr ich fort, unterscheide ich einerseits die soeben von dir genannten Schaulustigen und Kunstliebenden und aufs Handeln Gerichteten, und andererseits dann die, von denen die Rede ist, die allein man mit Recht Weisheitsfreunde nennt. Wie meinst du das? fragte er. Die Hörbegierigen und Schaulustigen, antwortete ich, haben doch wohl ihre Freude an den schönen Stimmen und Farben und Gestalten und allem, was aus dergleichen gearbeitet wird, vom Schönen selbst aber ist ihr Sinn unfähig das Wesen zu schauen und seiner sich zu freuen.“

Da ist jetzt die Rede davon, und der entscheidende sprachliche Mechanismus in dem Zusammenhang, den ich ihnen dargestellt habe, in der Sprache auszudrücken, ist die Formulierung: „es ist möglich, das Schöne selbst zu schauen“, „das Wahre selber, anzustreben“ – hier unten haben sie das nochmal in griechisch von der Formulierung: „αὐτὸ δὲ κάλλος“ – das Schöne selbst, das Wahre selbst zu schauen. Das ist eine Erfindung, eine Sprachwendung von größter Wichtigkeit – und das ist auch einer der Gründe warum ich so eine Tendenz verspüre, so eine Versuchung verspüre, an dieser Stelle griechisch mit rein zu nehmen, quasi zurück zu fallen, zurück zu greifen auf das Griechische. Das ist sozusagen der Sprachkontext in dem dieser Fachausdruck das erste Mal geprägt worden ist – der findet sich dort im Text: „αὐτὸ δὲ κάλλος“, „αὐτὸ τὰ ἀλήθεια“ – und man steht staunend davor und will jetzt erklären, was man darunter verstehen kann. Die Besonderheit dieser Konstruktion will ich in zwei Hinweisen nochmal fassen: der eine Hinweis ist sprachanalytisch, nämlich, was passiert da eigentlich, wenn Platon sagt: es ist nicht nur möglich, schöne Dinge zu sehen, also sich daran zu freuen, dass es schöne Dinge gibt, sondern man kann auch das Schöne selber sehen. Und an Stellen, die ich ihnen hier nicht aufgeführt habe, aber die sie bei Platon leicht finden, geht das dann weiter, so dass er sagt: schöne Dinge sind natürlich schön. Schöne Dinge sind die, für die man das Prädikat „schön“ anwendet. Und dann geht es weiter bei Platon: und das Schöne selbst, wie würden wir das nennen? Das ist natürlich das Schönste. Schöne Dinge sind schön. Aber Schönheit ist überhaupt das Schönste. Schönheit kann gar nicht anders, als schön sein, weil Schönheit das Vorbild und das Leitbild des Schönen ist, und wie wäre es denn möglich, dass das, was alles Schöne schön macht, nicht selber schön wäre? Das ist eine platonische Konstruktion. Ich halte diese für vollständig lächerlich. Das sage ich jetzt als Sprachanalytiker. Wenn man das runter nimmt auf den normalen Sprachgebrauch, dann funktioniert das irgendwie so wie: der Tisch ist braun – ok, kann ich jetzt das Prädikat braun auch von braun aussagen? Die Farbe Braun ist die Farbe Braun braun? Ich hoffe, sie werden verneinen. In der Diskussion heißt das auf englisch: die „Selbstprädikation“. Das heißt, dass man von einem Prädikat die Eigenschaft aussagen kann, die dieses Prädikat selber enthält. Das funktioniert in bestimmten Zusammenhängen, dort ist das durchaus legitim. Ein Beispiel aus der der Mengentheorie: die Menge aller Mengen ist selber eine Menge. Das führt dann hin und wieder auch zu Problemen, aber sie können sich, je nachdem in welchem System sie sich befinden, die Erlaubnis nehmen, zu sagen: wenn wir als Mengenkriterium nichts anderes ansetzen, als die Sammlung von Elementen zu einer Gesamtheit, dann können sie sich auch alle diese Gesamtheiten wiederum gesammelt vorstellen, und das ist dann auch wiederum eine Menge. Eine Menge ist etwas, was sie zu Elementen sagen, aber sie können das selbe Prädikat auch auf Mengen anwenden. In Zusammenhang mit einem solchen Beispiel wie „braun“ ist es klar, dass das nicht so funktioniert, dass sie dieses Prädikat nicht nochmal an sich selber anwenden können. Das ist aber für Platon ein entscheidender Schritt in der Konstruktion der Homogenität zwischen diesem Höchsten (der Wahrheit, dem Guten) und den vielen Dingen. Denn das, worauf er hinaus will, ist, dass er sagen will: es gibt diese Spitze: die Schönheit des Schönen, und diejenigen die, weil sie kompetent sind, schön und unschön zu beurteilen, kennen diese Schönheit. Diese Schönheit gilt dann als Kriterium, dessen leiten, regulieren und determinieren zu können was die Schönheit in den einzelnen Bereichen ist. Das ist sozusagen die Behauptung der Selbstprädikation, die hier drinnen steht. Und das ist der zweite Punkt, den ich sagen will: diese sprachliche Behauptung wird nun verwendet, um zwei Typen von Menschen zu unterscheiden, die zwei verschiedene Arten von Fähigkeit haben: die einen sehen schöne Dinge, können sozusagen Dinge sehen und können in etwa sagen: ok, das ist schön; und die anderen sehen die Schönheit, weil die Schönheit kann auch schön sein, allerdings nur unter bestimmten Bedingungen, und was sind jetzt diese Bedingungen? Die Bedingungen sind, dass man eine Einsicht in das Schöne hat, und das ist offensichtlich eine andere Form von Schauen. Sie können das Schöne als das Prinzip dessen, was ihnen möglich macht, bestimmte schöne Dinge zu qualifizieren, nicht so sehen, wie die verschiedenen Dinge, die sie qualifizieren – das können sie nicht. In dem Moment, in dem sie sagen: aber die LiebhaberInnen der Schönheit und der Weisheit sind charakterisiert dadurch, dass sie einen Zugang zu diesem Prinzip zu diesem Schönen haben, statten sie diese Personen mit einer ganz besonderen Sichtweise aus, mit einem Sehvermögen der anderen Art, wenn sie so wollen. Und dieses inspirierte, intuitive, einsichtige, philosophische Sehvermögen ist das, worauf es Platon an dieser Stelle dann doch wohl ankommt, und worauf das hinaus geht.

Einblick in das Schöne und Wahre für alle?

Ich gehe im Konzept den nächsten Schritt weiter und Weise darauf hin, dass sich mit dem was ich ihnen da gesagt habe, natürlich eine dramatische Trennung und Einteilung der Welt ergibt für Platon. Insbesondere, wenn sie sich das am Anfang Angesprochene vor Augen führen, nämlich, dass es darum geht, PhilosophInnen als HerscherInnen einzusetzen. Sie haben eine Gruppe von Menschen, die in der Lage sind, diese Ideale zu verfolgen, und die in der Lage sind zu differenzieren, zu differenzieren zwischen nur einzelnen schönen Dingen und dem Schönen. Wenn sie so etwas eingeführt haben, dann haben sie natürlich eine Form von Lebensaufgabe auf der einen Seite definiert. Sollten sie nämlich nicht geboren sein mit einem Direkteinblick in das Schöne und das Wahre und das Gute, sollten sie der Auffassung sein, dass das Schöne, Wahre und Gute nicht für alle umsonst vorhanden ist (wenn ich das nochmal hier jetzt verwerten darf: „Bildung für alle und zwar umsonst“), also wenn nicht Bildung, Einsicht in das Richtige, Einsicht in das Gute, umsonst für alle ist, wenn sie der Auffassung sind, dass das nicht jedem Kind in der Wiege als ursprüngliche menschliche Fähigkeit niedergelegt wird, dass alle Menschen aufwachen in der Einsicht des Wahren, Guten und Schönen, sollten sie dieser Auffassung sein, dann stellt sich die Frage: wenn es das aber doch gibt, wenn es das Wahre, Gute und Schöne doch gibt, und die Bedingungen unter denen es das gibt habe ich ihnen vorgeführt, dann stellt sich natürlich die Frage: wie kommen wir dort hin? Kann man das lernen? Unter welchen Umständen kann man das lernen? Ist das nur für Leute zugänglich, die eine bestimmte Erbschaft gemacht haben, die bestimmte Fähigkeiten haben? Oder ist es zugänglich für mehrere oder aber sogar alle?

Frage aus dem Auditorium

Frage: führt Plato sowas ein, wie einen Leistungsbegriff? Es wird gar nicht thematisiert bei Plato, oder?

