Bildung und Datenbanken, 12. Juni

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12. Juni

Einleitung

Ich weiß nicht, wie interessiert Sie an TV-Serien sind. Es wäre ein interessantes Thema, sich zu überlegen, welcher Typus von TV-Serien mit welchem Typus von Vorlesung korreliert. Z.B. CSI oder Monk ist mehr von der Art von Klärung von Einzelfällen pro Folge. Vorlesungen und TV Serien sind jeweils ein Angebot in einer Season. Bei kleineren sind es 12 Installments, ungefähr so wie bei dieser Vorlesung. Es geht darum, Woche pro Woche etwas zu präsentieren, das mit einer Kontinuität zu tun hat. Ich glaube nicht, dass das schon jemand untersucht hat. Es wäre ein Vorschlag für eine Diplomarbeit für Sie. Es kommt mir in den Sinn, weil ich zum Vergnügen ein wenig Prison Break [1] angeschaut habe und die Besonderheit, die einer gewissen Gewöhnung bedarf, ist, dass diese Serie darauf aufgebaut ist, dass immer etwas unvorhergesehenes, störendes und überraschendes passiert, auf eine Art und Weise, die ausgesprochen extrem ist und ständig die Spannung neu anheizt und umlenkt. Ich kann nicht beanspruchen, dass das, was ich hier mache, nach dem Prison-Break-Prinzip geht, aber ein wenig etwas kann ich schon davon oder von Lost nehmen, nämlich, dass am Ende der Season der berechtige Wunsch entsteht, die Rätsel aufzuklären, die sich im Laufe der Veranstaltung gehäuft haben und die die Leute bei der Sache hält. Kollege Joker Jockel, der mir mit solidarischer, aber auch heftiger Kritik ständig auf den Fersen ist, wie Sie hier auch auf der Diskussionsseite zu Heidegger lesen können, hat mir nicht zu unrecht deutlich gemacht und mich darauf hingewiesen, dass das, was ich Ihnen bisher als generelle Linie vorgetragen habe, etwas verwirrend ist und einer Aufklärung oder einer deutlicheren Konturierung bedürfte. In der vorletzten Folge dieser Serie, die ich Ihnen hier anbiete, kann man es schon etwas klarer herausstellen. Es gibt ja auch schon eine Ähnlichkeit in Serien und Vorlesungen im Sinne von „Was bisher geschah“, „Recently on Prison Break“.

Rückblick

Einen kurz zusammengefassten Rückblick, den ich in dieser Deutlichkeit noch nicht gebracht habe, will ich als Antwort auf die Kritik, die Sie hier lesen können, anbieten. Ich glaube, es ist hilfreich, Ihnen das Gesagte zusammenzufassen, indem man sagt, ich zeige ihnen zwei unterschiedliche Linien der Entwicklung der Bildungsdiskussion vor dem Hintergrund der klassischen Philosophie. Die eine Linie läuft von Platon zu Wittgenstein [2] zum Wiener Kreis [3] und zu den Datenbanken. Für heute ist im Hauptteil dieser Sitzung die Besprechung des Beitrags von Heinz Zemanek [4], der in dem Buch „Informatik und Philosophie“ niedergeschrieben ist, vorgesehen. Ich werde Ihnen noch deutlicher, als es bisher der Fall war, vor Augen führen, wie man an den Wittgenstein des Tractatus anknüpfen kann, um die Computertechnik zu motivieren und um aus dieser Computertechnik auch Datenbankeinsichten zu gewinnen. Ich habe, um das noch deutlicher zu machen, ein Subkapitel zur Verfügung gestellt, in dem ich detaillierter darauf eingehe, wie Datenbanken in Wirklichkeit funktionieren und werde Ihnen das am Ende der heutigen Sitzung noch einmal nahelegen.

Das ist die eine Richtung von Platon zum Platonismus des Tractatus, vom Positivismus als generelle Einstellung philosophischer Art zum Technizismus der Informationstechnologie und zu den Datenbanken und damit verbunden eine Bewegung, die im Tractatus darin mündet, dass man mit Wittgenstein sagt, was mit Bildung, mit Schönheit, mit Wert, mit Gutem, mit den Ansprüchen des Subjekts zu tun hat, fällt aus der Entwicklung heraus, wird gekappt und ist darum ein Argument dafür, dass in dieser Entwicklung mit dem Tractatus und mit der Informatik die Bildung und die Datenbanken komplett auseinander fallen.

Heinz Zemanek ist schon eine Form von Kritik an dieser Auffassung. Diese Kritik bezieht sich auf einen Umstand, der aus der Praxis der Informatik kommt und für den er die bekannte Unterscheidung zwischen dem frühen und dem späten Wittgenstein in Anspruch nimmt. Die Grundlinie dieser Kritik besteht darin, dass die eben genannte Abkoppelung von Bildung und Datenbanken in dieser Erzählführung nicht sinnvoll ist, weil man sie als Informatiker immer im Auge behalten muss. Das Ideal eines computergesteuerten Präzisionsinstrumentes ist nur die eine Seite, dass man gerade auch als InformatikerIn die Vielfalt der Probleme, die Umkehrbarkeit der Probleme, die pragmatischen Bereiche im Auge behalten muss und damit Informatik nicht dort hinführt und aufhört wo der Tractatus ist, sondern über den Tractatus hinausgeht auf den, (das ist Zemaneks Punkt) parallel zum späten Wittgenstein in eine sehr anders gelagerte, nicht mehr positivistische Umgangsweise, unter Einschluss und unter Fortsetzung dessen, was im Tractatus und im Informatikbasisunterricht gelehrt wird. Das führt zu einer entspannteren, postpositivistischen Betrachtungsweise des Verhältnisses zwischen Bildung und Datenbanken. Das ist die eine Linie, die ich Ihnen vorgeführt habe.

Gekreuzt wird diese Linie von einer anderen. Das ist der Punkt, der die meiste Irritation erzeugt hat. Diese Linie, die in meinem Kontext von Hegel und Heidegger repräsentiert wird und die eine Linie, nicht des wittgensteinianisch und „positivistischen“ Verabschiedens des Bildungsbegriffes auf der Basis der logisch analytischen Philosophie von Frege ist, sondern eine Kritik von Platon und der ganzen Bildungsidee aus dem Inneren der traditionellen Philosophie, ganz ohne irgendwelche Datenbanken. Die Besonderheit dieser zweiten Linie ist die, (bei Hegel habe ich sie Ihnen das erste Mal gezeigt und bei Heidegger das letzte Mal) und das ist ein Witz im neutralen Sinn, ein ganz bedeutender Witz auf den man draufkommt, wenn man diese Sachen ansieht. Ich formuliere es einmal in meiner Sprache und Zugangsweise. Die Besonderheit ist die, dass Heidegger der klassischen Philosophie vorwirft, dass sie auf die Datenbanken hinausläuft. Die Kritik, die Heidegger an der klassischen Philosophie anbringt, besteht gerade darin, dass er sagt, so wie die klassische Philosophie sich entwickelt hat, ist das der Wesenswandel der Wahrheit, das „sich ändern“ von Unverborgenheit in Richtigkeit, in Korrektheit, in Technik, in Beherrschbarkeit, in Idealisierung und mit der Idealisierung zusammen die Typisierung. Das alles sind nach Heidegger Entwicklungen die uns in der klassischen europäischen Philosophie die Datenbanken beschert haben. Der Witz besteht darin, dass in dieser Betrachtungsweise von Heidegger Wittgesteins Standpunkt des Tractatus geradezu ein paradigmatischer Beleg dafür ist, dass sich die abendländische Philosophie dorthin entwickelt hat, wohin sie sich entwickelt. Heidegger in seiner deutsch-traditionellen Art lässt das Ganze bei Nietzsche enden. Wenn er in der Lage gewesen wäre, die Genialität von Wittgenstein zu verstehen, hätte er das durchaus mit einbeziehen können. Wittgensteins Tractatus ist noch ein viel besseres Beispiel des Endes des Platonismus, den Heidegger hervorrufen möchte. Heidegger steht also mit dieser Linie – und das ist sozusagen die aus der Bildungstradition kommende, radikale Kritik der Bildungstradition, die soweit geht, dass man von Humanismus, von Bildung überhaupt nicht mehr reden kann, weil das nach Heidegger so verdorben ist – post tractat in einer, von der Bildungstradition kommenden Kritik der Bildungstradition, die mehr oder weniger zusammenfällt mit der Kritik der Bildungstradition, die im Wiener Kreis bei Wittgensteins Tractatus gemacht worden ist. Grosso Modo, alle Details sind natürlich viel trickreicher, aber von dieser Linie, die ich vertrete her, fällt das hier zusammen. Damit ergibt sich eine Frage – und da komm ich jetzt auf das Insistieren des Kollegen, wohin denn das weitergeht – er weißt darauf hin das das Konzept der Unverborgenheit einigermaßen kryptisch ist. Jawohl, das ist kryptisch – es ist nicht meine Aufgabe, das genauer auszuführen, was Heidegger an der Stelle anbietet. Vom Outline her ist es so, dass er sagt, in dem Höhlengleichnis kann demonstriert werden, dass sich die Idee, die Typologie, die Beherrschbarkeit der Typologie, vom Seienden als Meisterin aufgespielt, der Unverborgenheit, der Wahrheit, als statt das höchste, das wo man hingeht, die Wahrheit ist. Die Wahrheit die Heidegger im Hintergrund hat, ist eine Konzeption, die er in einem Vortrag schon Ende der 20er Jahre („Vom Wesen der Wahrheit“) als eine sich entbergend, verbergende, ereignishafte, geschichtliche Bewegung des Aufenthalts des Menschen in der Welt charakterisiert hat. Also statt dieser Art des "sich-einlassens" auf eine Form von „es zeigt sich“ haben wir seit Platon anfangend und sich verhärtend eine Orientierung an der Typologie dessen, was sich zeigt, nicht an dem, dass es sich zeigt und dass es sich wieder verbirgt, sondern dass es sich auf eine bestimmte Art und Weise zeigt,dass es typologisch erfassbar ist. Diese typologische Erfassbarkeit ist zu hintergehen, zu hinterfragen. Das ist die Frage nach der Kryptischheit des Konzepts der Unverborgenheit. Die führt zur Frage, was Heidegger vor hat, wenn er von einer Philosophie der Technik, nicht von Gestell redet. Wie immer das ist, führt an der Stelle weg und jetzt bin ich am Ende meines kurzen Überblicks zu meiner Darstellung zur Überschneidung der beiden Linien. Denn worauf ich hinaus möchte, ist, dass abgesehen von der Heideggerschen Reaktion auf diesen Befund auch der späte Wittgenstein eine Reaktion auf diesen Befund hat, der eine ziemlich einschneidende Kritik seiner eigenen Überlegungen im Tractatus vorschlägt und vorlegt, so dass man das Anliegen der Frage, wie es denn jetzt weitergeht, wenn es so ist, wie ich es dargestellt habe, zu guter Letzt in der Überschneidung der beiden Linien so behandeln kann, dass man sagt, wir sind konfrontiert mit zwei großen philosophischen Reaktionen auf den Befund der zerstörten Bildung und einer der Schnittpunkte von dem, was ich Ihnen sagen will, bei allen ganz unzuleugnenden Unterschieden ist diese Kritik der Zerstörung der Bildung für Wittgenstein und Heidegger funktional kompatibel. Wittgenstein hat darauf etwas zu sagen, was mir das letzte Wort zu haben zu verdienen schien. Das ist die kurze Zusammenfassung von wesentlichen Dingen die ich hier sagen will und die ich zur Einleitung noch einmal bringen wollte.

Ich habe zu meiner Aufforderung doch etwas über den Brief zum Humanismus hier hereinzuschreiben, nicht viel Response erhalten. Bloß der Kollege Joker Jockel hat gesagt, er hält den Text von Heidegger nicht aus. Das ist nicht wirklich eine philosophische Stellungnahme, würde ich sagen, aber ich respektiere sie. Es hat lang genug Zeiten gegeben, da hab ich das auch nicht ausgehalten. Ich wollte Ihnen das letzte Mal nahe legen, dass sich diese Art von Geschmacksurteilen auch ändern kann. Wie dem aber auch sei, das ist nicht mehr mein Thema.

Vom Tractatus zu den Datenbanken

Was ich ihnen heute angekündigt habe und ansprechen möchte, ist zunächst einmal die Linie vom Tractatus zu den Datenbanken. Heinz Zemanek ist ein Wiener Computerpionier, der bei IBM gearbeitet hat, Professor an der Technik ist und sehr früh, in den 50er und 60er Jahren Mainframe-Computer konstruiert hat, mit denen er schon aufsehen erregt hat. Er hat auch schon in den 60er Jahren in Dagstuhl[5] einen Vortrag gehalten, in dem er sehr sehr ausführlich die Thematik zwischen Tractatus und Computer diskutiert hat, und es zeigt sich dabei, dass er eine sehr feine und im Gegensatz zu den Beurteilungen, die man in der philosophischen Fachwelt noch immer hören kann – nicht gerade bei den Wittgenstein-ExpertInnen, aber doch generell vor allem bei denen, die mehr an der Philosophie des 19 Jahrhunderts orientiert sind – eine doch sehr differenzierte Einschätzung der Arbeiten von Wittgenstein und des Wiener Kreises.