Jein – Platon hat einen sehr ausgeprägten Leistungsbegriff. Gerade in der Politeia (aus der das ja genommen ist) hat er die folgende doppelte Vorstellung: einerseits hat er die Vorstellung, dass Menschen mit bestimmten Fähigkeiten auf die Welt kommen, und diese Fähigkeiten sollen sie möglichst gut ausnützen. Diese sind aber begrenzt. Es gibt Leute, die können gut rechnen, es gibt Leute, die können gut schwimmen, können gut Häuser bauen. Und die sollen das gut machen, und die Kontrolle unter diesen Leistungsbegriff ist sozusagen die jeweilige Peer-Group, die jeweilige einzelne Peer-Group. Leistung wäre in diesem Fall: gut Schuhe machen können. Und wer beurteilt die Fähigkeit gut Schuhe machen zu können? Also im Prinzip natürlich die Öffentlichkeit, aber dann auch die Meisterin oder der Meister, die dich darin unterweist. Das wäre ein auf die mitgebrachten Fähigkeiten jeweils bezogener Leistungsbegriff. Den kann man sozusagen auch verfehlen. Aber das ist vergleichsweise regional.Und dann gibt es eine prinzipiellere Betrachtungsweise. Die prinzipiellere Betrachtungsweise (und ich nehme an, dass die Frage jetzt eher dorthin gegangen ist) ist die, wenn man diese regionalen Kapazitäten betrachtet als Beiträge zum Gemeinschaftsleben in einer arbeitsteilenden Gesellschaft, dann stellt sich die Frage, welche Leistungen wir von einzelnen Leuten verlangen sollen. Was sind die Leistungen, die wir aus staatsbürgerlicher Sicht verlangen, einklagen sollen? Da ist Platon in der Schiene, dass er sagt: offensichtlich gibt es Fähigkeiten, die nicht nur die SchusterInnen und die ArchitektInnen interessieren, sondern die alle Leute interessieren – das sind eben solche Fähigkeiten wie Kompetenz, Anstreben von Kompetenz ganz Allgemein, also nicht Kompetenz im Hausbauen, sondern Fähigkeiten ganz Allgemein Kompetenzen zu haben. Und da sagt Platon Folgendes: einerseits, es ist schon ganz in Ordnung, wenn du dich einpasst in das Staatswesen entsprechend deiner Fähigkeiten, da will ich von dir nicht mehr verlangen – insofern hat er keinen Leistungsbegriff, keinen solchen ausgebauten darüber-hinaus Leistungsbegriff. Ganz im Gegenteil: er sagt: Schuster, bleib bei deiner Leistung. Das ist das eine Prinzip, das er sagt. Zweitens aber sagt er: damit der ganze Staat gerecht und richtig funktioniert, braucht man durchaus auch einen Blick auf fach-übergreifende, professions-übergreifende Leistungen, wie zum Beispiel die Leistung, richtig leben zu wollen; die Leistung, die richtigen politischen Entscheidungen treffen zu können. Das ist der Punkt, die Leistung, und auch den richtigen Ort für sich selber zu finden innerhalb der Gemeinschaft. Und da hat Platon einen ausgesprochen ausgetüftelten Leistungsbegriff, weil wenn man sich anschaut, was er in der Politeia sich alles einfallen lässt zur Kontrolle der Erziehung und der Erziehungserfolge von Wächtern und Wächterinnen (das sind in dem Fall wirklich auch Wächterinnen), dann werden die auf das Höchste geprüft. Das heißt, die müssen ziemlich strikte Erfordernisse erfüllen, damit sie ihre WächterInnen-Position ausfüllen. Und in diesem Fall ist es auch so, dass man abhängig von Leistungen entweder rausfallen kann aus einem gewissen politischen Geschäft, oder aber aufsteigen kann. Also es gibt an dieser Stelle die bürgerlichen Leistungen wohl. Und man könnte – das war jetzt sozusagen ein bisschen umwegig formuliert – wenn sie es plakativ an dem berühmten Beispiel des Höhlengleichnisses haben wollen, können sie das beides gut sehen. Wir kommen auf das Höhlengleichnis in weiterer Folge dann noch zu sprechen. Wenn sie das so haben wollen, dann können sie es so sehen, dass man sagt: auf der einen Seite, für die Leute, die gefesselt sind in der Höhle, und die dort unten sitzen, gibt es keinen Leistungsbegriff. Die sehen sehen das immer, was sie sehen. Aber in dem Moment, in dem sie freigesetzt werden, in dem es diesen Dreh gibt zum Licht (sie können sich leicht ausdenken, dass das, was ich ihnen ohne Höhlengleichnis mit der Wendung zum Wahren expliziert habe, dass das nichts anderes ist, als das, das im Höhlengleichnis dadurch symbolisiert wird, dass es Menschen gibt, die nicht kleben bleiben an den einzelnen Events, sondern die Fragen nach dem „was steckt eigentlich dahinter?“, „woher kommt das?“ stellen), in dem Moment in dem dieser Dreh vollzogen ist, gibt es sehr wohl eine Verantwortung, gibt es einen Anspruch, den Platon formuliert, und einen Anspruch, den man gerecht werden kann, oder nicht gerecht werden kann.

Resümee – die Aufgabe

Und was sozusagen damit jetzt relativ deutlich wird, ist, dass wir durch diese grundlegenden Einführungen der Philosophie in eine Situation gebracht werden (darauf wollte ich jetzt eigentlich hinaus), in der Bildung möglich ist, notwendig ist sogar – das sind die Rahmenbedingungen für Bildung in platonischem Sinn. Paideia (παιδεία) heißt das – im Höhlengleichnis ist das der Weg von den Schaulustigen zu dem Einen zu kommen – das ist der Bildungsgang. Und was ich am Anfang gesagt habe, über „Bildung für alle, und zwar umsonst“, wird jetzt auch deutlicher: einerseits ist das in der platonischen Konstruktion, so wie ich es ihnen dargestellt habe, tatsächlich etwas, was für alle möglich ist. Es ist aufgebaut auf der menschlichen Triebstruktur und auf bestimmten Suggestionen und Konstruktionen von Sprache und Zielerfüllung. Diese Konstruktionen gelten für die SchwimmerInnen genauso wie für die Bäuerinnen. Alle Menschen können mit Sätzen so umgehen, wie ich gesagt habe – das ist nicht in einer Weise ein Privileg. Also PhilosophInnen können alle werden im Prinzip, und zwar deswegen, weil die Mechanismen, die ich beschrieben habe (der Abstraktion, der Zuwendung zu dem Wahren, das organisieren der eigenen Wahrnehmungen und Behauptungen nach den Prinzipien des platonischen ja/nein, eines und viele), für alle zugänglich sind. Und das ist auch der Aufruf der von Platon an alle ergeht. Dass das aber nicht umsonst ist in diesem anderen Sinn, dass man hier einen Umstellungsprozess einen Wechsel im Leben notwendig hat, der diesen Switch bewirkt, und dass dieser Switch eine Investition ist, dass dieser Switch nichts ist, was einfach kommt, dadurch dass man in einem Hörsaal sitzt, das ist an dieser Stelle auch deutlich. Und von daher geht es also durch die Jahrhunderte durch bis zur Festrede der Bildungsministerin, dass man eine Aufgabe definiert, die über das hinausgeht, was im Schaulustigen festgehalten worden ist, und die eine Orientierung an der Einheit, an der Nachvollziehbarkeit hat, eben wie besprochen, und die vorallem, das ist sozusagen sehr sehr wichtig (und das lag hinter dem, wo ich gesagt habe, es geht für Bäuerinnen und für Schwimmerinnen im Prinzip genauso), nicht beeinflusst ist durch irgendwelche Finanzfaktoren. Also da ist im Hintergrund das platonische, sokratische Oppositionsverhältnis zu den Sophisten. Hier kommt eben nicht mehr rein. Ich habe ihnen das vergangenes Semester und Anfang dieses Semesters auch noch einmal in Erinnerung gerufen: eine Antwort auf die Frage: wie kriege ich es hin, dass ich die Wahrheit sehe und spreche, ist natürlich: ich nehme mir einen Hauslehrer. Das ist die Antwort der Sophisten gewesen. Der Hauslehrer ist hier aber nicht vorhanden, sondern das ist etwas, was für alle, was tatsächlich für alle als Möglichkeit offen steht. Sie sind sozusagen losgelöst von Finanzüberlegungen, was aber nicht heißt, dass sie losgelöst sind von einer ganz gehörigen Aufgabe, nämlich von der Aufgabe, zu verstehen, was ich ihnen da gesagt habe mit den vielen Wahrheiten und der Wahrheit, was immer das sein soll. Das ist ja auch nicht so ohne, und wenn sie das verstehen, daraus eine Attitüde zu machen, daraus ein Leben zu machen mit dem sie reüssieren. Das ist ja keine geringe Aufgabe und die kostet auch. Allerdings nicht unbedingt Geld. Danke.