Es beginnt schon damit, dass er sagt, der Wiener Kreis, dem Wittgenstein eher durch Verwandtschaft als durch Mitgliedschaft angehört, und der logische Positivismus vertreten die Welt der logischen Operationen, die nun im Computer zu Milliarden ausgeführt werden. Die Denkweise des Wiener Kreises beschäftigt sich nicht viel mit dem, was Wittgenstein das Mystische nennt. Sie schweigt darüber nicht, wie er empfiehlt, sondern sie leugnet es. Für den logischen Positivisten könnte die Welt zu dem werden was sich im Computer simulieren lässt. Kein Fachphilosoph würde dergleichen vertreten, aber der Informatiker neigt in diese Richtung. Das ist eine Richtung, die Zemanek beschäftigt und dafür hat er einen berechtigten Platz in einer Philosophievorlesung. Genau weil er dieses Versprechen und diese Versuchung kennt, ist es ihm wichtig darauf hinzuweisen, dass die Neigung, sich an dieser Stelle so zu orientieren weder mit philosophischen Vorstellungen, noch mit der Erfahrungen der Informatik in Wirklichkeit gut zusammenstimmt. Zemanek ist insofern sehr aufmerksam, als er diesen Bereich des Mystischen, den man als den Generalbegriff für alles das, was man nicht präzise ausdrücken kann, hier einführen kann, erkennt (was Wittgenstein nicht leugnet, sondern wie er an einer Stelle sagt, ausgrenzen will.) Er will das sagen, was sich sagen lässt und was sich nach diesen Kriterien der Genauigkeit nicht sagen lässt, ist auch nicht durch diese Sprache zu verurteilen. Es ist eine andere Dimension, als die Sprache, um die es und an dieser Stelle geht, nämlich die exakte Sprache.

Der Punkt auf den Zemanek speziell hinweist, ist hier schon im ersten Satz genannt – die logischen Operationen, die wir im Tractatus kennengelernt haben, als die Wahrheitsfunktionen. Dieser Typus von logischen Funktionen wird im Computer milliardenfach durchgeführt – die Logik, die sie in der Einführung bekommen, mit Junktoren wie „und“ und „oder“ – das ist ein Punkt, den Zemanek gleich weiter anspricht– diese Logik, die von Frege ausgegangen ist und die in den Lehrbüchern von Hilbert und Ackermann z.B. kanonisiert worden ist. Schaltkreise haben eine bestimmte Ordnung. Es lässt sich eine Und-Schaltung, eine Oder-Schaltung, eine Nicht-Schaltung, eine Flip-Flop-Schaltung elektrotechnisch praktisch umsetzen, und ein zentraler Bezug zwischen dem, was Frege und Wittgenstein erfunden und ausbuchstabiert haben und dem, was im Computer passiert ist, dass diese Schaltkreise des Computers modelliert sind an der logischen Grundlage der Wahrheitsfunktionen. Das heißt, die Logikeinführung, die sich vertraut macht mit Wahrheitstafeln, wo sie wissen, wenn sie ein P und ein Q haben und ein „und“ dazwischen steht, dann ist das P und Q nur dann wahr, wenn beide Sätze den Wert „w“ bekommen. Das wird umgesetzt in „1“ und „0“ statt „w“ und „f“ und funktioniert als eine Schaltung am Computer genauso, wie in der Logikvorlesung. Zemanek weißt darauf hin, dass es Ingenieure wie Shannon oder Eigen gegeben hat, die die logische Algebra neu erfunden haben, die notwendig war und die man für diese Zwecke gebraucht hat. Von der Technik her war es Vorraussetzung, dass man so etwas braucht, aber die methodisch theoretische Grundlage – das ist ja der Grund, warum sie in einem Informatikstudium nicht nur Elektrotechnik sondern auch Basislogik lernen. Die theoretische Grundlage der Schaltkreise kommt aus der selben Quelle, aus der der Tractatus kommt, nämlich aus der formalen Logik Freges. Das ist der Grund, wie Zemanek das sehr einprägsam sagt, dass der Computer auf diesem Weg die volle Universalität der Mathematik erhielt und zu dem Werkzeug wurde, dass die Denkwege des Wiener Kreises zur praktischen Vorgangsweise machte. Das war erst in der Retrospektive feststellbar.

Wir haben, bevor es Computer gegeben hat, die theoretische Konstruktion einer logischen Operation, basierend auf Sätzen, die nach den idealtypischen Vorraussetzungen, die wir seit Platon kennen, gestaltet sind. Das ist eine Sache, die ich faszinierend finde und die diesem Brückenschlag zwischen Wiener Kreis und Informatik eine ganz bestimmte Nachdrücklichkeit gibt.

Wir hatten die Wahrheitsfunktionen auf Elementarsätzen. Die Elementarsätze haben ihre Gestalt als Abbilder der Welt. Nicht besser hätte sich Heidegger zu exemplarischen Zwecken vorstellen können – er redet gerade davon, dass die Aussagewahrheit verkümmert ist zur Abbildung bestimmter Gegebenheiten der Welt, die sie widerspiegeln und das, was die Elementarsätze an dieser Stelle leisten, als elementare Wiederspiegelung, wird verkettet und operationalisiert durch den Wahrheitsfunktionalen Kalkül. Das sind alles Ideen, die innerhalb der Philosophie entstanden sind und die sich durch den Switch in einen neuen Bereich, den Bereich der Computertechnik, des Designs und der Herstellung von Computern weitergeschrieben haben in den Bereich von Werkzeug.

So, wie diese Grundprinzipien im Computer implementiert worden sind, haben wir, wie er sagt, ein Werkzeug auf der Basis der vollen Universalität der Mathematik. Dadurch entsteht der faszinierende Aspekt, wenn wir ein Mikrofon haben. So ein Werkzeug ist nicht intelligent, erfüllt einen bestimmten Zweck und ist darauf angewiesen, dass man hineinspricht, das etwas sinnvolles herauskommt. Es sind in diesem Typus von Werkzeugen schon häufig Chips drinnen, aber ein Mikrofon rechnet nicht. Rechnen ist das was der Computer aufgrund dieser logischen Fundierung kann. Das wiederum ist der Grund, warum der Computer ein Allzweckwerkzeug ist (viel mehr als das Schweizer Offiziersmesser), weil die Rechenkapazität ein Potential ist, von dem man entdeckt und entwickelt hat, dass man damit alle kognitiven Funktionen des Menschen auffangen, modellieren, simulieren und befördern kann. Datenbanken, um die es in der Vorlesung geht, sind eine Unterabteilung. Das ist die Situation auf die uns Zemanek hinweist. Um Zemanek ein wenig zu unterstützen, will ich hier noch einmal einen Rückblick auf den Tractatus einschalten.