24. April

"Schön" ist nicht schön.

Das letzte Mal hat es im Anschluss an meine Vorlesung eine kurze, aber dafür auch engagierte und ein bisschen polemisch gedrehte Diskussion gegeben, wegen einer Bemerkung, die ich gemacht habe. Dank der technischen Möglichkeiten, derer wir uns hier bedienen, kann man ganz genau nachschauen, was ich da wirklich gesagt habe. Es gibt schon das Transkript der 3. Vorlesung von einem Kommilitonen der "Bananenfisch" heißt. Stein des Anstoßes war meine Darstellung, wenn es in der platonischen Gedankenführung darum geht, die Erkenntnis als etwas zu beschreiben, was bei den Praktiken von schaulustigen Menschen beginnt, die ganz einfach neugierig und unkontrolliert in einer Weise in der Welt herumschauen. Wenn es dann darum geht, dem eine Richtung zu geben, auf Wahrheit, auf begriffliche Definition, dass dann eine ganz besondere platonische Strategie greift, nämlich dass er sagt "Wir sind auf dem Weg der Erkenntnis dazu, das Schöne, das Wahre, das Gute ins Auge zu fassen" - das habe ich ein bisschen genauer ausgeführt, und inwiefern das problematisch erscheint. Die platonische Strategie, die hier zu nennen ist, ist die, dass Platon nicht nur einfach sagt, erstens: "Es gibt schöne Dinge, die man sehen kann", Dinge die man als schön qualifizieren kann. Zweitens kann man "als schön" qualifizieren. Man hat eine gewisse Kompetenz, um zu sagen "gefällt mir, gefällt mir nicht, ist schön, ist nicht schön". Das dritte aber, und das ist der Punkt, wo es kritisch wird, ist wo ich fragen kann "Welche Kenntnis habe ich, wie komme ich dazu etwas als schön zu qualifizieren, eine Kompetenz zu haben im Umgang mit dem Begriff 'schön'?" In unserem Verständnis ist der Begriff "schön" nicht das, was ein schönes Ding darstellt, sondern etwas, was man verwendet um zu qualifizieren wenn Dinge schön sind. Also "Begriff" steckt hinter diesem "ist schön". Es ist schön, als Prädikat, als Aussage, muss irgendwo gesteuert, gehalten werden von einem Verständnis des Umgangs mit diesem Sprachausdruck - das Naheliegendste ist, das als Begriffsverständnis zu bezeichnen. Man versteht, was es ist, was es heißt, schön zu sein. Und da nun ist die besondere platonische Vorkehrung, dass er, an mehreren Stellen, sagt, "Naja, das 'Schöne' ist diejenige Konstruktion, diejenige Entität, die selbst am allerschönsten ist. Das Schönste vom Schönen ist das Schöne. Der Begriff des Schönen hat eine Eigenschaft, die ihn dazu qualifiziert, alles andere Schöne zu bestimmen, und diese Eigenschaft ist, dass er der Inbegriff des Schönen ist. "Inbegriff des Schönen" ist noch eine neutrale Formulierung, was, sprachanalytisch betrachtet, dahinter steht, ist, dass man das Prädikat "ist schön", das man normal mit Hilfe eines Verständnisses des Wortes "schön" legitimiert, auf das, was hinter dem Prädikat steht, nämlich die Kompetenz zum Begriffsgebrauch, dass man den Begriff schön selber noch einmal anwenden kann. Dass man also sagt, das "Schöne" ist selbst schon das Schönste.

Sie können sich jetzt an den Zusammenhang erinnern, an dieser Stelle habe ich gesagt - zugegebenermaßen mit einem gewissen emotionalen Point - dass das aus der Sicht des Sprachanalytikers lächerlich ist und darauf hingewiesen, dass wir, wenn ich das ganze noch einmal durchführen würde mit der Praxis des Wortes "ist braun", Sie vermutlich übereinstimmen würden, das der Begriff braun, wenn ich diese Abkürzung verwenden darf, nicht selber braun ist, sondern das ist irgendetwas anderes, das uns in die Lage versetzt, zu sagen wenn etwas braun ist. Da geht etwas sehr Sonderbares vor, und nicht nur das, ich stehe zu der kleinen emotionalen Spitze, die in dem "lächerlich" drinnen steht. Ein Kollege oder eine Kollegin haben das zum Anlass genommen, in der Diskussion, die durchaus einschlägige und wichtige Frage zu stellen, was es denn mit dieser Platoninterpretation auf sich hat. Es ist tatsächlich, wenn ich das so sage, und es war auch so gemeint, ein Affront gegen Platon, gegen ein nichtdenkendes Nachsprechen dieser platonischen Formeln, nur weil Platon es gesagt hat, müssen wir es noch nicht glauben. Ich hab mich mit diesen Einwänden ein bisschen genauer auseinandergesetzt, in Zusammenhang mit dem Begriff "ist schön" und möchte ein, zwei Hinweise geben dafür, Sie können es ja selber dann auch noch genauer nachlesen und vielleicht auch kommentieren. Das Ding ist deswegen Anlass für einen, mir scheint berechtigten, emotionalen Druck, weil es mit einer Sache zu tun hat, die ganz genau in das Thema unserer Vorlesung passt und daher von mir auch so platziert worden ist, und das würde ich so beschreiben: Wenn man schwarzweiß malt (was ja nicht problemlos ist) und davon ausgeht, dass es eine Trennung des Menschengeschlechtes gibt, zwischen den Schaulustigen, die in der Welt der Dinge verhaftet sind und den anderen, Philosophie studierenden, die höhere Ansprüche haben, die Suche nach Wahrheit im Blick haben, dann hat man eine argumentative Schwierigkeit vor sich, das ist klar, nämlich: wie verhält sich das beides zueinander? Wie, wenn ich das Schöne, das Wahre, das Gute als Zielbestimmung für die Erkenntnissuche in der Philosophie definiere, wie verhält sich das, was die Philosophinnen gerne wissen wollen zu dem, wenn der Rest der Welt sagt "gefällt mir, gefällt mir nicht"? Das ist, auch das habe ich schon gesagt, das Problem der Teilhabe, der μέθεξις, wie kommt es von diesen hochgestellten Positionen auf den Rest der Welt? Und die Pointe dieser sogenannten Selbstaussage (engl. selfpredication): Die Selbstaussage des Prädikats schön, auf sich selbst angewendet, der Begriff "schön" ist schön, was ist damit gemeint, welches Signal wird damit gegeben? Damit ist eine sprachliche Klammer formuliert, die zwischen denen, die eine Kenntnis des Schönen haben, und denen, die "nur" wissen, was schöne Dinge sind, eine praktische Verbindung herstellt, nämlich sind sie beide Gebrauchspersonen, beide brauchen das selbe Wort, beide haben eine Kompetenz im Umgang mit Schönem, nur dass die einen das besonders Schöne wissen. Die Kompetenz des Schönen, das die Philosophinnen ansprechen, ist die Kompetenz des Schönsten, vorbildlichen Schönen - die anderen haben eine etwas geringere Kompetenz des Schönen, sofern es auf die schönen Dinge angewendet wird. Die Zusammenstellung von dieser Idee mit dem Thema der Vorlesung ist jetzt die, dass wir, menschenfreundlich wie wir sind, vor Augen haben, dass der Weg von den schönen Dingen zu DEM Schönen nicht nur für eine erlesene Minderheit, sondern für alle Leute offensteht, und wenn das der Fall ist, ist das genau die Definition des Bildungsprozesses. Das ist genau die παιδεία, in die Lage versetzt zu werden das Schöne zu erkennen, in einem Sinn, der noch immer nicht ganz klar ist, im Gegensatz zu schönen Dingen. Und wenn man damit Schwierigkeiten hat, mit dem was ich gerade wiedergegeben habe, dann ist eine Möglichkeit in diese Schwierigkeit einzusteigen, darauf hinzuweisen, dass das sprachlich nicht ganz unproblematisch ist, wie ich anfangs versuchte deutlich auseinanderzunehmen, dass man die Kompetenz, die bestimmte Personen haben, bestimmte Begriffe zu verwenden, und zu qualifizieren, in die selbe Betrachtungsweise mit hineinnimmt wie die Resultate dieses Kompetenzgebrauchs.


von E-Mails, Schafen und dem Urmeter

Als kleinen Hinweis auf eine fachinterne Debatte des wissenschaftlichen Platonismusdiskurs: diese von mir dargestellte Sonderbarkeit ist natürlich reichhaltig diskutiert worden, sowohl im angloamerikanischen als auch im deutschen Sprachbereich, man hat sich gefragt wie jemand dazu kommt, eine solche Konstruktion zu machen. Ich will dazu zwei Punkte sagen. Erstens, dass es tatsächlich Umstände gibt, unter denen die genannte Sprachstrategie vollkommen selbstverständlich ist. Zwei schöne Beispiele: Stellen Sie sich E-Mails vor, Sie haben eine, zwei, drei E-Mails, die sind unterschieden, unterschiedliche E-Mailsendungen. Dann ist es aber so, dass Sie durch mehrfache Weiterleitungen und Antworten ein Gebilde zusammenklicken, dass man eigentlich nur so beschreiben kann, dass es mehrere E-Mails sind - die, die sie bekommen haben, und die letzte davor, und die letzte vor dieser. Diese mehreren E-Mails schicken Sie ihrerseits weg - simpel und klar: nicht nur eine E-Mail, sondern auch mehrere E-Mails können eine E-Mail sein.

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Das zweite Beispiel: Sie gehen am Land spazieren, und sehen mehrere kleine Herden von, sagen wir, Schafen, und Sie treiben diese mehreren kleinen Herden von Schafen zusammen, und dann haben Sie selbst eine Herde. Das heißt, Sie können die Mengen, von denen Sie hier ausgehen, und Sie erhalten eine Menge, die selbst und zu recht das Prädikat der Mengen hat, von der Sie ausgegangen sind.

In anderen Fällen funktioniert das nicht, wenn Sie beispielsweise mehrere Häuser haben, und Sie stellen, oder rücken, diese Häuser zusammen, dann haben Sie die Summe der mehreren Häuser, und die ist nicht selbst ein Haus. Hier ist also im ganz normalen Zusammenhang schon ein Hinweis darauf, dass das auch anders funktionieren kann. Eine Möglichkeit, die man bei Platon ansetzen kann und wie das auch erklärt wird, damit ich die "Lächerlichkeit" ein bisschen zurücknehme: es ist doch nicht ganz so lächerlich, denn was ist da passiert? Platon hat diese Gebräuchlichkeit von - E-Mails hat er noch nicht gehabt, aber die Möglichkeit, dass man einer solchen Konglomeration, Agglomeration: alle schönen Dinge zusammen sind selbst wie zu beschreiben? Na, beschreiben wir sie als, noch einmal, schön. Und weil es alles zusammen ist, dann nicht einfach nochmal schön, sondern, wie gesagt, den Inbegriff des Schönen.

"Internationaler Meterprototyp, Standardbarren aus Platin-Iridium. Dies waren die Längennormale bis 1960", weiß die deutsche Wikipedia

Der zweite Hinweis, der auch aus der Fachdiskussion kommt, und auch auf das hinweist, was uns in weiterer Folge noch deutlich interessieren wird: Bei Platon liegt eine gewisse Verwechslung vor, die man, das habe ich in meiner Diskussionsbemerkung angedeutet, am besten mit einem berühmten Beispiel aus den philosophischen Untersuchungen von Ludwig Wittgenstein illustrieren kann, nämlich die Diskussion des Urmeters in Paris. Mittlerweile wird nicht mehr mit kleinen Stäben, sondern technisch vieles raffinierter gehandhabt, aber nehmen wir einmal an, wir sind noch hundert Jahre früher, in Paris, in einem klimasicheren Raum ist ein bestimmter Stock zu finden, das Urmeter. Das hat diejenige Länge, die für sämtliche Metermessungen vorbildlich ist. Wenn man nun überlegt - und das ist Wittgensteins Pointe - ergibt sich eine sehr interessante Perspektive, wenn man sich überlegt ob das Urmeter ein Meter lang ist. Wie lang ist das Urmeter - ein Meter, oder nicht? Damit zeigt sich, das intellektuelle Potential und die ganz große, philosophische Pointe, in der wir da sind. Es gibt nämlich zwei Antworten darauf.

Einerseits kann man das rein faktisch ansehen, so wie wir es sehen, wenn wir Leute beobachten, die eine Praxis mit dem Urmeter haben - man muss dann sagen, dieser Stock ist ein physischer Stock, dieser hat eine bestimmte Ausdehnung, diese hat einen bestimmten Zahlenwert, und jetzt vergleiche ich das mit der physischen Ausdehnung von vielen anderen Stöcken, stelle fest, sie ist die selbe, dann benennen wir es eben, "ein Meter", dann ist die Antwort klar, der Urmeter in Paris hat die Länge von all den anderen Stöcken, und diese Länge nenne ich "Stöcke, die einen Meter lang sind".

Andererseits ist man geneigt zu bemerken, dass das Wichtigste übersehen wurde, nämlich dass in dieser fiktiven Konstruktion jemand kommt, und anhand dieses Stocks einen anderen vergleicht, und daraus die Folge zieht, dass der Stock untauglich ist und geändert, gestutzt, verlängert werden muss. Das ist der Moment der Vorschrift. Denn der Stock in Paris funktioniert nicht nur so, dass er eine Länge hat, sondern dass diese spezielle Länge des Stockes auch verwendet wird als eine Vorgabe dafür, wie man definiert, sozusagen einzuklagen, zu mahnen, was die Länge von anderen Stöcken ist. Das ist nicht etwas, was sie im ersten Durchgang sehen würden, dieses normative Moment, das damit auch gemeint ist, das per definitionem nicht ein Meter lang ist. Das geht überhaupt nicht.

Das normative Moment

Und jetzt kommt das gleiche wie bei dem anfänglichen Beispiel mit dem Schönen:

Die Aktion, die wir setzen, um zu definieren, was ein Meter lang ist, das "wir normieren, was ein Meter ist", diese Aktion ist nicht ein Meter, was nicht ausschließt, daher kommt ja die Pointe des Ganzen, das ein Gegenstand, dessen wir uns bedienen beim Durchführen unserer normativen Tätigkeit, dass der eine bestimmte Ausdehnung hat. Und das ist die von mir angesprochene Verwechslung, die bei Platon eine Rolle spielen könnte, dass er - in moderner Terminologie - den paradigmatischen Charakter, der in dem Normativen drin liegt, verwechselt hat mit einer stofflichen Instanz desselben. Das ist eine verständliche Verwechslung, in der wir noch immer komplett drinnen stecken: Wenn ich ein Plakat oder eine Illustriertenseite habe, zu denken: "Das ist ein schönes Auto", "Das ist ein schönes Pferd" oder was immer. Vieles vom Illustriertenwesen funktioniert genau so, dass Sie konfrontiert werden mit etwas, was einerseits ein bestimmter Anblick ist, das ist ein schönes Pferd - was ist ein schönes Pferd? Es ist nicht nur eines von vielen, die als schön qualifiziert werden, sondern in die Illustrierten kommen genau die vorbildlichen Pferde, die, von denen man leicht glaubt und akzeptiert, dass sie schöne Pferde sind. Es gibt also immer den Moment, das ist nicht nur ein schönes Ding, sondern auch maßstäblich für "schön" - diese Illustriertenbilder, sofern sie gut verkauft werden sollen, müssen maßstäblich für "schön" sein.

Die Frage, in die wir da hineingeraten, warum ich hier auch noch ein bisschen insistiere und schürfe, ist, dass für diese Illustriertenbilder nun das selbe zu sagen ist, wie ich im Zusammenhang mit Platon gesagt habe. Und ich sage es hier mit der selben emotionalen Angespitztheit: es ist eben lächerlich, zu glauben, dass ein spezielles Bild in der Illustrierten schön ist, nur deswegen, weil es uns vorgesetzt wird als ein Beispiel von etwas schönem. Wir müssen diesen Unterschied machen zwischen der Normativitätsfunktion und der Exemplifizierungsfunktion, auch und gerade dann, wenn wir wissen, dass das Normative und das Exemplifizierte - am Beispiel von Models, am Beispiel von Urmeter - zusammen in einem Ding vorkommen. Damit will ich es jetzt hier bewenden lassen.