Rückblick auf den Tractatus

Zemanek hat vollkommen recht, den Ausgang in diesem Brückenschlag zum Tractatus im Abschnitt Nr. 6 zu nehmen. Ein wichtiges Detail, nämlich die Querstriche über dem X sind im HTML verloren gegangen Das ist aber nur eine notationelle Schwierigkeit. Das hier ist die Hauptformel des Tractatus, wie Zemanek vollkommen zu recht bemerkt und die sie hier noch einmal sehen: Die allgemeine Form der Wahrheitsfunktion: <math>[\bar p,\bar\xi, N(\bar\xi)]</math> Wittgenstein lächelt, wenn er das sagt. Das schaut interessant aus, hat auch eine guten Sinn und ist auf der selben logischen Stufe wie der 7. Satz oder der 1. Satz, (Die Welt ist alles, was der Fall ist) das heißt, es ist von der größten Allgemeinheit und gehört zu dem wichtigsten, was er sagt. Im Unterschied zu den beiden anderen, z.B. dem Satz 1 und dem Satz 7 eignet sich das nicht besonders gut zum Zitieren, weil es niemand versteht ohne dass er es gelesen und verstanden hat, worum es im Tractatus geht. Das ist aber die Vorraussetzung dafür, dass jemand sinnvoll den letzten Satz zitieren kann. Wenn ich ein Weltherrscher wäre, würde ich ein Gesetz erlassen, dass jede Person die den letzten Satz des Tractatus zitiert, nachweisen muss, dass sie den vorletzten Satz versteht, sonst wird ihr das akademische Diplom aberkannt. Das ist deswegen wichtig – deswegen auch eine Bemerkung über Bildung und Datenbanken – weil damit der größte Unfug getrieben wird, dass Leute glauben, die freieren und prinzipielleren Aussagen von Wittgenstein, weil sie schön klingen, zitieren zu können, ohne zu wissen worauf diese eigentlich beruhen. Ich kann wunderschöne Sätze sagen. Dann sind es einfach Aphorismen und teilen das Schicksal von z.B „Hier bin ich Mensch, hier darf ich sein,“ aber es ist so, und das ist für mich noch einmal ein Kommentar zum Zustand von Bildung, eine massenmedial gesteuerte Kultur, in der Zitate wie „Hier bin ich Mensch, hier darf ich sein,“ zu Soundbits werden, gibt keine Möglichkeit, einprägsame Formulierungen, die erzeugt werden, dagegen zu schützen, dass sie in einer Schlagzeile oder in einem Jingle auftreten. Wittgenstein ist keine Ausnahme. Es ist eine interessante Tatsache (dieses Schicksal teilt er mit Goethe), dass Leute, die ein profundes, eindrucksvolles und lohnendes Werk produziert haben, auch solche Schlagworte produziert haben, an denen man sie dann an der Nase herumführen kann. Sie haben nichts verstanden vom Osterspaziergang, wenn Sie den kleinen Vers zitieren und bei DM finden und Sie haben nichts vom Tractatus verstanden, wenn sie den letzten Satz zitieren.

Diesem Unverständnis möchte ich hier abhelfen, um sie in die Lage zu versetzen, diesen Satz mit Sinn zu zitieren. Dabei handelt es sich um folgendes: wir sind bei Wittgenstein in der Situation, dass wir wenn er die schönen allgemeinen Forderungen einlösen möchte, die darin bestehen, dass alles das, was man sagen können muss, klar gesagt werden kann, dass wir dann einen Mechanismus brauchen, um die Sprache um die es hier geht, so zu charakterisieren, dass sie ein für allemal Kriterien der Klarheit enthält.

Was gesagt werden kann, muss angegeben werden können, denn sonst könnten wir in der Logik immer wieder Überraschungen erleben. Die Logik ist nicht der Bereich der Überraschungen, sondern der Beschäftigung mit den Grundlagen, aufgrund derer wir uns einander verständlich machen und die Mechanismen, die Wittgenstein einsetzt, um diese Verständlichkeit zu gewährleisten, beginnen damit, dass er sich im Absatz 4.1273 des Tractatus darüber Gedanken macht: Wir können das allgemeine Glied der Formenreihe bestimmen, indem wir ihr erstes Glied angeben und die allgemeine Form der Operation, welche das folgende Glied aus dem vorhergehenden Satz erzeugt. Das ist eine mathematische Formulierung. Sie sehen darin leicht so etwas wie die Definition der Zahlen, Sie haben ein Anfangselement, Sie haben ein Nachfolgeelement, und indem Sie die Nachfolgefunktion auf das Anfangselement rekursiv anwenden, erzeugen Sie die Zahlen. Das ist die simpelste beispielhafte Darstellung von dem, was ein Typus ist. Der Typus der natürlichen Zahlen – 2, 7, 528 sind natürliche Zahlen – und auf der Basis des Fregeschen Systems entwickelt und expliziert Wittgenstein eine Theorie: Wie kann ich platonisch festlegen, was das Gemeinsame aller Zahlen ist? Das Gemeinsame aller natürlichen Zahlen ist ein Thema, das Platon auch beschäftigt hat. Im Zusammenhang mit der Wertschätzung der Mathematik gibt es auch ganz starke Korrespondenzen zwischen Platon und Wittgenstein. Der wichtige Punkt ist das allgemeine Glied der Formenreihe. Da steht dieses Urbild. Was ist das Urbild der natürlichen Zahlen? Wittgenstein würde sagen, es besteht darin, dass alle gemeinsam haben, aus einem Basiselement, mit Hilfe der wiederholten Anwendung der Nachfolgefunktion entstanden zu sein. Ich brauche dazu also nur das erste Glied und die allgemeine Form der Operation. Wenn ich das als Grundlage nehme,(vgl. Tractatus Absatz 45) scheint es möglich zu sein, die allgemeinste Satzform anzugeben, d.h. die Beschreibung der Sätze irgendeiner Zeichensprache zu geben, sodass jeder mögliche Sinn durch ein Symbol, auf welches die Beschreibung passt, ausgedrückt werden kann und dass jedes Symbol, auf welches die Beschreibung passt, einen Sinn ausdrücken kann, wenn die Bedeutungen der Namen entsprechend gewählt werden. Was sind nun diese, den einzelnen Elementen im Zahlenbereich vergleichbare Momente im Zusammenhang mit Sprache, die nicht die allgemeinste Form eines mathematisch numerischen Ausdrucks, sondern die allgemeinste Form des Satzes angeben sollen? Das sind die Elementarsätze. So, wie Sie in der Mathematik eine Null haben, auf die sie die Nachfolgeoperation anwenden und die Zahlen bekommen, imaginiert Wittgenstein die Sprache so, dass sie die Elementarsätze haben und auf diese – angenommen mir wären alle Elementarsätze gegeben – lässt sich einfach fragen, welche Sätze kann ich aus ihnen bilden? Das sind alle Sätze und so sind sie begrenzt. Erinnern Sie sich, ich habe ihnen das Charakteristikum der Elementarsätze deutlich gemacht. Weltbeschreibung unterscheidet sich insofern von Mathematik, dass Sie in der Mathematik mit Konstruktionen arbeiten können, als den Inputs in diese Operationen, während Sie in der Philosophie in der, auf Erkenntnis gerichteten Zugangsweise ebenfalls einen Basisinput und Operationen haben, aber der Basisinput – sonst wäre ja die ganze Welt nur mehr Logik und Mathematik – muss herausgefunden werden aus den Sinneserfahrung, aus der Konfrontation der Welt. Sinneserfahrung ist schon ein kleiner Schritt zu viel. Die ganzen Überlegungen, die ich Ihnen dargestellt habe, über das Zusammenfallen von wahr-falsch und Darstellung, Stichwort „Malteserkreuz“, Stichwort „die Welt so zu sehen, dass das Einzige, was in dieser Sicht der Welt wichtig ist, die Möglichkeit ist, auf „ja“ oder „nein“ die Form, um die es da geht, festzulegen. Das habe ich Ihnen als Charakteristikum des Elementarsatzes dargestellt und das geht hier in die Diskussion ein . Wir haben als Input die Elementarsätze und wir haben die Wahrheitsfunktionen, die auf den Elementarsätzen operieren und die sogenannten zusammengesetzten Sätze (alle, die mit „und“ usw. verbunden sind) produzieren. Die Sätze sind alles, was aus der Gesamtheit aller Elementarsätze folgt, natürlich auch daraus, dass es die Gesamtheit aller ist. Alle Sätze sind Verallgemeinerungen der Elementarsätze. Der Satz ist eine Wahrheitsfunktion der Elementarsätze. Die Wahrheitsfunktion kennen sie im Plural in der Regel – ich habe „und“, „oder“,„nicht“, „wenn-dann“ genannt – es gibt einen technischen Trick, mit dem man alle diese verschiedenen Wahrheitsfunktionen auf eine einzige reduzieren kann. Das ist der Schefferstrich. Der sieht in Wittgensteins Notation so aus: <math>(----W)(\bar\xi,….)</math> (vgl Tractatus 55) Sie haben hier „f f f f“ , die Wahrheitswerte in der linken Klammer. In der rechten Klammer sind die Elementarsätze. Die Funktion dieser Wahrheitsfunktion besteht darin: was immer Sie für Sätze mit dieser Wahrheitsfunktion verbinden, die Wahrheitsfunktion ist nur dann wahr, wenn alle die Sätze, die sie so verbunden haben, falsch sind. Das heißt, das ist die konjunktive Negation aller Sätze, auf die diese Wahrheitsfunktion angewendet wird. Das nennt man Schefferstrich nach Thomas Scheffer. Das ist an dieser Stelle von ästhetischer Bedeutung. Das ist ein Teil meiner Bemerkung „Wittgenstein lacht“, weil er diese Form von technischer Vereinfachung, diesen Schefferstrich statt mit zwei Klammern so schreibt: <math>N(\bar\xi)=~p</math> (die Negation sämtlicher Werte der Satzvariable <math>\bar\xi</math>)