Bisher habe ich noch nicht viel über Datenbanken gesagt, es wird heute auch noch nicht so weit sein, es ist in Aussicht. Um das einzuleiten werde ich, und diese Debatte war für mich ein Grund, ein kleines Zwischenkapitel einzuschieben, wo ich nocheinmal auf eine andere Platonstelle eingehe, damit nicht der Eindruck entsteht, dass ich Platon allzusehr entfremde, und damit sie aus der Politeia zwei längere Passagen kennenlernen, in denen die Interpretation, die ich vorhabe, fundiert ist. Die erste ist eine Stelle aus dem siebte Buch, die inhaltlich sehr an das, was ich bisher dargestellt habe, anschließt und die insbesondere das Verhältnis von sinnlicher Wahrnehmung und der Verstandestätigkeit unter dem Zeichen des Dualismus nocheinmal sehr plastisch macht. Ich werde dann an diese Interpretationen von Platon eine Interpretation des Bildbegriffs und des Umgehens mit logischen Formen im "Tractatus" anschließen, sofern ich heute noch dazu komme, und hoffe Ihnen dann zu zeigen, wie eng zusammen, und an bestimmten, entscheidenden Stellen aber auch disjunkt diese beiden Konstruktionen sind.

Höhlengleichnis und Truman

Das siebte Buch der Politeia ist das mit dem Höhlengleichnis, das ich mir jetzt spare. Ich weise Sie darauf hin, dass ich im Zusammenhang mit meinem Projektseminar ein paar Clips gesammelt habe, auf diese Adresse. Die Höhlengleichnis eignet sich hervorragend für Homevideoproduzentinnen, wie man sich vorstellen kann. Es gibt, nach meiner Wahrnehmung, sehr viele Trashhöhlengleichnisvideos in Youtube, ich habe Ihnen einige nichttrashige, ganz interessante zusammengestellt. Ich werde das aber nicht weiter hier verfolgen, sondern werde Ihnen eines zeigen, das garnicht explizit etwas mit dem Höhlengleichnis zu tun hat, aber eine zeitgenössische, sehr interessante Paraphrase für wichtige Aspekte des Höhlengleichnisses ist, nämlich die Truman Show von Peter Weir. Eine Person, die mehr oder weniger festgekettet ist in der Unterhaltungsindustrie, in einer Realityshow, die mit seinem Leben zusammenfällt. Truman, der in dieser Narration vor der Aufgabe steht, auch das ist schon interessant, wieso sagt man, er steht vor der Aufgabe, er ist damit konfrontiert, dass da irgendetwas in seinem konstruierten Realityshowleben nicht stimmt. Ich zeige Ihnen eine kleine Episode, die markiert, worum es da geht. Sie haben hier eine Person sitzen am Strand, Truman, und plötzlich findet er sich in einem Regenkegel, läuft raus: trocken. Er wundert sich, der Kegel folgt ihm - Truman läuft nocheinmal raus, jubiliert "Oh, was ist jetzt passiert, ein Wahnsinn", da ist nochmal der Kegel, und dann die gesamte Regenlandschaft. Das ist in der Filmerzählung so angelegt, dass noch bevor man weiß, was da eigentlich los ist - man sieht die Sache als eine Story zusammen mit Truman - dass in der Wahrnehmung des Zuschauers auf einer zweiten Ebene, aber auf der ersten Ebene von Truman gezeigt wird, etwas auftritt, was sonderbar ist. Truman hat zu diesem Zeitpunkt keine Begriffe darüber, in welcher Situation er sich befindet. Entscheidend ist in all diesen Fällen die Trennung der Welt in Unten und Oben, die wir Zuschauer zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht ganz kennen, aber als Interpretationshorizont ist es notwendig: Wir finden uns in einer sinnlichen Wahrnehmungssituation, in der etwas sonderbare Dinge auffallen. Warum ich diesen Einschub mache, ist weil ich, ganz notgedrungen, um erklären zu können, worum es da geht, das Wort "sonderbar" verwendet habe. Das ist etwas sehr entscheidendes an dieser Stelle. Es lässt sich ein Zustand denken, ja in den meisten Fällen sind wir selbst in einem solchen Zustand, wo das nicht sonderbar ist. Wenn jemand nicht weiß, was mit ihm da passiert, ich sag das gleich mal ganz ungeniert, dass ein großer Zampanò jenseits der großen Kuppelkonstruktion sitzt, und auf einem computergesteuerten, hochraffinierten Schaltpult das Wetter für den Herrn Truman steuert, wenn wir das nicht wissen, sondern wenn wir hineinsozialisiert sind, so wie er, in einen Ablauf von sinnlichen Erfahrungen, dann ist das zunächst einmal nicht sonderbar. Wenn Truman als Kind die Erfahrung macht, dass hin und wieder ist es halt so, dass dieser große Computerapparat ein bisschen eine Outtime bzw. ein Breakdown hat, und Regengüsse mal ein bisschen so unangesagt und sozusagen strahlförmig auftreten, es aber rundherum nicht regnet, wie soll er, wenn er das erste Mal in seinem Leben mit Regen Erfahrungen macht, und dies Teil seiner Regenerfahrung ist, wie soll er sagen, dass das für ihn etwas besonderes ist? Er kann das nicht sagen, er bräuchte dazu einen anderen Referenzrahmen, der uns natürlich hier sehr leicht eingängig ist, weil wir einen Standard von Regen vorraussetzen, der nicht so ausschaut, dass am Strand, in der schönen Breite des Abendmondes, eine Person sitzt und man dann einen schmalen Kegel von Regen auf diese Person gerichtet sieht, da sagten wir "da ist doch irgendetwas nicht ganz sauber". Wir sagen das aufgrund von Distinktionen, die wir machen, die uns leicht fallen wenn wir wissen, dass es da den großen Regisseur im Hintergrund gibt, aber wie sollten wir das wenn wir in der Sache selber drinnen sind? Das ist, auf eine moderne Art und Weise, die Problematik des Höhlengleichnisses. Das gefesselte, entfesselte, Licht und Schatten, Bildmaterial kann man sich da eigentlich sparen und sagen, worum es geht: eine kognitive Dissonanz, die innerhalb einer Wahrnehmungs- und Sinneswirklichkeit auftritt. Wir nehmen Regularitäten wahr, sind diese in unserer sinnlichen Welt gewohnt, und irgendwann drinnen passt etwas nicht mehr. Wir sind konfrontiert damit, dass das Wasser anders funktioniert, als wir es bisher gehabt haben und stehen vor der Frage, was wir jetzt damit sollen. An vielen Stellen, wenn beispielsweise das Auto plötzlich zu klopfen anfängt, gibt es einfache Antworten: Achtung Gefahr, an den Straßenrand fahren, weil etwas passiert ist. Das ist eine solche Dissonanz. Es gibt aber auch, und das ist die Pointe hinter diesem Jubelgestus, den Truman macht, die Logik, die Entwicklung aus einer solchen Dissonanz, dass man sagt: "Hier habe ich einen Widerspruch entdeckt, da ist etwas dahinter, was mir Probleme bereitet, was ich hier jetzt gesehen habe führt mich zu etwas. Der Widerspruch lässt mich etwas erkennen." Man muss dazu wissen, dass Truman schon im Verlauf des Filmes einen Verdacht geschöpft hat. Es gibt da auch so eine Szene, wo er sich fragt, wie es das eigentlich geben kann, dass er immer vorhersagen kann, welche Leute da in regelmäßigen Abständen die Straße entlang gehen. Der Grund ist, dass das die für die Realityshow notwendige Staffage ist, die normiert ist und solche regulären Zyklen braucht. Auch hier ist es so: so wie er sozialisiert worden ist, muss es einen Grund geben, dass ihm das komisch vorkommt. Er muss eine Auffassung davon haben, dass die ewige Wiederkehr des gleichen nicht ganz das ist, was menschliches Leben bedeutet. Die Regenszene zeigt eine Bestätigung seines Verdachts, das kognitive Moment, dass er an der Stelle hat, er jubelt, weil draufgekommen ist, dass in seiner Erfahrungswirklichkeit ein Widerspruch ist. Und meine Filmdeutung, meine filmische Illustration von dem, was Platon in der ausgewählten Passage tut, er spricht genau von dem Verhältnis zwischen sinnlichem Wahrnehmen und Widerspruch. Und die Pointe ist, dass man durch die Augen keinen Widerspruch wahrnimmt. Weder Augen noch Ohren, kein Sinnesorgan ist von der Art, dass sie dadurch Widersprüche wahrnehmen. Sie sagen zwar "da sehe ich aber einen Widerspruch" - dazu kommen wir gleich - das ist wieder die gleiche Problemstellung. Sie sehen keinen Widerspruch, zumindest nicht in dem Sinn, in dem sie einen Wasserkegel sehen. Sie sehen, dass es einen Widerspruch zwischen dem einem und dem anderen Satz gibt. Sie sehen eben nicht den Widerspruch, sondern sind konfrontiert mit einem Satz "Hier kommt der Regen als Kegel" und "Hier kommt der Regen als flächendeckend" und dann haben Sie eine Theorie darüber, wie Regen sich zeigt, sich auswirkt, und Sie "sehen", dass es zwischen diesen beiden Sätzen einen Widerspruch gibt. Das ist, was hier eigentlich stattfindet. Diese Formulierung "sie sehen" ist vergleichsweise harmlos, was Sie nämlich in Wirklichkeit tun ist folgendes: Sie sehen den einen Satz, sehen den anderen Satz, verstehen den Inhalt des einen und verstehen den Inhalt des anderen Satzes, und dann vergleichen Sie die Inhalte dieser beiden Sätze und stehen dann vor der Frage, würden Sie den beiden Sätzen zustimmen? Und Sie sagen "Nein. Diese beiden Sätze gehen sich zusammen nicht aus. Regen, so wie ich ihn verstehe, ist nicht gleichzeitig das, was in dem Kegel kommt, und das, was in der Breitwand kommt. Das ist Ihr Umgang mit dem Widerspruch, der da drin ist. Es ist klar, worauf ich hinaus möchte, und worauf auch Platon an dieser Stelle hinaus möchte, dass der Zusatzfaktor der in Ihre sinnliche Wahrnehmung hineinspielt, damit Sie zu so etwas kommen wie Widersprüchlichkeit. Und ich erinnere Sie: diese Widersprüchlichkeit ist natürlich der Anfang vom Ziel. Der Anfang vom Ende im Sinn des pädagogischen Prozesses - nur wenn Sie an dieser Stelle Widersprüche sehen, werden Sie unruhig werden und auf den Weg der Erkenntnis kommen. Dieses Hineinspielen des Widerspruchs nicht in der Sinnlichkeit ist, sondern dass das aus der νόησις (gr. Einsicht) kommt, aus dem Verstand, wenn Sie so wollen. Er hat hier eine Unterscheidung zwischen sinnlichen Wahrnehmungen, die das Denkvermögen garnicht zur Betrachtung auffordern: man lebt, und denkt sich nichts dabei. Muss sich nichts dabei denken. Und dann gibt es sinnliche Wahrnehmungen, die das Denkvermögen zum Einschreiten auffordern, das eine sind die τὰ μὲν ἐν ταῖς αἰσθήσεσιν οὐ παρακαλοῦντα τὴν νόησιν - nicht hervorrufend das Erkenntnisvermögen, und dann diejenigen, "halten das Denkvermögen ganz besonders an,... dem Prüfstein des Denkens zu unterwerfen", ἐπισκέψασθαι, da steckt Skepsis drinnen, Sehen, Denkvermögen. Das ist ein anderer Typus von Wahrnehmung, der nämlich das Denkvermögen provoziert. Sie werden sich jetzt natürlich fragen, wie es zu dieser anderen Form von Wahrnehmung kommt. Da haben wir jetzt wieder einen entscheidenden Punkt im pädagogischen Prozess von Platon: wenn die beiden Bereiche, der Schaulustigen und der Wahrheitssuchenden, sich einfach trennen würden, wie in den von mir in der vergangenen Stunde interpretierten Textstücken, dort habe ich Ihnen etwas unterschlagen. Es gibt, sehr umstritten in der Interpretation, eine Stelle wo Platon in etwa sagt: "die Ausrichtung auf das Erkennen und das Wahre und das Gute ist so etwas wie wach sein, alle anderen - diese Schaulustigen - sind eigentlich Träumer." Also eine Disjunktion zwischen Traum und Wirklichkeit, das sind verschiedene Welten, und die sich im Traum befinden kommen nie in die Wirklichkeit, und die im wahren Zugang zu den Ideen sind, sind diejenigen, die wissen, worum es geht. Wir wissen mittlerweile um die raffinierten Interaktionen zwischen Traum und Wirklichkeit, dass es also zwei Welten sind, die ineinanderrutschen. Dieses Ineinanderrutschen gibt es auch bei Platon selbst, weil wir - in seiner Seelenkonstruktion - Wesen sind, die gleichzeitig sinnlich agieren und sinnlich verankert und verstandesgemäß mit kritischen Fähigkeiten ausgestattet sind. Unter bestimmten Umständen kommen diese Wesen in eine Situation, in der sie ein Überlappen von Bedenklichkeit, von Unterscheidung und von Kritik auch innerhalb der Wahrnehmung erfahren. Das ist insofern ein komplett zentraler Punkt, da wenn es diese Fähigkeit nicht für menschliche Wesen gäbe, sich nämlich aus der Abhängigkeit von der Umgebung an bestimmten Stellen heraus zu nehmen, ein Bildungsprozess nicht möglich wäre. Und es ist auch klar, dass der elementare, instrumentale Ansatz davon, wie das geht, wie das sein kann, das "Ja"- und "Nein"-sagen ist. Das ist, einerseits sprachanalytisch, man kann das jedoch ziemlich sicher auch beispielsweise entwicklungspsychologisch argumentieren: wie brechen junge Lebewesen aus dem Kokon aus, in den sie in biologischer Abhängigkeit im genetischen Prozess eingebettet sind? Indem sie "Nein" sagen, eine Form von Verweigerung produzieren und einen Bruch setzen. Und dieser Bruch, als Bruch, in seiner Schroffheit ist das, was kultiviert und auf der Ebene der Begrifflichen Rekonstruktion wieder auftritt in der Sprachphilosophie, wenn man sagt "das wesentliche Unit davon, wenn man erklären will was es heißt, etwas - einen Ausdruck, etwas von der Welt - zu verstehen, ist unterscheiden zu können zwischen verschiedenen Zuständen. Um sie auseinanderhalten zu können muss man sie identifizieren. Das ist als per identificationem das miteinschließt, von dem ich das letzte mal gesagt habe "Eins, zwei, viele".

Wittgenstein und Platon. Was ist ein Finger?

Was beim Platon dadurch auftritt, dass er sagt es gibt die vielen Dinge, und im Gegensatz das Eine, das dadurch gekennzeichnet ist, dass es zu dem Einen genau ein Anderes gibt, das ist "schön"-"hässlich", "gerecht"-"ungerecht", "wahr" und "falsch". In der Passage heute macht er das auf eine Art und Weise, die ganz faszinierend ist und man kann die ganze Problemstellung in der schlichtesten Art und Weise nachvollziehen Sie merken schon, dass ich an dieser Stelle sehr viel mit Platon und Wittgenstein operiere. Und Wittgenstein ist normalerweise wahrgenommen und dargestellt als jemand, der in gewisser Weise Erzfeind von Platon ist, ja er selbst hat solche Äußerungen auch getan. Aber bei Platon finden sich gar nicht so wenige Passagen, die direkt aus den Philosophischen Untersuchungen kommen könnten, einer solche ist die, wo Platon sagt "schauen Sie einmal eine menschliche Hand an. Sie hat Finger. Wir sehen die Finger, wir kennen sie, wir operieren mit ihnen - no problem. Das ist eine Vielfältigkeit, die wir einfach haben, eine strukturierte Wahrnehmung. Wir sehen, dass was wir als Hand gebrauchen, eine Reihe von unterschiedlichen Features hat. Das ist das Viele. Was, wenn wir jetzt sagen, diese Hand hat aber fünf Finger, und einer von denen ist der größte? Und der eine ist bandagiert, oder gerade gebrochen." Das sind Betrachtungsweisen, aus denen Platon genau das, was ich Ihnen vorgestellt habe, herausholt, nämlich, unplatonisch formuliert: der identifizierende Verstand hat die Fähigkeit, in der Strukturmannigfaltigkeit eine Identifikation zu machen, indem er sagt "ist das ein Finger? Nein. Und das? Ja, ist ein Finger. Ist dieser Finger kleiner als dieser?" Man könnte so sagen: Sehen Sie, dass das kein Finger ist? Auch an der Stelle ist schon interessant, wenn ich das so sage: worauf beziehe ich mich mit dem "das"? Das diese Handfläche kein Finger ist? Sie sehen diesen Körperteil, die Handfläche, und dass das eine nicht das andere ist, nicht in diesem engeren Sinn. Die Konsequenzen aus dem können Sie sich selber hier durchsehen, ich glaube hier reicht einmal das im general outline vorgestellt zu haben. Worauf das bei Platon hinausläuft ist also, dass diese νόησις ein Vermögen der oppositionellen Verhältnisse ist, und dass die vergangene Stunde dargestellte Spannung zwischen "es gibt Sinneserfahrungen und Sätze, die eine innere Gestalt, Struktur haben. Da kommt etwas drinnen vor, da gibt es etwas zum Schauen. Darum sind es die Schaulustigen, die an der Stelle angesprochen sind." Und diese Struktur verschaltet mit der anderen Struktur des "Ja/Nein/Wahr/Falsch", urteilen, herausholen und dialektisch diskutieren (diese Konstellation wollte ich Ihnen bei Platon vor Augen führen).