Jetzt kriegen Sie ein Gefühl dafür, was diese allgemeine Form der Wahrheitsfunktion sein soll. Nämlich, sie haben hier Elementarsätze P, sie haben überhaupt alle Sätze die Sie bilden können, also eine Satzvariable und Sie haben die eine und einzige Wahrheitsfunktion mit der er sein Auskommen findet, die quasi dafür steht, wie immer Sätze zusammengesetzt werden können.

Wenn sie diesen weltumfassenden Input haben, Sie jetzt wissen, was alle Elementarsätze sind und alle Elementarsätze in die Scheffer-Funktion hineingeben, können Sie aus dieser Kompaktformel alle Sätze generieren, die Ihnen etwas sinnvoll über die Welt sagen. Warum ist das so? Weil in den Elementarsätzen die Informationen über die Gestalt der Welt in ihrer simpelsten Atomarität vorliegen und weil Sie, zusätzlich zur Atomisierung der Welt in die Elementarsätze als Kriterium der Sinnhaftigkeit des Formulierens von Sätzen der Welt, nur das andere Prinzip haben, dass alles, was Sie im ersten Schritt zugelassen haben, das in einem zweiten Schritt unendlich oft verkettet auf sich selber angewendet werden kann nach den Kriterien der Wahrheitsfunktion. Das ist der Ausblick des Satzes 6. Was Wittgenstein in Satz 7 und allen weiteren Bemerkungen nach 6 sagt, sind Nutzanwendungen, ein heroischer Abschluss der Idee dessen, dass die Welt eine Gestalt hat, die vernunftmäßig erfassbar ist und damit einen Schluss und eine Komplettheit erreicht. Das steckt hinter dieser Formel hier.

Zemaneks Kritik

Abgesehen von diesen philosophischen Hintergründen, die ich ihnen hier beigestellt habe, die Zemanek aber nicht behandelt, nimmt er diesen Satz zum Ausgangspunkt, schiebt ihn in seine Mathematikkompetenz und sagt, genau eine solche Themenstellung ließe sich in LISP (eine frühe Programmiersprache) umschreiben und wäre dann, angewendet auf die Beobachtungsfakten der Naturwissenschaften, das Programm für ein formales vollständiges Weltbild, mehr für eine ewig unfertige, aber im Prinzip fertigstellbare, wissenschaftliche Tatsachenbeschreibung der Welt, wie sie dem Traktat vorschwebte. Er weißt hier darauf hin, dass bei Wittgenstein eine Denkfigur vorliegt, die in der Informatik weiter geführt werden kann und für die die Informatik eine gewisse Affinität hat. Ohne sich dessen bewusst zu sein, hält eine verbreitete positivistische Grundeinstellung diese Formel der Weltbeschreibung für ausreichend und vollständig, geradezu für allein richtig, die Wirklichkeit ausmachend. Der Computer erscheint in dieser Sicht als Werkzeug für die Ausführung dieses Programms. Die Suggestion, die aus der Computerwelt kommt und die die Alltagsverständlichkeit erheblich unter Druck setzt, geht in diese selbe Richtung, dass nämlich Computer, weil sie doch nach diesen Prinzipien der Berechenbarkeit, der Klarheit funktionieren, einen Standard geben, eine Aufgabe und eine Philosophie definieren, an der der Rest der Welt zu messen ist. Sie können die Zemanek-Überlegungen dazu im einzelnen auch privat lesen. Ich gehe vorweg in die Dimension, in der Zemanek eine Kritik an dem Gesagten anbringt, nämlich im Zusammenhang mit diesem Thema, weil der logische Positivismus mit seiner Reduktion auf das Beweisbare und Berechenbare und was sie hier drinnen haben – Beweisbarkeit und Berechenbarkeit – kommen nicht Tractatus vor, aber aus der Konzeption einer Welt, einer Syntax, einer logisch formal exakten Sprache, die so konstruiert ist, dass keine Überraschungen möglich sind, dass sie die Bedingungen der Sinnhaftigkeit dessen, was gesagt werden kann in ihrem Aufbau in sich drinnen hat – entstehen diese berühmten metamathematischen Überlegungen, die sich damit beschäftigen. Wenn ich so eine Sprache habe, was kann sie ausdrücken, was kann ich im Rahmen dieser Sprache, aufgrund von formalen Schlussfolgerungen beweisen, was kann eine solche Sprache aussagen. Um das berühmteste, daran angeschlossene Thema zu nennen, ist es möglich, dass ich ein sachgerecht kompliziertes formales System habe, das ich mit einer Variante dieser allgemeinen Satzformel beschreiben kann und von dem ich nachweisen kann, dass es alle Wahrheiten die mit Hilfe dieses Sprachinstrumentariums auszudrücken sind, auch beweisen kann. Das ist die Entscheidbarkeitsfrage, die Hilbert gestellt hat und womit der berühmte Goedel-Satz zu tun hat: dass man nachweisen kann, dass das nicht möglich ist. Wir werden zu überlegen haben ob die Kunst der Informationsverarbeitung diese Identifizierungsabsicht fördert und bestätigt, d.h. hier kommt Zemanek darauf zu sprechen, dass abgehoben von dem, was in der Philosophie strukturell kognitiv vorgeformt wird, in der Informatik zwar auf der Basis dieser Vorarbeiten, dann aber doch in den Bereich einer Handwerkskunst, einer Technik, einer Fertigkeit (darum sagt er hier Kunst der Informationsverarbeitung) etwas aufgenommen wird und die Frage zu stellen ist, ob die Identifikation der Realität mit der Berechenbarkeit in diese Identifikationsabsicht durch die Fortentwicklung der Logik in die Informatik gefördert und bestätigt wird. Seine Formulierung im nächsten Satz finde ich besonders glücklich und auch wirklich einprägsam signalhaft – kurz vorweggenommen, sie fördert sie aber sie bestätigt sie nicht. Man hat starke Anstoßmomente, eine starke Motivation, weil das in der der informatorisch umgesetzten Mathematik an vielen Stellen so gut und so schnell funktioniert, zu meinen, dass die Realität auch nichts anderes ist als eine Rechenprodukt, dass die Welt sich reduziert auf das was berechnet und Computermässig manipuliert werden kann.