Vernunft, der Ort des Widerspruches

Ich möchte noch anhand einer Übersetzung, die ich im Internet gefunden habe, also nicht der (korrekteren) Übersetzung von Schleiermacher, ein Beispiel bringen.

"Um also über diesen Widerspruch ins Klare zu kommen, muß auch seinerseits die Vernunft notwendig ein Großes und Kleines sich begrifflich vorstellen, nicht vermischt, sondern getrennt von einander, gerade das Gegenteil wie der Gesichtsinn." Die Vernunft hat einen Zugang zum großen und kleinen, der in diesem Sinn identifikatorisch ist, und freundlicherweise, weil uns diese übersetzer nicht aufregen wollten, haben sie geschrieben "die Vernunft muss sich begrifflich vorstellen, das Große oder Kleine."

Da steckt schon alles das drinnen, was ich ihnen mit Begriff und so weiter interpretatorisch gesagt hab. Wenn man sich den griechischen Fachterminus im Originaltext ansieht, stellt sich heraus, dass das keineswegs so freundlich ist. Hier steht nämlich "μέγα αὖ καὶ σμικρὸν ἡ νόησις ἠναγκάσθη ἰδεῖν". ἰδεῖν ist "SEHEN". Die Vernunft sieht an der Stelle das Große und das Kleine. Die νόησις ist an dieser Stelle natürlich kein sinnliches Sehen, und die Frage mit der wir uns in diesem Zusammenhang beschäftigen ist natürlich, wie das möglich ist, "sichtbar". Wie kann man das Große und das Kleine sehen, wie kann man diese Wortverwendung von Platon verstehen? Weil es ausgezeichnet passt gebe ich jetzt einen kurzen Vorwärtsflash für das, was ich Ihnen nächstens dann über Wittgenstein erzählen werde: Die klassische Erziehungs- und Bildungstradition hängt, wenn ich das zuspitzen darf, daran, dass "sehen" hier ein Gummibegriff ist. Man sieht die Sonne, die nicht nur das stärkste Licht ist, sondern die Bedingung für Licht, und die Bedingung dass wir überhaupt etwas sehen können. Und darum können wir das Verständnis von "sehen" und unseres Bildungsprozesses über diesen Gummibegriff "sehen" so anlegen, dass wir unten in der Höhle anfangen ein bisschen was zu sehen, dann oben das meiste. Und alles unter dem Aspekt des Sehens, und die Philosophinnen sind diejenigen, die dann im Wahrheit-sehen sind. Und exakt das ist was Wittgenstein abschneidet, indem er im Tractatus eine elementar platonische Struktur einer Trennung zwischen Formenwelt und sinnlicher Wahrnehmung bewahrt. Er schneidet rigoros den Aufstieg ab. Wittgenstein ist, nicht für Aufsteiger, man könnte sagen "ganz systematisch antiaufsteigerisch". Das hat den Grund, dass der Tractatus als ultraegalitär angelegt ist, zwar noch in diesem Rahmen stehend findet er jedoch eine Konstruktion, und dazu mehr beim nächsten Mal, die nicht mehr hinein passt in diese Mehrdeutigkeit des Sehens.

Verschiedenes sehen, verschieden sehen, die Verschiedenheit sehen

Und jetzt mache ich noch einen Sprung, um die genannten Überlegungen mit Wittgenstein in Zusammenhang zu bringen. Es geht jetzt um die diversen Verständnisweisen dessen, wie wir sehen. Um das kurz darzustellen:

  • Verschiedenes sehen:

Ich schau hierher, ich dreh mich um, ich seh was anderes. in meiner Sinnlichkeit wechseln sich die sinnlichen Environments ab und geben Verschiedenheiten.

  • verschieden sehen:

Hier ist diese Abwechslung einmal gestoppt. Es geht darum, ein und dieselbe Situation im Blick zu halten, und diese Situation hat einerseits den sinnlichen Gehalt - das ist das sinnliche Sehen. Und dann gibt es ein anderes Sehen, auf die Unterschiede hinein, das diese Unterschiede einschließt. Ich sehe beispielsweise die Hand als Ganzes und ich sehe die Hand als fünf Finger. Wenn ich sie als fünf Finger sehe, habe ich eine andere Art des Sehens.

  • die Verschiedenheit sehen:

Wir sehen, dass das verschieden ist. Wie kann man daran herankommen? Nach allem, was ich bisher gesagt habe, ist natürlich an der Stelle Vorsicht angezeigt, weil man Verschiedenheit nicht so sehen kann, wie verschiedene Umstände. Aber ich möchte Ihnen jetzt ein Beispiel bringen, das sich nahelegt, wenn man ein Beispiel für das Sehen der Verschiedenheit sucht. Warum ich das so expliziere hat den Grund, dass sich, glaube ich, zeigen lässt, dass Wittgensteins Tractatus, anschließend an die genannten Problemstellungen, genau auch auf einer bestimmten Deutung und Konstruktion dieses "die Verschieden sehen" aufgebaut ist.

Hier die Beispiele, es geht um eine sinnliche Gestalt, hier das Malteserkreuz. Wenn Sie ein wenig herumsurfen, werden Sie viele verschiedene Implementierungen des Malteserkreuzes sehen, etwa hier bei einem Rückspiegel Mk1.jpg, in der Röhre Mk2.jpg, in einer Reling Mk3.jpg. Es gibt hier viele Gelegenheiten, Verschiedenes zu sehen. Da ist die Birne, dort ist die Bremse, hier sehen Sie Stützen - niemand zwingt Sie dazu an der Stelle etwas herauszuholen, zu identifizieren. Sie müssen schon so ein kleines Rätselspiel machen, wie bei einem Intelligenztest. "Was ist an diesen drei Bildern ähnlich?" Ab einem gewissen Alter sollten Sie in der Lage sein, diese Frage zu beantworten. Selbst wenn Sie noch nicht den Begriff "Malteserkreuz" haben, haben Sie eine gewisse Mustererkennung, und können hier Ähnlichkeiten identifizieren - und damit sind Sie schon vom "Verschiedenes sehen" zum "verschieden sehen" herrüber gegangen. Unter dem Aspekt "Sagen Sie mir doch bitte, was ist an diesen drei Bildern gleich?" antworten Sie, nach einiger Suche, "Ja, dieses kreuzförmige Gebilde da" - damit haben Sie auf diese sinnlichen Inputs auf eine Art und Weise geschaut, die schon geleitet ist von Identifikations- und Begriffsunternehmungen. Und hier das Stück Mk5.jpg, dass den Übergang zu Wittgenstein gibt. Ein Viereck, in dem sich eine Gestalt findet, die, einfach beschreibend, wahrnehmungspsychologisch, eine Besonderheit hat: Wenn Sie das ansehen, ist Ihnen nicht von vornherein klar, ob das jetzt ein Malteserkreuz ist, oder gerade kein Malteserkreuz. Also: ist es eine Aussparung, durch die Sie hindurchschauen, oder aber eine Materialität ist, die vor Ihnen liegt, und die Sie greifen können. Greifbar, oder ungreifbar, das eine oder das andere. Vergessen Sie einmal für den Moment die natürlich legitime Redensweise, zu sagen, dass es, selbst wenn es eine Aussparung ist, gute Gründe gäbe dennoch zu behaupten, es handle sich um ein Malteserkreuz. Dass es kein materielles Malteserkreuz, sondern ein Loch in der Form eines Malteserkreuzes ist. Die wichtige Sache an der Stelle ist: selbst wenn man letzteres sagt, bezieht man sich auf eine Form, eine Malteserkreuzform, die in diesem Bild dadurch konstruiert ist, dass sie bestehen oder nicht bestehen kann, materiell ist, oder gerade eben nicht materiell ist. Das ist ein entscheidender Unterschied, dass Sie in Ihrer Umgebung verschiedene Malteserkreuze sehen, die Sie greifen können. Sie können an dieser Stelle Abstraktionsleistungen ansetzen lassen, wie in dem obrigen Beispiel. Das hier ist durch ein besonderes Feature gekennzeichnet, dass Sie nämlich an dieser Stelle eine Kompetenz des Umgangs mit "Malteserkreuz" bekommen können und kriegen, die darin liegt, dass Sie sagen, dass Sie verstanden haben, was ein Malteserkreuz ist, wenn Sie wissen, dass das entweder ein materielles Malteserkreuz, oder aber eine Aussparung, die die Form eines Malteserkreuzes hat. Wenn Sie das wissen, wissen Sie was ein Malteserkreuz ist, unabhängig davon, ob das in diesem speziellen Fall eines ist, oder zum Durchschauen.

Hinter Platon und Wittgenstein ist die selbe Idee

Warum ich Ihnen das so plastisch vorstelle, ist weil das nach meiner Interpretation die Grundeinsicht für Wittgenstein im Zusammenhang mit den Elementarsätzen ist. Elementarsätze haben genau diese Funktion, einen inhaltlichen Aufbau, eine interne Struktur, und zusätzlich ein Ja/Nein-, ein ON/OFF-Moment, Wittgenstein spricht von Richtungssinn. Er stellt das im Tractatus so vor, dass es einen Satz gibt, der Satz hat eine interne, relationale Struktur, und zwei Pole - sozusagen die ON und OFF Pole, was er damit meinen kann, lässt sich an der Stelle schön sagen: Das ist ein Malteserkreuz, oder es ist gerade kein Malteserkreuz, sondern eine Höhle, eine Aussparung. Wittgenstein weist darauf hin, dass diese beiden Sätze einerseits kontradiktorisch gegeneinander stehen, andererseits aber auf eine systematische Art präzise aufeinander bezogen sind. Der eine Sachverhalt ist wahr, genau dann, wenn der andere falsch ist, und umgekehrt.

Um das in Verbindung zu bringen mit dem, was ich bisher über Platon mit dem Stichwort "Eins, zwei, viele" gesagt habe, nun unter dem Strich meine These, die ich Ihnen vorlegen möchte: Hinter dieser Konstruktion von Platon, Sinnlichkeit und Gestalt der Sinnlichkeit, zu verbinden mit der Dualität des Wahren und des Falschen, des identifizieren- und nichtidentifizieren-Könnens, steht von der gedanklichen Konstruktion her in beiden Philosophiekontexten (die natürlich meilenweit auseinander sind) die selbe Idee. Und diese Idee, frei von Wittgenstein und Platon formuliert, ist die: Diese Konstruktionen kommen daher, dass wir philosophische Deutungen dafür haben wollen, dass Menschen in der Welt wahrnehmen und sich aus der Wahrnehmung auch teilweise rausabstrahieren, mit Hilfe von Urteilsmechanismen. Dass wir Strukturgestalten (=Wahrnehmung) und Polaritäten(=Urteilsmechanismen) haben, ist in diesen besonderen Konstruktionen abgebildet. Das Malteserkreuz ist hiervon nur eine kleine Illustration.

Notwendige Reduktion

Ich gebe Ihnen noch ein Beispiel aus dem nächsten Punkt und zeige Ihnen ein Bildbeispiel, dass nach dem selben Muster gestrickt ist, wie das Malteserkreuz, doch etwas zeitgenössischer.

Wtc before.JPG

Nyc post wtc.JPG

Das ist die Skyline von New York. Stellen Sie sich vor, Sie waren gerade dort, Sie haben das in Erinnerung, Sie haben dieses Foto gesehen. Ein Jahr darauf kommen Sie wieder nach New York und Sie haben eine kognitive Dissonanz. Da fehlt etwas, nicht irgendetwas. In dem Moment, in dem Ihnen das auffällt, im Vergleich, ist das nicht so etwas einfaches wie "Meine Uhr liegt nicht mehr da, die muss irgendwo anders liegen" oder so. Das müsste in diesem, unserem Kontext zugespitzt werden, um möglich, machbar zu sein. Die Zuspitzung besteht für jemand, der weiß wohin ich steuere in all der sinnlichen Vielfalt, darin, dass ziemlich intuitiv von vornherein klar ist, dass ich genau etwas, genau den einen Unterschied, der diese beiden Bilder voneinander trennt, das eine, das nur in diesen zwei Varianten "anwesend" und "abwesend" kommt, das World Trade Center. Abgesehen von all den vielen Hochhäusern, das ist der eine Unterschied, der das an dieser Stelle ausmacht. An diesem Unterschied, und das ist gemeinsam bei Platon und Wittgenstein, der Kompetenz, Sinnlichkeit durchzuschneiden, lässt sich logische, dialektische Kompetenz des Menschen anknüpfen und diskutieren.

Die Landschaft alleine ist nicht signifikant genug, dass man den Unterschied an der Stelle sehen würde, das ist natürlich eine berechtigte Bemerkung, die gut zusammenpasst mit dem, was ich sagen möchte. Es ist ein schönes Beispiel dafür, dass man mit sehr unterschiedlichen Voreinstellungen und Interessen an eine solche Sache herankommt. Wenn ich in der Nähe wohne und möchte schauen, ob mein Haus noch steht, dann ist der Vergleich an der Stelle durchaus sicher, und der Rest interessiert mich jetzt nicht. Es gibt einen genau anzugebenden Grund warum ich auf mehr gespielt habe, als auf solche Vielfältigkeit. Wenn wir diese beiden Bilder haben, dann könnten wir uns eine große Gruppe von Leuten vorstellen, die mit diesen Bildern konfrontiert wird und jeden interessiert etwas anderes daran. Manche finden nur Gemeinsamkeiten, manche keine: das geht in die Richtung, verschiedenes zu sehen. Damit soetwas wie Vernunft aufgebaut wird, eine Vernunft die auf einen sicheren, verlässlichen Grundlage steht, die eine Rationalität begründet, muss man die vielen hunderttausenden unterschiedlichen Praktiken, die mit diesen Bildern möglich sind, reduzieren und abstrahieren und zusammenschneiden, auf einen bestimmten gemeinsamen meeting point. Und im Zusammenhang mit diesen beiden Bildern ist dieser meeting point: "Siehst Du auch, was ich sehe? Siehst Du, worum es da geht? Dass auf dem einen Bild die Twin Towers drauf sind und auf dem anderen nicht?" Das ist die Pointe dieses Bildes. zu bemerken, dass das in diesem Bild nicht so klar ist, ist richtig und wichtig, weil es um sehr vieles gehen kann. Die "Versuchssituation" mit dem Malteserkreuz hingegen ist gezielt reduziert, um leichter verständlich zu machen, was die Pointe ist. Und das ist wichtig, weil wir an diesen Szenarios ein entscheidendes Moment der Philosophie im Vergleich zugängig haben, nämlich vom Selben zu reden. Personen, die mit Sätzen, mit Bildern umgehen, reden vom Selben. Es geht darum, die Verschiedenheit zu sehen. Um meine rational-philosophische Rekonstruktion durchzuführen muss ich darauf bestehen, dass man mir nicht erzählt, dass die Textur nett sei, oder die Helligkeit nicht stimmt, oder warum es nicht rund wäre, sondern, und das ist in der Konstruktion notwendig, die Person darauf aufmerksam zu machen, dass es darum geht, ob es nun ein materielles oder nicht materielles Malteserkreuz ist, das eine, oder das andere. Das ist eine künstliche Reduktion, die aber mit der wahr/falsch-Reduktion zusammenhängt.

Wohin uns das führt

Worauf ich hinaus will, und das geht auch schon in Richtung Datenbanken, aber auch Kritik an dieser ganzen Weise des Denkens: Um nachvollziehbare Satzzusammenhänge und Argumentationen zu konstruieren, brauchen wir diese Art von Umgang mit Sätzen. Dieser Umgang ist jedoch eine eigens sehr zugeschnittene Praxis, was sich an den Bildern schön zeigt. Informationen in Datenbanken werden im Prinzip auf die selbe Art und Weise angelegt und gehandhabt. Die Kritik der Datenbanken setzt da natürlich an. Diese Art von "Ja/Nein, ON/OFF, stimmt oder stimmt nicht"-Attitüde, die man bei Datenbanken kritisiert - und das ist, worauf ich Sie vorbereiten möchte - ist etwas, das seit Platon angelegt ist, und über Wittgenstein in eine gegenwärtige Diskussion hereinkommt.