Es gibt entsprechende Versuche und Versuchungen, aber die Kunst der Informationsverarbeitung bestätigt das nicht. Das kann man doppelt lesen. Dass man einerseits mit Informationsverarbeitung bestimmte Umsetzungen versuchen kann, hat niemals in sich den Charakter des Bestätigens. Die Bestätigung dafür, dass das identisch ist, kann in diesen Versuchen nicht liegen, denn das ist eine Frage auf einer anderen Ebene, nämlich ein methodisch systematischer Deutungsansatz. Das zweite, das man über die Bestätigung sagen kann, ist empirisch. Wenn man sich genauer anschaut, was in der Informatik passiert, mit Hilfe und auf der Basis dieser Rechenansätze, dann bestätigt sich nicht die Vermutung, dass alles beweisbar oder berechenbar ist, sondern ganz im Gegenteil. Es gibt erhebliche Überraschungen, wenn Computersysteme einen gewissen Grad an Komplexität erreichen. Dann kann man nur mehr mit dem Fuss hineintreten oder frenetisch Kommandos tippen und hoffen, dass irgendetwas passiert von dem man nicht vorhersehen kann, was es werden sollte, weil die Komplexität an der Stelle schon so groß ist, dass sie nicht mehr durchschaubar ist. Das wäre aber schon ein Extra-Thema.

Die Informatik ist daher gleichzeitig als gigantische Realisierung des positivistischen Grundgedankens anzusehen und als äußerst praktischer Grund, den positivistischen Kern der Bitverarbeitung in seiner Unvollständigkeit zu erkennen, nicht auf einer philosophischen oder sonst theoretischen Ebene, was nur ein literarischer Effekt wäre, sondern als bittere und immer wieder kostspielige Erfahrung der Industrie aller Berufe, denn fast alle werden am Computer sitzen und mit Computerresultaten arbeiten müssen um des persönlichen Lebens willen. Das klingt ein bisschen wie die Lebenssumme und wie das im einzelnen umzusetzen und zu demonstrieren ist, kann ich ihnen nicht sagen. Ich will es Ihnen aber vor Augen führen, weil das nicht, das „Die Trauben hängen zu hoch-Urteil" eines Philosophen oder einer Philosophin ist, die sich über die Informatik beschweren, sondern weil das die Aussage eine Technik-Professors und ausgewiesenen Ingenieurs ist. Das soll einmal für die Verbindung zwischen dem Wiener Kreis und der Informatik ausreichen.

Datenbanken

Ich unterbreche hier deswegen, weil ich Ihnen noch vor Augen führen möchte, wie denn so ganz oberflächlich gesehen die Arbeit mit Datenbanken aussieht. Mein Anliegen ist nicht, dass Sie das können, aber dass Sie einmal gesehen haben, wie die Sachen ausschauen und damit ein gewisser Effekt des Erschreckens wegfällt, wenn Sie einmal in anderen Zusammenhängen damit konfrontiert werden. Und auch um Ihnen ein paar von den Überlegungen zu zeigen, die typisch für Datenmodellierung sind und die man in Beziehung setzen kann zu den Überlegungen, die wir im Traktat angestellt haben. Nehmen wir ein Buch – ich habe Ihnen ein paar Beispiele im Zusammenhang mit dem Werk von Quine gebracht (ein altes Buch und Open Source frei verfügbares Anschauungsmaterial) und ich glaube, es ist nicht ganz verkehrt, in einer Vorlesung über Philosophie an etwas anzuknüpfen, was Sie zwar nicht mehr handgreiflich erlebt haben, es sei denn, Sie sind so wie ich schon ein bisschen älter, aber was noch immer eine gewisse Erfahrungstatsache ist, nämlich der Zettelkasten. Es gab, als ich zu studieren begonnen habe, und viel später auch noch und manchmal gibt es sie noch immer, die Zettelkästen, die ja mittlerweile etwas berückend, verstaubt nettes haben, mit all diesen abgegriffenen Kärtchen, an denen der Schweiß von Studierenden-Generationen klebt. Die Zettelkästen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie eine ganz selbstverständliche und natürliche Zugangsweise gehabt haben. Man hat pro Buch einen Zettel angelegt, wo der Name des Autors, der Name des Buches, der Verlag draufgestanden ist. Eventuell noch ein Stichwort, aber es reicht einmal der Autorenkatalog. Ich sage am Ende noch etwas über den Stichwortkatalog, denn sobald es um Stichworte geht, ist noch etwas eklatanter sichtbar, warum man eine Datenbank braucht, anstatt des Zettelkastens.

Beim Zettelkasten ist es noch vergleichsweise nachvollziehbar. Man kann sich vorstellen, dass das noch immer funktionieren könnte. Man hat in den Zettelkästen, noch bevor jeder Computer begonnen hat zu laufen, wie man heute sagen würde, ein Datenmodell. Damals hieß Standard für bibliografische Erfassung von Buchdaten. Das gibt es seit hunderten Jahren und es besteht genau darin, was ich ihnen gesagt habe. Man ist zu der Auffassung gekommen, für ein Buch ist dieses und dieses wichtig. Sie wissen, dass sich die Reichhaltigkeit der Buchkultur so ausdifferenziert hat, dass es nicht einfach ist, zu sagen, was eigentlich alles zu einem Buch dazu gehört. Ich beschränke mich wirklich auf das absolut elementarste. Was ein Buch auf jeden Fall haben muss, ist eine AutorIn, einen Verlag und ein Erscheinungsjahr. Wenn es nicht zu einem Zeitpunkt erschienen ist, wenn es nicht von jemand getragen wird, von jemand gedruckt wurde, – in dieser Auflistung steckt eine Ontologie. Damit nämlich ein Buch zu Stande kommt, muss es einen kreativen Einfluss, eine kreative Tätigkeit einer Person geben, es muss jemanden geben der über einen Apparat verfügt, der die Produkte dieser Person auf gedruckte Seiten umsetzt und es muss an einer Stelle, zu einem bestimmten Zeitpunkt der Öffentlichkeit übergeben werden. Reduzieren wir uns einmal darauf.Dann ist es so, (das war jetzt mein vorheriger Punkt) dass sie gar nicht aus können, wenn sie Millionen von Büchern haben, so wie es in großen Bibliotheken der Fall ist, dann brauchen sie diese Art von Typisierung. Sie stehen jetzt nicht vor der Frage „braucht man die überhaupt?“, sondern „wie geht man am besten mit der Typisierung um?“ Vor allem angesichts der Möglichkeiten, eine solche Manipulation von Daten, von Zettelkästen computermäßig umzusetzen. Da ergeben sich einige, ganz elementare Beobachtungen die Sie im Griff haben. Man ist so schnell übergegangen vom Zettelkasten zu OPAC, dass Sie bestimmte wesentliche Schritte, die dabei eine Rolle spielen, gar nicht wirklich merken und nicht reflektiert haben, die aber herauskommen, wenn man über Datenmodellierung redet, die ja dem OPAC zu Grunde liegt.

Ein schöner Weg, das herauszuarbeiten ist der, darauf hinzuweisen, dass die Zettelkästen eine massive Redundanz erzeugen. Sie haben für jede AutorIn und jede Publikation dieser AutorIn einen eigenen Zettel. Sie müssen an der Stelle – das hat man nicht als Schwierigkeit empfunden, aber es ist einfach ein Faktum – den Namen dieser AutorIn wenn sie 25 Bücher geschrieben hat, 25 Mal auf diese Zettel schreiben, 25 einzelne Zettel. Es wird Ihnen schon einmal vorgekommen sein, dass, wenn diese Frau oder dieser Herr einen komplizierten Namen hat, der eine oder andere Buchstabe am einen oder anderen Zettel falsch geschrieben worden ist. Oder aber Sie haben 500 Verlage. Diese müssen auf all den Zetteln draufstehen, die von Büchern handeln, die diese Verlage herausgegeben haben. Verlage können unterschiedliche Bezeichnungen tragen, oder aber sie vertippen sich beim Eintragen von Verlagen. Das sind Dinge, die Sie, wenn Sie mit dem Zettelkasten operieren, leicht tolerieren, weil eine höhere Ordnung, auch wenn ein Name vertippt ist, es an der richten Stelle eingeordnet hat. In der Regel wird das ausgebügelt. Das ist aber mehr Arbeit, Fehleranfälligkeit, Redundanz die in dem normalen Zettelkastensystem drinnen steckt, und das ist der Punkt, an dem man jetzt beginnen kann zu diskutieren, wie man sich das, was ein Buch darstellt günstiger zu zurechtlegt, als dass mann 100 Zettel in den Zettelkasten steckt, um nur ein paar von den Schwierigkeiten zu nennen, die sich im alten System leicht ergeben haben, die aber trotzdem nicht ganz in Ordnung sind und gewissen Komplikationen bringen können. Wenn z.B. eine Autorin ihren Namen ändert weil sie heiratet oder sich scheiden lässt, dann sind plötzlich zwei Namen drinnen und diese beziehen sich auf die selbe Person. Wie wissen sie, ob die zweite Person die selbe Person ist, wie sollen sie damit umgehen? Wollen sie das überall ändern? Wenn sie den neuen Namen überall ändern, sind sie sicher, dass sie keinen übersehen haben? Dann geht es nicht nur darum, dass der Name an den Stellen zu ändern ist, wo sie ein Buch geschrieben hat, sondern auch wo sie einen Beitrag zu einem Buch geschrieben hat.

Die Antwort auf diesen Typus von Fragen in einer relationalen Datenbanktheorie besteht darin, dass man sagt, wenn das hier ein Buch ist, soll der Eintrag im Zettelkasten nicht so ausschauen. Insofern ist es in einer Datenbank nichts anderes als der Eintrag in einem Zettelkasten, aber wir sind gerade dabei, die Art und Weise, wie Zettelkästen analysiert werden, umzustellen. Sie haben hier eine eindeutige Identitiy des Buches, einen Titel, einen Verleger, einen Erscheinungsort, die Seitenzahl, und einen Autor. Das sind die Dinge, die sie als Muster, als Maske auf einen Zettel schreiben können. Aufgrund der, von mir angesprochenen Komplikationen geht man jetzt standardmäßig zu folgendem über. Sowohl den Verlag als auch den Autor muss man herausnehmen. Es ist sinnlos, sie auf dieselbe Seite in eine Tabelle – Sie erinnern sich an diese Tabellen, die ich Ihnen schon gezeigt habe – zu schreiben, aus Gründen, die ich schon angeführt habe. Wir lagern die AutorInnen und VerlegerInnen aus in einzelne Tabellen. Wir legen für diese Angaben eine zusätzliche Tabelle an, in der wir die Verleger identifizieren, benennen, lokalisieren, und wir definieren zwischen diesen Tabellen geeignete Beziehungen, sodass z.B. zwischen der Tabelle „Buch“, die den Titel des Buches und das Erscheinungsjahr enthält und den hier zu Verfügung stehenden AutorInnen die Beziehung „hat geschrieben“. „VerfasserIn“ ist eine Beziehung zwischen den Tabellen, die so aussieht, dass es jeweils einen Eintrag für eine Person in dieser AutorInnentabelle gibt und diese Beziehung „eins : vielfach“ ist, weil eine Person mehrere Bücher schreiben kann.

Das ist ein besonderer Charakter. Der Beziehungscharakter zwischen AutorIn und Buch ist ähnlich dem Verlag, denn ein Verlag kann viele Bücher herausgeben. Das ist ein Extra- Charakteristikum von der Beziehung, die Verlage zu Büchern haben können. Ich will Ihnen das einmal kurz vorführen, wie das in SQL aussieht. Als ich das erste Mal von Datenbanken gesprochen habe, habe ich Ihnen nur die Tabellen in einer schönen Webdarstellung vorgestellt. Jetzt will ich Ihnen die Logik dahinter zeigen, die Logik der Umsetzung dessen was ich gerade gesagt habe. Die Überlegung ist also die: wir wollen einen Tabelle produzieren. Darin soll es Attribute (das sind die Überschriften der einzelnen Kolumnen) für eine ID geben. Wir können hier sehen, das ist ein Befehl, der an eine Datenbank abgesetzt wird: „create – table – book“ und dieser „table“ soll der Name der Tabelle sein: „Book-Tabelle“. Diese Tabelle soll die folgenden Kolumnentitel haben: Book-ID, Titel, Publisher-ID, Erscheinungsjahr-ID, Pages-ID. Diese Kolumnen sollen erzeugt werden und hier gibt es noch zusätzliche Angaben, nämlich welche Bedingungen diese erzeugten Kolumnen haben sollen, z.B. hat die Buch-ID oder das Datum oder die Seitenanzahl zu Simplizitätszwecken den Datentypus „integer“, zum Unterschied vom Titel, der den Datentypus „variable character“ hat (Er kann bis zu 150 Charakter groß sein). So einen Tabelle wird durch diesen Befehl erzeugt. Sie haben hier eine ähnliche Struktur für die Tabelle „Autor“ eine Autoren-ID: Nachname, Vorname, Key, nach dem man sortieren kann, Publisher ebenso. Das habe ich auch aus dem Buch genommen zum visualisieren der Zusammenhänge die den Zettelkasten ersetzen. Was ich Ihnen jetzt demonstriert habe, ist die Konzeption dessen, wie soetwas heutzutage ausschaut, dass bibliografische Angaben über Tabellen verteilt erfasst werden, in der nötigen Abhängigkeit voneinander: Entity-Relationship-Diagramme Entities sind in der SQL Sprache diese einzelnen, durch Publisher, Book, Author, Name, gekennzeichneten Kristallisationspunkte des Datenmodells, als das, worauf die Träger des Datenmodells, die definiert werden, als Basics und für die Relationships definiert werden. Diese Relationships, zusammen mit den Entities charakterisieren das was man hier modellieren will. Sie haben hier das Buch mit einem Titel, einem Erscheinungsjahr und einem Publisher, wobei der Publisher – es gibt hier eine Relation, in dem Fall ist es eine Relation des „publiziert habens“ – ist nicht eingetragen in dieser Tabelle, sondern er ist mit einem „Foreign Key“ in dieser vertreten. Der Key verweist auf diese Entity „Publisher“, die eine Auflistung der verschieden Verlage enthält, von denen man sprechen möchte. Ein ähnliches Verhältnis „hat geschrieben“ zwischen Autoren zum Buchverhältnis, was hier unten ist, ist zusätzliche Komplexität, die sie sich leicht ausrechen können, auf die ich hier jetzt nicht eingehe. Ich möchte Ihnen aber noch in der Tabelle zeigen, was erzeugt wurde: Book-ID, Titel, Publisher, Date und Pages. Wenn sie jetzt in diese Tabelle Daten eingeben (das ist vergleichbar damit, dass sie einen Zettel ausfüllen und das schaut dann so aus: das sind die Daten, die sie als Liste in die Tabelle „Bücher“ importieren können. Die einzelnen Kolumnen sind durch Trennstriche charakterisiert, so auch bei den Autoren. Das ganze läuft auf eine Demonstration in einer Weboberfläche hinaus. Hier habe ich eine Datenbank „Books“ angelegt, die noch leer ist. Um ihnen die Nähe der gedanklichen Konstruktionen mit der Umsetzung zu zeigen, mache ich nichts anderes als das Script das Herr Quine zur Verfügung gestellt hat. In diesem Script werden die einzelnen Tabellen, die wir hier angesprochen haben, erzeugt und die Beispieldaten die in die in Extrafiles von Quine zur Verfügung gestellt werden, werden in diese Tabelle eingefügt. Wir kopieren dieses Script und geben es als SQL Befehl ein. Die erste Zeile habe ich weggelassen, weil hier steht „create database book“. Wenn ich das versuche, wird eine Datenbank „Buch“ erzeugt, die ich schon habe, bzw, wird nichts erzeugt, weil es die Datenbank schon gibt.

Ich habe hier die entsprechenden Tabellen erzeugt. Das ist die Struktur des Buches (analog zur Personaldatenbank am Institut für Philosophie) Hier haben Sie die allgemeine Struktur und ich habe auch schon einen entsprechenden Datensatz hineinkopiert: den Titel und die Buch-ID im Prinzip noch ohne diese Daten, Wenn Sie sich den Befehl zur Definition einer Tabelle anschauen, werden Sie eine Vorkehrung finden, die „not null“ heißt (Nicht Null = da darf per Definition der Erzeugung der Tabelle an dieser Stelle kein Leerwert stehen) Es darf kein Buch geben, das keinen Titel hat, oder es muss „Ohne Titel“ heißen. Das ist deswegen eine interessante Nebenbemerkung, weil daraus auch hervorgeht, dass mit der Modellierungstätigkeit, womit wir uns hier beschäftigen bestimmte Sinnvoraussetzungen eingebaut werden in unsere Modellwelt. Diese Modellwelt die ich ihnen hier dargestellt habe, (das ist der wittgensteinianischen Punkt) ist als Modellbuchwelt für uns durchsichtig. Die Bedingungen dessen was wir an der Stelle mit einem solchen Datenmodell wie wir es hier herschreiben, modellieren können, haben wir unter Kontrolle. Das ist tatsächlich in einem Sinn berechenbar. Hier ist ein Abschluss Die Erzeugung – das Book-create-Script, das ich Ihnen hier gezeigt habe, ist in einer gewissen Weise die Umsetzung der allgemeinen Weltformel vom Tractatus mit der ich heute begonnen habe, auf die kleine, extra zurecht geschnittene Welt von Büchern die wir hier besprochen haben und damit ist es Ende, was an der Stelle wichtig ist zu sagen. Wenn ich nur eine Chance habe wie z.b einen Wunsch, dann muss man diesen eine Wunsch so treffen, dass damit schon alles erfasst ist und der tragisch-heroisch-komische Ansatz vom Traktat besteht darin, dass er sagt, ich habe eine Chance. Mit der einen Chance muss ich die Sprache so erfassen, dass sie alles das enthalten kann, was die ganze Welt sein kann. Heruntertransformiert in den Bereich von Datenbanken und den Umgang mit Modellwelten ist es so, dass ich sagen kann, hier habe ich einen Entwurf. Wenn ich einen Entwurf habe, ist tatsächlich durch dieses Script die Welt festgelegt, so wie ich es hier erzeugt habe. Darüber muss man nicht weiter reden. Dass muss man nur im Nachhinein untersuchen – was habe ich hineingeschrieben – dann muss ich mich nicht wundern, warum es so ist – was allerdings nicht heißt, (das ist die Schlussfolgerung daraus) dass man es nicht ändern oder umschreiben oder der Frage unterziehen kann, ob es etwas anderes gibt, was ich modellieren will, will oder muss ich es anders modellieren, kann ich es überhaupt modellieren? Diese Fragen gehen über die Festlegung hinaus, die eine solche Datenbank jeweils machen kann, sind aber sinnvoller Weise zurückzuführen auf die Fähigkeit, solche Modellierungen zu machen. Mein Anliegen in dieser Vorlesung allgemein, wie sie jetzt vermutlich schon klar sehen, ist es, darauf hinzuweisen, dass es nicht ausreicht, auf der einen Seite Leute zu haben, die solche Scripts schreiben und auf der anderen Seite Leute, die philosophische Reflexionen anstellen und sagen, es ist mir viel zu rigide. Ich will Phantasie spielen lassen. Die Phantasie, die mich interessiert ist die, die diese beiden Sprachtätigkeiten miteinander verbindet.